Capital and Labour - Karikatur

Kiba

Neues Mitglied
Hallo Leute,
Ich analysiere gerade die Karikatur Capital and Labor und könnte dabei etwas Hilfe gebrauchen. Was stellen zu Beispiel die Frau, der Engel und der Anker am linken Bildrand dar? Was der Korb mit den zwei Kindern und der Haken darüber? Was lässt sich zu Gesichtsausdrücken, Gesellschaftsstrukturen (abgesehen von Arbeitern und Unternehmern) ...sagen? Muss ich sonst noch was für eine sehr ausührliche Analyse beachten? :D
Über etwas Hilfe würde ich mich echt freuen.
Karikatur:
http://www.spartacus.schoolnet.co.uk/CHcapital.JPG

Liebe Grüße und Danke schonmal im vorraus :)
 
Hier gibt es die Karikatur schon mal in wesentlich besserer Qualität:

00089.jpg (image)

Grundsätzlich beginnt man bei der Analyse einer Karikatur mit einer möglichst genauen, aber noch nicht deutenden Beschreibung.
Dann versucht man Einzelelemente zu deuten und ihre Beziehung untereinander zu beschreiben. Diese Karikatur ist - wie viele ältere Karikaturen - einerseits sehr komplex, auf der anderen Seite gibt es aber ein strukturierendes Element: Die verschiedenen Rahmen.

Wenn du dir auf dem von mir verlinkten Bild mal die beiden Kinder im Korb anschaust, und sie mit den Kindern außerhalb des Korbs vergleichst (in ihrer Statue) und dir außerdem mal die Blicke der Kinder im Korb und die Blicke der Kinder außerhalb ansiehst, wirst du - in Zusammenhang mit Korb und Kette schnell eine Idee bekommen.
 
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Die Frau mit dem Anker und die Putte (Amor/Eros?) sind tatsächlich schwierig zu deuten. Man könnte bei der Frau an Britannia denken, die Personifikation Britanniens, aber die wird in der als Pallas Athene mit Dreizack und britischem Wappenschild dargestellt. Die einzige Darstellung Britannias, die ich auf die schnelle gefunden habe, die sie mit einem Anker darstellt, ist vom Beginn des Ersten Weltkrieges und stammt aus Russland.
 
Als Frau mit Anker wird die allegorische Hoffnung dargestellt, was hier auch passen würde. Der Engel klopft an, die Hoffnung wird aber nicht eingelassen weil sich hinter der Tür ein fetter Kerl und die Goldsäcke stapeln.
 
Als Frau mit Anker wird die allegorische Hoffnung dargestellt, was hier auch passen würde. Der Engel klopft an, die Hoffnung wird aber nicht eingelassen weil sich hinter der Tür ein fetter Kerl und die Goldsäcke stapeln.

"Britannia" wird allerdings auch mit Dreizack oder dem Äquivalent "Anker" dargestellt. Die beiden schauen sich so an, dass sie wahrscheinlich wissen, was hinter der Tür passiert. Der Staat greift nicht ein.

Der Korb mit den Kindern -im Hintergrund wird Stollenarbeit in Bergwerken ua von Kindern gezeigt- könnte das Transportmittel in den Bergbau (Förderkorb) darstellen. Die Eltern rechts ahnen offenbar auch, was auf den Nachswuchs zukommt.
 
Den Korb mit den Kindern, die im Gegensatz zu den drumrumstehenden Kindern gesund und wohlgenährt aussehen, würde ich eher als "Frischfleischlieferung" "von oben" interpretieren. Den Staat also Großbritannien sehe ich eher in dem fetten Kerl mit den Schlüsseln, der auf den Goldsäcken sitzend die Tür versperrt: das ist John Bull, daher passt in mein Interpretationsbild die Britannia gerade nicht. Ich denk nochmal drüber nach... Wer wäre denn der Fette bei dir?
 
Den Korb mit den Kindern, die im Gegensatz zu den drumrumstehenden Kindern gesund und wohlgenährt aussehen, würde ich eher als "Frischfleischlieferung" "von oben" interpretieren.
Da sind wir einig. Die sind gerade "unten" im Stollensystem angekommen.


