Rückständige Friesen?

Aslo, jede Gesellschaft ernährt sich vom Ackerbau im wesentlichen seit der neolithischen Revolution. An die Nahrungsmittel kommt man durch Diebstahl, Raub, Erpressung oder Tausch mit anderen Gegenständen und Dienstleistungen,. ( Geld, Arbeit) Oder selber Ernten.
Um in einem fruchtbaren Marschland wie Friesland es zum Teil ist, nicht zu verhungern, kann ich als Friese entweder Waren in Norwegen usw einkaufen, in Franken verkaufen, in Friesland benötigte Ware dort einkaufen und die Nahrungsmittel mit Waren bezahlen oder sie wie im Rest des Reiches unter Androhung von Gewalt kassieren.

Nichts anderes ist nämlich Feudalismus , Schutz vor Fremden , d.h. meine Leute kassiere ich selber ab.

Wenn jetzt ganz viele zu der Erkenntnis kommen, das mit Handel und Wandel das Leben leichter ist , als mit Raub und Erpressung, und die nun auch in der Lage sind, diese Erkenntnis nötigenfalls mit Gewalt blitzesartig zu vermitteln, gibts so eine anarchische Gesellschaft wie in Friesland. Da die Friesen nun wegen Deichbau/Wurtbau usw. gelernt haben, das nur eine starke Gemeinschaft nicht absäuft und ein Anführer, der nicht "vor Ort" ist, wenig bringt .......

Der Respekt vorm "Nächsten", auch wenns der ärmste der Armen ist, steigt gewaltig, wenn Du weißt, das der vielleicht der Einzige ist, der Dich demnächst aus dem Wasser zieht. (oder wenn Du Unrecht getan hast, Dich kaltlächelnd versaufen läßt)

Da kriegt das Gebot "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" ganz anderes Gewicht. Denn solche Sünden straft der Herr sehr bald. Nach damaliger Auffasung, s. Rungholt Sagen.
 
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Nichts anderes ist nämlich Feudalismus , Schutz vor Fremden , d.h. meine Leute kassiere ich selber ab.

"Feudalismus" ist ein Begriff mit fest umrissenem Bedeutungsinhalt. Er bezeichnet das Lehnswesen des Mittelalters und die damit verbundene Gesellschafts- und Wirtschaftsform.

Friesland zeichnet sich dadurch aus, dass sich das Lehnswesen bzw. der Feudalismus nicht oder nur unvollkommen durchsetzen konnte, was sich in Ostfriesland erst im 15. Jh. änderte.

Wenn jetzt ganz viele zu der Erkenntnis kommen, das mit Handel und Wandel das Leben leichter ist , als mit Raub und Erpressung, und die nun auch in der Lage sind, diese Erkenntnis nötigenfalls mit Gewalt blitzesartig zu vermitteln, gibts so eine anarchische Gesellschaft wie in Friesland.

Die friesische Gesellschaft war keineswegs "anarchisch", denn es gab eine Selbstverwaktung mit Gerichten und anderen Institutionen wie z.B. die Versammlungen am Upstalsbom bei Aurich zur Wahrung des Landfriedens. Richter wurden bis ins 14. Jh. alle Jahre neu gewählt, wobei eine Hauptaufgabe in der Aufsicht über die Deiche bestand. Ende des 14. Jh. tauchen dann Häuptlinge auf, die die Aufgaben der Richter übernahmen.

Diese Formen der Selbstverwaltung sind dem feudalen Lehnswesen entgegengesetzt, denn sie waren dezentral und nicht an die Beziehungen zwischen adligem Lehnsherrn und Lehnsmann und die Vergabe von Land gegen Treue, Gefolgschaft und Waffendienst geknüpft.
 
Nichts anderes ist nämlich Feudalismus , Schutz vor Fremden , d.h. meine Leute kassiere ich selber ab.

