Galanterie/Flirten/Umwerben

DM-Lady

Mitglied
Hallo,

nachdem ich gerade mal wieder einen meiner liebsten Romantik-Streifen angeschaut habe ("Stolz und Vorurteil" mit Keira Knightly) kam bei mir die Überlegung auf, wie man o. g. Begriffe im Kontext des 18. Jahrhunderts voneinander separieren kann. Mein Verständnis von Galanterie in der Unterhaltung ist, dass man ständig Höflichkeiten, Nettigkeiten oder auch "Artigkeiten" austauschte, was vielleicht auch bis hin zu frivolen mehrdeutigen Bemerkungen ging. Ich würde es vielleicht als zwanglos schäkern bezeichnen. Wo aber zieht man da die Grenze zu einem ernsthaften Flirt? Also wie ließ der Galan, von dem der aktivere Teil ausgehen sollte, soweit ich weiß, die Dame seines Herzens spüren, dass er nicht nur daher redete sondern ernsthaft interessiert war? Ein Treffen unter 4 Augen war schließlich eher schwierig. Zu intensive Blicke wären sicher auch anderen aufgefallen. Manchmal genügt ja schon ein tiefer Blick in die Augen, aber häufig ist es ja nicht so einfach.
Und vor allem, wie wurde die Dame umworben? Dezente Berührungen im Vorbeigehen? Mit Briefen und Gedichten? Mit kleinen Aufmerksamkeiten? So in der Art stelle ich es mir vor - dass es nach und nach gesteigert wurde, je sicherer man sich der Zuneigung der begehrten Person war.
In dem Zusammenhang frage ich mich auch, ob man eher im Geheimen anbandelte und dann "die Bombe platzen" ließ, indem die Verlobung verkündet wurde oder ob man auch das gesellschaftliche Umfeld im Klaren ließ, dass man sich mochte. Bezog man die Eltern in seine Gefühlswelt mit ein oder hielt man es vor ihnen geheim, weil man befürchtete, der/die Erwählte könnte als unpassend erachtet werden?
Mir ist natürlich klar, dass gerade in gehobenen Kreisen arrangierte Ehen vorrangig waren, aber das Herz geht eben seine eigenen Wege und es gab sicher nicht wenige, die vor ihrer Heirat ein- oder mehrmals anderweitig verliebt waren.

Auf romantische Inspirationen hoffend erwarte ich Eure Antworten. :rofl:
 
Hallo :)

ich denke, Du hast da insofern romantische Vorstellungen, als Du Heirat/Verlobung überhaupt mit Erotik und Romatik in Verbindung bringst :D

Heirat war eine wirtschaftliche und (gesellschafts)politische Entscheidung und zwar bis auf die Ebene der Bauern und Handwerker hinunter, die man keinesfalls den zu Verheiratenden alleine überließ.

Inbesondere junge Frauen aus Adel und Bürgertum erfuhren eines Tages einfach, dass sie verheiratet werden würden. Das die jungen Damen gefragt wurden, war eine Ausnahme und im allgemeinen nur pro Forma zu verstehen. (= Die Zustimmung wurde vorausgesetzt.)

Im gehobenen Bürgertum kannte die junge Dame ihren oft beträchtlich älteren Zukünftigen, wenn überhaupt, in den meisten dieser Fälle nur flüchtig. Meist war es ein Freund oder Kollege des Vaters, wenn sie Glück hatte der Sohn eines Solchen.

War der Betreffende klug, hatte er bei Besuchen im Elternhaus seiner zu Zukünftigen schon ein gewisses Band geknüpft. Etwa in dem er sie in Gespräche miteinbezog oder ihr kleine Aufmerksamkeiten mitbrachte.
Mehr wäre von Seiten eines - in den Augen der Eltern - ernsthaft in Frage kommenden Bewerbers aber ausgesprochen unklug gewesen.

Die Töchter des (gehobenen) Bürgertums wurden gut bewacht (Von Müttern, Tanten, Dienstboten), durften alleine das Haus nicht verlassen und wurden gut beschäftigt (entweder- falls die Familie weniger Geld hatte - mit mit Haus- und Handarbeiten -oder - bei den Reichen - mit einen Reigen aus Besuchen und Festen, die allesamt dazu dienten die Tochter auf dem Heiratsmarkt zu präsentieren.)

