Scheidung im antiken Rom

S

Scheuder

Gast
War es römischen Frauen möglich, sich scheiden zu lassen? War es überhaupt möglich, sich scheiden zu lassen?
 
Ja, das war möglich und auch - zumindest in der Oberschicht - nicht unüblich.
Allerdings war die römische Gesellschaft sehr patriarchalrechtlich organisiert.
 
War es römischen Frauen möglich, sich scheiden zu lassen? War es überhaupt möglich, sich scheiden zu lassen?
Grundsätzlich ja, wobei es aber auch auf die Zeit und die Form der Eheschließung (es gab nämlich mehrere Arten der Ehe) ankam.
Wurde die Ehe in Form der Confarreatio, einer religiösen Zeremonie, geschlossen, war sie lange Zeit unauflösbar, erst unter Domitian wurde sie scheidbar.
Andere Ehen konnten anfangs auch nur vom Mann und nur bei bestimmten Verfehlungen der Frau, die von Familiengerichten überprüft wurden, geschieden werden. In der späten Republik setzte sich dann die freie Scheidbarkeit, auch für Frauen, durch.
 
Es gab in der republikanischen Zeit zwei verschiedene Arten der Eheschließung. Entweder die Braut unterstellte sich die Frau der vollen Familiengewalt des Mannes und war ihm somit Untertan oder sie verblieb rechtlich in ihrer eigenen Familie und konnte vollkommen frei über ihr Vermögen verfügen. Im ersteren Fall trug sie den Titel mater familias (Hausmutter) im zweiten uxor (Gattin). In der Kaiserzeit setzte sich die zweite Form der Ehe durch. In ihr war die Scheidung der Frau ziemlich problemlos, da sie ja ohnehin nicht zur Familie des Mannes sondern zu der ihrer Eltern gehörte.
 
Allerdings war die römische Gesellschaft sehr patriarchalrechtlich organisiert.

Ich habe in diesen Zusammenhang von der "Emanzipation" in der späten Republikzeit gelesen.
Die juristische und gesellschaftliche Stellung der Frau in der Römischen ... - Google Books

Was habe ich mir darunter vorzustellen?

Außerdem habe ich noch 2 Fragen in diesen Zusammenhang:
Ich habe gelesen, das Römische Recht gibt der Realität insofern nach, als dass es davon ausgeht, dass der Vater letztlich niemals ganz sicher ist. Kann man daraus folgende Schlußfolgerungen ziehen:
1. Die römischen Frauen müssen, im Vergleich zu den griechischen oder denen einiger späterer Kulturen, eine bemerkenswerte Freiheit besessen haben, denn die römischen Männer gingen zumindest prinzipiell davon aus, dass sie fremdgehen konnten. Das wäre aber völlig ausgeschloßen, wenn die Frauen immer im eigenen Haus (wie wohl bei den Griechen) oder in einem Harem eingesperrt waren.
2. Wenn die Frau, wie @Galeotto schrieb, in der Spätzeit juristisch gar nicht mehr zur Familie des Mannes gehörte, waren denn die Kinder der Frau überhaupt "Stammhalter" für ihren Ehemann oder konnten die römischen Familienoberhäupter ihre "Blutlinien" nur durch Töchter weiterführen?

P.S.: Ich hoffe, meine Anschlussfragen sind gestattet, behandeln sie doch das selbe Thema.
 
Ich habe in diesen Zusammenhang von der "Emanzipation" in der späten Republikzeit gelesen.
Die juristische und gesellschaftliche Stellung der Frau in der Römischen ... - Google Books

Was habe ich mir darunter vorzustellen?


Ohne die Arbeit schlecht reden zu wollen - bei einem oberflächlichen Blick auf das Inhaltsverzeichnis wirkt sie zumindest gut strukturiert - sollte man den Begriff der Emanzipation hier nicht allzuhoch besetzen. Es handelt sich hierbei um eine Seminarsarbeit, von der weder die Benotung (oder die Benotungskriterien) ersichtlich ist (hierzu vielleicht mal auf die Seite von GRIN gehen, da steht das vielleicht), noch, ob sie im Grund- oder Hauptstudium entstanden ist.
Wie reflektiert der Begriff hier eingesetzt wurde, ist aus der einen Textseite kaum ersichtlich. Um das herauszufinden wäre es ganz hilfreich auf die angegebene Literatur von Bettina Keck aus dem Jahre 1975 zu rekurrieren.
 
