War das Heilige Römische Reich zukunftsfähig?

(Quelle: Georg Schmidt. Reich und Nation. Krieg und Nationsbildung in Deutschland.) Jedenfalls finde ich als Idiot und Trottel, wenn ich diesen Aufsatz lese, dass es offenbar im 17. Jh. schon eine Art Patriotismus gegeben haben muss.

Als intelligenter Mensch weiß man natürlich, dass dem nicht so ist. Aber warum dem nicht so ist, das wüsste ich gerne. Man möge mich aufklären und endlich zum Licht führen.
Vielen Dank für das Zitat.

Mir wäre beim Thema Patriotismus auch die Polemik des Großen Kurfürsten eingefallen, die er im Krieg gegen Frankreich und Schweden bemühte.

Aber ich befüchte, dass das hier zu weit führen würde, weil m.E. der Zeithorizont in diesem Thread eher spätes 18.Jh./frühes 19.Jh. ist. Hier habe ich mich mit der Stimmung dieser Zeit m.E. zur Genüge ausgelassen: http://www.geschichtsforum.de/620033-post30.html
 
@Simplicius,
du bist hier herzlich willkommen mitzudiskutieren und Argumente vorzubringen, aber unterlass doch bitte die ständigen Selbstaussagen, unerheblich ob diese ironisch sind oder nicht. Erstens verliert die Ironie schnell ihren Reiz und zweitens grenzen diese Selbstaussagen, nicht zuletzt aufgrund ihres Umfangs, schon an Trollerei. Bleib einfach beim Thema: Das ist, ob das HRR zukunftsfähig war, oder nicht; nicht das Wesen des Nutzers Simplicius.
 
Aber ich befüchte, dass das hier zu weit führen würde, weil m.E. der Zeithorizont in diesem Thread eher spätes 18.Jh./frühes 19.Jh. ist. Hier habe ich mich mit der Stimmung dieser Zeit m.E. zur Genüge ausgelassen: http://www.geschichtsforum.de/620033-post30.html


Zur Frage der „inneren“ Einstellung bzw. Befindlichkeit des Volkes (oder bestimmter Schichten –
um den Begriff „Stände“ zu vermeiden) erlaube ich mir, einen kurzen Bezug bei Golo Mann zu
nehmen:

„Zwar, die meisten deutschen Untertanen haben wohl auch damals gesät und geerntet wie eh und je
und nur gelegentlich vom Pfluge aufgeblickt, wenn ein Nachbar ihnen mitteilte, sie seien nun nicht
mehr Fürstenberger, sondern Badener, oder es sei der Kaiser Napoleon mit einer Armee, dergleichen
noch nie gesehen wurde, nach Rußland aufgebrochen.....
Nur wenige wurden in jener Zeit von den politischen Ereignissen ganz erfasst. Die große Mehrheit
nur in gewissen Aspekten ihres Lebens....
Trotzdem war Deutschland während der großen Staatenkrise der Revolutions- und Napoleonzeit
wesentlich passiv... Die Dinge geschahen ihm, wurden ihm von außen angetan; es machte sie nicht.
Es paßte sich ihnen an.... freiwillig oder unfreiwillig.
Der Sturm blies anderswo, Deutschland bekam nur seine Auswirkungen zu spüren. Folglich haben
die Deutschen auf die große Veränderung ihrer staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, welche
zu Beginn des 19. Jahrhunderts stattfand, später nicht gern, nicht mit Stolz zurückgeblickt....
Aktiv – gegen Frankreich – wurden sie erst während des letzten Aktes des langen Revolutionsdra-
mas, 1813. Eine wirklich großartige Rolle, vergleichbar der englischen, der russischen, haben sie
aber auch dann nicht gespielt. Die 'Befreiungskriege' waren deutscherseits eine achtbare Sache, aber
nicht die Volkserhebung, zu welcher schon die zeitgenössische, erst recht die spätere Phantasie sie
machen wollte.
Es ist nicht 1813/14, daß Deutschland für seine Passivität während des Napoleondramas Rache
nahm. Die wahre Reaktion auf diese Erfahrung kam später, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.“

Ende des zusammenfassenden Zitats, G. Mann, Dt. Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts,
erweiterte Sonderausgabe, Frankfurt/M., 1958, S. 55 u. 56 (da es verschiedene Editionen gibt, zu
Beginn des zweiten Kapitels).

Nun wird man Golo Mann nicht mehr unbedingt als brandaktuell bezeichnen können, sein Werk
selbst ist ja bereits über 55 J. alt und die Quellenarbeit nicht mehr auf der Höhe der Zeit (um schon
an dieser Stelle mögliche Einwände aufzugreifen); aber der Historiker Mann gilt als exzellenter
Beobachter (was wohl auch insoweit der DNS seines Vaters geschuldet sein dürfte), so dass seine
Beschreibung einer allgemeinen Passivität (teils schon Gleichgültigkeit o. Lethargie), die zumindest
zeitweise große Teile der Bevölkerung befallen hatte, soweit diese nicht am eigenen Leib
betroffen war, auch für die eigentliche Ausgangsfrage interessant sein dürfte.

Wenn weite Teile eines Volkes – unabhängig von der staatsrechtlichen Qualität oder landsmannschaftlicher
Unterschiede – sich lange Zeit in Duldsamkeit übt und selbst einschneidende politische
Entwicklungen, die größtenteils von außen hereingetragen werden (neben der Gründung des
Rheinbundes als Staatsgebilde z.B. auch die Einführung des Code Napoleons in Gebiete mit ganz
anderen Partikularrechten etc.), als von oben gegeben an- und übernimmt, wird man die Frage nach
dem Rückhalt des alten Systems „beim Volk“ nur schwer als offensichtlich gegeben bezeichnen
können. Sicherlich auch im Sinne einer Mentalitätsfrage.