Du siehst den Feudalismus ja wohl ausnehmend und ausschließlich negativ.
Ich bin der Meinung, dass das feudale System vor den einschneidenden Veränderungen im Zuge des 17. und 18. Jahrhunderts eine durchaus effektive und einigermaßen gerechte Möglichkeit war, ein von Ackerbau und hinterwäldlerischen Bauern dominiertes Land zu regieren.

Dass das Feudalsystem nur auf Gewalt basiert, ist Unsinn. Wenn die Bauern im Mittelalter wirklich richtig unzufrieden mit ihrer Lage gewesen wären, hätten sie eine Revolte nach Art des Bauernkrieges 1525 beginnen können. Wie man an diesem Beispiel sieht, hätte das vielleicht auch geklappt, denn auch 1525 konnten die Fürsten den Aufstand nur mit Not niederschlagen. Und wenn die Bevölkerung mehrerer Dörfer sich gegen ihren ritterlichen Herrn erhebt, so geht bei dem Kampf einer gegen tausend sicher als allererstes des Ritter drauf, denn um mal eben seine Kollegen (mit denen er im schlechtesten Fall auch noch verfeindet ist) zu informieren, sind die Nachrichtenübermittlungswege viel zu lang. Kurz gesagt: Wenn die Bauern ihren Herrn weg gewollt hätten, wäre es ihnen ein Leichtes gewesen.

Ich gehe viel mehr davon aus, dass die Ernährung einer nicht-feudalen Gesellschaft deutlich schwieriger ist als die einer feudalen. Das lässt sich durch die Existenz freier Bauern bis ins Spätmittelalter beweisen, die oft jedoch aufgrund wirtschaftlicher Probleme freiwillig in die Unfreiheit gingen. Der Feudalismus ist (zumindest in seiner Anfangsphase) keine erpresste Sklaverei, sondern ein pragmatischer Deal zwischen Bauern und Fürsten.

Jetzt folgt was in jedem Schulbuch steht:
Der Herr verspricht den Bauern Schutz vor den Angriffen fremder Adliger (wenn er ihn gewährleisten kann und will). Dazu stellt er einen Vogt bereit, der die Landarbeit koordiniert und zur planmäßigen Agrarwirtschaft macht. Die effektive Wirtschaftsweise maximiert die Erträge, außerdem werden den Hörigen durch die Weltläufigkeit ihres Herrn neuartige Methoden wie die Dreifelderwirtschaft und das Kummet bekannt. Der Herr verhindert durch seine Verwaltung, die die ungebildeten Hörigen nicht gewährleisten können, das Verhungern der Bauern.
Die Bauern geloben dafür, ihrem Herrn zu gehorchen, und ihm einen beträchtlichen Teil ihrer Produkte zu übertragen. Zudem leisten sie Frondienste auf den Gütern und werden zuweilen sogar zur "Bespaßung" des Hofes herangezogen.

Insgesamt führt das Feudalsystem aufgrund der Koordination der Landwirtschaft zu einer besseren Ernährung und allgemein angenehmeren Lebensverhältnissen der Landbevölkerung. Freilich opferte diese dafür ihre Freiheit, was ihnen jedoch als ein geringer Preis erschienen sein muss dafür, dass sie täglich etwas auf den Tisch bekamen. Ein nicht-feudal organisierter Landstrich wie Friesland muss also, wenn er nicht urbanisiert war, nicht selten unter Hungersnöten gelitten haben.
 
Wenn die Bauern im Mittelalter wirklich richtig unzufrieden mit ihrer Lage gewesen wären, hätten sie eine Revolte nach Art des Bauernkrieges 1525 beginnen können.
Es gab im Mittelalter schon vor dem großen Bauernkrieg große Bauernaufstände, z. B. die Jacquerie in Frankreich während des Hundertjährigen Krieges oder 1381 in England unter der Führung von Wat Tyler.

