Die gefälschten Briefe der Madame de Pompadour

AnDro

Aktives Mitglied
Vor einiger Zeit habe ich mal wieder die Briefedition "Ich werde niemals vergessen, Sie zärtlich zu lieben: Die Briefe der Madame de Pompadour" von Hans Pleschinski in der Auslage gesehen. Einen amüsanten Artikel dazu (solange man das Buch nicht gekauft hat ;)) gibt es in der taz:

- taz.de

Die Edition scheint sich gut verkauft zu haben (gibt es sogar als Hörbuch). Wenigstens beruht Pleschinskis jüngere Edition der Tagebücher des Duc de Croy nicht auf einer Fälschung. Gleichgeblieben ist jedoch der schwülstige Titel.

Historicum.net zu den gefälschten Briefen:
historicum.net: 3. Fälschungen

Wäre mal interessant zu gucken in welchen Biographien zu Madame de Pompadour die gefälschten Briefe von 1772 unkritisch verwendet wurden. Kennt ihr ähnliche Fälle? Die im 18. Jahrhundert erschienenen Memoiren des Duc de Richelieu (1696-1788) sind meines Wissens auch gefälscht. Ich müsste jetzt nur noch wissen wo ich das gelesen habe. :grübel:

Zu den besseren Arbeiten zu der Pompadour zählt auf jedenfall

  • Dade, Eva Kathrin: Madame de Pompadour. Die Mätresse und die Diplomatie, Köln 2010.
Dade geht auf die geringe Zahl an erhaltenen Originalbriefen und die Fälschungen ein, analysiert die politische Rolle der Mätresse treffend und hat einen angenehmen Schreibstil.
 
Vielen Dank für deine Ausführungen, denn bisher war mir nicht bekannt, dass unechte Briefe der Marquise kursier(t)en. Anhand der in deinem 2. Link präsentierten Beispiele habe ich erkannt, dass die mir vorliegende deutsche Ausgabe von 1774 die falschen Briefe enthält. Nicht schlimm, ist nur eine PDF-Datei.

Eine Biografie, in der falsche Briefe benutzt wurden, kann ich nicht benennen, mir liegt keine vor. Wohl aber ein Artikel aus einer Fachzeitschrift.

Dort findet sich haargenau der Wortlaut aus deinem 2. Links:
"Traurig, niedergeschlagen, in düsterer Stimmung bin ich gestern aus Fontainebleau zurückgekehrt: Ihnen zu schreiben tut mir am wohlsten. Vor Ihnen habe ich nichts zu verbergen, meine zärtliche Freundin: ich weiß indes nicht, ob Sie meine vertrauensvollen Worte mit derselben Freude empfangen, wie ich sie zu Papier bringe: doch um mein Herz ein wenig zu erleichtern, muss ich es tun. Das ist also das Leben der Großen! Ihr Trachten geht nur in die Zukunft und ihr Glück besteht nur aus Hoffen: es gibt kein Glück im Ehrgeiz. Ich bin nur mehr melancholisch, oft ohne Ursache... mein Leben ist ein fortwährender Tod." [1]

Ein 2. Zitat fand ich dann in anderer Übersetzung in "meiner" Ausgabe:
"Der Ruhm der Nation unter Ludwig XIV. hat sich verflüchtigt wie ein Traum, und war bei seinem Erwachen nichts als Schande. Der König ist schwermütig und ich weine ..." [1] [vergl. 2]

In den Literaturhinweisen ist auch die Briefesammlung von Pleschinski von 1999 aufgeführt. Der Artikel ist von 2001. An der Stelle muss dann wohl die Frage erlaubt sein, inwieweit man als Autor eine Publikation infrage stellen muss, die sehr zeitnah ist. Anders gefragt, wie weit muss/kann Quellenkritik zu einem Artikel gehen.

