Ottos Kaiserkrönung: eine Frage.

lupusmaximus

Neues Mitglied
Hallo,
ich schreibe einen Aufsatz über Otto den Großen und mich würden alternative Meinungen zu folgender Frage interessieren:

Widukind von Corvey schreibt, Otto der Große wäre nach der Schlacht
auf dem Lechfeld (955) noch vor Ort zum Kaiser ausgerufen worden.
Er selbst bezeichnet ihn von diesem Zeitpunkt an auch als "Imperator",
und das obwohl die eigentliche Kaiserkrönung in Rom (962) noch
in weiter Ferne lag. Auf diese "echte" Krönung geht Widukind anscheinend
auch nicht ein, so als existiere sie für ihn gar nicht bzw. wäre nicht von
Bedeutung.
Ist das nicht ziemlich seltsam?
Ob Otto nach der Schlacht möglicherweise nicht einfach nur von den Truppenzum Kaiser ausgerufen wurde, wie Widukind knapp schreibt (und sich das nicht einfach von antiken römischen Autoren abgeschaut hat), sondern ob er sich von den anwesenden Großen (Truppenführer) sozusagen hat wählen (bestätigen) lassen?
Eine Wahl die man später in Rom vom Papst sozusagen legalisieren ließ?
"Kaiser ist der, dessen Reich hervorragt im ganzen Erdenreich", lautete
ein alter Grundsatz. Das war bei Otto gewiss der Fall.
Aber ob Otto, vor der offiziellen Krönung durch den Papst, nicht doch vielleicht schon mehr war als nur Kaiser dem Ansehen nach?
 
Schau doch mal in Ottos Urkunden, von wann an er sich darin als Imperator bezeichnet. Und, solltest du Zugang zu einer Universitätsbibliothek haben, setzt dich doch mal dort vor den Rechner und jag die Passage bei Widukind mal durch die Library of Latin Texts (das geht nicht von zuhause aus, es sei denn, du kannst von zuhause auf diverse Institutslizenzen zurückgreifen), dann wirst du möglicherweise sehen, dass Widukind sich an einer Vorlage orientiert hat und könntest daraus dann Schlüsse ziehen.
 
[..]dann wirst du möglicherweise sehen, dass Widukind sich an einer Vorlage orientiert hat und könntest daraus dann Schlüsse ziehen.

bedeutet eine ähnliche formulierung bezüglich der akklamation aber automatisch, dass die sache an sich von a-z erfunden ist? macht man es sich da nicht zu einfach? hinzu kommt, dass die glaubwürdigkeit vieler als zeitgenössisch bezeichneter urkunden als zweifelhaft gelten muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
kannst Du mal bitte den Originaltext einstellen?
Otto und vorallem Widukind sind Sachsen, Widukind ist "Mann Ottos".
Da steht oft was anderes, als das , was man gemeinhin übersetzt.
Oder anders, es ist anders gemeint. "Imperator" muß nicht "Kaiser" heißen.
Imperator ? Wikipedia
das kann auch gemeint sein, dann wäre Otto auf Grund des Sieges nicht nur König des ostfrankenreichs und Herzog der Sachsen sondern "anerkannter Anführer aller" geworden.
Schwer zu erklären, wenn man nicht versteht, "warum Sachsen keinen König haben".

Vielleicht so:
Otto ist vor der Schlacht Sachsen als Befehlshaber der Armee des ganzen Reichs, danach ist er das Reich.
 
Widukind ist tendenziös. Er hielt offenbar wenig von einem Kaisertum, das der Papst gewährte, von daher hat er die Geschichte mit der Ausrufung nach der Lechfeld-Schlacht vermutlich erfunden. Es gibt doch eine ähnliche Behauptung, daß bereits Heinrich I. vom Heer zum Kaiser ausgerufen worden sei. In den Titulaturen der zeitgenössischen Quellen wird m. W. der Titel des "Imperator Augustus" nicht vor 962 verwendet.
 
Widukind von Corvey schreibt, Otto der Große wäre nach der Schlacht
auf dem Lechfeld (955) noch vor Ort zum Kaiser ausgerufen worden.
Er selbst bezeichnet ihn von diesem Zeitpunkt an auch als "Imperator",
und das obwohl die eigentliche Kaiserkrönung in Rom (962) noch
in weiter Ferne lag. Auf diese "echte" Krönung geht Widukind anscheinend
auch nicht ein, so als existiere sie für ihn gar nicht bzw. wäre nicht von
Bedeutung.
Ist das nicht ziemlich seltsam?