Den Staat also Großbritannien sehe ich eher in dem fetten Kerl mit den Schlüsseln, der auf den Goldsäcken sitzend die Tür versperrt: das ist John Bull, daher passt in mein Interpretationsbild die Britannia gerade nicht. Ich denk nochmal drüber nach... Wer wäre denn der Fette bei dir?

Auch John Bull. Das sind die zwei Seiten der Medaille "England", vor und "hinter den Kulissen/Türen". Die beden stehen in krassem Gegensatz, John Bull verdient (sitzt auf) den Geldsäcken.
 
Ja, das gäbe Sinn. Ich muss allerdings noch weiter nachdenken. Der Putto scheint übrigens doch Amor zu sein, so wie von ElQ weiter oben schon vermutet. Ich habe im Rahmen unten links gerade den Köcher mit den Pfeilen entdeckt. Hoffnung und Liebe habe ich als Interpretation also immer noch nicht verworfen und was mir gerade aufgefallen ist: wieso hat Johnny drei Schüssel, es gibt aber nur zwei Schlösser?
 
Nur als Idee: es gibt noch eine Kette, die um die ökonomischen Verhältnisse herumgelegt ist. Dort erkenne ich aber kein Schloß.

Dann: kann jemand etwas mit den 3 Buchstabengruppen auf den Schlössern anfangen?

"CHUE"
"BRA"
"MA"
 
Die beiden wohlgenährten Kinder im Korb habe ich anders interpretiert, eher als Besuch aus der anderen Welt, der aus Neugier von oben herabgekommen ist, dessen Verbindung nach oben abgebrochen ist (Distanz von Korb und Kette) und die nun - wie auch immer - die Wut der Ausgebeuteten zu befürchten haben.
 
Mit den Buchstabengruppen kann ich auch nichts anfangen, zufällig oder gestalterisch sind sie allerdings nicht zu verstehen. Nachdem sie an den Schließbolzen angebracht sind, evtl. Initialen von Industriellen oder Kürzel von Firmen? Ich suche mal in der Richtung.

@ElQ: die um den Korb Herumstehenden schauen die Kinder aber nicht verärgert oder wütend an, sondern eher verwundert und staunend. Das Mädchen links neben dem Korb hat einen fast erfreuten Gesichtsausdruck.
 
Die beiden wohlgenährten Kinder im Korb habe ich anders interpretiert, eher als Besuch aus der anderen Welt, der aus Neugier von oben herabgekommen ist, dessen Verbindung nach oben abgebrochen ist (Distanz von Korb und Kette) und die nun - wie auch immer - die Wut der Ausgebeuteten zu befürchten haben.

Ich denke eher, daß mit dem Förderkorb gerade der Welt unten zwei neue Mitglieder zugeführt wurden - Stichwort sozialer Abstieg, Verarmung. Es sind ja auch weitere Figuren erkennbar, die vermutlich einen solchen Abstieg hinter sich haben, zb der an Krücken gehende Mann mit Anzug und Hut.

Ich würde auch den John Bull in Frage stellen wollen: er hat zwar unten eine privilegierte Stellung, aber er hat ganz offensichtlich trotz Geld keinen Zugang zur Welt oben.
 
Okay, das hört sich alles sehr schlüssig an. Nur, wenn man die Frau als "Hoffnung" deutet, für was soll es Hoffnunf geben? Und wer genau ist John Bull? Und eine letzte Frage, was genau kritisiert der Zeichner? Also, welche Gesellschaftlichestellung hatte er? :)
Vielen Dank an alle :)
 
Und wer genau ist John Bull?

Google is your friend:
John Bull ? Wikipedia


Und eine letzte Frage, was genau kritisiert der Zeichner? Also, welche Gesellschaftlichestellung hatte er?
Das sind zwei Fragen... :fs:

Nach dem, was du in der Karikatur siehst - was könnte der Zeichner denn so kritisieren?