Im Adel waren die Verhältnisse oft noch krasser. So kein Geld für Gouvernanten und ähnliches Bewachungspersonal da war - oder gespart werden sollte - wurden adlige Töchter oft schon in ihrer Kindheit in Klosterschulen und ähnliche Einrichtungen gegeben, wo sie verblieben bis sie eines Tages abgeholt wurden, um verheiratet zu werden. (Im allgemeinen kannten sie ihren Zukünftigen gar nicht und waren natürlich noch weltunerfahrener als die jungen Damen, die weningstens im Elternhaus aufwachsen durften.)

Die jungen adligen Herren hatten es auch kaum besser. Auch sie wurden von ihren Vätern / Familien verheiratet. Das Mitspracherecht war umso geringer je höher die Familie stand.

Im Bürgertum heirateten die Männer oft später, da sie sich erst über Schule, Studium, Arbeit eine Position erarbeiten mußten. Vorteil war natürlich, dass sie sich wirklich SELBST verheirateten.

Bei den Bauern und Handwerker wurde meist später geheiratet. Wurde eine junge Adlige oder ein ein Mädchen aus dem reichen Bürgertum oft schon mit 16, 17 verheiratet. Waren eine junge Frau/ ein junger Mann aus dem Bauern oder Handwerkerstand schon Mitte oder gar Ende 20 bis sie es sich leisten konnten zu heiraten.

Und leisten mußte man sich es im Europa der frühen Neuzeit können. In vielen Ländern waren Eheschließungen zwischen mittellosen Personen verboten. So hoffte man den Zuwachs an Armen/Armut stoppen zu können. Geklappt hat es natürlich nicht. Diese Gesetze erhöhten nur die Zahl der unehelichen Geburten.

Und was Deine "Bombe" angeht: Eine heimliche Beziehung zwischen jungen Leuten -und zwar sowohl zwischen solchen, deren Heirat nach Meinung der jeweweiligen Eltern in Frage gekommen wäre, als auch - natürlich ganz besonders - wenn eine Heirat nicht in Frage kam, war tatsächlich eine tickende Bombe, deren Hochgehen ganz besonders für die jeweilige junge Frau wirklich schlimmste Konsequenzen hatte.
 
Man darf auch nicht vergessen dass auch von Frauen eine "Vernunftheirat" bisweilen in gar keinem so schlechten Licht gesehen wurde. Man muss eben differenzieren zwischen "Zwangsheirat" und "Vernunftehe" die für beide einen Nutzen hat. Gerade "emanzipierte" Frauen pochten ja gerne auf die Vernunft, von
So schrieb Dorothea Schlötzer (später die erste Doktorin der Philosophie in Deutschland) 1785 im Alter von 15 Jahren an eine Freundin

Freilich wählen können wir Mädchen nicht, weder ich noch Du; wenn ich also einen Gelehrten kriegte, so wäre mein bischen Lernen verloren, aber Schaden thät's mir doch auch nicht. Gesetzt ich müßte , der Haushaltung wegen, Clavier, Singen, Mathematik und Latein niederlegen, meine Sprachen spräche ich doch noch immerfort, und mein Mann hätte doch sein Vergnügen dabey, und ich läse doch immer so was nebenher von Rom. Denn immer vor dem Heerd zu stehn, wäre meine Sache auch nicht, denn armes Schofel Zeug nehme ich nicht, und dazu zwingt mich mein Vater auch nicht. Ich lauere nicht auf einen Mann, der so viel Einnahme hat wie Dein Vater und meiner. Aber hungern und darben will ich auch nicht, sonst bleibe ich lieber allein. Wenn mein Temperament so bleibt wie bisher, so heirathe ich nicht anders als aus Vernunft

Zitiert aus "Frauenleben im 18.Jahrhundert" Hrsg. Andrea von Dülmen.
Übrigens ein sehr lesenswertes Büchlein.