Widukind von Corvey schreibt (III, 49), dass Otto noch auf dem Schlachtfeld am 10. August 955 vom siegreichen Heer zum "imperator" ausgerufen wurde. Allerdings hatte das keine staatsrechtliche Bedeutung und war zu diesem Zeitpunkt eher ein Ehrentitel, auch wenn sich nicht übersehen lässt, dass Otto in den Augen seiner Zeitgenossen schon eine imperiale Stellung einnahm. Die staatsrechtlich verbindliche Kaiserkrönung erfolgte bekanntlich erst am 2. Februar 962 in Rom.

Man kann allerdings darüber spekulieren, ob das Heer bereits im Hinblick auf die geplante Kaiserkrönung von Vertrauten Ottos zu dieser Kundgebung bewogen wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oder anders, es ist anders gemeint. "Imperator" muß nicht "Kaiser" heißen.
Imperator ? Wikipedia.

ob im mittelalter die andere bzw. ursprüngliche wortbedeutung aus römisch-republikanischer zeit noch geläufig oder gar gebräuchlich war? die frage ist aber tatsächlich, ob wikunds geschichte (und es stimmt, er ist tendenziös) pure fantasie ist, oder ob otto dem großen doch eine besondere ehrung nach der schlacht zuteil wurde. vielleicht so ähnlich wie nach altgermanischer art der schilderhebung. wobei das natürlich alles reine spekulation ist. ps: originalltext widukinds wäre hilfreich.
 
Da Widukind an anderer Stelle eine geschliffene Feder zeigt (Ironie und Sarkasmus fließend) dürfte ihm die Bedeutung von "Imperator" bekannt gewesen sein.

Es wird ja vermutet, -wo ich das gelesen habe und obs stimmt?-, das Widukind von Corvey aus der Familie Widukinds , Graf von Engern, stamme.

Dann gehört seine Familie wie die Ottos zu den "groten Heren", was zu einer "speziellen Sicht" der Dinge führt. Es geht um die Zuerkennung von Entscheidungsgewalt, Anerkennung der persönlichen Autorität
 
bedeutet eine ähnliche formulierung bezüglich der akklamation aber automatisch, dass die sache an sich von a-z erfunden ist? macht man es sich da nicht zu einfach? hinzu kommt, dass die glaubwürdigkeit vieler als zeitgenössisch bezeichneter urkunden als zweifelhaft gelten muss.

Nein, eine ähnliche Formulierung bedeutet nicht, dass ein Sachverhalt automatisch gleich falsch ist. Sie bedeutet aber, dass man sie unter Vorbehalt lesen muss, insbesondere dann, wenn ein Autor wortwörtlich aus einer anderen Quelle, z.B. der Bibel zitiert. Man kann dann annehmen, dass es einen ähnlichen Vorgang gegeben hat, muss aber im Rahmen der Q-Kritik noch mehr Abstriche bei der Glaubwürdigkeit machen, als sowieso schon.

Bei Urkunden ist das eine andere Sache. Im Gegensatz zum Geschichtsschreiber, der aus einer zeitlichen und räumlichen Distanz - meist jedenfalls - zum Ereignis schreibt (im hiesigen Beispiel Schlacht auf dem Lechfeld 955, Kaiserkrönung Ottos 962, Widukinds Sachsengeschichte 967/968), markiert eine Urkunde einen Rechtsakt. Vereinfacht:
Geschichtsschreiber = mittelbar
Urkunde = unmittelbar

kannst Du mal bitte den Originaltext einstellen?
Otto und vorallem Widukind sind Sachsen, Widukind ist "Mann Ottos".
Da steht oft was anderes, als das , was man gemeinhin übersetzt.
Oder anders, es ist anders gemeint. "Imperator" muß nicht "Kaiser" heißen.
Imperator ? Wikipedia

Im Mittellateinischen allerdings schon!
Und der Kontext spricht für sich: "triumpho celebri rex factus gloriosus ab exercitu pater patriae imperatorque appelatus est"

Die erste erhaltene Urkunde, in der Otto sich als Imperator Augustus bezeichnet ist auf jeden Fall die vom 13. Februar 962, in der Zählung des entsprechenden Bandes der MGH Diplom Nr. 235.
dMGH | Band | Diplomata [Urkunden] (DD) | | K I / H I / O I: Konrad I., Heinrich I. und Otto I. (DD K I / DD H I / DD O I) | Diplome


Man kann allerdings darüber spekulieren, ob das Heer bereits im Hinblick auf die geplante Kaiserkrönung von Vertrauten Ottos zu dieser Kundgebung bewogen wurde.