Insofern möchte ich an dieser Stelle ein Zitat, das ich in einem Beitrag zu einem anderen Thema
angebracht habe, hier wiederholen:

„Fast alle deutschen Fürsten hatten sich mit Frankreich verbündet, und als Napoleon Kaiser
geworden war, huldigten sie ihm untertänig. Das Feilschen um Geld, Land und Leute im
Zusammenhang mit dem Reichsdeputationshauptschluß zeigt eindeutig, daß die deutschen Fürsten
weder Volk noch Vaterland, sondern nur Einnahmequellen kannten. Napoleon schloß mit ihnen
Verträge und ließ sich von ihnen Heere zur Verfügung stellen, die er auf den Schlachtfeldern
Europas, vornehmlich in Rußland verheizte; aber er zeigte ihnen unmißverständlich seine
Verachtung. Zum Symbol dieser Einstellung wurde der 'Fürstentag zu Erfurt' vom 27. September bis
14. Oktober 1808. Napoleon …. suchte in dem Zaren Alexander einen Verbündeten. Er lud ihn nach
Erfurt zu Besprechungen ein und führte ihm die deutschen Fürsten wie aufgeputzte Pudelhunde vor.
Weit davon entfernt, sie als Majestäten oder wenigstens mit dem Titel 'Sire' anzureden, nannte er
nur ihre Amtsbezeichnung wie bei subalternen Offizieren. Einmal rief er unwirsch: 'König von
Bayern, halten Sie den Mund!' Die Fürsten aber scharwenzelten um Napoleon herum und buhlten
um sein Wohlwollen. Von Nationalstolz und deutscher Sendung war hier jedenfalls nichts zu
spüren.“ Ende des Zitats, s. Otto Kimminich, Dt. Verfassungsgeschichte, 1. Aufl., 1970, S. 295.
Götz zum Gruß !
 
Nun wird man Golo Mann nicht mehr unbedingt als brandaktuell bezeichnen können, sein Werk
selbst ist ja bereits über 55 J. alt und die Quellenarbeit nicht mehr auf der Höhe der Zeit (um schon
an dieser Stelle mögliche Einwände aufzugreifen); aber der Historiker Mann gilt als exzellenter
Beobachter (was wohl auch insoweit der DNS seines Vaters geschuldet sein dürfte), so dass seine
Beschreibung einer allgemeinen Passivität (teils schon Gleichgültigkeit o. Lethargie), die zumindest
zeitweise große Teile der Bevölkerung befallen hatte, soweit diese nicht am eigenen Leib
betroffen war, auch für die eigentliche Ausgangsfrage interessant sein dürfte.
Ich glaube, dass es darum auch keinem ging. Oder habe ich was verpasst?

Mein Eindruck war, dass manche die radikale Position vertreten haben, dass es Patriotismus oder Reichspatriotismus nicht gegeben habe. Das halten andere wiederum für widerlegt und nicht erst seit gestern.

Dass Reichspatriotismus nicht 90% der Bev. im HRR ergriff, darüber herrscht bestimmt Einigkeit. Ich denke sogar, dass in "reichsfernen" Gegenden wie in Teilen von Preußen, kaum einer was mit dem Reich anfangen konnte, da es eben keineswegs präsent war, weder im Alltag noch in der öffentl. Publizistik.

Generell fällt für mich schon auf, dass sich Satiren ab der 2. Hälfte des 18.Jh. verstärkt mit dem HRR beschäftigten. Das kann aber eigentlich nur damit erklärt werden, dass es doch zumindest den Gebildeten, z.B. den Verfassern, irgendwie nicht unwichtig gewesen sein kann.
 
Vielleicht habe ich ja den genauen gedanklichen Übergang der an dieser „Sonderdiskussion“
beteiligten Forumskollegen verpasst....
Einer der Schlüsselbeiträge von Ende Dezember 2011 bezog sich auf die Frage nach dem
Nationalstaatsgedanken (# 35).

Dann gab es in einigen Folgebeiträgen die „leichtfertige“ Aussage, dass wohl vor 1806 sich keiner
als „Deutscher“ bezeichnet hätte und u.a. in # 44 die Überlegung, dass der Begriff „deutsch“ einem
Bedeutungswandel unterlegen hat – unabhängig über welchen Zeitraum (nur mal so in den Raum
geworfen ab 842 „Straßburger Eide“ bis eben 1806).

Die Frage ist daher vielmehr, auf welchen „Ebenen“ sich die Entwicklung des Begriffs „deutsch“
vollzogen hat: verfassungs-geschichtlich, allgemein-politisch oder rein „soziologisch“ ???
Wenn sich ein Teil der Diskussion jetzt quasi totläuft, ob (und seit wann) es einen
„Reichspatriotismus“ gegeben hat, dann ist das m.E. Streit um des Kaisers Bart.

Maßgeblich müsste doch die Frage sein, hat es bereits weit vor 1813 bzw. 1806 einen auf derart
stabiler Grundlage beruhenden Patriotismus o. Nationalstolz gegeben, der - richtig kanalisiert bzw.
klug gesteuert - zur Zukunftsfähigkeit des HRR hätte beitragen können ?
Mindermeinungen o. „Radikalpositionen“ werden bei dieser konkretisierten Fragestellung keinen
echten Erkenntnisgewinn bringen.
Da verschiedentlich Philosophen, Dichter, allgm. Akademiker genannt wurden, denen der nationale
Gedanke deutlich mehr am Herzen lag als der Masse der „aufgeputzten Pudelhunde“, wäre doch
vielmehr unter diesem Gesichtspunkt zu fragen/klären, ob jene nicht stärker auf die „Mehrheits-
Bevölkerung“ hätten einwirken können (und wie) ?