Des Weiteren kann ich empfehlen

„Ich war wohl klug, daß ich dich fand“. Heinrich Christian Boies Briefwechsel mit Luise Mejer 1777–85. Nachdr. d. 2., durchges. u. erw. Aufl. 1963, C. H. Beck-Verlag, München 1975, ISBN 3-406-05403-X

Herzzerreißend wie ein Jane-Austen-Roman, nur wahr. Man weiß von Anfang an, diese Beiden sind für einander gemacht. Doch sie lehnt seinen Heiratsantrag ab, weil sie der Meinung ist, dass er eine reiche Braut verdient hätte, die seine literarisches Schaffen besser fördern kann.
Schließlich heiraten sie dann doch nach langem hin und her. Tragischerweise hält das Glück nicht lang, denn sie stirbt.


Und schließlich noch ein letzter Tip, diese Geschichte ist zwar fiktiv und vieles übertrieben und der Fantasie des Autors entsprungen, aber man kann sich doch vorstellen, dass da das ein oder andere tatsächlich bisweilen so stattgefunden hat.

"Die galanten Abenteuer des Chevalier de Faublas" von Jean-Baptiste Louvet de Couvray (1787-89)

Ich glaube, dass es in den Klosterschulen etc. bei weitem nicht so keusch zu ging wie es gedacht war, immerhin waren die Mädels da oftmals gegen ihren Willen eingesperrt, die Autoren der Zeit suchten sich für ihre Romane (wie z.b. "Thérèse Philosophe" oder "Der Karthäuserpförtner") zwar nur die saftigsten Skandale als Vorbilder heraus die wohl eher einzelfälle waren aber weniger aufsehenerregende Fälle wird es bestimmt zu hauf gegeben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
naja, gaaanz so triste wars denn auch nicht, auf dem Lande gabs ja die Spiinstuben und geschäkert wurde schon. Bei der Eheschließung gewährten dei Eltern denn ein Mitspracherecht. Es waren zwar Vernunftehen, aber Zuneigung war schon wichtig, man wollte schließlich Enkelkinder von der Tochter. Und der Fall des alten Mannes mit der jungen Braut war dann auch nicht sooo häufig, denn eine junge Witwe fiel ja oft dann der eigenen Familie zur Last. Bei der Auswahl galten zwar andere Regeln, aber ,-sry-, das ich das so schreibe, es wurde schon eine entsprechende "Zuchtwahl" getroffen.
 
1.
Hallo,

nachdem ich gerade mal wieder einen meiner liebsten Romantik-Streifen angeschaut habe ("Stolz und Vorurteil" mit Keira Knightly) kam bei mir die Überlegung auf, wie man o. g. Begriffe im Kontext des 18. Jahrhunderts voneinander separieren kann. Mein Verständnis von Galanterie in der Unterhaltung ist, dass man ständig Höflichkeiten, Nettigkeiten oder auch "Artigkeiten" austauschte, was vielleicht auch bis hin zu frivolen mehrdeutigen Bemerkungen ging.

2.
Ich würde es vielleicht als zwanglos schäkern bezeichnen. Wo aber zieht man da die Grenze zu einem ernsthaften Flirt? Also wie ließ der Galan, von dem der aktivere Teil ausgehen sollte, soweit ich weiß, die Dame seines Herzens spüren, dass er nicht nur daher redete sondern ernsthaft interessiert war?

3.
Ein Treffen unter 4 Augen war schließlich eher schwierig.

4.
Und vor allem, wie wurde die Dame umworben? Dezente Berührungen im Vorbeigehen?

5.
Mit Briefen und Gedichten?

6.
Mit kleinen Aufmerksamkeiten?
Deine Fragen sind nicht eben einfach zu beantworten, weil mir selbst kaum explizite Quellen dazu bekannt sind.
1.)
Mir scheint eine Unterscheidung zwischen Galanterie und Flirt schwierig, vor allem weil Du ja "frivole ... Bemerkungen" bei der Galanterie miteinbeziehst.
Mein erster Gedanke beim Lesen Deines Beitrags war, dass frivole Bemerkungen wohl in pietistischen Gegenden selten waren, zumindest wenn man den Ansprüchen der Pietisten glauben mag.

