Themenwoche "El Cid Campeador" – Montag | Der Protagonist: Rodrigo Díaz

Rodrigo oder auch Ruy Díaz stammt laut Überlieferung aus einer Familie kastilischer Richter, sein Vorfahr Laín (Flainus) Calvo aus dem frühen neunten Jahrhundert ist der erste dieser Ahnenreihe. Dessen Echtheit ist allerdings umstritten. Eine sichere Überlieferung setzt mit dem Großvater ein, Laín Núñez, der als Zeuge in Dokumenten Ferdinands I. auftritt. Diego Laínez, Sohn von Laín Núñez und Vater des Cid machte sich in Auseinandersetzungen mit Navarra gegen König García, einem Bruder seines "Dienstherren" Fernando einen Namen. Dessen Sohn Rodrigo - el Cid - soll in Vivar, wenig km nördlich der kastilischen Metropole Burgos geboren worden sein. Das Geburtsjahr ist unbekannt, doch erstmalig hört man vom jungen Ruy 1063, als er als Höfling mit Sancho, dem ältesten der drei Söhne Ferdinands,in die Schlacht von Graus (Gradus) reitet. Ramiro I. von Aragón eroberte diese von den Banū Hūd, den Herrschern der taifa von Zaragoza, regierte Stadt. Ferdinand schickte nun seinen Ältesten gegen seinen eigenen Bruder, um die Stadt Graus für das mit ihm verbündete Zaragoza zurückzuerobern. Ramiro starb in dieser Schlacht, angeblich von einem als Aragonesen verkleideten Muslim getötet. Laut der Historia Roderici tötete Sancho seinen Onkel.
1064 eroberte Ferdinand Coimbra (heute Portugal) und teilte dort sein Reich unter seinen Söhnen auf: Der Älteste, Sancho, erhielt Kastilien und wurde damit zum Lehnsherren von Ruy Díaz, der wohl auch Anführer seiner Truppen und seiner Leibwache wurde (er ist in dieser Zeit als alferez (aus arab. al-Fārīs) und armiger regis, also als 'Fahnen- und Waffenträger des Königs' belegt). Alfonso, der Liebling Ferdinands, erhielt León und der Jüngste, García, erhielt Galizien; die Tochter Urraca erhielt das Umland von Zamora zum Lehen. 1065 starb Fernando und seine drei Söhne traten ihre Herrschaften an. Als 1067 auch die Mutter der drei starb, begannen sie, sich untereinander zu bekämpfen. Sancho war der erfolgreichste der drei und García und Alfonso mussten in Exil. García kam zu den 'Abbādiden nach Sevilla, Alfonso zu den Banū Dū-n-Nūn nach Toledo. Neun Monate nach seinem Sieg über Alfonso – 1073 - wurde Sancho bei der Belagerung Zamoras ermordet. Alfonso VI. wurde nun König über die drei Reiche, sein Bruder García verbrachte den Rest seines Lebens in Ketten. Ruy Díaz, als Vertrauter Sanchos und Sprecher des kastilischen Adels soll Alfons den Eid von Santa Gadea (einer Kirche in Burgos) abgenötigt haben, dass dieser nicht in die Ermordung seines Bruders verstrickt gewesen sei. Ramón Menéndez Pidal hat diesen Eid als historisch angesehen, die Überlieferung dazu stammt aber aus dem 13. Jahrhundert und er ist alles andere als gesichert. Im Gegenteil muss seine Historizität eher angezweifelt werden: In zeitgenössischen Quellen geht der Übergang der Herrschaft von Sancho auf seinen Bruder Alfonso zwar nicht bruchlos vonstatten – Rodrigo verliert das Amt des armiger regis – aber noch lässt sich kein Bruch zwischen dem König und seinem Lehnsmann feststellen. Rodrigo wird mit wichtigen Aufgaben betraut, so ist er in mindestens zwei Gerichtsverhandlungen als Richter tätig, mit Pedro Ansúrez und Sisnando Davídiz. Graf Pedro Ansúrez war der Lehrer und Erzieher Alfonsos und ist die urkundlich am meisten belegte Gestalt am leonesischen Hof, er war wahrscheinlich mit Alfonso in der toledanischen Verbannung; Sisnando Davídiz war der Mann für heikle Missionen ins islamische Spanien, nach 1064 Gouverneur von Coimbra unter Ferdinand und – 1085/86 Gouverneur von Toledo unter Alfonso. Auch verheiratete Alfons Rodrigo über Stand: Jimena, Rodrigos Frau, war die Tochter eines asturischen Grafen, ihre Brüder übernahmen dieses Amt sukzessive.
In den Jahren 1079 und 1081 zeigte sich Rodrigo Díaz ziemlich eigensinnig und machte sich so bei Hofe unbeliebt. Zum einen demütigte er seinen Trauzeugen García Ordóñez, einen der engsten Vertrauten des Königs (er ist am zweithäufigsten als Zeuge in den alfonsinischen Königsdokumenten belegt), zum anderen unternahm er einen Raubzug in die Ländereien des von Alfonso protegierten muslimischen Königreiches Toledo. Dies führte zu seiner ersten Verbannung, mit der das Poema de Mio Cid beginnt:
De los sos ojos tan fuerte mientre lorando / tornava la cabeça y estava los catando.
(Aus seinen Augen so stark weinend, wandte er den Kopf und musterte sie.) In den folgenden Jahren verbrachte er die meiste Zeit im Königreich von Zaragoza im Dienst der Banū Hūd, bzw. eines Teils der Familie. Er kämpfte in ihrem Dienst, insbesondere gegen einen anderen Teil der Banū Hūd, die in Lérida residierten, das Königreich Aragón und den katalonischen Grafen Berenguer Ramón II., den Brudermörder. Das Carmen Campi Doctoris, im katalanischen Kloster Ripoll entstanden ist Beleg für die katalanische Opposition gegen den Brudermörder.
Nach der Niederlage von az-Zallāqa bzw. Sagrajas 1086, die König Alfonsos gegen die berberische Glaubensbewegung der Almoraviden aus der Sahara, die dem Hilferuf der muslimischen Kleinkönige gefolgt waren, erlitt, versöhnten sich Rodrigo Díaz und Alfons wieder. Rodrigo bekam einige Burgen zugesprochen und forderte in Alfonsos Auftrag den Tribut des Königs in Valencia ein.
Die Almoraviden kamen 1088 ein zweites Mal auf die iberische Halbinsel um die kastilische Festung Aledo, welche mitten in al-Andalus lag, auszuheben. Alfonso gab Rodrigo den Befehl, sein Heer mit dem königlichen Heer zusammenzuführen. Doch aus irgendeinem Grund fand das Treffen der Heere nicht statt. Ruy wurde vorgeworfen, nicht zum vereinbarten Treffpunkt gekommen zu sein, um den König in eine Niederlage laufen zu lassen, der Cid warf wiederum dem König vor, die Marschroute geändert zu haben, so dass er vergeblich am vereinbarten Treffpunkt gewartet habe. Die Almoraviden hatten sich zwar bei Nachricht von Alfonsos Näherkommen zurückgezogen, aber der Eklat im christlichen Lager war perfekt. Rodrigo wurde ein zweites Mal verbannt, einige seiner bisherigen Verbündeten fielen von ihm ab. Er plünderte nun die spanische Levante auf eigene Rechnung, kämpft immer mal wieder im Auftrag der Banū Hūd – jedenfalls des Zweigs, der Zaragoza beherrschte – und schloss Frieden mit Peter von Aragón. Bald fiel er in der Rioja ein, welches von seinem Erzfeind García Ordóñez verwaltet wurde. Der stellte zwar eine Gegenarmee auf, stellte sich aber nicht zum Kampf. Unter dem Eindruck der dritten Expedition der Almoraviden auf die iberische Halbinsel, vereinte sich Ruy Díaz noch ein letztes Mal mit Alfons. Bei dieser dritten Expedition kamen die Almoraviden, um zu bleiben. Waren sie bisher nur zur Unterstützung ihrer Glaubensbrüder nach al-Andalus gekommen, kamen sie nun in der Überzeugung, dass der Islam in al-Andalus nicht nur militärisch, sondern auch von Innen heraus gefährdet sei (die Quellen der Zeit sind voll von Vorwürfen gegen die Kleinkönige, die Mukūk at-Tawā’if, sie würden sich unislamisch verhalten, insbesondere illegale Steuern und Bündnisse mit Christen gegen Muslime wurden ihnen vorgeworfen. Neben den Vorwürfen haben wir auch eine wunderschöne Quelle, die das bestätigt: Die Erinnerungen (Mudakkirāt) des Königs von Granada, 'Abdallāh ibn Buluggīn. In diesen Erinnerungen, geschrieben im Hausarrest in Āġmāt nahe Marrakesh rechtfertigt sich der Zīrīde 'Abdallāh gegenüber solchen Vorwürfen.
1090 jedenfalls trafen sich die Heere Alfonsos und Rodrigos vor Granada, zogen aber nach erneutem Streit unverrichteter Dinge wieder ab. Rodrigo intensivierte daraufhin seine Aktionen an der spanischen Ostküste und eroberte schließlich 1094 Valencia, eine Stadt welche die Almoraviden mehrfach zu erobern versuchten, was ihnen aber zunächst nicht gelang. Der Cid starb dort 1099 – im Bett. Seiner Frau Jimena gelang es noch drei Jahre, die Stadt zu halten, dann wurde sie aufgegeben. König Alfonso stellte eine Armee auf, die stark genug war, ihr Gefolge vor Angriffen der Almoraviden zu schützen.
Ibn 'Alqama zufolge – der Augenzeugenschaft für sich beansprucht – war die Herrschaft des Cid ein Schreckensregime. Den Richter Ibn Ğahhaf, der sich die Schätze des Königs al-Qādir von Toledo, der als Marionettenherrscher Alfonsos VI. im Tausch gegen Toledo über Valencia eingesetzt worden war, einverleibt hatte, ließ Rodrigo nach dem Zeugnis des Ibn 'Alqama verbrennen, weil er diesem nicht glauben wollte, dass er alle Schätze ausgeliefert habe. Ibn Ğahhaf soll sich die brennenden Holzscheite noch näher herangezogen haben, um seine Leiden zu verkürzen. Ibn Ṭāhir, der von den 'Abbādiden (Königreich Sevilla) vertriebene Herrscher der Stadt Mursiyya (heute Murcia), der in Valencia vor deren Eroberung durch Ruy Díaz Zuflucht gefunden hatte, fand sich plötzlich im Gefängnis wieder - bis er ein entsprechendes Lösegeld auftreiben konnte. Er selbst hat das in einem Gedicht aus dem Gefängnis, dass sich in der Sammlung des Ibn Bassām, der Daḫīra wiederfindet, überliefert.
 