Nur als Gedankengut einer relativ kleinen Avantgarde konnten zu dem maßgeblichen Zeitraum
1790er Jahre bis 1813 „Reichspatriotismus“ oder „deutsches Nationalgefühl“ weder die allgemeine
Entwicklung ändern noch speziell die Zukunftsfähigkeit des HRR positiv bestimmen.

Wenn die (wohl im Wesentlichen) zwei Kollegen hierzu Belege haben bzw. Gegenbeweise dann
immer her damit; hätte dann ja auch wieder stärkeren Bezug zur Ausgangsfrage – Götz zum Gruß.
 
Mindermeinungen o. „Radikalpositionen“ werden bei dieser konkretisierten Fragestellung keinen echten Erkenntnisgewinn bringen.

OT: Grundsätzlich ist das natürlich so pauschal nicht richtig. Minderheitenmeinungen sind absolut wichtig und dringend notwendig (Stichwort Pluralismus), um durch ihre revisionistischen Positionen den Mainstream zu zwingen, sich zu vergewissern. Und entweder der Mainstream wird noch breiter, bis zum nächsten revisionistischen "Attentat", oder das dominante historische Paradigma muss weichen und die Minderheitenmeinung wird Mainstream.
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Also das, was hier vorschnell als "Radikalpositionen" bezeichnet wurde, ist im weitesten Sinne die Position, die Hirschi (vgl. #58) als "Konstruktivismus" im Rahmen seiner Kritik an der Mainstream Nationalismusforschung adressiert.

Zu dieser Richtung gehören so unterschiedliche Ansätze (neben den in #58 genannten) wie der von Wehler (Bismarck und der Imperialismus), Slotkin (Gunfighter Nation), Young (Japan`s Total Empire) oder Jacobsen ed. (Strategic Power USA/USSR).

Und es ist bezeichnend für die bisherige Diskussion, dass Theoretiker, sowohl die Klassiker als auch neuere Ansätz der Nationalismusforschung von Einzelnen eher ignoriert werden.

Wer also die obigen Ansätze als "radikal" beurteilt, sollte dann seinen Maßstab offen legen, was aus seiner Sicht denn den vermeintlichen "Standard" definiert. Und welche Position die Entwicklung besser erklärt als der Konstruktivismus. Also bei Hirschi habe ich persönlich keine entsprechende Herleitung entdecken können.

Im Gegensatz dazu sei noch auf weitere "radikale" Positionen verwiesen, die die Frage der Trägerschaft einer deutschen patriotischen (obwohl Ansätze (Fichte etc.) natürlich benannt werden) bzw. nationalistischen Geisteshaltung, in der Regel eher kritisch, thematisieren:

Zwei hervorragende Reader zu dem Thema mit sehr konträren Positionen und Ansätzen.
Nationale und kulturelle Identität - Google Books

Nationales Bewußtsein und kollektive Identität - Google Books

Sehr kritisch und kompetent und in komparativer Perspektive:
Staat und Nation in der europäischen Geschichte - Hagen Schulze - Google Books

Mehr populärwissenschaftlich
Die Erfindung der Deutschen: Wie wir wurden, was wir sind - Klaus Wiegrefe, Dietmar Pieper - Google Books

Zwei gute Übersichtdarstellungen zum aktuellen Stand der Nationalismusforschung
Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa - Siegfried Weichlein - Google Books

Nation- Nationalität- Nationalismus - Christian Jansen, Henning Borggräfe - Google Books

Sofern man sich mit den Grundlagen der Wissenssoziologie beschäftigen möchte (um zu verstehen welche Prozesse der ideologische Formierung der Akteure bzw. Intelligenz in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert abliefen), ist Mannheim nach wie vor die Referenzgröße. Er stellt sich die Frage, warum bestimmte Generationslagerungen an bestimmte Werte bzw. Ideologien glauebn, die sich distinkt von anderen unterscheiden.
Ideology and Utopia - Karl Mannheim - Google Books

In einem neueren Ansatz fortgeführt durch die Kognitions-Soziologie bzw. auch Kognitions-Psychology.
Social Mindscapes: An Invitation to Cognitive Sociology - Eviatar Zerubavel - Google Books

Das Thema kollektive Identität wird aus unterschiedlichen Sichtweisen beispielsweise bei Niethammer beleuchtet (wird bei google gerade nicht korrekt angezeigt) und illustriert das Konzept auch in Hinblick auf seine historische Übertragbarkeit.

Und vor diesem Hintergrund können wir gerne weiter diskutieren, wer sich als "Teutscher" bezeichnet hat, was die Adressaten verstanden haben, wenn er das gesagt hat und welche Bedeutung es hatte, ein "teutscher" Reichspatriot zu sein, sowohl qualitativ als verwurzelte Glaubensüberzeugung, als auch quantitativ für die unterschiedlichen sozialen Akteure (Schichten, Stände etc.) der damaligen Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein paar Gedanken/Thesen zum Begriff des "Reichspatriotismus" und seiner Belastbarkeit vor dem Hintergrund der Geschichte des HRR seit dem 30 Jährigen Krieg.

Am meisten stört mich persönlich, dass sich hinter diesem Begriff eine Vielzahl von Phänomenen verbergen, die es schwer machen, die Bedeutung des "Reichspatriotismus" so zu identifizieren, dass die Gleichung HRR = teutsch = deutsch zutrifft.

Bereits an der Geographie des HRR läßt sich die hohe Heterogenität erahnen, die auch durch den Begriff der "förderativen Nation" eher beschönigt wird in seiner realen politischen Zerrissenheit.