Ich habe in diesen Zusammenhang von der "Emanzipation" in der späten Republikzeit gelesen.
Die juristische und gesellschaftliche Stellung der Frau in der Römischen ... - Google Books

Was habe ich mir darunter vorzustellen?
Grundsätzlich unterstand die römische Frau der patria potestas (also der "väterlichen Gewalt") eines Mannes - entweder der des Pater familias (Familienoberhaupts) der Familie, in die sie geboren wurde, oder (im Fall der Manus-Ehe) der des Pater familias der Familie, in die sie geheiratet hatte. Es gab jedoch auch die Möglichkeit, sie aus der patria potestas zu entlassen, das war die emancipatio. Durch sie erlosch die rechtliche Zugehörigkeit der Frau zum Familienverband; sie war fortan "sui iuris", also "eigenberechtigt". Die emancipatio lief so ab, dass der Pater familias die Frau (zum Schein) verkaufte und sie vom Erwerber freigelassen wurde.

Es gab in der republikanischen Zeit zwei verschiedene Arten der Eheschließung. Entweder die Braut unterstellte sich die Frau der vollen Familiengewalt des Mannes und war ihm somit Untertan oder sie verblieb rechtlich in ihrer eigenen Familie und konnte vollkommen frei über ihr Vermögen verfügen. Im ersteren Fall trug sie den Titel mater familias (Hausmutter) im zweiten uxor (Gattin). In der Kaiserzeit setzte sich die zweite Form der Ehe durch. In ihr war die Scheidung der Frau ziemlich problemlos, da sie ja ohnehin nicht zur Familie des Mannes sondern zu der ihrer Eltern gehörte.
Die manus-freie Ehe hatte aber auch einen gravierenden Nachteil für die Frau, sofern sie weiterhin unter der patria potestas ihrer alten Familie stand: Ihr Pater familias konnte sie aus der manus-freien Ehe zurückholen und diese damit auflösen. Erst unter Antoninus Pius wurde dieses Recht Beschränkungen unterworfen.
 
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Das ist interessant. Gibt es über diese juristischen Feinheiten eine antike Quelle, die das so beschreibt oder hat man das aus den Quellen rekonstruiert?
 
Die emancipatio wird in den "Institutiones" des Gaius beschrieben, einer Art Jus-Lehrbuch aus dem 2. Jhdt. n. Chr.

Es gab in der republikanischen Zeit zwei verschiedene Arten der Eheschließung. Entweder die Braut unterstellte sich die Frau der vollen Familiengewalt des Mannes und war ihm somit Untertan oder sie verblieb rechtlich in ihrer eigenen Familie und konnte vollkommen frei über ihr Vermögen verfügen. Im ersteren Fall trug sie den Titel mater familias (Hausmutter) im zweiten uxor (Gattin). In der Kaiserzeit setzte sich die zweite Form der Ehe durch. In ihr war die Scheidung der Frau ziemlich problemlos, da sie ja ohnehin nicht zur Familie des Mannes sondern zu der ihrer Eltern gehörte.
Dass die Frau in der manus-freien Ehe frei über ihr eigenes Vermögen verfügen konnte, war allerdings lange Zeit eher selten. Solange sie unter der patria potestas ihrer alten Familie stand, entschied ihr Pater familias über ihr Vermögen. Aber auch nach dem Erlöschen der patria potestas brauchte die Frau einen Vormund (tutor), das war per Gesetz der gradnächste männliche Verwandte oder ein vom Pater familias per Testament eingesetzter Vormund oder, wenn es weder einen gesetzlichen noch einen testamentarischen Vormund gab, ein amtlich bestellter Vormund. Allerdings wurde das im Laufe der Zeit immer liberaler gehandhabt. Schon in der späten Republik brauchte die Frau zwar noch die Zustimmung des Vormunds für bestimmte Rechtsgeschäfte, entschied aber grundsätzlich selbst, außerdem konnte die Frau mitunter seine Zustimmung gerichtlich erzwingen. Augustus hob die Vormundschaft für Frauen mit mindestens drei Kindern auf. Claudius schaffte die gesetzliche Vormundschaft für die Frau ab, allerdings bestand weiterhin die Möglichkeit, dass der Pater familias per Testament einen Vormund für die Frau bestellte.
Daneben gab es allerdings noch die Möglichkeit, dass ihr der Pater familias oder der Vormund Vermögenswerte als peculium überließ; darüber konnte sie dann frei verfügen.