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El Cid - weitsichtiger Held oder skrupelloser Söldner?

Ich weiss, dass es bereits einen Thread zum Cid gibt, jedoch wurde da nicht über ihn diskutiert, dies soll hier nachgeholt werden. Ich habe mir neulich wieder "El Cid" mit Charlton Heston zu Gemüte geführt, wo er ja tatsächlich arg romantisiert dargestellt wurde. Daher möchte ich mit allen Interessierten der Frage nachgehen, ob er wirklich tolerant, gerecht und das Urbild eines edlen Ritters war, oder nur insoweit "tolerant" als das es ihn nicht kümmerte, woher das Geld kam, und er so Söldner für praktisch alle Seiten war. Wie war sein Verhältnis zu den Moslems bzw. dem Islam im Detail? Wie gelang es späteren Generationen, ihn als Kreuzritter darzustellen (was er bekanntlich nie war), bzw. wie kam er zu diesem Image? Wie beurteilen ihn spanische Historiker heutzutage? Hat er in der Gegenwart noch Nachfahren? In welchem Licht sehen ihn die arabischen Chronisten? Weswegen wurde er exiliert? War tatsächlich ritterliche Treue der Grund für seine Rückkehr aus dem Exil, oder steckten andere Überlegungen dahinter? In welchem Grad kann das "Cantar de mio Cid" zur Quellenforschung herangezogen werden? Welches Image hat er heutzutage in der katholischen Kirche, welches im Islam? Wie gross war sein Beitrag zur Reconquista wirklich, gab es überhaupt einen seinerseits? Könnte man ihn nicht eher als Warlord einstufen, der sich im Niemandsland der beiden Fronten behaupten wollte?