Datei:HRR 1789.png ? Wikipedia

Umgeben ist das HRR von einer Reihe von Großmächten, die an einem relativen Gleichgewicht interessiert sind bzw. individuelle versuchen, ihre dominante Position zu verbessern. Häufig zu Lasten des, unterstellten, Interesses an einer nationalen Einheit des HRR im Sinne der Nationenbildung französicher oder englischer Vorbilder.

Mit der Folge einer permanenten Einmischung in die inneren Angelegenheiten des HRR und der Bereitschaft einzelner Vertreter des HRR, Koalitionen mit diesen externen Großmächten einzugehen.

http://www.google.de/imgres?imgurl=http://muskingum.edu/~modern/german/1000Jahre/Barock/verluste.jpg&imgrefurl=http://muskingum.edu/~modern/german/1000Jahre/Barock/Zeitalter.html&h=522&w=405&sz=146&tbnid=CJgYSXTgoT_EDM:&tbnh=84&tbnw=65&prev=/search%3Fq%3Ddrei%25C3%259Figj%25C3%25A4hrigen%2Bkrieg%26tbm%3Disch%26tbo%3Du&zoom=1&q=drei%C3%9Figj%C3%A4hrigen+krieg&usg=__WOUsujLO3Zb_L1Y8qu5Cj7L9jHU=&docid=u_R6o8A_4SrhQM&sa=X&ei=Gzu_T9OOFe334QT78KDACQ&ved=0CHQQ9QEwBA&dur=495

1. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges kommt es zu einem konfessionell geprägten relativ stabilen Status quo. Den die protestantische und die katholische Seite als Machtposition definierten und Verletzungen des Staus quos nicht akzeptiert wurden.

http://www.google.de/imgres?imgurl=http://muskingum.edu/~modern/german/1000Jahre/Barock/verluste.jpg&imgrefurl=http://muskingum.edu/~modern/german/1000Jahre/Barock/Zeitalter.html&h=522&w=405&sz=146&tbnid=CJgYSXTgoT_EDM:&tbnh=84&tbnw=65&prev=/search%3Fq%3Ddrei%25C3%259Figj%25C3%25A4hrigen%2Bkrieg%26tbm%3Disch%26tbo%3Du&zoom=1&q=drei%C3%9Figj%C3%A4hrigen+krieg&usg=__WOUsujLO3Zb_L1Y8qu5Cj7L9jHU=&docid=u_R6o8A_4SrhQM&sa=X&ei=Gzu_T9OOFe334QT78KDACQ&ved=0CHQQ9QEwBA&dur=495

2. Im Siebenjährigen Krieg vermischen sich die machpolitischen Ambitionen und die konfessinellen Konflikte Preußens und Österreichs, in dem auch der Vatikan involviert war.

In dieser Situation werden Reichstruppen, die gegen das Mitglied des HRR, das Königreich Preußen, aufgestellt und durch einen französichen Oberkommandierenden ins Feld gestellt und kommandiert.

3. Diese Situation ist in gewisser Weise ein erneuter Bürgerkrieg innerhalb des HRR und verhindert massiv die Ausbildung einer kollektiven Identität mit einem universellen "teutschen" politischen Bewußtseins, das die Grundlage für eine universelle Nationenbildung gewesen wäre.

Google-Ergebnis für http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d3/Europe_1748-1766.png/350px-Europe_1748-1766.png


4. Die Folge dieser konfliktträchtigen Situation ist, dass der Reichpatriotismus diesen konfessionellen Konfliktlinien folgt. Der protestantische Norden weist somit zunächst keine "Reichsidentität" auf und geht auf Konfrontationskurs zum österreichisch geprägten HRR. Ein Konflikt, der erst bei Königgrätz (1866) endgültig gelöst wird.

5. Wie sieht die Reichsidentität im restlichen Reich am Vorabend der FR aus? Das HRR ist zu diesem Zeitpunkt stark dominiert durch die Interessen Österreichs. Und an diesem Punkt ergibt sich die höchste Übereinstimmung zwischen den partikularen Interessen Österreichs und des HRR. Besonders deutlich wird dieses an der Dominaz österreichischer Truppen bei der Stellung von HRR-Truppenkontingenten.

Für die kleinen anderen "Rechtsgebilde", die geographisch im HRR angesiedelt waren, war zunächst realpolitischer Pragmatismus angesagt, um nicht zwischen die Mühlsteine der Großmachtrivalitäten zu gelangen. Der faktisch eine normative politische Ausrichtung verhinderte und eher durch die Höhe der Subsidarien definiert wurde.

6. Kommt noch erschwerend das spezifische Verhältnis zwischen einem Monarchen und seinem Adel hinzu, dass im Rahmen des Absolutismus durch eine persönliche Beziehung geprägt war. Und nicht geprägt durch die abstrakte Bezugnahme auf das HRR.

Sofern sich somit ein beliebiger Adeliger als "Teutscher" bezeichnete, unterstrich er zunächst und vor allem seine Zugehörigkeit und seine dienende Funktion gegenüber seinem Monarchen.

Sofern diese Loyalität nicht vorhanden war, und man mag sich die entsprechenden Darstellungen zwischen FdG und seinen Offizieren als beispeilhaft ansehen, wurden sie aus dem persönlichen Dienstverhältnis, unehrenhaft, entlassen.

7. Und damit ist ein weiterer Aspekt angesprochen. Die universelle Staatsräson, die dem Reichspatriotismus zwingend zugrunde liegt, war geprägt primär durch die adeligen Vorstellungen von persönlicher Ehre.