Man kann also Deine Antwort bloß auf Gegenden bezogen so richtig beantworten, wo eine gewisse frivole Umgangssprache üblich war. So wurde im Vorwort einer Ausgabe der Briefe der Liselotte von der Pfalz erwähnt, dass sie sich der ziemlich derben Sprache des französischen Hofes in ihren Schreiben bediente, während zeitgenössische Briefeschreiber eher zurückhaltender und gesitteter formulierten. Es mag also sein, dass bspw. am französischen Hof der Barockzeit eben ein anzüglicher Umgangston en vogue war.
In dem Falle waren aber auch die Hemnisse bezüglich der privaten Treffen evtl. geringer.

2.)
Die Grenze war einfach in der entsprechenden Gesellschaftsschicht nicht zu ziehen. Wenn ein Mann ernsthaftes Interesse bekunden wollte, gab es kein Allgemeinrezept (so wenig wie heute) - außer vielleicht einen Heiratsantrag.

Worum geht es Dir an der Stelle mit dem Begriff "ernsthafter Flirt"? Um den Wunsch eines Herrn eine dauerhafte Mätresse zu haben oder sich zumindest einen Seitensprung zu gönnen?

Ich glaube, mir ist noch nie untergekommen, wie sich bspw. der König Louis XV wirklich erstmals mit seiner jeweiligen Mätresse traf. Recht oft erfährt man nur, dass plötzlich der ganze illustre Kreis um den Monarchen registrierte, dass er wohl eine neue Dame habe. Dann weiß man noch, wann und wo er sie wahrscheinlich erstmalig sah. Aber wie genau er ihr seine Wünsche offenbarte, erfährt man m.W. nicht. Warum hätte er oder sie dies auch dokumentieren sollen?

3.)
Kommt wohl auf den Stand an. Natürlich gab es bspw. auf Bällen die Gelegenheit irgendwie zu entfleuchen.
Sprechen wir einmal nicht von den oberen 10.000, sondern vom gemeinen Mann. Die Obrigkeit erließ in Dtl. gerne Verordnung, welche den jungen Männern untersagte nach einer Kirmes mit Tanz die Mädchen nach Hause zu führen. Es muss also wohl getan worden sein.

4.)
Es gab ja schon einige gestattete Berührungen. Nehmen wir den Tanz. Die Dame wurde ja zum Tanz geführt, wenn sie dem Herren keinen Korb gab. Während des Tanzes kam es je nach dem um welche Form des Tanzes es sich handelte zu mehr oder weniger Berührungen. Am besten Du schaust Dir dazu mal Abbildungen historischer Tänze an. Zeitgenössische Tänze waren: Menuett, Allemand (Deutscher Tanz), Contre danses etc..

Je nach Gegend waren Handkuss und ähnliche Begrüßungen üblich.

5.)
Briefe sind so eine Sache. Wenn ich mich recht entsinne, musste man bisweilen erst um Erlaubnis anfragen, ob man mit einer unverheirateten Dame Briefe austauschen durfte. Bisweilen scheinen aber auch geheime Briefverkehre erstaunlich gut über verschiedene Hindernisse hinweg funktioniert zu haben, wenn ich da an die Briefe des jungen Honoré Gabriel de Mirabeau denke. Es gab meines Wissens auch gerade auf dem Land berufliche Briefeschreiber, deren Dienste in Fällen der Brautwerbung in Anspruch genommen wurden.

Der geheime Briefverkehr zwischen Cécile de Volanges und dem Chevalier Danceny beispielsweise in "Gefährliche Liebschaften" scheint mir nicht ungewöhnlich oder unglaubhaft.

6.)
Woran denkst Du bei "Aufmerksamkeiten"?
 