Ich hoffe, damit haben wir für den Anfang genug Material. :)
 
Das Cantar del Mio Cid ist eigentlich recht realistisch gehalten. Es lobt zwar Don Rodrigo und bemüht sich um ein durchgehend positives Bild, es werden ihm aber keine phantastische Taten angedichtet wie Helden in anderen mittelalterlichern Epen (z.B. dem Rolandslied).

Es werden jedoch auch Facetten von ihm dargestellt die wir heute nicht gerade als Ehrenhaft bezeichnen würden, so z.B. dass er zwei Juden betrügt in dem er Ihnen eine mit Sand gefüllte Schatzkiste als Pfand hinterlässt für geliehenes Geld.

Seinerzeit muss er ein hohes Ansehen sowohl unter Christen wie unter Moslems gehabt haben, sein Ehrenname "Cid" kommt schliesslich von dem Arabischen Sidi. Er hat nach seinem Exil als erstes dem muslimischen Emir von Zararagoza Al Muqtadir gedient und danach dessen Sohn. Bei einer Schlacht im Dienste dieser hat er den Grafen von Barcelona gefangen genommen. Die Grenzen waren damals wesentlich fliessender als das was man im nachhinein dargestellt hat. Christliche Söldner auf muslimischer Seite waren vermutlich so üblich wie muslimische auf der Christlichen.

In seinem zweiten Exil baute er sich ein beachtliches Operationsgebiet auf und kassierte "Parias" also Tribut bzw. Schutzgelder von zahlreichen Muslimischen Fürstentümern. Schließlich beschloss er sich sein eigenes Fürstentum aufzubauen und eroberte Valencia, was ihm bis dahin Tribut gezahlt hatte.

Die Reconquista hat er nicht wesentlich weitergeführt, seine Eroberungen sind nach seinem Tod wieder verloren gegangen. Das geht aber hauptsächlich darauf zurück, dass zu diesem Zeitpunkt die Almoraviden in Spanien einfielen, die wesentlich kriegerischer waren als die verweichlichten spanischen Muslime und mit denen man keine Kompromisse schliessen konnte.
 
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Das Cantar del Mio Cid ist eigentlich recht realistisch gehalten. Es lobt zwar Don Rodrigo und bemüht sich um ein durchgehend positives Bild, es werden ihm aber keine phantastische Taten angedichtet wie Helden in anderen mittelalterlichern Epen (z.B. dem Rolandslied).

Findest du? Eigentlich gelingt es ihm doch im Cantar immer, mit einer keinen Schar Verbündeter eine Übermacht in die Flucht zu schlagen und dabei eine ganze Menge Feinde zu erschlagen. So etwa 15 Mauren in dem Handstreich, in dem er Castejón erobert:
Mio Çid Ruy Diaz | por las puertas entrava,en mano trae | desnuda el espada,quinze moros matava | de los que alcançava.

Und bei der Schlacht zur Verteidigung der kurz zuvor eroberten Burg Alcocer, als der Cid mit 300 Mann gegen 3.000 Mauren ausreitet, sollen 1.300 Mauren auf den Schlachtfeld geblieben sein. Das macht im Durchschnitt mehr als 4 Mauren getöteten pro Christen und allein Minaya Hañez soll 34 erledigt haben:
A Minaya Albar Fañez | bien l'anda el cavallo,d'aquestos moros | mato .xxxiiii.;

Von den 300 Christen sollen nur 15 das Schlachtfeld nicht verlassen haben.

Auch aus der Schlacht gegen Ramón Berenguer, den Grafen von Katalonien (die im Übrigen historisch ist) geht der Cid mit seinen 300 ermüdeten Kriegern siegreich gegen eine nicht näher definierte Übermacht aus Mauren und Christen hervor.

Später ruft er dann nach weiteren Erfolgen, ohne dass etwas über die Zahlen ausgesagt wird, abenteuerlustige Männer aus den christlichen Königreichen zu sich, um Valencia zu erobern. Dies gelingt ihm und der König von Sevilla kommt, um gegen ihn in Valencia zu kämpfen. Wir erfahren, dass der König von Sevilla 30.000 Krieger mit sich führt, die vom Cid und seinen Truppen in die Flucht geschlagen werden. Als der Cid nach der Schlacht seine Truppen zählen lässt, sind seine Truppen 3.600 Mann stark.

A aquel rey de Sevilla | el mandado legavaque presa es Valençia, | que non gela enparan;vino los ver | con .xxx. mill de armas.
[...]tres mill e seis çientos | avie mio Çid el de Bivar

Das Heer des Cid vergrößert sich dann noch einmal, als Minaya das zweite Mal König Alfonso aufsucht und die Erlaubnis einholt, die Frau des Cid und seine Töchter aus dem Kloster zu holen, um sie zu ihrem Ehemann und Vater zu bringen. Kaum ist das passiert, kommen die Almoraviden mit 50.000 Mann aus Marokko:

Aquel rey de Marruecos | ajuntava sus virtos,
con .l. vezes mill de armas | todos fueron conplidos;
entraron sobre mar, | en las barcas son metidos,
van buscar a Valençia | a mio Çid don Rodrigo.

Das erste Treffen geht dann mit 500 Toten auf Seiten der Almoraviden und einem Gefangenen auf Seiten der Christen aus.
Am nächsten Tag reiten dann 3.700 Christen gegen 50.000 Mauren aus:

La seña sacan fuera, | de Valençia dieron salto,
quatro mill menos .xxx. | con mio Çid van a cabo,
a los cinquaenta mill | van los ferir de grado.

Der Dichter erzählt uns dann, dass der Cid selbst unzählbar viele Mauren erschlagen habe -

Mio Çid enpleo la lança, | al espada metio mano,
atentos mata de moros | que non fueron contados,

- und dass von den 50.000 Almoraviden lediglich 104 das Schlachtfeld lebend verlassen hätten:

Los .l. mill | por cuenta fueron notados;
non escaparon | mas de çiento e quatro.

Bei dem nächsten großen Treffen gegen die Almoraviden zählt der Dichter schon nicht mehr die Soldaten sondern nur noch die Zelte.