8. Dass es daneben (2. hälfte des 18. Jahrhundert) auch Zirkel von Intellektuellen gab, die sich der aufkommenden Bedeutung der bürgerlichen Öffentlichkeit bedienten und über eine neu moralische Grundlage von Reich und Nation und somit auch dem Patriotsmus nachdachten, ist lediglich die "Spitze des Eisbergs" der mit der FR einsetzenden bürgerlichen Revolution.

Für das praktische Verhalten des Adels und noch weniger für die breiten Unterschichten hatten diese Ideen noch keine Bedeutung bis zur FR.
 
Zuletzt bearbeitet:
OT: Grundsätzlich ist das natürlich so pauschal nicht richtig. Minderheitenmeinungen sind absolut wichtig und dringend notwendig (Stichwort Pluralismus), um durch ihre revisionistischen Positionen den Mainstream zu zwingen, sich zu vergewissern. Und entweder der Mainstream wird noch breiter, bis zum nächsten revisionistischen "Attentat", oder das dominante historische Paradigma muss weichen und die Minderheitenmeinung wird Mainstream.
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Ebenfalls o. t.:
Die zitierte Stelle ist allerdings schon aus dem Zusammenhang gerissen und von mir
nicht pauschal als Abwertung jeglicher Mindermeinung (als Gegenbegriff zur „herrschenden
Meinung“ im fachwissenschaftlichen Diskurs – daher auch nicht „Minderheitenmeinung“) oder
abweichender Ansichten gemeint.
Sollte der gegenteilige Eindruck entstanden sein, bitte ich dies zu korrigieren.

Ich habe mich nur auf eine entsprechende Äußerung in Beitrag # 64 v. Brissotin beziehen wollen.
Auch wenn es oft alles andere als einfach ist, bei kontrovers diskutierten Themen im juristischen,
politikwissenschaftl. oder historischen Kontext eine klare Trennung zwischen „h. M.“ und „MM“
zu treffen.

Ähnlich wie bei (höchstrichterlichen) Urteilen zählt wohl weniger die Summe/Anzahl von
Fund-/Belegstellen, sondern deren inhaltliches Gewicht, sprich Aussagekraft.

Nun zum Thema:
Wenn in der Kontroverse zu den verschiedenen Thesen, ob und auch ab wann (ungefähr zumindest)
von einem deutschen Nationalgefühl oder gar „Reichspatriotismus“ gesprochen werden kann, eines
zum Ausdruck gekommen ist oder auch jetzt noch im weiteren Verlauf kommt, so doch die
Erkenntnis, dass es zum maßgeblichen Zeitraum (ca. ab Mitte der 1790er Jahre bis 1806) eben
keinen in der breiten Masse des Volkes (also genau die ca. 90 % - siehe # 64) „nachhaltig“
verfestigten Patriotismus gegeben hat und wahrscheinlich auch noch gar nicht geben konnte.
Die anderen 10 % (ich glaube eher weniger) der damaligen Zeitgenossen, also insbesondere die
schon angesprochenen „Dichter + Denker“, die möglicherweise schon ein patriotisches
Grundgefühl hatten, wie auch immer sich dieses konkret äußerte (von Flugblättern über kritische
Artikel u. Vorlesungen im akademischen Bereich bis zur Theaterbühne) sollen ja gar nicht unter den
Teppich gekehrt oder gar diffamiert werden – ist zumindest mein Standpunkt.

Die Frage war und ist doch vielmehr, ob der Beginn des Nationalstaatsgedankens Auswirkungen auf
das eigentümliche Gebilde namens „HRR“ hatte und auf welcher Grundlage.
In diesem Zusammenhang komme ich zum Schluss, dass eben zum o.g. Zeitraum wohl eher kein
ausgeprägter Nationalstolz/Patriotismus in der breiten Masse der Bevölkerung vorhanden war (bei
den „aufgeputzten Pudelhunden“ noch viel weniger) und zwar in dem Sinne, dass Legionen von
deutschen Bauern und Arbeitern am Wegesrand in Jubelarien verfallen wären – auch wenn
vielleicht dieses Bild dank einiger UfA-Machwerke Anfang der 1940er Jahre in den Köpfen
vorhanden ist).

Um dies an einem praktischen Beispiel festzumachen:
In den Tagen, Wochen, Monaten vor August 1914 gab es eine Grundstimmung bei unseren
Großeltern (ich kann dies insoweit behaupten, da mein Großvater im WK I fürs „Kaiserreich“
gedient hat und mir noch ganz dunkel entsprechende Erzählungen erinnerlich sind), die von
Faszination über maßlose Begeisterung bis Massenhysterie ging.
Selbst bei der Arbeiterschaft (natürlich auch da von Ausnahmen abgesehen).
Eine solche „Grundstimmung“ gab es 100 – 110 Jahre vorher definitv nicht – und wie oben schon
gesagt: es konnte zu diesem Zeitpunkt eine solche Stimmung gar nicht geben – von einer
gegenteiligen Ansicht in einem eher kleinen, elitären Kreis halt abgesehen. Götz zum Gruß.
 