Mir fällt gerade noch Samuel Peys ein, er lebte zwar im 17.Jh. aber er hat ein interessantes geheimes Tagebuch geschrieben.
Leider kenne ich es nicht im Ganzen (habe ein paar Auszüge als Hörbuch). Er beschreibt allerdings immer wieder, dass er mit Damen, die auch noch die Ehefrauen von seinen Geschäftsfreunden sind, tagsüber irgendwo in Tavernen geht und sie zum Essen und Trinken einläd und mit ihnen herumschäkert und garnichts dabei findet.
Ich glaube mich daran zu erinnern, dass er der einen bei einer Kutschfahrt auch ziemlich unverholen unter den Rock grapscht.
Im Gegenzug antwortet er allerdings mit rasender Eifersucht, als sich herausstellt, dass seine Frau wahrscheinlich etwas mit ihrem Musiklehrer hat.
 
Du liebe Zeit, was für ein toller Lesestoff. Besten Dank, liebe Cécile. Ich habe mich köstlich amüsiert. Aber sehr lehrreich ist es dennoch.
 
Hallo :)
Ich habe auch gerade noch ein nettes "Hilsmittel" für einen interessanten Flirt gefunden: Den Fächer!
Bereits im 17. Jahrhundert entwickelte sich eine eigene Fächersprache, und mit dieser konnte auch prima geflirtet werden ;)

Hier ein paar informative Links:
Fächersprachen
Oldstyle Dancers
Sammlung
Flirten mit dem Fächer - oesterreich.ORF.at

Natürlich trifft das Ganze nur auf den Adel zu. Fächer waren sehr teuer, da sie aus kostbaren Materialien gefertigt wurden.
 
Auwei, also bei der "Fächersprache" wäre ich gaaanz vorsichtig! Eine Bekannte von uns hat sich schon einen Wolf gesucht nach Primärquellen und ihren bisherigen Wissensstand hier zusammengetragen Fchersprache im 18. Jahrhundert

Aber auch ohne allgemeingültige Codes ist der Fächer, genauso wie im 17. Jh. das Taschentuch und im 19.Jh. der Sonnenschrim natürlich prädestiniert als Balz-Accessoir ;)
 
Natürlich trifft das Ganze nur auf den Adel zu. Fächer waren sehr teuer, da sie aus kostbaren Materialien gefertigt wurden.
Och, es gab auch sehr billige Modelle aus Holz mit Papier beklebt.

Man müsste sich vor allem fragen, wer hat denn immer eine Hand frei, um einen Fächer zu schwingen, sicher keine arbeitsame Hausfrau, Handwerkerin oder Magd.:winke:
 
Ohja, das ist natürlich richtig. An diesen Punkt habe ich gar nicht gedacht ^^ Aber war Papier nicht auch eher ein kostbares Gut, dass sich kleine Bauer gar nicht leisten konnten?
 
Naja, für einen Fächer braucht man nur eine kleine Menge Papier. Da ist für eine Bibel doch einiges mehr vonnöten. Beim Papier kommt es wiederum auf die Qualität an. Das Grundmaterial Lumpen war nicht so teuer. Beim Militär hat man auch sicher nicht umsonst das Wegwerfprodukt Papierpatrone genommen. Dafür braucht es schon einen allgemeine Verfügbarkeit von Papier. Im Krünitz steht zur Papierproduktion in Deutschland:
"Nimmt man noch dazu, daß auf diese Art der Papiermühlen in Deutschland so viele geworden sind, daß sie wegen ihrer Menge schon von selbst zu Handwerkern herabsinken mußten, auch daß der auf den Deutschen Papiermühlen eingeführte Gebrauch, allerhand Sorten Papier durch einander verfertigen zu lassen, ein großes Hinderniß zur Vervollkommnung ihrer Produkte ist; ferner daß viele Deutsche Papiermacher neben ihren Geschäften noch Ackerbau treiben: so kann man es sich leicht vorstellen, daß eine solche handwerksmäßige Verfassung der Papiermacherei eben nicht vortheilhaft seyn kann." (Artikel: Linnenpapier)
 
Zum Unterschied zwischen Flirt und Galanterie:

Ein “Flirt” ist und war eine mehr oder minder versteckte Absichtserkärung zum Sex. Er kann zwar auch nur aus reiner Höflichkeit erfolgen, um der anderen Person ein Kompliment zu machen, drückt aber dennoch – auch wenn nur vorgetäuscht – ein erotisches Begehren aus.

