Themenwoche "El Cid Campeador" – Montag | Der Protagonist: Rodrigo Díaz

Das wäre für die christlichen Königreiche segensreich gewesen, denn dann hätten sie sich alle militärischen Auseinandersetzungen sparen können.

Im 11. und 12. Jh. - worauf ich hinwies - war die anhaltende Schwächephase des maurischen Spaniens und sein Zerfall in zahlreiche kleine muslimische Herrschaften - die Taifenreiche - unübersehbar geworden. Daran hätte auch ein die Fronten wechselnder El Cid nur kurzfristig und punktuell etwas ändern können.

Um es mal ein wenig anders zu formulieren: Du betrachtest mir das ganze zu sehr aus der Perspektive des bekannten Ergebnisses, nicht des laufenden Prozesses, der im 11. Jahrhundert keinesfalls abgeschlossen war und der bei anderen Weichenstellungen völlig anders hätte verlaufen können. Die maghribinischen Invasionen der Almoraviden und Almohaden Ende des 11. bzw. Mitte des 12. Jhdts. wendeten das Blatt durchaus. Wäre nicht Marokko selbst andauerndes Konfliktfeld von Glaubensbewegungen und Dynastien gewesen, die Geschichte Spaniens wäre völlig anders verlaufen.

Lustig, Du widersprichst mir erst, um dann meine Aussage mit anderen Worten zu bestätigen.

Im wesentlichen sind wir wohl einer Meinung, ich würde bloß die Adjektive nicht so setzen wie du, verweichlichte Andalusier gegen grimmige und fiese Almoraviden, das ist der Teil deiner Aussage, mit dem ich ein Problem habe.

Was die kollektive Erinnerung betrifft, magst Du Recht haben: Die "Moros" im Bürgerkrieg galten als blutrünstig und unerschrocken und waren es vermutlich auch. (Das ist etwas was man unverbesserlichen Franquisten in einer Diskussion noch immer mit Erfolg vorwerfen kann, dass der allerchristlichste Caudillo diese "ungläubigen Barbaren" ins Land brachte, damit diese an seinem eigenen Volk blutige Rache nehmen konnten, für die Geschehnisse aus der "Guerra de Africa").

Ja, das ist ein echtes Paradoxon.

Aber die Parallele gilt trotzdem: Die Andalusies waren überwiegend Bewohner (relativ) lieblicher Kulturlandschaften, Dörfern und Städte und waren bis dahin tolerant gegen Andersgläubige. Anders als die fanatischen Wüsten- und Gebirgsbewohner aus Nordafrika, die wenig zu verlieren und viel zu gewinnen hatten. Wer hat nochmal Averroes verjagt? Waren es die Almoraviden oder erst die Almohaden? Auf jeden Fall nordafrikanische Glaubenskrieger.
Die Christenverfolgungen der Almoraviden sind eher militärisch zu begründen. Jedenfalls gab es einen Brief der Christen von Granada an Alfons von Aragón, in dem diese ihm militärische Unterstützung zusicherten, griffe er al-Andalus an, worauf hin Alfonso einen Zug durch das östliche Andalusien unternahm, mit Schwerpunkt auf Granada. Hierauf wurden dann die Christen aus al-Andalus vertrieben, bzw. nach Nordafrika gebracht. Das Verhältnis von Averroes zu den Almohaden bzw. umgekehrt, ist als ambivalent zu bezeichnen.
 
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Im wesentlichen sind wir wohl einer Meinung, ich würde bloß die Adjektive nicht so setzen wie du, verweichlichte Andalusier gegen grimmige und fiese Almoraviden, das ist der Teil deiner Aussage, mit dem ich ein Problem habe.
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Hätte ich es wohl als Ironie bzw. als Hyperbel kennzeichnen sollen? :D
 
Um es mal ein wenig anders zu formulieren: Du betrachtest mir das ganze zu sehr aus der Perspektive des bekannten Ergebnisses, nicht des laufenden Prozesses, der im 11. Jahrhundert keinesfalls abgeschlossen war und der bei anderen Weichenstellungen völlig anders hätte verlaufen können.

Ich habe geschrieben "im 11. und 12. Jh." und hätte das selbstverständlich ausführlich spezifiziert, wenn ich gewusst hätte, dass jemand die beiläufige Aussage aufspießt.
 
Du hattest geschrieben:

Lang andauernde politisch-militärische Entwicklungen wie die Reconquista hängen nicht von einer einzigen Person ab. Das Vordringen der christlichen Königreiche im 11. und 12. Jh. war das Ergebnis einer langen Entwicklung, die ein mit den Almoraviden verbündeter El Cid nur kurzfristig hätte beeinflussen können. Die Tendenz des allmählichen Zurückweichens der muslimischen spanischen Herrschaften hätte dadurch nicht umgekehrt werden können.