Und wenn die Bevölkerung mehrerer Dörfer sich gegen ihren ritterlichen Herrn erhebt, so geht bei dem Kampf einer gegen tausend sicher als allererstes des Ritter drauf, denn um mal eben seine Kollegen (mit denen er im schlechtesten Fall auch noch verfeindet ist) zu informieren, sind die Nachrichtenübermittlungswege viel zu lang. Kurz gesagt: Wenn die Bauern ihren Herrn weg gewollt hätten, wäre es ihnen ein Leichtes gewesen.
Wenn man sich die Ergebnisse der Bauernaufstände ansieht, war das offenbar nicht der Fall. Du übersiehst, dass es auch für die Bauern schwierig war, sich großräumig zu organisieren. Andererseits aber hatte der Landesherr, wenn Ritteraufgebote gegen die Aufständischen nichts ausrichteten, immer noch die Möglichkeit, Söldnerhaufen anzuwerben und zur Niederschlagung einzusetzen.
 
Ja, das gab es, dass Freie sich in Abhängigkeit begaben, allerdings taten sie dies weniger aus freiem Willen, als aus wirtschaftlichen Gründen. Sie konnten dann nämlich auf ihrem Land, welches fortan einem Grundherren gehörte sitzen blieben und gaben einen Teil der Ernte ab. Dafür gaben sie aber auch ihre Freiheit auf. Was war nun der "Vorteil" dieser Situation? Der Vorteil war, dass sie nicht mehr verpflichtet werden konnten in den Krieg zu ziehen, was Ausrüstung erforderte. Im Prinzip war es also wirtschaftliche Not, die Menschen in die Abhängigkeit trieb.

Die Aufstände, die zum Bauernkrieg führten sind dagegen kaum ohne die Reformation und einen gewissen radikalen theologischen Unterbau sowie den Bedeutungszuwachs der Städte seit dem Spätmittelalter und damit dem Entstehen neuer sozialer Schichten zu erklären.
 
In der Sache der Wirkungslosigkeit dieser Aufstände hast du wohl größtenteils recht, Ravenik, an die Söldner hatte ich jetzt gar nicht gedacht. Aber die Revolten resultierten auch nur aus dem massiven Missbrauch der adligen Rechte, gerade, weil seit dem Spätmittelalter für die Ritter auf dem Land kaum noch was zu verdienen war und sie so ihre Kraft für das Ausrauben von fahrenden Händlern oder ihren Untergebenen einsetzten. Das Feudalsystem funktionierte, solange die Naturalwirtschaft ein einträgliches Geschäft war. Mit fortschreitender Kapitalisierung der Gesellschaft änderte sich dies, und während im Spätmittelalter die ersten Missbräuche seitens des Adels auftraten, wurde der Feudalismus spätestens durch die Entwicklung des Finanzkapitals und der Industrialisierung völlig obsolet, nachdem die Aufklärung ihm schon die philosophische Basis entzogen hatte.
 
tja, Du hälst sie dumm, ich halt sie arm, dann habens wir beide warm.
Schon mal was davon gehört, das man ein Volk auch bilden kann? Im Feudalsystem wird Landwirtschaft nicht koordiniert, der "Bauer" (Kotsasse, usw. rauf bis zum Eigengutbesitzer) ist selbstständiger Landwirt, er erwirtschaftet mit seinen Leuten (Leibeigen, Familienanehörige usw.) den Lebensunterhalt dieser Hofgemeinschaft + ev.Pacht, sonstige Abgaben und dadurch den Lebensunterhalt der "übergeordneten" und deren Leute. Dafür muß er nicht Kriegsdienst leisten, den Kriegsknecht für ihn füttert die Herrschaft durch. Auch wird ihm dafür nicht das Land von eben diesen Leuten verwüstet und diese Leute schützen ihn mehr oder minder vor anderen.

Aber da diese Ordnung Gott gegeben ist, lehnt man sich dagegen nicht aus (sagt ja auch der Herr Pastor ;-) )
Und macht man es trotzdem, gibts im Notfall einen Kreuzug o.ä., so geschehen im 2. Sachsenkrieg, Stedingeraufstand .....
Außerdem ist schlecht auflehnen ohne Waffen bzw gegen einen zuuu starken Gegner.