Und wenn du dir die Karikatur nochmals ansiehst: in welcher Schicht einer so dargestellten Gesellschaft könnte man denn die Möglichkeit (Bildung, Zeit, Materialien) gehabt haben, solche Karikaturen anzufertigen?
 
Dazu habe ich auch einige Fragen:

Im oberen linken Bild sind auf dem kleinen Tischchen weitere Goldsäcke zu sehen. Der wohlsituierte Herr hält ein Glas Sekt in der Hand, als wolle er auf etwas - ein gelungenes Geschäft vielleicht? - anstoßen. Verkauft die Gesellschaft ihre Kinder an die Armut und das Buckeln für den eigenen Wohlstand?

Ist das Gold, auf dem der Dicke im Bild unten rechts sitzt, das Geld das er den oberen zu bezahlen hat, wenn er Nachschub an Arbeitskräften bekommt?

Im oberen Bild rechts sitzt ein gut genährtes Kind in einer Art Sessel mit mehreren Kissen. Der Diener reicht ein übervolles Tablett - das Kind wird offensichtlich gemästet. Soll dieses Kind ebenfalls nach unten verkauft werden, sobald es kräftig genug ist? Die Mutter des Kindes liegt im Hintergrund im Bett und macht einen "unpässlichen" Eindruck. Sie lässt sich von einem weiteren Diener umsorgen und ignoriert sowohl das Kind als auch ihren Gatten. Wird weggeschaut?

edit: bei der Frau im Hintergrund ist kein Diener, das ist ein Spiegel.... (oh meine Augen...)

Im unteren Bild links ist links von der Frau mit dem Anker in den gemalten Girlanden (?) ein Köcher mit Pfeilen zu sehen. Gehört das zum Engel?

@lili
Die Bedeutung der Buchstaben an den beiden Schlössern würde mich auch sehr interessieren.
 
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Im oberen linken Bild sind auf dem kleinen Tischchen weitere Goldsäcke zu sehen. Der wohlsituierte Herr hält ein Glas Sekt in der Hand, als wolle er auf etwas - ein gelungenes Geschäft vielleicht? - anstoßen.

Oder der Herr will nicht unbedingt auf ein Geschäft anstoßen, sondern es soll sein üblicher Lebensstil dargestellt werden? Jedenfalls wie der Karikaturist diesen Lebensstil überspitzt beschreiben möchte?

"Die" Gesellschaft - das ist so nicht treffend, da die Unten ja auch in derselben Gesellschaft leben. Es werden zwei Seiten dieser Gesellschaft dargestellt; der Neuzugang unten verdeutlicht, daß diese offenbar 'nach unten' durchlässig ist. Sprich: durch sozialen Abstieg kann man von oben nach unten gelangen; der Weg von oben nach unten wird jedoch nicht dargestellt.

Verkauft die Gesellschaft ihre Kinder an die Armut und das Buckeln für den eigenen Wohlstand?

Sicher nicht in dem Sinne, daß der 'oben' lebende Teil der Gesellschaft eigene Kinder als Regelfall und im wörtlichen Sinne nach 'unten' verkauft, sondern daß der 'unten' lebende Teil von 'oben' zum Schuften eingesetzt wird.
 
Eigentlich wollte ich noch gar nicht so viel interpretieren, sondern eher im Detail bleiben.

Aber Ok. Im übertragenen Sinne verstehe ich es eher so, dass die Gesellschaft (oben wie unten) den Weg der Industrialisierung geht, hin zum vermeintlichen Wohlstand aller, in Wirklichkeit aber auf Kosten der Zukunft ihrer Kinder bzw. der Schwächeren lebt.
 
Ich würde auch den John Bull in Frage stellen wollen: er hat zwar unten eine privilegierte Stellung, aber er hat ganz offensichtlich trotz Geld keinen Zugang zur Welt oben.
Den John Bull leite ich ganz allein durch die Darstellung ab, dick, Kniebundhose und Union-Jack-Weste. Dass er auf der Karikatur statt Zylinder eine Schlafmütze trägt und chillig Pfeife raucht, spricht an der Stelle für sich.