Während Galanterie die Höflichkeit in den Vordergrund stellt. So ist das Küssen der Hand einer alten Dame auch eine Galanterie, oder das Aufhalten der Tür für einen anderen Mann, wobei niemand von einem Flirt reden würde.

Die Oberschicht des 18. Jhs. schwelgte förmlich im Flirten. Der junge Gentleman zeigte Reife und Feingefühl, wenn er ausgiebig mit älteren Damen flirtete, während gegenüber jüngeren Damen jede Anzüglichkeit als plumpe Anmache goutiert worden wäre. Sexistische Anzüglichkeiten waren eher älteren Herren, aber auch Damen vorbehalten, die damit eine Abgebrühtheit dokumentieren wollten. Eigentlich genau gleich wie heute... :D (außer vielleicht, dass das Flirten als Galanterie gegenüber ältere Damen eher noch in Frankreich, England und vielleicht in den USA stattfindet, während im deutschsprachigen Raum diesbezüglich plumpe Zurückhaltung herrscht... wäre ja auch “So krass, Mann!”)
 
Zu den Fächern:
Anfang des 18.Jh. waren sie tatsächlich noch ein sündhaft teueres Luxusgut!
Ein Großteil aus der europäischen Produktion war übrigens nicht aus Papier gemacht sondern mit hauchdünnem speziell präpariertem Leder (von Kälbern oder Kämmern) bespannt.
Aber nicht nur das Fächerblatt war eine kostspielige Sache, genauso wichtig war das Gestell und das war zu der Zeit aus Elfenbein, Schildpatt oder Perlmutt und mit feinsten Schnitzereien/Intarsien oder wiederum Malereien verziert.

Ende des 18.Jh. gab es aber eine zunehmende Billig-Fächer-Produktion. Hier waren die Fächerblätter aus Papier und mittels Kupferstich verziert, oftmals noch nichteinmal coloiert und das Gestell bestand war schlicht und aus Holz. Somit war auch der Weg frei aktuelle Geschehnisse auf Fächern abzubilden. Diese Dinger hatten bestimmt keine lange Halbwertszeit bis sie weggeschmissen (waren bestimmt auch nicht besonders haltbar), verschenkt oder eingemottet wurden.
 
Die Oberschicht des 18. Jhs. schwelgte förmlich im Flirten.
Das ist, wie ich finde etwas arg verallgemeinert. Genauso schwelgte die Oberschicht nämlich auch in religiöser Schwärmerei, Pietisterei und Bigotterie...
Hier muss man schon etwas differenzieren zwischen einzelnen Höfen und Personengruppen. Am Preussischen Hof herrschte ein anderer Habitus als am Französischen und wiederum am Kaiserlichen.
Am Preussischen Hof ist eine Hofdame entsetzt darüber, dass eine Prinzessin für ihren Geburtstagsball Crossdressing vorschreibt (nur die Prinzessin selbst erscheint in Hosen, die anderen Damen begnügen sich mit Reitkleid und Männerperücke), während es solcherlei Amuseuments in Frankreich in der ersten Hälfte des 18.Jh. wohl öfter gegeben hatte.
 
Das ist, wie ich finde etwas arg verallgemeinert. Genauso schwelgte die Oberschicht nämlich auch in religiöser Schwärmerei, Pietisterei und Bigotterie...
Hier muss man schon etwas differenzieren zwischen einzelnen Höfen und Personengruppen. Am Preussischen Hof herrschte ein anderer Habitus als am Französischen und wiederum am Kaiserlichen.
Am Preussischen Hof ist eine Hofdame entsetzt darüber, dass eine Prinzessin für ihren Geburtstagsball Crossdressing vorschreibt (nur die Prinzessin selbst erscheint in Hosen, die anderen Damen begnügen sich mit Reitkleid und Männerperücke), während es solcherlei Amuseuments in Frankreich in der ersten Hälfte des 18.Jh. wohl öfter gegeben hatte.
Die “religiöse Schwärmerei, Pietisterei und Bigotterie” würd’ ich nicht nur bei der Oberschicht suchen - glaube viel mehr, dass sie von der Herrscherklasse des 18. Jhs. eher lockerer angegangen wurde, auch in Preußen – bin aber in der preußischen Geschichte weniger bewandert. Bekannt ist aber immerhin der lockere Habitus von Friedrich Wilhelm II. mit dem anderen Geschlecht, als die preußische Galanterie sicherlich auch mal in deftige Flirts ausartete.

