Ne provokante These? "Arische" Deutsche/Europäer als Opfer der Rassepolitik. Während der eine Zweig der NS-Rassenpolitik die Vernichtung von Leben war, was die Nazis als "lebensunwert" deklarierten bzw. "fremdrassisch" mit entsprechenden negativen Zuschreibungen ("parasitär"), war die andere Seite die "Aufnordung", mit entsprechenden "Zuchteinrichtungen", nämlich den Mütterheimen des Lebensborn e.V. Man förderte hier die Zeugung von Kindern durch Eltern, die den nationalsozialistischen Idealvorstellungen des "Ariers" entsprachen. Viele dieser Kinder, insbesondere in den skandinavischen Ländern Geborene, kann man durchaus auch als Opfer des NS-Rassenwahns bezeichnen, wenn natürlich ihre Leiden bei weitem nicht mit denen der Internierten oder Ermordeten in den KZs zu vergleichen sind.
Aber es handelte sich hierbei häufig um Kinder, die in einer eher lieblosen Umgebung (häufig juristisch als Waisen) aufwuchsen und insbesondere in den besetzten Ländern nach dem Krieg auszubaden hatten, dass ihre Eltern Anhänger und/oder Instrumente einer rassistischen Ideologie waren.
Das ist sicher nicht im Sinne des Fragestellers gewesen, hätte aber - in angemessener Gewichtung natürlich - durchaus seine Berechtigung hier. (In einer Präsentation von gerade zehn Minuten, müsste man dieses Kapitel eher ausblenden).
Was die Frage der Behinderten angeht, so ist Liborius zuzustimmen: Die Ermordung oder Sterilisierung von Behinderten, Asozialen, Schwachsinnigen (eine Diagnose die z.T. recht willkürlich getroffen wurde) ist natürlich auch ein Teil der NS-Rassenpolitik, ihr Zweck war es ja gerade, die Fortpflanzung zu verhindern.
In der Ermordung von Behinderten trotz einer "arischen" Herkunft deswegen einen Widerspruch in der NS-Rasseideologie zu sehen, ist daher kaum sinnvoll zu begründen, obgleich der Rassismus sich häufig in Widersprüche verstrickt.
Eine problemorientierte Fragestellung könnte z.B. in die Richtung gehen, wie die Bevölkerung insgesamt oder familiär betroffene mit den Maßnahmen der NS-Politik umgingen.
Wie gingen z.B. arische Ehepartner von sogenannten "Volljuden" mit dem gesellschaftlichen Druck, der schon seit der Verkündung der Rassegesetze 1935 insbesondere aber nach 1941 immer stärker auf sie ausgeübt wurde um? (Das sind ja auch Opfer, zum Teil aber dann auch Täter, das ist ganz individuell) Da gibt es Beispiele von Scheidung (teilweise aus der Resignation heraus, teilweise aus Wirkung jahrelanger antisemitischer Propaganda, teilweise aber auch, weil der jüdische Partner mit der Scheidung hoffte, dem arischen Partner einen Gefallen zu tun) bis zum mitleiden bis zum Ende. Und man muss wissen, dass Juden, die einen "arischen" Ehepartner hatten, teilweise noch bis Dezember 1944/Januar 1945 nicht deportiert waren. (Ich bin mir nicht sicher, meine aber, dass das insbesondere für Berlin nicht gilt). Allerdings waren die nichtjüdischen Ehepartner in den Kleinghettos, den sogenannten Judenhäusern, mitinterniert.
Wie gingen die Familien von Behinderten oder "Schwachsinnigen" mit der Rassenpolitik um, wie die Bevölkerung?
Man könnte hier an die Predigten des Bischofs von Münster Clemens August von Galen denken, der sich in Predigten sehr gegen die Aktion T 4 wandte (und damit wenigstens zeitweilig kleine Erfolge hatte) man könnte aber auch daran denken, was Eltern machten, deren Kinder von den Behörden als "schwachsinnig" eingestuft waren und die nun vor der Entscheidung standen, ihre Kinder sterilisieren zu lassen oder sie einem schlimmeren Schicksal zu übergeben.