Ellos en esto estando | don avien grant pesar,
fuerças de Marruecos | Valençia vienen çercar;
çinquaenta mill tiendas | fincadas ha de las cabdales,
aqueste era el rey Bucar, | sil oyestes contar.

Auch hier wieder Schilderungen, wie der Cid, Minaya, Bischof Jerónimo teilweise mit einem Hieb mehrere Mauren töten. Wie sie mitten ins Gewühl der Feinde gallopieren und trotzdem siegreich daraus hervorgehen.

Es ist halt die Frage, wie man "phantastische Taten" definiert. Wunder vollbringt der Cid des Heldenepos nicht, phantastisch möchte ich die Leistungen, die ihm und seinen Vertrauten im Heldenepos zugeschrieben werden dennoch nennen.

Es werden jedoch auch Facetten von ihm dargestellt die wir heute nicht gerade als Ehrenhaft bezeichnen würden, so z.B. dass er zwei Juden betrügt in dem er Ihnen eine mit Sand gefüllte Schatzkiste als Pfand hinterlässt für geliehenes Geld.

Das ist dem aus heutiger Sicht flachen Humor dieser Zeit geschuldet, denn eigentlich handelt es sich hierbei um eine Eulenspiegelei.

Die Reconquista hat er nicht wesentlich weitergeführt, seine Eroberungen sind nach seinem Tod wieder verloren gegangen. Das geht aber hauptsächlich darauf zurück, dass zu diesem Zeitpunkt die Almoraviden in Spanien einfielen, die wesentlich kriegerischer waren als die verweichlichten spanischen Muslime und mit denen man keine Kompromisse schliessen konnte.

Es war sicherlich auch ein Stück weit politischer Wille Alfonsos VI. mit dem der Cid sich ja mehrfach überworfen hatte. Im Heldenepos, dem ja leider die ersten Seiten fehlen, wird er ungerechterweise von Alfons verbannt, kann sich aber durch Treuebeweise in den folgenden Jahren (er schickt Alfonso eigentlich immer den Löwenanteil seines Anteils an der Beute) wieder mit Alfonso versöhnen, bis dahingehend, dass Alfonso bei einem Treffen in Toledo sogar die Ranggleichheit des Cid mit ihm durch seine Handlung dokumentiert - was absolut unhistorisch ist. Tatsächlich hat es zwischen beiden immer wieder Annäherungsversuche gegeben, die aber immer wieder scheiterten.
Als Valencia dann nach dem Tod des Cid von den Mauren belagert wurde, kam Alfonso mit einem Heer nach Valencia, um die belagerten Kastilier zu befreien. Er entsetzte die Stadt aber nicht, sondern führte die Kastilier zurück nach Kastilien. Das Heer war also groß genug, um zu verhindern, dass die Almoraviden es angriffen. Mit der Stadt im Rücken hätte Alfonso also eine ähnliche Schlacht schlagen können, wie anderhalb Jahrzehnte zuvor in az-Zallaqa, seinem ersten Treffen mit den Almoraviden, nur diesmal unter veränderten Vorzeichen - damals belagerte er Badajoz und die Andalusier und Almoraviden hatten eine Stadt im Rücken und Alfonso erlebte die schwerste Niederlage seiner Amtszeit (außer vielleicht die Schlacht von Úcles, in der sein Sohn und Thronfolger umkam, wo Alfonso selbst aber altersbedingt nicht mehr anwesend war).
Für Alfonso dürften mehrere Gründe gegen den Erhalt Valencias (Balansiyyas) gesprochen haben:
1.) Seine Feindschaft gegenüber dem Cid
2.) Die unsichere Lage der Stadt. Im Prinzip wäre ihre Versorgung davon abhängig gewesen, dass Zaragoza sich weiterhin der Almoraviden würde erwehren können und sich gegenüber Kastilien neutral bzw. freundschaftlich verhielte.

Die These von den verweichlichten Andalusiern will ich auch nicht teilen.
 
Findest du? Eigentlich gelingt es ihm doch im Cantar immer, mit einer keinen Schar Verbündeter eine Übermacht in die Flucht zu schlagen und dabei eine ganze Menge Feinde zu erschlagen. So etwa 15 Mauren in dem Handstreich, in dem er Castejón erobert:
Mio Çid Ruy Diaz | por las puertas entrava,en mano trae | desnuda el espada,quinze moros matava | de los que alcançava.
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Na ja. Rechnerische Übertreibungen haben schon immer dazu gehört. Die Griechen haben die Armeen der Perser ja auch immer gleich in Millionenhöhe angesetzt. Der Cid wird als großer Held dargestellt, er fechtet seine Siege aber nicht alleine aus und er durchschlägt auch keine Felsen, erwürgt keine Löwen und schießt keine Greiffen o.Ä.
Es sind letztlich Taten die zwar durch die zahlenmäßigen Übertreibungen vergrößert werden aber doch tatsächlich stattgefunden haben.

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Die These von den verweichlichten Andalusiern will ich auch nicht teilen.
Im vergleich zu den grimmigen Almoraviden aus der Wüste wohl schon. Die waren so fies, dass sich einige Taifas lieber den Christen zuwandten. Parallelen zu relativ aktuellen Ereignissen in Zentralasien lassen wir mal aussen vor.
 
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Der Dichter erzählt uns dann, dass der Cid selbst unzählbar viele Mauren erschlagen habe -

Mio Çid enpleo la lança, | al espada metio mano,
atentos mata de moros | que non fueron contados,

- und dass von den 50.000 Almoraviden lediglich 104 das Schlachtfeld lebend verlassen hätten:

Los .l. mill | por cuenta fueron notados;
non escaparon | mas de çiento e quatro.
...

Das erinert mich an einen argentinischen Witz:

In einem Grenzfort:

-¡Capitán, capitán, que vienen los indios!

-¿Cuantos son, soldado?

- Miluno

-¿Miluno? ¿Como lo sabe con tanta precisión a esta distancia?

-Porque viene galopando uno por delante y como mil atras...



- Hauptmann, Hauptmann, die Indianer kommen!

- Wie viele sind es, Soldat?

- Eintausendeins

- Eintausendeins? Wie wissen Sie das auf diese Entfernung so genau?

- Weil einer voraus gallopiert und ihm so um die tausend folgen.
 