Das Crossdressing war in Frankreich tatsächlich ein beliebtes Amusement, wie auch viele andere Rollenspiele. Wusste gar nicht, dass in Preußen solche Vergnügungen stattgefunden haben, obwohl sich der preußische Hof ja allzu gerne an den Franzosen orientierte, sodass auch mal ganze Lustpavillons kopiert wurden. Nehme an, dass jene preußische Prinzessin nicht allzu beliebt war...
 
Die “religiöse Schwärmerei, Pietisterei und Bigotterie” würd’ ich nicht nur bei der Oberschicht suchen - glaube viel mehr, dass sie von der Herrscherklasse des 18. Jhs. eher lockerer angegangen wurde, (...)

Mich würde interessieren, wo Du die Grenze zwischen "Oberschicht" und "Nicht Oberschicht" ziehst. Würdest Du einen souveränen Reichsgrafen zur Oberschicht zählen oder nicht? Wenn ja, dann kann ich Dir bedauerlicherweise einige Beispiele von Herrschaften nennen, die dem Pietismus regelrecht verfallen waren.


Ein weiterer Punkt: der Titel und die Herkunft der jeweiligen Personen.
Nicht jeder konnte, wie er gerade lustig war, jeder Frau hinter vorgehaltener Hand etwas zuflüstern.
Ein Erbprinz von Schönburg-Wechselburg wäre nicht einmal in den Hauch einer Chance gekommen, sich einer Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel auch nur nähern zu können.
(beides reichsunmittelbare Häuser!)
Mit ziemlicher Sicherheit kann man dazu sagen, dass ein Schönburger vielleicht nie mit einer von Braunschweig ein Wort gesprochen hat - außer der Schönburger hatte einen Posten bei bspw. einem Wettiner inne und "vertrat" diesen bzgl. einer Angelegenheit (Wobei dann i.d.R. das Gespräch von Männern geführt wurde.) - denn das hätte das Image der Herzöge "ins Bodenlose krachen lassen" - UNDENKBAR!
 
Mich würde interessieren, wo Du die Grenze zwischen "Oberschicht" und "Nicht Oberschicht" ziehst. Würdest Du einen souveränen Reichsgrafen zur Oberschicht zählen oder nicht? Wenn ja, dann kann ich Dir bedauerlicherweise einige Beispiele von Herrschaften nennen, die dem Pietismus regelrecht verfallen waren.
Eine der Führungsfiguren der religiösen Neuerer der Zeit war selber Graf, Nikolaus Ludwig von Zinzendorf.
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf ? Wikipedia

Das Herrscherpaar Æmilie Juliane und Albert Anton (reg. 1662-1710, seit 1697 zum Reichsfürsten erhoben) von Schwarzburg-Rudolstadt war streng religiös motiviert. Die Reichsgräfin verfasste etwa 600 geistliche Lieder.

König Friedrich Wilhelm I. in Preußen (reg. 1713-1740) lernte Francke (1663-1727) kennen und erhielt eine strenge pietistische Prägung, die dann auch dazu führte, dass er die Entlassung des bedeutenden Philosophen Christian Wolff 1723 veranlasste.

Dann sei noch an den Reichsgrafen Heinrich XXIX. von Reuß-Ebersdorf (1699-1747) erinnert, der nicht nur mit Zinzendorf befreundet war, sondern auch aktiv den Pietismus förderte.

Ich kenne eigentlich kaum einen zeitgenössischen Landesfürsten der sich im Sinne der lutherischen Orthodoxie gegen den Pietismus wendete.:grübel:
 
Entschuldigt bitte meine Unwissenheit. Aber was ist der "Pietismus" in eigenen Worten? (was Wiki mir sagen will verstehe ich nicht ganz "http://de.wikipedia.org/wiki/Pietismus"). Ich meine, so etwas in der Schule nie gelernt zu haben...

*sorry*
 
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