Das ist m.E. mehr als eine beiläufige Aussage. Desweiteren ist sie so nicht korrekt. Aragón hatte zwar kleinere Erfolge gegen die Almoraviden bzw. gegen ihre Vasallen in Zaragoza, Kastilien hat aber alle direkten Konfrontationen mit ihnen als Niederlagen erlebt. Desweiteren scheint mir, dass du die Ereignisse zwischen 1053 und 1086 und dann zwischen 1212 und 1492 zu sehr vom Ergebnis 1492/1609 betrachtest und der "Reconquista" eine Gesetzmäßigkeit zusprichst, die sie nicht hatte.
 
Das ist m.E. mehr als eine beiläufige Aussage. Desweiteren ist sie so nicht korrekt. Aragón hatte zwar kleinere Erfolge gegen die Almoraviden bzw. gegen ihre Vasallen in Zaragoza, Kastilien hat aber alle direkten Konfrontationen ...

Seit der zweiten Hälfte des 11. Jh. und vollends im 12. Jh. war absehbar, dass Spanien den Muslimen entgleiten würde, trotz der kurzfristigen Erfolge der Almoraviden und Almohaden. Der fortdauernde Druck der Reconquista hielt an und einige gewonnene Schlachten brachten sie nur vorübergehend zum stehen.

Ende dees 11. Jh. hatte Alfons VI. die muslimischen Kleinreiche der Taifen triburtflichtig gemacht und nach vorübergehenden Erfolgen der Almoraviden ging bereits 1118 mit Saragossa die ganze obere Mark dem Islam endgültig verloren. Die Almohaden blieben ein kurzfristiges Zwischenspiel, denn trotz der gewonnenen Schlacht von Alarcos 1195 machte die schwere Niederlage von Navas de Tolosa 1212 den rapiden Machtverfall der Almohaden und der Mauren in Spanien deutlich.
 
Seit der zweiten Hälfte des 11. Jh. und vollends im 12. Jh. war absehbar, dass Spanien den Muslimen entgleiten würde, trotz der kurzfristigen Erfolge der Almoraviden und Almohaden. Der fortdauernde Druck der Reconquista hielt an und einige gewonnene Schlachten brachten sie nur vorübergehend zum stehen.

Ende dees 11. Jh. hatte Alfons VI. die muslimischen Kleinreiche der Taifen triburtflichtig gemacht und nach vorübergehenden Erfolgen der Almoraviden ging bereits 1118 mit Saragossa die ganze obere Mark dem Islam endgültig verloren. Die Almohaden blieben ein kurzfristiges Zwischenspiel, denn trotz der gewonnenen Schlacht von Alarcos 1195 machte die schwere Niederlage von Navas de Tolosa 1212 den rapiden Machtverfall der Almohaden und der Mauren in Spanien deutlich.

Ich sage ja, du setzt die Zeit zwischen 1053 und 1086 und ab 1212 absolut und machst daraus eine historische Meistererzählung die nach natürlichen Gesetzmäßigkeiten abläuft. Geschichte ist aber nun mal keinen Naturgesetzen unterworfen, sondern menschlichem Handeln, konkreten Entscheidungen und schlicht dem Glück/Zufall.
Die Geschichte hat aber keinen roten Faden, den interpretieren wir nur in Kenntnis von Sachverhalten (hier: 1492 endete mit dem Abschluss der "Reconquista" die politische Geschichte von al-Andalus, 1609 die kulturelle) hinein.
Wenn man deiner Meistererzählung folgt, könnte man glauben 1085 oder 1212 sei alles entschieden gewesen. Dem ist aber mitnichten so. Entscheidungen in Kastilien, in Aragón, In Katalonien, in Frankreich, in Rom, in Marokko, Algerien und Lybien die dort getroffen wurden - und zwar nicht unbedingt bewusst - führten letztlich dazu, dass die "Reconquista" (ich hadere ja mit diesem Wort!) zu einem "Abschluss" geführt wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sage ja, du setzt die Zeit zwischen 1053 und 1086 und ab 1212 absolut und machst daraus eine historische Meistererzählung die nach natürlichen Gesetzmäßigkeiten abläuft.

Von irgendwelchen "Gesetzmäßigkeiten" kann keine Rede sein, wohl aber von einem kontnuierlichen Rückzug und Schließlich einem Zerfall der muslimischen Machtstellung in Spanien.

Seit etwa 1010 gelang es den Christen des spanischen Nordens, aus einer Position mühsamer Selbstbehauptung in eine dauernde Aggression überzuwechseln. Größere Erfolge in der Eroberung stellten sich dann im ausgehenden 11. Jh. ein und aus dem schwach besiedelten Vorfeld südlich des Duero konnten 1064 Coimbra und 1085 Toleto, aber auch 1090 Tarragona, 1118 Zaragossa, 1147 Lissabon, 1148 Tortosa und 1149 Lerida erobert werden. In einer neuen Welle zu Beginn des 13. Jh. fiel dann der Rest des maurischen Spaniens an die christlichen Königreiche, einmal abgesehen vom in tributärer Abhängigkeit bleibenden Königreich Granada.