Sieben Jahre zuvor und ohne, dass Otto Karolinger war bzw. nach vierzig Jahren ohne Kaiserkrönungen?

Es wird ja vermutet, -wo ich das gelesen habe und obs stimmt?-, das Widukind von Corvey aus der Familie Widukinds , Graf von Engern, stamme.

Es gibt einige Indizien dafür. Zunächst mal die Leitnamenkontinuität. Und offenbar wurde in der Familie seit der letzten Niederlage Graf Widukinds und seiner Verbannung ins Kloster (nach Althoffs Auswertung von Verbrüderungsbüchern vermutlich auf die Reichenau) der Name Widukind für solche Söhne reserviert, denen es vorherbestimmt war ins Kloster zu gehen.
Das zweite wichtige Indiz ist Widukinds von Corvey besonderes Interesse für Mathilde, die Immedingerin, also Nachfahrin Widukind war. Wäre er auch Immedinger, würde seine direkte Verwandtschaft zur "Kaiserin" zumindest das auffällige Interesse ihr gegenüber erklären. (Adelheid, die Frau Ottos I., Mutter Mathildes von QLB, als Widukinds Schülerin, und Ottos II. kommt z.B. in der Sachsengeschichte gar nicht vor).
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sache mit Ausrufung vom (Kriegs-)Volk als Imperator ist eine oft aufgefallene Darstellung vom Widukind.
Will Widukind ein Zeichen setzen, ausgerufen vom Volk und nur vom Papst bestätigt?
Gut 100 Jahre später ist die Frage ein ganz heißes Thema in der Tagespolitik, wer ist mächtiger Papst oder Kaiser?
 
Otto ist nicht vom Heer zum Kaiser ausgerufen worden, sondern wurde mit dem Titel "pater patriae imperatorque" genannt, bei der "Siegefeier".
"Dieser in der Tat großartige König wurde vom Heer ( gemeint sind die anwesenden Großen) als Vater des Reiches und Kaiser gefeiert.

Diese Anerkennung seines verehrten Ottos geht Widukind noch 10 Jahre später runter wie Öl. Wichtig ist ihm aber die Anerkennung und Ehrung König Ottos. Otto tritt aus der Provinzialität ins Rampenlicht der Weltgeschichte, in die Fußstapfen Karls.
.
Ein Nachfahre Widukinds ist mit pater patriae mehr geehrt und anerkannt als KdG !!

Rechtlich ist das ganze ohne Belang
 
Otto ist nicht vom Heer zum Kaiser ausgerufen worden, sondern wurde mit dem Titel "pater patriae imperatorque" genannt, bei der "Siegefeier".


:confused:

"Dieser in der Tat großartige König wurde vom Heer (gemeint sind die anwesenden Großen) als Vater des Reiches und Kaiser gefeiert.

Wieso sollten die anwesenden Großen gemeint sein, wenn dort 'Heer' (exercitus) steht? Zumal Widukind auch an anderer Stelle auf die Bedeutung der freien Bauern in Ottos Heer hinweist.
Zumal es im römischen Reich nicht unüblich war, dass die Kaiser von den Legionen ausgerufen wurden. Daher auch die Skepsis, ob wir es überhaupt mit einem historischen Sachverhalt zu tun haben.



Diese Anerkennung seines verehrten Ottos geht Widukind noch 10 Jahre später runter wie Öl. Wichtig ist ihm aber die Anerkennung und Ehrung König Ottos.

Wenn die ganze Geschichte denn überhaupt so stattgefunden hat und nicht einfach eine Übernahme aus alten Quellen, mit denen Widukind sich nachweislich beschäftigte, ist.


Otto tritt aus der Provinzialität ins Rampenlicht der Weltgeschichte, ...

Welche Anhaltspunkte siehst du dafür? In Ottos eigener Dokumentation ist keine Änderung seines Verhaltens etc. zu bemerken.


Ein Nachfahre Widukinds ist mit pater patriae mehr geehrt und anerkannt als KdG!!

Dir ist aber schon klar, dass der Terminus pater patriae zur altrömischen Kaisertitulatur gehörte?

Rechtlich ist das ganze ohne Belang

Wenn, ja wenn es denn überhaupt historisch ist.
 
weil das zur altrömischen Kaisertitulatur gehört, behauptet Widukind das ganze.
Wenn das statt gefunden hat, dann in den Reden unter dem Jubel des Heeres.