Eine Nicht feudale und nicht Urbane Gesellschaft gibts noch, die nicht verhungert ist
Dithmarschen, von Karl "vergessen", geführt von gebildeten Bauern, auch noch im 16.Jhdt. (Peter Swyn)
Hingegen haben in der Semifeudalen Gesellschaft Mecklenburgs im 19 !!! Jahrhundert teilweise und zeitweise die "unteren Schichten der ländlichen Bevölkerung" des öfteren gehungert. (Fritz Reuter hat das in seinem Roman "Ut mine Stromtied" verarbeitet)

Ich kann im Feudalsystem bzw der fränkischen Grafschaftsverfassung von KdG , aus der es sich ja z.T. entwickelt hat-, keinen Vorteil gegenüber einer Gemeinschaft mehr oder minder freier Menschen erkennen. Jedenfalls nicht für die unteren Schichten der Gesellschaft, für den höheren Adel, den Klerus und deren Helfer allerdings schon .
 
Der Vorteil war, dass sie nicht verhungern mussten. Und wenn der Herr ihnen gnädig entgegentrat, ließ es sich prinzipiell als Unfreier sicher besser leben als als Freier.

Ich befürchte, du verklärst die Situation, denn es handelte sich um eine weitreichende Entscheidung, die nicht nur diejenigen, die sich in freiwillige Abhängigkeit begaben betraf, sondern auch deren Nachkommen.
 
Ich befürchte, du verklärst die Situation, denn es handelte sich um eine weitreichende Entscheidung, die nicht nur diejenigen, die sich in freiwillige Abhängigkeit begaben betraf, sondern auch deren Nachkommen.

Ich gehe aber davon aus, dass die Nachkommen auch keine Lust hatten, einfach zu sterben. Aber der unterdrückte Bauer des 16. Jahrhunderts, als die Naturalwirtschaft nichts mehr einbrachte, hat es vielleicht bereut, dass sein Urururururururururopa im 11. Jahrhundert sich freiwillig dem Urururururururururopa seines Unterdrückers unterworfen hat.

Das wird jetzt langsam zur Grundsatzdebatte über Feudalismus. Der Thread geht ein bisschen:eek:fftopic:
 
Der Vorteil war, dass sie nicht verhungern mussten. Und wenn der Herr ihnen gnädig entgegentrat, ließ es sich prinzipiell als Unfreier sicher besser leben als als Freier.

Da sprichst Du ein wahres Wort Ketzer

Wenn .......
ist wie heute, wenn der Arbeitgeber fair ist, zahlt er auskömmliche bzw . gute Löhne ...

Dieter, im Vergleich zu anderen hat die friesische Verwaltung schon "anarchische" Züge. Demokratisch geregelt.
Anarchie = hier im klassischen Sinn Nichtherrschaft.
 
Ketzer, ich glaube, Du hast eine falsche Vorstellung vom niederen und mittleren Adel und auf der anderen Seite von "friesischen/sächsischen Bauern".
Beide sind eigentlich Gutsbesitzer/(Junker in späterer Zeit).
Du hast es einmal in Norddeutschland keinesfalls mehr mit einer reinen Subsistenzwirtschaft zu tun und es ibt neben den reinen Eigengutbesitzern auch noch die Teilhaber an der Allmende, also "Genossenschaften". Die sich im 11 Jhhdt in Abhänikeit beaben, taten das nicht, weil sie sich ein "besseres" Leben erhofften , sondern weil sie ihr Leben behalten wollten. Ohne den Schutz einer starken Gemeinschaft wie in Friesland, Stedingen und Dithmarschen mußten sie einfach dem Druck der mächtigen Nachbarn nachgeben. Die Höfe wurden zu klein , um genug Wehrhafte zu ernähren, die sich gegen Übergriffe schützen konnten. Da verkaufte dann ein "lüttjer Here" sein bisschen Land an einen mit mehr Land und ging in die Stadt, der "verpachtete" es dann an einen seiner Leute.