Nun zum Thema:
Wenn in der Kontroverse zu den verschiedenen Thesen, ob und auch ab wann (ungefähr zumindest)
von einem deutschen Nationalgefühl oder gar „Reichspatriotismus“ gesprochen werden kann, eines
zum Ausdruck gekommen ist oder auch jetzt noch im weiteren Verlauf kommt, so doch die
Erkenntnis, dass es zum maßgeblichen Zeitraum (ca. ab Mitte der 1790er Jahre bis 1806) eben
keinen in der breiten Masse des Volkes (also genau die ca. 90 % - siehe # 64) „nachhaltig“
verfestigten Patriotismus gegeben hat und wahrscheinlich auch noch gar nicht geben konnte.
Die anderen 10 % (ich glaube eher weniger) der damaligen Zeitgenossen, also insbesondere die
schon angesprochenen „Dichter + Denker“, die möglicherweise schon ein patriotisches
Grundgefühl hatten, wie auch immer sich dieses konkret äußerte (von Flugblättern über kritische
Artikel u. Vorlesungen im akademischen Bereich bis zur Theaterbühne) sollen ja gar nicht unter den
Teppich gekehrt oder gar diffamiert werden – ist zumindest mein Standpunkt.
Mir scheint es nur einleuchtend, dass die Äußerungen von denen kamen, die sich mit der Thematik beschäftigen mussten oder bei denen es aus anderen Gründen notwendig war.
Leider habe ich mich mit dem Reichskammergericht noch nicht eingehend beschäftigt. Müssten nicht aus dem Umfeld - Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstag - logischerweise die meisten Impulse zu einer Debatte über Sinn- und Unsinnigkeit des Reiches zu erwarten sein?
 
Mir scheint es nur einleuchtend, dass die Äußerungen von denen kamen, die sich mit der Thematik beschäftigen mussten oder bei denen es aus anderen Gründen notwendig war.
Leider habe ich mich mit dem Reichskammergericht noch nicht eingehend beschäftigt. Müssten nicht aus dem Umfeld - Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstag - logischerweise die meisten Impulse zu einer Debatte über Sinn- und Unsinnigkeit des Reiches zu erwarten sein?

Nach "kurzer Sommerpause" noch eine kleine Ergänzung zum vorherigen Beitrag:

Dazu hätte es aber um 1800 (und die Zeit davor) wohl eines organisierten "protokollarischen" Dienstes bedurft, um von den genannten Organen der Justiz/Legislative brauchbare Hinweise für dieses Thema zu erhalten.

Gab es denn in Regensburg (Reichstag) einen entsprechenden Sitzungsdienst bzw. Mitschriften im Wortlaut (wenn ja, Kurzschrift) ???
Bin ich überfragt.

Bei Gerichtsentscheidungen sollte man zwar erwarten dürfen, dass diese den Sachverhalt im Detail mitteilen (also auch Aussagen über das hier strittige Thema), doch bei welchen "Verfahrensarten", sprich Zivil- oder Strafrecht, wären denn solche Äußerungen zu erwarten gewesen ?

Da es aber um 1800 ein "Reichs-Zivilrecht" noch (lange) nicht gegeben hat, sondern in jedem Territorium (theoretisch) anderes Recht galt, werden die obersten Reichsgerichte auch nicht viel hergeben (von "Zufallstreffern" abgesehen).

Daher müsste man also auf Strafverfahren zurückgreifen, für die die Carolina galt.
Wenn ich mir nun "Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V." (Reclam-Ausgabe) anschaue, finde ich unter den 219 Artikeln/Vorschriften nichts, was wirklich auf die hier diskutierten Fragen passt.

Auf die Gefahr hin, dass es bereits in einem der zahlreichen vorherigen Beiträge behandelt wurde, vielleicht hilft aber ein Blick auf/in die juristischen Fakultäten der damaligen Zeit.
Stichwort "öffentliches Recht".

Dieses damals noch relativ junge Rechtsgebiet wäre doch am ehesten geeignet, politische Begriffe, wie sie hier aufgekommen sind (und um nichts anderes handelt es sich ja), aufzugreifen und zu thematisieren.
Heute wären es zwar eher die Fachbereiche "Soziologie, Politik, Gesellschaftswissenschaften" etc., die es ja aber seinerzeit noch nicht als eigenständige Gebiete gegeben hat - daher die Juristerei.

Und Vorlesungen zum Staatsrecht/öffentlichen Recht nebst Literatur gab es an vielen Fakultäten schon geraume Zeit (wenn auch primär verstärkt an protestantischen Universitäten, also solchen, die in protestantisch geprägten Gebieten belegen waren).

In diesem Zusammenhang würde sich nämlich die nächste Frage geradezu aufdrängen, in welchen Reichsteilen gab es denn stärkere Impulse in Richtung "(Reichs-)Patriotismus" ?
Evangelisch oder katholisch geprägte ?
Wie gesagt, um das Jahr 1800 !
Nicht erst 1871 (da wüsste ja selbst ein 5er-Schüler Bescheid).....

Einen schönen Sonntag, Götz zum Gruß.
 