Und so deutet sich bereits im 11. Jh. eine tiefgreifende strukturelle Krise der maurischen Herrschaft in Spanien an, ein Verlust der einstigen muslimischen Expansionskraft und Wehrhaftigkeit, die nun auf die jungen christlichen Königreiche übergeht. Diese Desorganisation der maurischen Herrschaften - bei blühenden kulturellen Leistungen - war auch durch das Eingreifen afrikanisch-berberischer Dynastien nicht zu verhindern. Und somit gab es in der Tat spätestens seit dem 12. Jh. eine gewisse Zwangsläufigkeit beim politischen und militärischen Niedergang von al-Andalus.
 
Man kann wohl sagen, dass es immer wieder Phasen der Schwäche gab. Auf beiden Seiten. Jedoch waren die Phasen der Schwäche in al-Andalus, die nach dem Zusammenbruch des Kalifats 1008 und dem Jahrhundert der Taifas wichtig sind, durch nicht in al-Andalus liegende Faktoren begründet, sondern durch magribinische Konflikte. Immer dann, also, wenn in al-Andalus so etwas wie Bürgerkrieg herrschte - wie von 1008 - 1031, oder den Kriegen der Taifas untereinander 1009 - 1085, bzw. wenn die Zentralmacht kollabierte - wie 1145-47 bzw. zwischen 1212 und 1232, expandierten die christlichen Königreiche. Jedoch immer dann, wenn die christlichen Königreiche geschwächt waren, gelang es auch den Andalusiern und Maghribinern nicht, ihre Position zu stärken, weil sie zeitgleich mit internen Konflikten beschäftigt waren.
 
Wie sah denn das Verhältnis mit dem Königreich Portugal aus? Dessen Konsolidierung war ja relativ schnell erreicht, aber danach scheint man sich kaum mehr um Expansion auf der Halbinsel bemüht zu haben. Haben die Nordafrikaner umgekehrt dort auch nichts versucht?
 
Das ist natürlich eine Frage, ob die Schlacht von Ourique eine Entscheidungsschlacht war. Sie ist auf jeden Falls aus portugiesischer Sicht in dieser Richtung interpretiert worden - letztlich muss man sich hier aber auch das portugiesisch-kastilische Verhältnis anschauen. Es war ja die Folge der Schlacht, dass ich hiernach der Portugiese von seinem kastilischen Cousin quasi "entlehnte". Es wäre mal interessant in die Quellen dazu zu schauen. Fakt ist, dass diese Schlacht nicht direkt zu Eroberungen führte, sie fand mitten in al-Andalus statt, ob die Almoraviden in der Überzahl waren, wie man allenthalben überall lesen kann, ist auch zu fragen. Die Almoraviden waren in dieser Zeit schon schwer angeschlagen, weil die Almohaden ihnen im Maghrib einen Bürgerkrieg lieferten und so folgten in den kommenden Jahren Eroberungen an den Grenzen. 1147, zwischen dem Zusammenbruch der Almoravidenherrschaft 1145 und der Eroberung der andalusischen Territorien 1163 gelang es sogar einem genuesisch-kastilischem Heer erstmals Almería zu erobern, was auch Eingang in ein berühmtes Gedicht aus dieser Zeit fand.
Jedoch konnten die Almohaden natürlich Almería - welches dann erst 1492 wieder in christliche Hand fiel aber auch Gebiete in Zentralportugal wieder al-Andalus zuschlagen. Von einer Entscheidungsschlacht der Reconquista kann bei Ourique daher m.E. keine Rede sein.
 
Noch mal zur Schalcht von Ourique. In meiner Literatur kann ich nichts dazu finden, das kann aber daran liegen, dass Portugal immer wieder als marginal angesehen wird, auch was die Geschichte al-Andalus' angeht und was natürlich unberechtigt ist. Aber al-Andalus ist eben das "islamische Spanien", da wird Portugal schon mal gerne vergessen. In den mir vorliegenden Quellen habe ich auch geschaut und finde bei der anonymen al-Ḥulal al-Mawšiyya in der Übersetzung von Ambrosio Huici Miranda ins Spanische keine Erwähnung Ouriques im Register. Was ich dort finde ist Urīka. Leider habe ich das entsprechende Kapitel damals nicht kopiert, weil ich es nicht benötigte und so kann ich nicht sehen, ob es sich bei Urīka um Ourique handelt. In dem Sammelband Las grandes batallas de la reconquista durante las invasiones africanas desselben Autors findet Ourique keine Erwähnung. Das kann aber darann liegen, dass er als Spanier sich für Portugal nicht so sehr interessierte. Gleichwohl glaube ich das nicht, dass es ihn nicht interessierte, weil er weniger an der spanischen Reconquista interessiert war, als vielmehr an den Almoraviden, Almohaden und Meriniden.
 
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