Und der hatte dann eben kein Problem mit diesem Herrn.
Ich weiß jetzt nicht , welches Erbrecht in Friesland herrschte (wegen Hofteilung), auf jeden Fall gabs da die Möglichkeit der Neulandgewinnung. Dazu die Erwerbsmöglichkeiten der Landarmen/Landlosen im Fischfang, der Seefahrt und der Seeräuberei/Strandräuberei.

Während im Inland die Altfreien bald zum niedrigen Adel gezählt wurden Verwaltungsaufgaben im Dienste des Adels wahrnahmen, sich mit dem Dienstadel irgendwann mischten, in Dienst gingen (für Ruhm und Ehre) usw. gabs in den "Bauernrepubliken" kaum bis keine Adligen, die Altfreien blieben was sie waren, alles andere lief dann ähnlich wie im Rest des Reiches. Alle waren gleich, naja, manche waren gleicher.

Und es fehlte die Heerfolgepflicht bei Reichskriegen, da hat man sich erfolgreich widersetzt.
 
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Du siehst den Feudalismus ja wohl ausnehmend und ausschließlich negativ.
Ich bin der Meinung, dass das feudale System vor den einschneidenden Veränderungen im Zuge des 17. und 18. Jahrhunderts eine durchaus effektive und einigermaßen gerechte Möglichkeit war, ein von Ackerbau und hinterwäldlerischen Bauern dominiertes Land zu regieren.

Hier ist zunächst eine Begriffsbestimmung erforderlich, was wir unter "Feudalismus" überhaupt verstehen wollen. Im allgemeinen wird damit das Herrschaftssystem des mittelalterlichen Lehnswesens verstanden, das bis in die frühe Neuzeit reichte.

Der Marxismus dehnte den Begriff auf jedes Gesellschaftssystem aus, das durch adligen Grundbesitz und die damit verbundenen Herrschaftsrechte und Standesprivilegien gekennzeichnet ist. Er betrachtet den Feudalismus als Entwicklungsstufe zwischen der antiken Sklavenhaltergesellschaft und dem modernen Kapitalismus.

Warum allerdings der Feudalismus eine "gerechte Möglichkeit" gewesen sein soll, Herrschaft über eine bäuerliche Gesellschaft auszuüben, erschließt sich mir nicht. Ganz im Gegenteil waren die Bauern in der feudalen mittelalterlichen Gesellschaft außerordentlichen Bedrückungen und erheblicher Unfreiheit ausgesetzt, seien es nun Hörige oder Leibeigene, die sogar bei familiären Entscheidungen wie Hochzeit u.ä. den Grundherrn um Erlaubnis bitten mussten, ganz zu schweigen von den zum Teil drückenden Abgaben und Frondiensten.

Preußen hob 1808 die Erbuntertänigkeit der Bauern in einem Edikt auf und beendete ihre Abhängigkeit vom Gutsherrn. Die Bauern mussten keine Abgaben und Dienste mehr leisten und konnten Beruf und Wohnort frei wählen. Damit endete der Feudalismus in Preußen, was für die Bauern eine durchaus segensreiche Entwicklung war und sicherlich gerechter, als die vormalige feudale Grund- und Gutsherrschaft - auch wenn die Bauern, falls sie blieben, dem ehemaligen Herrn eine Entschädigung zu zahlen hatten, was sich meist über Jahre hinzog. Die nachfolgenden Generationen jedoch waren frei.

Dass das Feudalsystem nur auf Gewalt basiert, ist Unsinn. Wenn die Bauern im Mittelalter wirklich richtig unzufrieden mit ihrer Lage gewesen wären, hätten sie eine Revolte nach Art des Bauernkrieges 1525 beginnen können.

