Bismarcks Frankreichpolitik 1862-1890

Randy84

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich befinde mich derzeit in der Vorbereitung auf meine Staatsexamensklausur in Geschichte zum oben genannten Themenkomplex Bismarcks Frankreichpolitik von 1862-1890.

Als Primärliteratur nutze ich den "Nipperdey" Band 2 sowie "Frankreich und Deutschland - Die Geschichte Ihrer Beziehungen" von Poidevin / Bariéty.

Die Vorbereitungen laufen soweit auch so gut, ich habe nur langsam die Sorge, dass ich vielleicht zu eindimensional lerne; ich konzentriere mich nämlich fast ausnahmslos auf die Aussenpolitik nach Reichsgründung, die ja (salopp gesagt) auf eine Isolation Frankreichs hinauszielte bzw. die anderen europäischen Mächte durch Defensivbündnisse in Abhängigkeit zum DR zu bringen.

Soweit so gut; gibt es eurer Meinung nach (nennenswerte) Innenpolitische / Kulturhistorische Vorkommnisse, welche relevant wären, wie beispielsweise das Beschwören einer frankophoben Einstellung in der Bevölkerung?

Viele Grüße
 
Das im August 1873 der Bischof von Nancy die Katholiken aufgerufen hatten für die Rückkehr Elsaß- Lothringens zu beten ist dir bekannt? Und das Bismarck im Zuge des Kulturkampfes bei der Regierung MacMahon darauf drängte, dass das französische Episkopat sowie die französische Presse antideutsche Agitation zu unterlassen auch?
 
Das im August 1873 der Bischof von Nancy die Katholiken aufgerufen hatten für die Rückkehr Elsaß- Lothringens zu beten ist dir bekannt? Und das Bismarck im Zuge des Kulturkampfes bei der Regierung MacMahon darauf drängte, dass das französische Episkopat sowie die französische Presse antideutsche Agitation zu unterlassen auch?

Hallo Turgot,

vielen Dank für deine Antwort.
Ja, den Kulturkampf habe / werde ich ebenfalls in meinen Lernplan übernehmen, habe diesen aber vergleichsweise kurz angerissen, da ich der Meinung war, dass die "große Aussenpolitik" bei der Frage nach Bismarcks Frankreichpolitik wichtiger ist.
:winke:
 
Wie sieht es mit Boulanger aus?

Bismarck nutze dessen revanchistische Einstellung, um innenpoltisch sprich Reichstag daraus entsprechend Kapital zu schlagen. Später äußerte Bismarck, er habe zwar Boulanger nicht erfinden können, aber er sei wie gerufen gekommen.
 
Soweit so gut; gibt es eurer Meinung nach (nennenswerte) Innenpolitische / Kulturhistorische Vorkommnisse, welche relevant wären, wie beispielsweise das Beschwören einer frankophoben Einstellung in der Bevölkerung?

Man sollte die innen- und wirtschaftspolitische Aspekte nicht unterschätzen. Der Wirtschaftsaufbau Frankreichs schritt nach 1871 schnell voran, Frankreich war schon 2 Jahre nach Kriegsende Deutschland in der Wirtschaftskraft wieder überlegen. Zudem wurde das Deutschen Reich bald durch Gründer- und Wirtschaftskrise erschüttert. Der Alarmartikel gegen Frankreich bezog sich vordergründig auf die Erneuerung der französischen Militärkraft, dahinter stand aber eine wirtschaftliche Entwicklung als Grundlage. Das Säbelrasseln lief mitten in diese Entwicklung hinein, und kann von ihr wohl nicht getrennt gesehen werden. Es steht im Kontext eines allgemeinen Wettrüstens der europäischen Mächte, die sich an dem "Standard" orientierten, die das Deutsche Reich militärisch mit 1866 und 1871 gesetzt hatte. Entsprechend strapaziert wurden die Staatshaushalte, in Deutschland zusätzlich 1875 durch die Krise.

Den weiteren innenpolitischen Aspekt "Arnim" hatte Turgot schon genannt.

Quelle Janorschke: Bismarck, Europa und die 'Krieg-in Sicht'-Krise von 1875
 
Nachtrag zur Boulangerkrise im jahre 1887

Bismarck hat die Krise u.a. auch so hochgekocht bzw. hochkochen lassen, um Boulanger abzuservieren aber auch um eine Annäherung Frankreichs an Petersburg zu verhindern. Er hat Flourens eigentlich deutlich signalisiert, worum es ihm geht, doch dieser hat nicht verstanden. Auch hat Bismarck ausgeführt, auf Petersburg brauch Paris nicht zu hoffen. Tatsächlich hat auf dem Höhepunkt der Krise der französische Außenminister Flourens fast die Nerven verloren und in Petersburg entsprechende Sondierungen vornehmen lassen. Nur, hierfür stand ein Giers nicht zur Verfügung.


In der Sängerbrücke stand gerade die Idee einer Abmachung allein mit dem Deutschen Reich als Ersatz für das tote DreiKaiserbündnis zu Diskussion. Im Februar hat ja Schuwalow dann auch auf Bismarck ein entsprechende Angebot gemacht.
 
Boulanger wollte ja auch in der Krise eine Probemobilmachung durchführen. Nicht gerade eine Entspannungsmaßnahme. Das Kabinett hatte zugestimmt. Es war die französische Opposition unter Ferry die die Regierung in einer Krise trieb und verlangte, das Boulanger endlich als Minister gefeuert wird. Am 17.Mai wurde das Kabinett Goblet gestürzt. Die Neubildung bereitete erhebliche Schwierigkeiten, das die Radikalen zu Boulanger hielten. Schließlich und endlich gelang es Rouvier mit Unterstützung des Präsidenten Grevy ein neues Kabinett ohne Boulanger zu bilden. Sofort ging Bismarck zu einen freundlichen Kurs steuern, gab Münster entsprechende Anweisungen, ließ ein Gesetzesentwurf zwecks Spionage fallen, um keinen neuen Streit zu provozieren. Auch die anhaltende negative Presse in Frankreich blieb vom offiziellen Deutschland unkommentiert.
 
Waren die diplomatischen Beziehungen des fraglichen Zeitraums durch den massiven Bau der französischen "barriere de fer" beeinträchtigt, oder störten derartige (doch recht eindeutige!) militärische Maßnahmen nicht sonderlich?
 
Es war ja klar, auch für die Planer im deutschen Generalstab, das nach 1870/71 Frankreich Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Territoriums ergreifen müssen würde.

Von einer direkten Beeinträchtigung der diplomatischen Beziehungen wegen der "Barriere de fer" würde ich nicht sprechen. Da ist eher die Erhöhung der Anzahl der Truppen Frankreichs zu erwähnen, die in Berlin für Beunruhigung sorgte. Frankreich hatte sein Potenzial an Wehrpflichtigen erheblich stärker ausgenutzt als das Deutsche Reich.

Die Beziehungen zu Frankreich, von der kurzen Episode unter Jules Ferry einmal abgesehen, waren ja nie sonderlich gut. In Deutschland ging man eben davon aus, das Frankreich bei passender Gelegenheit versuchen würde, sich das Elsass und Lothringen zurückzuholen.
 
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