Mahlzeit
Im wesentlichen stimmen ich Apvar zu; dazu noch einige Anmerkungen zu den Sitten der Royal Navy:
- Gepresst werden durften nur britische Seeleute und nur in Kriegszeiten;
- Es gab Ausnahmen, sogenannte Protections, z. B. für Lotsen, Lehrlinge; gerne gefälscht oder mangels Paßfoto (ersetzt durch eine Beschreibung des Berechtigten) verkauft; nach Unabhängigkeit der USA versuchten auch viele britische Seeleute, sich bei US-Consulaten ihre US-Staatsbürgerschaft bestätigen zu lassen, um Ausländer zu werden. Hierbei unterstützten die Konsuln gerne. Diese Praxis war einer der (vorgeschobenen) Gründe für den Krieg von 1812-14.
- Die von der Marine Society beigesteuerten Zahlen waren vernachlässigbar.
- Ausländer und mehr und mehr Iren wurden angeheuert.
- Die Royal Navy nahm entgegen der bösen Gerüchte nur ungern (Klein-)kriminelle, keine Diebe oder Mörder.
- Für das Pressen war die Marine selbst zuständig. Das bewerkstelligten der "Impress Service" als "Landdienststelle", sowie die Besatzungen der einzelnen Schiffe selbst. Die eher schwachen lokalen Magistrate waren nicht behilflich - ganz im Gegenteil, sie wurden teils selber aktiv, um die Pressgangs zu behindern. Deswegen wurde besonders gerne von einlaufenden Handelsschiffen gepresst - diese wurden ganz erheblich gefleddert, der Käpten bekam dann ein paar Marineleute, die ihm das Schiff in den Hafen brachten und dann an Bord zurückkehrten. (Das war den achso ehrlichen Kaufleuten ganz recht, da sie darauf spekulierten, dass sie den derart gepressten Seeleuten die zum Ende der Reise fällige Heuer nicht mehr bezahlen mussten.)
Zum Einwand von wegen brutal: Die ganze Welt war damals brutal. Körperstrafen an der Tagesordnung und weithin akzeptiert. Die Verpflegung an Bord von Kriegsschiffen war in der Regel besser, die Arbeit (auf Grund der hohen Besatzungszahlen) einfacher als auf Händlern. Auf Handels- und anderen Privatschiffen ging es häufig wesentlich brutaler zu als in der Marine, da die Behandlung der Seeleute dort im Gegensatz zum zivilen Bereich streng reguliert war. Die Regularien wurden zwar oft übertreten, grenzten die Brutalität aber ein. Es gab zwar schwere und auch unangemessene Strafen, aber das Leben als Landarbeiter oder in den Landtruppen war noch brutaler. Auf See wurde man für Diebstahl noch gepeitscht oder musste bis kurz nach 1800 auch durch die Gasse laufen, an Land wurde man gehängt! Laut Regularien durfte ein Kommandant aus eigenem Ermessen nicht mehr als ein Dutzend Peitschenhiebe verhängen. Für mehr brauchte er offiziell ein Kriegsgericht. De fakto gab es selten mehr als höchstens vier Dutzend Hiebe. Nach damaligen Standards einigermaßen hart, aber nicht jenseits von gut und böse. Kriegsgerichte und Army verhängten schon mal mehrere hundert Hiebe...
Was die Marine für die sailors unattraktiv machte war, dass sie nicht gehen konnten, wann sie wollten, sondern zum Teil für Jahre auf einem Schiff verbleiben mussten, waren sie erstmal angemustert. Für John Nicol z. B. war DAS der Grund, warum er sich - um mal einen Blick auf Australien zu werfen - auf dem Sträflingsschiff "Lady Juliana" anmustern ließ und nicht auf dem "Krieger" "Guardian".
Weiterlesen?
Impressment - Wikipedia, the free encyclopedia
Rodger, N. A. M., The Wooden World (das sollte für Deine wesentlichen Fragen erschöpfend Auskunft erteilen).
Post Schreibung 1: Der Quota Act wurde erst 1795, nachdem es praktisch keine Seeleute mehr zu pressen gab - beschlossen. Das war quasi eine zweite Variante der Wehrpflicht, die vielleicht in etwa mit dem preußischen Kantonssystem vergleichbar ist. (
http://en.wikipedia.org/wiki/Quota_men)
Post Schreibung 2: Die Franzosen kannten auch eine Form der Wehrpflicht für Seeleute. Diese wurden in verschiedene Klassen eingeteilt, von denen immer die Angehörigen einer Klasse für eine gewissen Zeit dienstpflichtig wurden. Das galt als gerechtes System, war aber vollkommen unzureichend, da die Anzahl ausgebildeter Seeleute, die hierfür in Frage kamen, in keinem Verhältnis zum Bedarf der Royale stand. Das ist jetzt sehr oberflächlich, da nebensächlich und ich im Augenblick keinen einschlägigen I-Net-Eintrag finde. Bei Bedarf müsste ich nochmal Bücher wälzen.