Im vergleich zu den grimmigen Almoraviden aus der Wüste wohl schon. Die waren so fies, dass sich einige Taifas lieber den Christen zuwandten. Parallelen zu relativ aktuellen Ereignissen in Zentralasien lassen wir mal aussen vor.

Ich befürchte, hier ist dein Bild doch ein wenig durch den Charlton Heston-Film und die kollektive Erinnerung in Spanien verbunden. Im letzten Bürgerkrieg galten die maurischen Kontingente Francos als besonders grausam. (Ich glaube sogar, dass das tatsächlich stimmt und den Praktiken des Kolonialkrieges geschuldet ist.) Das wird zurückprojiziert.
Die Herrscher der Taifas hatten ein Problem: Sie waren eingeklemmt zwischen den Glaubenskriegern der Almoraviden und den immer mehr erstarkenden christlichen Königreichen. Aus späterer Zeit ist ein Ausspruch des letzten Taifa-Herrschers von Sevilla, al-Mu'tamid überliefert, der in einer Beratung mit seinen Söhnen 1086 gesagt haben soll, als diese ihm davon abrieten die Almoraviden gegen die Christen zu Hilfe zu holen, weil dies wohl auch das Ende Sevillas bedeuten würde, er wolle lieber Kamele im Maghrib hüten, als Schweine in Kastilien. Letztlich trieben aber die Taifa-Könige mit den aus ihrer Sicht ungebildeten Almoraviden doppeltes Spiel: Sie wollten sie gegen Alfonso ausspielen - was gründlich daneben ging (das fing schon mit der handstreichartigen Übernahme von Algeciras durch die Almoraviden an). Al-Mu'tamid starb dann auch verarmt in Marokko. Es ging den Taifas ums Überleben. Sie konnten sich gegenseitig nicht trauen und die Almoraviden schienen zunächst die geringere Gefahr, weil ihr Machtbereich eben nicht in al-Andalus lag, sondern im Maghrib. Das Problem aber war, dass die Taifa-Könige die Rechnung ohne ihre Untertanen gemacht hatten. Die waren es nämlich leid unislamische Steuern zu zahlen, die dann auch noch dem Feind gegeben wurden, der dadurch nur erstarkte. Letztlich waren es die fuqaha, also die Rechtsgelehrten, welche den Almoraviden die Herrschaft über al-Andalus antrugen.
 
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Ich weiss, dass es bereits einen Thread zum Cid gibt, jedoch wurde da nicht über ihn diskutiert, dies soll hier nachgeholt werden.

Hast da da auch in diese Threads reingeschaut?
Themenwoche "El Cid Campeador" – Sonntag | Quellen und Epos – Datierung des Epos
Themenwoche "El Cid Campeador" – Montag | Der Protagonist: Rodrigo Díaz
Themenwoche "El Cid Campeador" – Dienstag | Der Gegenspieler: García Ordóñez
Themenwoche "El Cid Campeador" – Mittwoch | Die Töchter des Cid
Themenwoche "El Cid Campeador" – Donnerstag | Der König: Alfonso VI.



Ich habe mir neulich wieder "El Cid" mit Charlton Heston zu Gemüte geführt, wo er ja tatsächlich arg romantisiert dargestellt wurde. Daher möchte ich mit allen Interessierten der Frage nachgehen, ob er wirklich tolerant, gerecht und das Urbild eines edlen Ritters war, oder nur insoweit "tolerant" als das es ihn nicht kümmerte, woher das Geld kam, und er so Söldner für praktisch alle Seiten war. Wie war sein Verhältnis zu den Moslems bzw. dem Islam im Detail?

Wie schon durch bdaian (und letztendlich auch durch deine Frage) angedeutet war sein Interesse nicht unbedingt relgiös begründet. Interessant ist z.B. die Episode der Schlacht von Cabra (siehe dazu den Thread zu García Ordóñez), wo der Cid, im Dienste Alfonso stehend, für Sevilla gegen Granada stritt und in der Schlacht seine für Granada reitenden "Kollegen", darunter sein Trauzeuge, gefangen nahm.
Allerdings gibt es in seinen Diplomen als Herrscher über Valencia durchaus Selbstzeugnisse, nach denen er die "grausamen Araber" als göttliche Strafe sah, die nun abgelaufen sei (dies rekurriert auf die im spanischen Mittelalter verbreitete Legende, dass die Araber die Goten wegen ihrer Sünden besiegt hätten).


Wie gelang es späteren Generationen, ihn als Kreuzritter darzustellen (was er bekanntlich nie war), bzw. wie kam er zu diesem Image?
Die Vorzeichen änderten sich. Ruy Díaz Lebenszeit, gerade seine späteren Jahre, fällt ja genau in den Zeitraum, in dem die Kreuzzüge Bedeutung gewannen. Es ist die Zeit, in der aus Grenzkonflikten Glaubenskriege wurden.
Ich habe oben geschrieben, dass im Gegensatz zum Epos, wo sich Rodrigo nach und nach das Vertrauen des Königs wiedererwirbt, der historische Cid und der historische Alfons niemals dahin gelangt sind. Aber sie hatten gemeinsame Interessen, weswegen sie es immer wieder versucht haben sich zu versöhnen. Und diese gemeinsamen Interessen beginnen mit der Niederlage Alfonsos bei az-Zallaqa, also als die Almoraviden als Glaubenskrieger auf die iberische Halbinsel kommen.

Wie beurteilen ihn spanische Historiker heutzutage?
Das ist schwierig zu beantworten. Die Erforschung des Cid war das Lebenswerk von Ramón Menéndez Pidal (der im Übrigen auch beratend
bei dem Film mit Charlton Heston tätig war), der noch mit 99 Jahren sein Hauptwerk überarbeitete, welches dann ein Jahr nach seinem Tod 1968 von letzter Hand 1969 erschien. (Die einzige deutsche Fassung ist die Übersetzung der 1929 erschienenen Version des Buches La España del Cid.) Und Ramón Menéndez Pidal ist so eine Art Übervater der spanischen Geschichtsschreibung und auch Historiolinguistik, an dem man nur sehr schwer vorbeikommt. Es ist ja leider so, dass einmal gefundene Wahrheiten nur sehr schwer wieder aufgebrochen werden können.