So in Form eines Trinkspruchs o.ä. Hätte Widukind hier die unteren Chargen gemeint, ich weiß nicht wie er´s geschrieben hätte. vielleicht mit einem "toto" im Satz, also "das ganze Heer". Wenn Widukind die freien Bauern hervorhebt, die sich für Otto schlagen, sind´s immer Sachsen. Es waren sicher nicht alle an der Schlacht beteiligten dabei und haben das mit dem Titel gehört (die hätten sicher den "Terminus Technicus" auch nicht verstanden.)

Widukind hätte nicht die klassische Formel "pater patriae imperatorque" verwendet, wenn diese Worte nicht gefallen wären. Zu erwarten wäre ja " Imperator augustus et pater patriae", wenn Kaiser gemeint wäre. So gehts aber um die Ehrung und Anerkennung.
Otto selbst ändert sein Verhalten nicht, warum auch. Es war ein großer Sieg, eine schöne Siegesfeier? und ein mächtig feines Schulterklopfen. Alle wußten jetzt wer er ist, er wußte das ja schon vorher. Und das man die Fußstapfen KdGs ausweiten will, ausweitet, muß man ja als Otto den Franken nicht unter die Nase reiben, dafür hat man Widukind und die freien Bauern ;-)..

Außerdem ist das Widukind wichtig, nicht zwingend Otto
 
So in Form eines Trinkspruchs o.ä. Hätte Widukind hier die unteren Chargen gemeint, ich weiß nicht wie er´s geschrieben hätte. vielleicht mit einem "toto" im Satz, also "das ganze Heer".

Wozu?! :nono: Mit Heer ist normalerweise das Heer gemeint, die Gesamtheit der (Land)Streitkräfte, da bedarf es keines erweiternden Adjektivs. Exercitus steht für sich..


Widukind hätte nicht die klassische Formel "pater patriae imperatorque" verwendet, wenn diese Worte nicht gefallen wären.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Da die Kenntnisse des Lateinischen dem Klerus vorbehalten waren, kann man wahrscheinlich die ganze Episode, mindestens aber den Wortlaut als unhistorisch verwerfen.


Zu erwarten wäre ja " Imperator augustus et pater patriae", wenn Kaiser gemeint wäre.

:confused: In historiographischen Texten ist fast nie vom Imperator Augustus die Rede sondern fast immer nur vom Imperator, das Augustus taucht allenfalls in Urkunden auf, häufig durch ein semper von Imperator abgetrennt, was noch einmal den adjektivischen Wert des Augustus unterstreicht.
 
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Da die Kenntnisse des Lateinischen dem Klerus vorbehalten waren, kann man wahrscheinlich die ganze Episode, mindestens aber den Wortlaut als unhistorisch verwerfen.
Da das Werk auf Lateinisch verfasst ist, ist es wohl nicht weiter erstaunlich, dass der Inhalt der angeblichen Ausrufung auf Lateinisch wiedergegeben wird. Dass es sich um den exakten Wortlaut handelt und das Heer lateinische Wörter verwendet hat, behauptet doch niemand.
 
Wie ist dann deiner Meinung nach Wilfried Äußerung "Widukind hätte nicht die klassische Formel 'pater patriae imperatorque' verwendet, wenn diese Worte nicht gefallen wären" und die zugehörige Argumentation zu verstehen?
 
Mit "niemand" meinte ich vor allem Widukind selbst, der in seinem Text nicht den Anspruch erhebt, den exakten Wortlaut wiederzugeben, und andere Autoren.
 
@ el Quichote @ Ravenik, im Zweifel alle drei.
Wenn die Worte gefallen sind, dann von einem Kleriker. Unter Beifall anderer.
 
Sieben Jahre zuvor und ohne, dass Otto Karolinger war bzw. nach vierzig Jahren ohne Kaiserkrönungen?

Man kann davon ausgehen, dass der Plan einer Kaiserkrönung von Otto und seinen Beratern nicht spontan gefasst, sondern sorgsam über einen längeren Zeitraum erwogen und geplant wurde. Daher halte ich es für denkbar, dass solche Überlegungen bereits einige Jahre vor der Krönung angestellt wurden, die dann 962 erfolgte. Die Ungarnschlacht mag sieben Jahre zuvor Anlass gewesen sein, einen ersten Vorstoß in diese Richtung zu unternehmen, um zu testen, wie Adel, Heer und Volk auf einen "pater patriae imperatorque" reagieren würden.

Dass solche Überlegungen durchaus spekulativ sind, habe ich oben schon betont, dass man sie anstellen kann, ist freilich legitim.
 
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