Dass die Bauern mit ihrem Los - Unfreiheit, Dienste, Abgaben - nicht zufrieden waren, versteht sich von selbst. Verschiedene Bauernaufstände seit Anfang des 15. Jh. (Bundschuh, Armer Konrad usw.) und schließlich der große Bauernkrieg belegen das nachdrücklich. Es reicht ein Blick in die 1525 von den Bauern verfassten "Zwölf Artikel", die die Forderungen der Bauern enthalten, und die die ganze Misere der Bauern gegenüber der Grundherrschaft zeigen. Wenn sie die erniedrigende Leibeigenschaft unchristlich nannten, eine gerechtere Gesellschaftsordnung forderten und eine Minderung der Frondienste sowie Senkung des Zehnt verlangten, so ist es zynisch davon zu sprechen, dass der Feudalismus "positiv für die Bauern" war.

Dass es später nicht zu weiteren Aufständen kam, liegt nicht daran, dass die Bauern künftig mit ihrem Los zufriedener waren. Vielmehr waren sie weitere 300 Jahre zu einem harten Leben in Unfreiheit verurteilt und hatten nach der Katastrophe des Bauernkriegs nicht mehr die Kraft, sich noch einmal zu erheben.
 
Was sich mir nicht erschließt, Ketzer, warum sollten die "Bauern" hinterwäldlerischer als ihr Herren gewesen sein?
Und zu dem wäre dann für Mecklenburg Vorpommern und Bayern der Feudalismus die bessere Regierungsform
 
Hier ist zunächst eine Begriffsbestimmung erforderlich, was wir unter "Feudalismus" überhaupt verstehen wollen. Im allgemeinen wird damit das Herrschaftssystem des mittelalterlichen Lehnswesens verstanden, das bis in die frühe Neuzeit reichte. .

Da hast du recht. Ich halte es jetzt aber einfach wie Marx und sage, dass dieses Lehnswesen mit der bäuerlichen Unfreiheit so eng verknüpft ist, dass man die ganze "Staatsform" auch gleich als Feudalismus bezeichnen kann.

Warum allerdings der Feudalismus eine "gerechte Möglichkeit" gewesen sein soll, Herrschaft über eine bäuerliche Gesellschaft auszuüben, erschließt sich mir nicht.

Ich meine nicht, dass der Feudalismus gerecht gewesen wäre, und würde mir auch - um Himmels willen! - nicht wünschen, dass wir in einer feudalen Ordnung lebten. Aber meiner Meinung nach war das die praktikabelste Lösung in einer Zeit, die an Widrigkeiten viel reicher war als die heutige, denn sie sicherte das Überleben der Landbevölkerung und nahm dem Adel die Drecksarbeit ab. Das ist natürlich nicht gerecht. Aber ich gehe davon aus, dass es durchaus im Interesse des Lehnsherrn war, seine Bauern zu unterstützen, denn wenn er ihnen Methoden zeigte, wie sie mehr aus dem Boden holten, statt sie unentwegt auszurauben, konnte er im Endeffekt auch mehr mitnehmen. Er profitiert von dem (wenn auch geringen) Wohlstand seiner Untertanen. Zu einer Farce wurde der Feudalismus erst, als die Naturalwirtschaft keine Einnahmen mehr brachte und das Raubrittertum aufkam.

Preußen hob 1808 die Erbuntertänigkeit der Bauern in einem Edikt auf und beendete ihre Abhängigkeit vom Gutsherrn.

War ja auch längst überfällig damals, denn die wohl schon einigermaßen intellektuell und wirtschaftlich hochgekommenen Bauern ließen sich nicht mehr von irgendsoeinem hochnäsigen Tyrannen herumkommandieren, nur weil sich seine Familie bis auf 1127 zurückverfolgen lässt.

Es ist zynisch davon zu sprechen, dass der Feudalismus "positiv für die Bauern" war.