Hat er in der Gegenwart noch Nachfahren?
http://www.geschichtsforum.de/340442-post3.html



In welchem Licht sehen ihn die arabischen Chronisten?
http://www.geschichtsforum.de/431151-post2.html


Weswegen wurde er exiliert?
Das ist unsicher. Wahrscheinlich wegen seines Verhaltens in der Schlacht von Cabra. Wenn man die Ereignisse, die zum Eid von Santa Gadea führten als historisch ansieht - was ich nicht tue, da dieser erst seit dem 13. Jahrhundert überliefert ist - dann auch, weil er seinen König öffentlich brüskiert hatte.



In welchem Grad kann das "Cantar de mio Cid" zur Quellenforschung herangezogen werden?
Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen, die schon darauf beruhen, dass das Epos unterschiedlich datiert wird. Es gibt die Oralisten, die das Epos auf taq 1147 datieren und um 1125 schätzen und es gibt eine Gegengruppe, die von der Redaktion des Epos um 1208 ausgehen. M.E. sind die Argumente der letzten Gruppe die besseren. Es gibt neben den Urkunden des Cid - die allerdings teilweise manipuliert wurden! - allerdings sowohl zeitgenössische, als auch nähere Quellen zum Cid.
http://www.geschichtsforum.de/f53/t...ag-quellen-und-epos-datierung-des-epos-22403/

Welches Image hat er heutzutage in der katholischen Kirche, welches im Islam?

Die Kirche von Valencia hat andere Dinge, als den Cid (so glaubt man in Valencia den Originalabendmahlskelch Christi zu besitzen, ich bin der Meinung, es handelt sich um Ware aus al-Andalus). Usama bin Ladin hat sich zwar mal dahingehend geäußert, dass die Christen unrechtmäßigerweise al-Andalus besetzt hielten, aber das dürfte selbst in Islamistenkreisen eine exotische Sichtweise sein.
Da es den Islam nicht gibt und keine übergeordnete Institution, ist es schwer zu sagen, was Muslime von Rodrigo Díaz halten.


Wie gross war sein Beitrag zur Reconquista wirklich, gab es überhaupt einen seinerseits?

Wie Bdaian schon andeutete: Keine seiner Eroberungen konnte dauerhaft gehalten werden, bzw. wie von mir angedeutet gab es keinen politischen Willen dies zu tun. Insofern ist sein Beitrag zur "Reconquista" eher gering.

Könnte man ihn nicht eher als Warlord einstufen, der sich im Niemandsland der beiden Fronten behaupten wollte?
Genau das muss man wohl tun.
 
Ich befürchte, hier ist dein Bild doch ein wenig durch den Charlton Heston-Film und die kollektive Erinnerung in Spanien verbunden. Im letzten Bürgerkrieg galten die maurischen Kontingente Francos als besonders grausam. (Ich glaube sogar, dass das tatsächlich stimmt und den Praktiken des Kolonialkrieges geschuldet ist.) Das wird zurückprojiziert.


Ich hätte es vieleicht nicht ganz so ausgedrückt wie Bdaian, sehe es aber recht ähnlich. Man muss das aus der Sicht der Almoraviden betrachten, sie hatten ein Reisenreich von Marokko bis in den Senegal errichtet und somit eine beachtliche Leistung erbracht. Die Landmasse der Iberischen Halbinsel dürfte ihnen im Vergleich dazu lächerlich gering erschienen sein, und in völliger Verkennung der machtpolitischen Verhältnisse (die sich langsam, aber sicher der christlichen Seite zuneigten) begingen sie den Fehler, die christlichen Königreiche zu unterschätzen. Und da sie die Vorherrschaft des Islam als selbstverständlich ansahen, kam ihnen als religiöse Hardliner die "Erklärung" gerade recht, dass die spanischen Muslime sich der Dekadenz hingegeben und sich vom "wahren, ursprünglichen" Islam derart entfernt hatten, dass sie dafür von Gott mit Niederlagen heimgesucht wurden.

Letztlich brachte das Eingreifen der Almoraviden ja nur eine Verzögerung der Reconquista um einige Jahrzehnte nach sich, was sich u.a. darin äussert, dass es auch der grossen nordafrikanischen Invasionsstreitmacht nicht gelang, die wichtigen Gebiete (langfristig) zurückzuerobern - ich denke da an so wichtige Zentren wie Zaragoza oder noch mehr Toledo.

Zur Verfilmung und dem Klischee des grausamen Nordafrikaners wollte ich noch anfügen, das vor allem historische Erinnerungen aus der Neuzeit mitgespielt haben dürften (Napoleonische Kriege und Einsatz der Mamelucken in Madrid und anderswo).

Und ja, auf deine Threads habe ich mich anfangs bezogen, als ich meinte, dass sich keine wirkliche Diskussionsrunde entwickelt hat. Das wollte ich extra hier nachholen und danke für alle erbrachten Informationen und Beiträge. :)
 
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Ich hätte es vieleicht nicht ganz so ausgedrückt wie Bdaian, sehe es aber recht ähnlich. Man muss das aus der Sicht der Almoraviden betrachten, sie hatten ein Reisenreich von Marokko bis in den Senegal errichtet und somit eine beachtliche Leistung erbracht. Die Landmasse der Iberischen Halbinsel dürfte ihnen im Vergleich dazu lächerlich gering erschienen sein, und in völliger Verkennung der machtpolitischen Verhältnisse (die sich langsam, aber sicher der christlichen Seite zuneigten) begingen sie den Fehler, die christlichen Königreiche zu unterschätzen.

Taten sie das? Die Almoraviden wurden nicht von den Christen geschlagen, sondern von einer islamistischen (wenn dieser Begriff nicht anachronistisch ist) Gegenbewegung im Maghrib, den Almohaden ('Unitariern'). Den Fehler die Christen zu unterschätzen begingen die Almoraviden einmal und das war 1088 als sie Aledo belagerten, eine christliche Burg tief in al-Andalus. Da waren sie aber noch "Gäste" der Taifa-Königreiche, noch nicht die Herren über den muslimischen Teil der Halbinsel.