Immerhin hat sich bereits ein Historiker, nämlich Anton Schindling, bereits mit der Frage "War das Scheitern des Alten Reiches unausweichlich?" auseinandergesetzt. Leider geht er bei seiner Untersuchung von dem Zeitpunkt des Reichsdeputationshauptschlusses aus. Dennoch sind zumindest zum Teil seine Aussagen wahrscheinlich auch für diesen Thread interessant.
Sein Essay ist vielsagend nichts sagend. Er baut keinen Bogen zwischen dem Zustand des HRR im ausgehenden 18. Jh. zu den (uns bekannten) Herausforderungen des 19. Jh. (Nationalismus, Liberalisierung, Nationalstaatsbildung, Industrialisierung, Soziale Frage, etc.). Es bleibt unklar, welche Vor- und Nachteile "Kaiser und Reich" gegenüber dem "Bund" hätten haben können. Infolgedessen vermittelt er auch keinen Eindruck davon, was man sich unter einem Fortbestehen des HRR in zeitlicher Hinsicht überhaupt vorzustellen hat. Immerhin scheiterte der Deutscher Bund ebenso. Wieso hätte es mit dem HRR besser laufen sollen? Vermutlich wären die Antwort hierauf ernüchternd ausgefallen.
Dann wendet er sich der Frage zu, ob die Reichskirche für das Reich unabdingbar war. Leider ist er hier nicht sehr eindeutig, unterstreicht aber, wie ich es auch immer wieder tue, die Funktion als Stütze des Kaisers (und letztlich des Reiches an sich).
Über 90 % seines Essays verwendet Schindling auf die Beschreibung von Reichskirche, Reichsritter und Reichsstädte als treue Stützen des Reiches und dass es sich bei diesen um die Verlierer des Reichsdeputationshauptschlusses handelte. Die sich daraus ergebende Logik im Hinblick auf die erforderliche Säkularisation und Mediatisierung hat er nicht beschrieben: der Kaiser saß auf einem morschen Ast. Wenn er das Reich durch Reformen retten wollte, musste er den Ast absägen, auf dem er saß. Das war keine gute Ausgangsposition für HRR 2.0.
Dem Alten Reich räumte Schindling nach den Reformen von 1803 eine Chance für einen längeren Bestand ein, wenn Napoleon es nicht so massiv angegriffen hätte, er vielleicht bei Austerlitz gefallen wäre.
Hier argumentiert Schindling vielsagend dürftig. Es fehlt eine Analyse zu den komplexen Veränderungen, die die französische Revolution in Frankreich bewirkte, die z. B. mit der Leevé en masse, aber auch dem Aufstieg tüchtiger Männer über die zuvor bestehenden Standesschranken hinaus das militärische Gewicht Frankreichs erstarken liessen und nunmehr Frankreich gestatteten gegenüber den Großmächten Österreich und Preußen offensiver aufzutreten und der weiteren Folge, dass diese Mächte aufgrund ihrer im Innern erstarrten Verhältnisse, diesem Wandel der Verhältnisse nichts mehr entgegen zu setzen hatten.
Zur Sicht der Zeitgenossen auf das Alte Reich ist Schindlinger sehr deutlich und widerspricht damit Dieters Vermutungen recht erheblich:

"In der Diskussion über die Französische Revolution wurde das Alte Reich noch immer vielfach als die bessere Alternative der deutschen Geschichte angesehen, durchaus auch im Horizont der alten Ideen einer "teutschen Freiheit".
Diese Sichtweise übernimmt er einfach. Dabei war die "teutsche Freiheit" doch nicht das Ergebnis einer Freiheitscharta des HRR sondern lokale Phänomene, die durch die wechselseitige Blockade intermeditärer Gewalten zustandekam. Dort wo es solche Blockaden nicht gab, war es mit der Freiheit meistens nicht so weit hin. Solche Blockaden waren aber in einem Zeitalter der Bewegung sehr problematisch.
Im direkten Zusammenhang mit den Koalitionskriegen könnte man vielleicht fragen, wie die Verteidigung des Reiches machbarer gewesen wäre, so dass diese Lage der Bedrängnis garnicht erst eingetreten wäre.
Das hätte sich nur vermeiden lassen, wenn das Reich militärisch effektiver organisiert gewesen wäre. Das hätte aber den Abbau entsprechender Blockaden vorausgesetzt, nicht wahr?
Mir scheint es nur einleuchtend, dass die Äußerungen von denen kamen, die sich mit der Thematik beschäftigen mussten oder bei denen es aus anderen Gründen notwendig war.
Leider habe ich mich mit dem Reichskammergericht noch nicht eingehend beschäftigt. Müssten nicht aus dem Umfeld - Reichskammergericht, Reichshofrat, Reichstag - logischerweise die meisten Impulse zu einer Debatte über Sinn- und Unsinnigkeit des Reiches zu erwarten sein?
Mir scheint klar, dass es sich beim "Reichspersonal" um die völlig falschen Zeitzeugen handelt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
 
1.
Sein Essay ist vielsagend nichts sagend. Er baut keinen Bogen zwischen dem Zustand des HRR im ausgehenden 18. Jh. zu den (uns bekannten) Herausforderungen des 19. Jh. (Nationalismus, Liberalisierung, Nationalstaatsbildung, Industrialisierung, Soziale Frage, etc.). Es bleibt unklar, welche Vor- und Nachteile "Kaiser und Reich" gegenüber dem "Bund" hätten haben können.

2.
Über 90 % seines Essays verwendet Schindling auf die Beschreibung von Reichskirche, Reichsritter und Reichsstädte als treue Stützen des Reiches und dass es sich bei diesen um die Verlierer des Reichsdeputationshauptschlusses handelte. Die sich daraus ergebende Logik im Hinblick auf die erforderliche Säkularisation und Mediatisierung hat er nicht beschrieben: der Kaiser saß auf einem morschen Ast. Wenn er das Reich durch Reformen retten wollte, musste er den Ast absägen, auf dem er saß. Das war keine gute Ausgangsposition für HRR 2.0.

3.
Das hätte sich nur vermeiden lassen, wenn das Reich militärisch effektiver organisiert gewesen wäre. Das hätte aber den Abbau entsprechender Blockaden vorausgesetzt, nicht wahr?

4.
Mir scheint klar, dass es sich beim "Reichspersonal" um die völlig falschen Zeitzeugen handelt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
1.
Mein Hauptproblem damit ist, dass er keine Argumente anbringt. Vielleicht ist das im Spekulativen auch so schwierig.

2.
Da bin ich bei Dir. Wenn die gefügigen Teile des Reiches schon vernichtet sind, was sie eben vor Austerlitz schon waren, wie hätte es dann noch funktionieren sollen? Da sehe ich auch einen inneren Widerspruch.

3.
Hm, ich weiß jetzt nicht, was Du genau mit den Blockaden meinst. Im Grunde hätte das Reich ein gleichmäßig durchdrungenes Staatsgebilde werden müssen, welches sich aus mindermächtigen Reichsständen zusammengesetzt hätte, denen ein Einsehen in die Notwendigkeit der Existenz des Reiches gemein gewesen wäre.
Diese Problematik der großen Staaten, die sich praktisch fast alles gegenüber den Reichsinstitutionen erlauben konnten, blendet Schindling aus.