Ist es nicht positiv, leben zu dürfen? Das ist überhaupt nicht zynisch. Wenn man sich mit der Geschichte befasst, muss man doch auch die Umstände der Zeit betrachten, und die waren, dass die Bauern tagtäglich schwer schuften mussten, um ihren Haferschleim zu verdienen, und da kam es gerade recht, wenn jemand sie mehr schlecht als recht vor anderen Gefahren beschützte und ihr Überleben sicherte. Da war man dann sicher auch bereit, ihm einen Teil seiner wohlverdienten Nahrung zu übertragen, sein Leben lang im Dorf zu bleiben und den Herrn vor der Hochzeit nochmal um Erlaubnis zu fragen (mit einem wohlgenähten Schwein im Gepäck...) - Hauptsache leben!
 
Ich meine nicht, dass der Feudalismus gerecht gewesen wäre, und würde mir auch - um Himmels willen! - nicht wünschen, dass wir in einer feudalen Ordnung lebten. Aber meiner Meinung nach war das die praktikabelste Lösung in einer Zeit, die an Widrigkeiten viel reicher war als die heutige, denn sie sicherte das Überleben der Landbevölkerung und nahm dem Adel die Drecksarbeit ab.

Der Feudalismus beruhte auf einer jahrhundertelangen Dominanz des Adels über den Rest der Bevölkerung. Andere Gesellschafts- und Sozialsysteme, die gerechter und ausgewogener gewesen wären, hätten ebenso gut funktionieren können. Auch unter den Bedingungen des Mittelalters. Es lag lediglich an den überlieferten vermeintlich "gottgegebenen" Herrschafts- und Denkstrukturen, die das Fortleben des Feudalsystems ermöglichten, nicht aber an einer vermeintlichen Überlegenheit dieses Systems.

Das ist natürlich nicht gerecht. Aber ich gehe davon aus, dass es durchaus im Interesse des Lehnsherrn war, seine Bauern zu unterstützen,

Der adlige Grundherr war darauf bedacht, dass sein Vieh, seine Äcker und seine hörigen Bauern nicht beschädigt wurden. Sie sicherten schließlich sein standesgemäßes Leben, das allerdings nur auf Kosten der abhängigen Bauern, ihrer Frondienste und Abgaben ermöglicht wurde. Wer also hatte wohl den bei weitem größten Vorteil der feudalen adligen Grundherrschaft?

Ist es nicht positiv, leben zu dürfen?

Leben tun auch die Menschen in Somalia, in Afghanistan oder in Haiti. Die Frage ist doch aber "wie"? Und wären nicht bessere und gerechtere Lösungen denkbar gewesen? Unzweifelhaft war der Stand der Bauern im Mittelalter am schlechtesten dran, während die Vollbürger und der Adel ein weitaus leichteres Los trugen. Und nur darum geht es in dieser Diskussion.

Das ist überhaupt nicht zynisch. Wenn man sich mit der Geschichte befasst, muss man doch auch die Umstände der Zeit betrachten,

Die "Umstände" macht der Mensch und sie sind somit variabel.

und die waren, dass die Bauern tagtäglich schwer schuften mussten, um ihren Haferschleim zu verdienen, und da kam es gerade recht, wenn jemand sie mehr schlecht als recht vor anderen Gefahren beschützte und ihr Überleben sicherte.

Mit dem "Schutz" hat das leider nicht so funktioniert. Bei allen Fehden und Kriegen waren vor allem die Bauern dran, denen man das Korn auf den Feldern und das Haus über dem Kopf anzündete, die Anpflanzungen verwüstete. Der lehrbuchhafte "Schutz" ist also ein gern bemühtes Märchen und die Bauern fronten vor allem dafür, dass der Grundherr ein standesgemäßes Leben führen konnte.

Dafür bekamen sie herzlich wenig bis nichts zurück und verharrten vielfach in größter Armut und Abhängigkeit. Ob die blanke Tatsache, dass sie immerhin am Leben waren, sie dafür ausreichend entschädigte, darf bezweifelt werden.
 