Letztlich brachte das Eingreifen der Almoraviden ja nur eine Verzögerung der Reconquista um einige Jahrzehnte nach sich, was sich u.a. darin äussert, dass es auch der grossen nordafrikanischen Invasionsstreitmacht nicht gelang, die wichtigen Gebiete (langfristig) zurückzuerobern - ich denke da an so wichtige Zentren wie Zaragoza oder noch mehr Toledo.
Richtig, es gelang ihnen nicht Toledo zu erobern. Jedoch Zaragoza (was sie im Übrigen nicht von den Christen, sondern von den Banu Hud eroberten) und Valencia. Die Frage bleibt natürlich, ob es ihnen gelungen wäre Valencia zu erobern, wenn Alfonso es nicht gewollt hätte. Und daraus folgend, ob sie jemals Zaragoza hätten erobern können, wenn sie Valencia nicht gehalten hätten. Aber da begäben wir uns leicht in den Bereich der kontrafaktischen Geschichtsschreibung.
 
Und ja, auf deine Threads habe ich mich anfangs bezogen, als ich meinte, dass sich keine wirkliche Diskussionsrunde entwickelt hat. Das wollte ich extra hier nachholen und danke für alle erbrachten Informationen und Beiträge. :)

Ach so, in einem Threads letzte Tage war von dem Film mit Charlton Heston die Rede, ich dachte die Idee dazu läme daher.
 
Taten sie das? Die Almoraviden wurden nicht von den Christen geschlagen, sondern von einer islamistischen (wenn dieser Begriff nicht anachronistisch ist) Gegenbewegung im Maghrib, den Almohaden ('Unitariern'). Den Fehler die Christen zu unterschätzen begingen die Almoraviden einmal und das war 1088 als sie Aledo belagerten, eine christliche Burg tief in al-Andalus. Da waren sie aber noch "Gäste" der Taifa-Königreiche, noch nicht die Herren über den muslimischen Teil der Halbinsel.

Natürlich wurden sie letztendlich nicht von den Christen besiegt, konnten aber keine entscheidende Wende im Kampf um Spanien herbeiführen - wofür sie ja geholt worden waren. Die Ebenbürtigkeit des Gegners wurde anerkannt und man hielt sich in der Folge mit grossräumigen Offensiven zurück.



Richtig, es gelang ihnen nicht Toledo zu erobern. Jedoch Zaragoza (was sie im Übrigen nicht von den Christen, sondern von den Banu Hud eroberten) und Valencia. Die Frage bleibt natürlich, ob es ihnen gelungen wäre Valencia zu erobern, wenn Alfonso es nicht gewollt hätte. Und daraus folgend, ob sie jemals Zaragoza hätten erobern können, wenn sie Valencia nicht gehalten hätten. Aber da begäben wir uns leicht in den Bereich der kontrafaktischen Geschichtsschreibung.


Ich habe ja auch ein langfristig in Klammern gesetzt, was Zaragoza angeht. :)

Viel interessanter wäre für mich die fiktive Frage, was passiert wäre, wenn sich der Cid und die Almoraviden arrangiert und verbündet hätten. Aber das ist auch nur Spekulation....
 
Natürlich wurden sie letztendlich nicht von den Christen besiegt, konnten aber keine entscheidende Wende im Kampf um Spanien herbeiführen - wofür sie ja geholt worden waren. Die Ebenbürtigkeit des Gegners wurde anerkannt und man hielt sich in der Folge mit grossräumigen Offensiven zurück.

Naja. Man muss sich ja anschauen, wie lange die Almoraviden auf der iberischen Halbinsel saßen und über welche Machtbereich sie jeweils verfügten und ab wann die Almohaden zum Problem wurden.
1086 und 1088 (umstritten, manche meinen 1089) waren die Almoraviden die ersten beiden Male auf der iberischen Halbinsel. 1086 zogen sie sich wieder zurück, ebenso 1088. Lediglich Algeciras hielten sie wohl. 1090 kamen sie und übernahmen handstreichartig die Kleinkönigreiche von Granada und Málaga. Von diesem Zeitpunkt an waren die muslimischen Kleinkönige gewarnt. Jedoch gelang es den Almoraviden 1091 Almería und Sevilla zu erobern. Badajoz jedoch erst 1095 und Valencia erst 1102. Und Zaragoza fiel 1110 in die Hände der Almoraviden. Der Prozess der Eroberung der Taifas durch die Almoraviden erstreckt sich also über gut 20 Jahre. Ab 1125 hatten sich die Almoraviden der Almohaden zu erwehren und inzwischen hatte ja auch der Kampf in Spanien Kreuzzugsqualitäten angenommen, nicht von ungefährt hatte Alfonso VI. zwei französische Schwiegersöhne.
Aber bis auf Aledo 1088, wo sich die Almoraviden und Andalusier der Schlacht nicht stellten und Valencia 1102, wo die Kastilier sich den Almoraviden nicht stellte, gingen die Almoraviden aus allen Schlachten siegreich hervor: az-Zallaqa 1086, Consuegra 1097, Salatrices 1106 und Uclés 1108. Uclés war aus kastilischer Sicht eine Katastrophe, Alfonso war nicht mehr wirklich zum Heerführer zu gebrauchen, er war alt (61 Jahre) und nicht anwesend. Seit spät geborener einziger Sohn Sancho, der designierte Thronfolger, der zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war, war der nominelle Heerführer in der Schlacht. Sancho überlebte die Schlacht nicht, Alfonso starb ein Jahr später. Seine Nachfolgerin wurde dann seine Tochter Urraca, die - verwitwet - bald ein Heiratsbündnis mit Alfonso I. von Aragón einging, welches sie aber auflösen musste, da der aragonesische und der kastilisch-leonesische Adel nicht so begeistert davon war.
Ab 1125 haben die Almoraviden dann Probleme im Maghrib, welche von Alfonso I. von Aragón genutzt werden, um bis in den Süden einzufallen. Er soll bei Motril südlich von Granada die Küste erreicht haben. Allerdings hat dieser Zug lediglich zur Folge, dass er einige tausend andalusische Christen mit in den Norden nimmt, um sie dort anzusiedeln. Jetzt beginnt die schlimme Zeit für die andalusischen Christen, die Zerstörung von Kirchen und die Vertreibung der andalusischen Christen in den Maghrib, was sich einige Jahrzehnte später, unter den Almohaden noch mal wiederholt.
 
Viel interessanter wäre für mich die fiktive Frage, was passiert wäre, wenn sich der Cid und die Almoraviden arrangiert und verbündet hätten. Aber das ist auch nur Spekulation....