Okay, das hört sich alles sehr schlüssig an. Nur, wenn man die Frau als "Hoffnung" deutet, für was soll es Hoffnunf geben?
Für die Arbeiter gibt es keine Hoffnung, deshalb steht sie ja vor der Tür.

Im oberen linken Bild sind auf dem kleinen Tischchen weitere Goldsäcke zu sehen. Der wohlsituierte Herr hält ein Glas Sekt in der Hand, als wolle er auf etwas - ein gelungenes Geschäft vielleicht? - anstoßen.
Oder der Herr will nicht unbedingt auf ein Geschäft anstoßen, sondern es soll sein üblicher Lebensstil dargestellt werden? Jedenfalls wie der Karikaturist diesen Lebensstil überspitzt beschreiben möchte?
Ich würde in den beiden Rahmen wirklich nur die Darstellung des Lebensstils "des Kapitals" aus der Sicht des Zeichners sehen, wobei ich den rechten Rahmen in der Interpretation als wichtiger, da entsprechend gesellschaftskritisch (zum einen Luxus - exotische Tiere, wie ein papagei und ein kleines Äffchen, die noch ddazu von einem Diener bedient werden, während die Arbeiter malochen), erachten würde.

Verkauft die Gesellschaft ihre Kinder an die Armut und das Buckeln für den eigenen Wohlstand?
Man sieht auf der Zeichnung ja nur, dass die Kinder in einem Korb herabgelassen wurden, warum und von wem bleibt offen. Das kann zum einen "die Gesellschaft" sein, aber auch einfach nur "das System". Durch die Darstellung der Kinder als wohlgenährt zum Zeitpunkt ihrer Ankunft, soll meiner Lesart nach und ergänzend zu dem, was Ingeborg bereits geschrieben hat, transportiert werden, dass man nicht zum armen und heruntergekommenen Arbeiter geboren, sondern von wem auch immer gemacht wird.

Ist das Gold, auf dem der Dicke im Bild unten rechts sitzt, das Geld das er den oberen zu bezahlen hat, wenn er Nachschub an Arbeitskräften bekommt?
Dem Ton der Karikatur folgend, ist das in meinen Augen eher, das Geld, das die Arbeiter erwirtschaftet haben (man beachte es auch in Relation zu den Geldsäcken beim Kapital), durch die Bewachung darauf aber keinen Zugriff haben.

Im oberen Bild rechts sitzt ein gut genährtes Kind in einer Art Sessel mit mehreren Kissen. Der Diener reicht ein übervolles Tablett - das Kind wird offensichtlich gemästet. Soll dieses Kind ebenfalls nach unten verkauft werden, sobald es kräftig genug ist?
Schau mal genau hin: das ist kein Kind, das ist ein Affe.

Die Mutter des Kindes liegt im Hintergrund im Bett und macht einen "unpässlichen" Eindruck. Sie lässt sich von einem weiteren Diener umsorgen und ignoriert sowohl das Kind als auch ihren Gatten. Wird weggeschaut?
edit: bei der Frau im Hintergrund ist kein Diener, das ist ein Spiegel.... (oh meine Augen...)
Sie schaut in einen Spiegel = sie ist mit sich selbst beschäftigt und lässt zudem ihre Haustiere besser behandeln als die Menschen von deren Arbeitsleistung sie lebt.

Im unteren Bild links ist links von der Frau mit dem Anker in den gemalten Girlanden (?) ein Köcher mit Pfeilen zu sehen. Gehört das zum Engel?
Ich meine ja, weswegen ich weiter oben ElQ bei seiner Mutmaßung bei dem Putto handle es sich um Amor recht gebe und weiterhin dabei bleibe, dass Liebe (= der Putto) und Hoffnung (= die Dame mit Anker) durch John Bull ausgesperrt werden.

"Chue, bra, ma"-irische Sprache? Ausdrücke in irisch?
Nachdem die Karikatur in einer englischen Zeitschrift erschienen ist, glaube ich das nicht. Karikaturen haben grundsätzlich zu eigen, dass sie so gezeichnet wurden, dass die Zielgruppe sie versteht.

Guter Hinweis! Das könnte es auch sein.
 
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