Grüße
excideuil

[1] Talkenberger, Dr. Heike: Frankreichs heimliche Königin, in Damals, 3/2001, Seite 18
[2] Briefe der Marquise von Pompadour, Leipzig, 1774, Seite 344
 
Vielen Dank AnDro, wahrscheinlich habe ich dann hier im Forum auch mal eine Fälschung zitiert, die als solche nicht gekennzeichnet noch in den 2000ern herausgegeben wurde und das Äußerliche der Mätresse beschreibt.:hmpf:

Wegen der Länge der Briefe war ich nicht erstaunt, weil ich Originale von Freunden der Marquise kenne, die wirklich über 3-4 Seiten sich erstreckten. Aber offenbar war das eben nicht der Pomapadour Praxis. Vielleicht hätte sie für solch lange Briefe auch nicht die Muße oder Zeit gehabt.
 
Die im 18. Jahrhundert erschienenen Memoiren des Duc de Richelieu (1696-1788) sind meines Wissens auch gefälscht. Ich müsste jetzt nur noch wissen wo ich das gelesen habe. :grübel:

Zu den besseren Arbeiten zu der Pompadour zählt auf jeden Fall

  • Dade, Eva Kathrin: Madame de Pompadour. Die Mätresse und die Diplomatie, Köln 2010.
Dade geht auf die geringe Zahl an erhaltenen Originalbriefen und die Fälschungen ein, analysiert die politische Rolle der Mätresse treffend und hat einen angenehmen Schreibstil.

In dem von dir angegebenen Buch heißt es auf Seite 21:

"Ebenso sind die unter ihrem Namen kurze Zeit nach ihrem Tod veröffentlichten Lebenserinnerungen als Fälschung zu identifizieren." (90)

In den Anmerkungen (90) steht dann u.a.:
Zu den Arbeiten des Fälschers Soulavie siehe Richelieu, Louis-François-Armand de Vignerot du Plessis, Mémoires authentiques du maréchal de Richelieu (1725-1757), hrsg. v. Arthur André Gabriel Michel de Boislisle, Paris 1918 - Darnton, Robert, The forbidden best-sellers of pre-revolutionary France, New York/London, 1996, hat gezeigt, dass die gefälschten Memoiren subversiv massive Hofkritik transportierten und daher häufig von der Zensur verboten wurden, weil sie dem Andenken der Monarchie zu schaden drohten."

Madame de Pompadour: Die Mätresse und die Diplomatie - Eva Kathrin Dade - Google Books

Auf der franz. Wiki-Seite:

Jean-Louis Giraud-Soulavie - Wikipédia

kann man lesen, dass Soulavie auch z.B. für die Edition der Memoiren Richelieus verantwortlich ist, und dass diese zumindest teilweise apokryph sind. Kein Wunder daher, dass die Autorin diese Memoiren nicht verwendet (soweit ich das nach der Vorschau beurteilen kann).

Die Vorschau gefällt mir jedenfalls so sehr, so dass das Buch ein "Objekt der Begierde" geworden ist. Der doch recht hohe Preis (42,90) verschiebt den Wunsch wohl auf Weihnachten. Aber danke für den Tipp! :winke:

Grüße
excideuil
 
Ah, vielen Dank excideuil, dass du die Stelle zu Richelieu gefunden hast. Ich habe gerade mal in das Quellenverzeichnis der Pompadour Biographie von Uwe Schultz geguckt: Schultz gibt u.a. die Pleschinski-Edition der Pompadour Briefe und die Memoiren des Duc de Richelieu aus den 1790er Jahren als Quellen an. Das gibt natürlich zu denken...
Aber offenbar war das eben nicht der Pomapadour Praxis. Vielleicht hätte sie für solch lange Briefe auch nicht die Muße oder Zeit gehabt.
Nach Dade hielt sich Madame de Pompadour im schriftlichen sehr zurück, um der männlichen Konkurrenz um die Gunst des Königs weniger Angriffsfläche zu bieten. Klingt plausibel. Als Mätresse taucht Madame de Pompadour z.B. in der offiziellen Korrespondenz der europäischen Botschafter in Versailles kaum auf, wohingegen sie in der inoffiziellen Korrespondenz häufig erwähnt wird.

Aber danke für den Tipp! :winke:
Gebraucht gibt es das Buch auch ab und an beim ZVAB deutlich günstiger. :lupe:
 
Zurück
Oben