Lang andauernde politisch-militärische Entwicklungen wie die Reconquista hängen nicht von einer einzigen Person ab. Das Vordringen der christlichen Königreiche im 11. und 12. Jh. war das Ergebnis einer langen Entwicklung, die ein mit den Almoraviden verbündeter El Cid nur kurzfristig hätte beeinflussen können. Die Tendenz des allmählichen Zurückweichens der muslimischen spanischen Herrschaften hätte dadurch nicht umgekehrt werden können.
 
Lang andauernde politisch-militärische Entwicklungen wie die Reconquista hängen nicht von einer einzigen Person ab. Das Vordringen der christlichen Königreiche im 11. und 12. Jh. war das Ergebnis einer langen Entwicklung, die ein mit den Almoraviden verbündeter El Cid nur kurzfristig hätte beeinflussen können. Die Tendenz des allmählichen Zurückweichens der muslimischen spanischen Herrschaften hätte dadurch nicht umgekehrt werden können.

Also war die Reconquista etwas naturgesetzliches, etwa wie eine chemische Reaktion?
 
Also war die Reconquista etwas naturgesetzliches, etwa wie eine chemische Reaktion?

Das wäre für die christlichen Königreiche segensreich gewesen, denn dann hätten sie sich alle militärischen Auseinandersetzungen sparen können.

Im 11. und 12. Jh. - worauf ich hinwies - war die anhaltende Schwächephase des maurischen Spaniens und sein Zerfall in zahlreiche kleine muslimische Herrschaften - die Taifenreiche - unübersehbar geworden. Daran hätte auch ein die Fronten wechselnder El Cid nur kurzfristig und punktuell etwas ändern können.
 
Die meisten Helden der Geschichte vor allem der Nationalgeschichten waren meist recht skrupellose Schlächter.
 
Ich befürchte, hier ist dein Bild doch ein wenig durch den Charlton Heston-Film und die kollektive Erinnerung in Spanien verbunden. Im letzten Bürgerkrieg galten die maurischen Kontingente Francos als besonders grausam. (Ich glaube sogar, dass das tatsächlich stimmt und den Praktiken des Kolonialkrieges geschuldet ist.) Das wird zurückprojiziert.
Die Herrscher der Taifas hatten ein Problem: Sie waren eingeklemmt zwischen den Glaubenskriegern der Almoraviden und den immer mehr erstarkenden christlichen Königreichen. Aus späterer Zeit ist ein Ausspruch des letzten Taifa-Herrschers von Sevilla, al-Mu'tamid überliefert, der in einer Beratung mit seinen Söhnen 1086 gesagt haben soll, als diese ihm davon abrieten die Almoraviden gegen die Christen zu Hilfe zu holen, weil dies wohl auch das Ende Sevillas bedeuten würde, er wolle lieber Kamele im Maghrib hüten, als Schweine in Kastilien. Letztlich trieben aber die Taifa-Könige mit den aus ihrer Sicht ungebildeten Almoraviden doppeltes Spiel: Sie wollten sie gegen Alfonso ausspielen - was gründlich daneben ging (das fing schon mit der handstreichartigen Übernahme von Algeciras durch die Almoraviden an). Al-Mu'tamid starb dann auch verarmt in Marokko. Es ging den Taifas ums Überleben. Sie konnten sich gegenseitig nicht trauen und die Almoraviden schienen zunächst die geringere Gefahr, weil ihr Machtbereich eben nicht in al-Andalus lag, sondern im Maghrib. Das Problem aber war, dass die Taifa-Könige die Rechnung ohne ihre Untertanen gemacht hatten. Die waren es nämlich leid unislamische Steuern zu zahlen, die dann auch noch dem Feind gegeben wurden, der dadurch nur erstarkte. Letztlich waren es die fuqaha, also die Rechtsgelehrten, welche den Almoraviden die Herrschaft über al-Andalus antrugen.

Lustig, Du widersprichst mir erst, um dann meine Aussage mit anderen Worten zu bestätigen.

Den Film mit Charlton Heston habe ich vor gefühlten tausend Jahren gesehen. Ich glaube nicht, dass der mein Bild noch großartig beeinflusst.

Was die kollektive Erinnerung betrifft, magst Du Recht haben: Die "Moros" im Bürgerkrieg galten als blutrünstig und unerschrocken und waren es vermutlich auch. (Das ist etwas was man unverbesserlichen Franquisten in einer Diskussion noch immer mit Erfolg vorwerfen kann, dass der allerchristlichste Caudillo diese "ungläubigen Barbaren" ins Land brachte, damit diese an seinem eigenen Volk blutige Rache nehmen konnten, für die Geschehnisse aus der "Guerra de Africa").

Das Diese tatsächlich Gründe hatten Sauer zu sein, da man sie wenige Jahre vorher mit einem blutigen Kolonialkrieg inklusive Gasangriffe und massiver Kollektivstrafen überzog, setzt sich erst sehr langsam in der spanischen Öffentlichkeit durch. Der "Moro" ist nach wie vor das Lieblingsfeindbild, auch wenn die Spanier selbst sich unsaglich mehr Leid gegenseitig zugefügt haben, als es die Marokkaner je vermocht haben. An die von Fremden beigefügten erinnert man sich aber eher: In meiner Schule hing in meinen ersten Jahren auch noch eine Marmortafel, mit den Namen von ehemaligen Schülern die bei Annual gefallen waren. Als Deutscher hatte ich mir oft und in aller Öffentlichkeit Bemerkungen über Gernika anzuhören. Über die Gräueltaten der Francotruppen wurde aber damals noch nicht, bzw. nur im Familienkreis gesprochen.

Aber die Parallele gilt trotzdem: Die Andalusies waren überwiegend Bewohner (relativ) lieblicher Kulturlandschaften, Dörfern und Städte und waren bis dahin tolerant gegen Andersgläubige. Anders als die fanatischen Wüsten- und Gebirgsbewohner aus Nordafrika, die wenig zu verlieren und viel zu gewinnen hatten. Wer hat nochmal Averroes verjagt? Waren es die Almoraviden oder erst die Almohaden? Auf jeden Fall nordafrikanische Glaubenskrieger.
 
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