Ich habe gelesen, das Römische Recht gibt der Realität insofern nach, als dass es davon ausgeht, dass der Vater letztlich niemals ganz sicher ist. Kann man daraus folgende Schlußfolgerungen ziehen:
1. Die römischen Frauen müssen, im Vergleich zu den griechischen oder denen einiger späterer Kulturen, eine bemerkenswerte Freiheit besessen haben, denn die römischen Männer gingen zumindest prinzipiell davon aus, dass sie fremdgehen konnten. Das wäre aber völlig ausgeschloßen, wenn die Frauen immer im eigenen Haus (wie wohl bei den Griechen) oder in einem Harem eingesperrt waren.
Es gibt den Spruch "Mater semper certa est", also "Die Mutter ist immer sicher". In der Zeit vor künstlicher Befruchtung etc. war klar, dass die Frau, die das Kind gebar, auch seine Mutter ist. Beim Vater konnte man da nicht so sicher sein. Es gab bestimmte rechtliche Vorkehrungen, um ein Kind einigermaßen sicher einem Mann zuordnen zu können. Z. B. galten Kinder nur dann als ehelich, wenn sie frühestens im 7. Monat nach der Hochzeit geboren wurden. Umgekehrt galten auch noch Kinder, die spätestens im 10. Monat nach dem Ende der Ehe geboren wurden, als ehelich. Frauen durften auch nicht sofort nach einer Scheidung erneut heiraten, sondern mussten zehn (ab Augustus zwölf) Monate warten. Letztlich waren das aber freilich alles nur rechtliche Vermutungen über die Vaterschaft, wie es sie in ähnlicher Form auch heute noch gibt, aber die Möglichkeit, dass jemand anderer der biologische Vater war, konnte damit nicht ausgeschlossen werden. Allerdings war es ohne Gentest auch nur schwer möglich, den wahren Vater zu ermitteln.
Verglichen mit den griechischen Frauen hatten die der Römer tatsächlich mehr Bewegungsfreiheit.

2. Wenn die Frau, wie @Galeotto schrieb, in der Spätzeit juristisch gar nicht mehr zur Familie des Mannes gehörte, waren denn die Kinder der Frau überhaupt "Stammhalter" für ihren Ehemann oder konnten die römischen Familienoberhäupter ihre "Blutlinien" nur durch Töchter weiterführen?
Ehelich geborene Kinder gehörten immer zur Familie des Ehemannes, auch bei der manus-freien Ehe. Bei der manus-freien Ehe gehörten die Mutter und die Kinder also rechtlich verschiedenen Familien an.
 
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Unterstanden nur Frauen dem Patriarchiat oder nicht auch die männlichen Familienmitglieder?
Ich würde das Wort Patriarchiat gerne weglassen, weil dies für uns ideologisch geprägt ist, was den Römern so nicht gerecht wird. Da es Berufenere für eine Antwort gibt, möchte ich Heinz Günter Horn zitieren:

Die römische Familie war eine Großfamilie, sie umfasste nicht nur die engsten Angehörigen, sondern auch die entfernteren Verwandten, die Dienerschaft - ganz gleich ob Sklaven oder Tagelöhner - und selbst die Freigelassenen, die sich ihrem ehemaligen Herrn (patronus) auch weiterhin verbunden fühlten. DerFamilie stand der Familienvater (pater familias) vor. Er hatte jede Autorität und Zuständigkeit, wenn auch die gesetzliche Grundlage, das Recht über Leben und Tod (ius vitae necisque), in der römischen Kaiserzeit ihre republikanische Strenge verloren hatte. Er verfügte über alle Familienmitglieder, bestimmte ihren Werdegang und ihr Geschick. Das Familienvermögen lag rechtlich im Eigentum des pater familias; auch der Zugewinn - durch wen auch immer - wurde ihm zugeschlagen. Er vertrat die Familie in Staat, Kult und Gesellschaft. ... Selbst für ihre (Anmerkung Flavius-Sterius: = der Familienmitglieder) Geschäftsschulden musste er haften.
(Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987)

Bei dem römischen Modell des pater familias ging es nicht um eine Männer/Frauenrolle, sondern um einen Familien-Führer, mit fast unbegrenzten Machtbefugnissen.
 
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Unterstanden nur Frauen dem Patriarchiat oder nicht auch die männlichen Familienmitglieder?
Wie schon aus dem Zitat von flavius-sterius hervorgehen müsste, unterstanden auch männliche Kinder dem Pater familias als Familienoberhaupt - auch wenn sie schon erwachsen waren und selbst Frau und Kinder hatten. Erst nach dem Tod des Pater familias wurden sie selbst Patres familias.
In der Praxis konnte aber zumindest der vermögensrechtliche Charakter der patria potestas des Familienoberhaupts abgeschwächt werden, indem er seinen Kindern Vermögenswerte als peculium gewährte. Z. B. konnte er einem Sohn ein Landgut oder einen Laden als peculium übertragen, dann konnte der Sohn damit wirtschaften und über die Einnahmen frei verfügen. Allerdings konnte das peculium auch widerrufen werden. (Was Soldaten allerdings als Sold erhielten, galt von Gesetzes wegen als ihr peculium.)
Allerdings gab es natürlich auch bei männlichen Familienmitgliedern die Möglichkeit, sie durch die emancipatio (die bei Männern allerdings komplizierter war als bei Frauen) aus dem Familienverband zu entlassen.

"Patriarchalisch" war das römische Familienrecht insofern, als nur Männer Familienoberhaupt werden konnten. Frauen konnten, auch wenn sie keinem Familienverband mehr angehörten, keine derartige Stellung gegenüber ihren Nachkommen erlangen. Außerdem unterstanden auch Frauen, die keinem Pater familias unterstanden, lange Zeit noch einem (männlichen) Vormund.
 
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