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Also, überregionale Kontakte des niederen Adels (Barone) wage ich zu bezweifeln. Und auch die anderen pflegten deutlich weniger zu reisen als die städtische Verwandtschaft der Landbewohner. Weiterhin ist ja das Einkommen/Auskommen abhängiger Landbesitzer nun in weiten Strecken durchaus akzeptabel gewesen.

Was die Bildung angeht, "Dat kann nein Swyn lesen" bedeutet nun mal, das das kein Anehöriger der Familie Swyn lesen kann. Eine bäuerliche Familie aus Dithmarschen.

Und was das Reisen angeht, es sind deutlich mehr Freie gepilgert als Adlige. Und es wären wohl liebend gern mehr gepilgert, wenn sie nicht aus "überkommen behauptetem Recht" daran gehindert worden wären. Leisten hätten sich das die Bördebauern auch können, nur dürfen durften sie nicht. Und glaubt man ja, rechnen konnten "Bauern " schon immer, sogar mit 100er Übergang. Sonst wäre ein wirtschaftliches Überleben auch in der Zeit nicht möglich gewesen.

Dieter, andere Gesellschaftssysteme haben ja funktioniert, Friesland und Dithmarschen.
Wobei noch zu erwähnen wäre, das die Dithmarscher die Schlacht bei Hemmingstedt und andere auch wegen überlegener Waffentechnik gewonnen haben. Nicht nur wegen geöffneter Deiche...

Auch der sogenannte 2. Sachsenkrieg, an dem nur das alte Ostfalen beteiligt war, geführt von Adeligen, bestehend weitestgehend aus freien Bauern wurde nur durch massiven Reichseinsatz vom Kaiser gewonnen. Auch hier ging es um Beschneidung von Rechten,-Rechtsanmaßung-, des obersten Lehnsherren. Diese waren ihren Anführern nicht heerfolgepflichtig, riskierten aber Leben , hab und gut bestimmt nicht, weil sie das Lehens und Pachtsystem des HRR so toll fanden. Und gerade diese Gegend ist ja nun nicht für Hungeraufstände oder ähnliches bekannt.
 
Unzweifelhaft war der Stand der Bauern im Mittelalter am schlechtesten dran, während die Vollbürger und der Adel ein weitaus leichteres Los trugen.

Unzweifelhaft. Keine Einwände. Aber wie hätte man seine Lage verbessern können?

Leben tun auch die Menschen in Somalia, in Afghanistan oder in Haiti. Die Frage ist doch aber "wie"? Und wären nicht bessere und gerechtere Lösungen denkbar gewesen?

Ich verstehe eure Argumentation. Aber was wären denn eurer Meinung nach praktikable (und ich meine jetzt wirklich umsetzbare und realistische) Alternativen zur Feudalgesellschaft gewesen? Was hätte man besser machen können? Ich bin offen für jeden Vorschlag (mal ganz abgesehen davon dass diese Was-Wäre-Wenn-Diskussionen ohnehin ziemlich sinnlos sind).
 
@ Wilfried
Die deutschen Barone stammen zum allergrößten Teil aus baltendeutschen Geschlechtern und hatten sehr wohl Kontakt zu ihren Verwandten "im Reich".
Was die Pilgerreisen angeht, so ist die höhere Anzahl der pilgernden "Freien" nur logisch, wenn man das Zahlenverhältnis genauer betrachtet.
Dazu sei auch darauf verwiesen, dass es im Spätmittelalter durchaus zum guten Ton gehörte, sich als Ritter nach Jerusalem zu begeben und dort erneut den Ritterschlag zu empfangen.
Gerade in den späteren Phasen des "Feudalismus" war der Adel geradezu besessen auf Reisen - die Grande Tour war obligatorisch und wurde auch recht schnell von vermögenden Bürgern kopiert.
 
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