4.
Das finde ich hingegen unlogisch. Das Reichspersonal lebte ja nicht vom Reich. Wer im Reichskammergericht saß, profitierte vielleicht vom Reichskammerzieler, war aber letztlich doch seiner Heimat auch stark verbunden. Auf dem Reichstag finden wir kaum "Reichspersonal", welches direten Nutzen aus dem Reichstag gezogen hätte, nichtmal die Stadt hatte besonders viel davon, wie eine Regensburger Studie zeigt. Im Großen und Ganzen war der Reichstag ein Gesandtenkongress. Wären sie dort nicht Gesandte gewesen, ausgenommen natürlich die Regensburger, welche von mindermächtigen Reichsständen gechartert wurden, dann hätten sie eben an irgendeinem Hof wahrscheinlich auftreten dürfen.

Dazu möchte ich anmerken, dass mir Dein Beitrag, Gandolf, gut gefallen hat, auch wenn wir nicht unbedingt einer Meinung sind.:)
 
Dazu möchte ich anmerken, dass mir Dein Beitrag, Gandolf, gut gefallen hat, auch wenn wir nicht unbedingt einer Meinung sind.:)
Vielen Dank!:)
(1) Hm, ich weiß jetzt nicht, was Du genau mit den Blockaden meinst.

(2) Im Grunde hätte das Reich ein gleichmäßig durchdrungenes Staatsgebilde werden müssen, welches sich aus mindermächtigen Reichsständen zusammengesetzt hätte, denen ein Einsehen in die Notwendigkeit der Existenz des Reiches gemein gewesen wäre.
(1) Ich schrieb aus "außenpolitischer Sicht" über die sich dem HRR stellende Aufgabe, in einem sich wandelnden Umfeld bei der Organisation seiner Verteidigung eine Anpassungsleistung zu vollbringen. Notwendig wurde diese, weil Frankreich schon längst ein Staat war und mit der Französischen Revolution einen weiteren Entwicklungssprung vollzog (levée en masse, Aufstieg tüchtiger Männer in der Armee nach Eignung unabhängig von Stand, etc.), der seine militärische Leistungsfähigkeit und somit sein außenpolitisches Gewicht steigerte.

Du beschreibst bei (2) die Zielvorstellung für ein handlungsfähiges Reich. Deren Verwirklichung stand freilich die "Libertät" der (vielen kleinen) einzelnen Reichsstände entgegen, die bei der Einrichtung dieses Staatsgebildes auf der Strecke geblieben wären. Um diesen Prozess (rechtmäßig) durchzusetzen, musste sich entweder (allgemein anerkannt) die Idee der Libertät ändern oder man brauchte die Zustimmung der vielen Kleinen. Beides hätte sehr viel Zeit benötigt. Blieb die Reform durch Bruch des Reichsrechts übrig. Das wäre aber keine Reform mehr gewesen.

Bricht man diese Erkenntnis auf die Idee vom Reich als Verteidigungsgemeinschaft herunter, ergibt sich folgendes:
Aus der Sicht des einzelnen Reichsstandes stellte sich die Frage, warum er das Reich gegenüber seinen äusseren Feinden verteidigen sollte, wenn es im Innern ohnehin abgeschafft wird? Hier konnte es naheliegender sein, sich (ggf. in Zusammenwirken mit einem Reichsfeind) ein Stück vom aufzuteilenden Kuchen zu sichern als das Reich wiederbeleben zu wollen.
Auf "außenpolitischer Ebene" stellte sich die Frage, warum die anderen europäischen Großmächte einer Reichsreform tatenlos zusehen sollten? Denn solange das HRR notorisch handlungsunfähig war, war es unfähig zur Agression. Ein effektiv organisierter, handlungsfähiger (Bundes-)Staat namens "HRR" hätte das Gleichgewicht in Europa berührt.

Die inneren Apsekte des HRR waren also mit den äusseren verflochten. Solange das HRR Frankreich im Bereich der Staatlichkeit hinterherhinkte und der Kaiser im HRR die Kleinen und Schwachen schützte und somit die Handlungsunfähigkeit des HRR gewährleistete, war es als "Verteidigungsgemeinschaft" noch akzeptiert. Als es aber diese Staatlichkeit benötigte, um mit Frankreich mithalten zu können, das in der Französischen Revolution einen weiteren Entwicklungssprung vollzog, schloss sich der Zeitrahmen für die erforderliche Reform des Reichs. Denn wenn die Verteidigung nicht mehr funktionierte (gleich aus welchem Grund), war sich jeder nur noch selbst der Nächste.

Ausgerechnet in dieser Schlussphase (zu der ich auch die 20 Jahre vor 1789 zählen würde, weil diese die Zeit nach 1789 prägten) agierten die Nachfolger Karls des Großen äusserst ungeschickt und kontraproduktiv: Beteiligung an der ersten Teilung Polens (1772), Tauschpläne bzgl. Belgien und Bayern (1778), Kirchenreform in Österreich und Ungarn (1782), Pillnitzer Deklaration (1791), etc. Mit dieser Politik war das für eine Reform des HRR notwendige Vertrauen bereits aufgebraucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf die Gefahr, dass sich mein Betriebssystem (linux irgendwas - ich hab da keine Ahnung von) und die Forumssoftware besonders gern haben, also der link führt mich mal wieder (leider) ins Nirwana des I-net.

Soll heißen, mit der Seite, die mir angezeigt wird, kann ich wenig bis gar nichts anfangen - Technik halt.

Götz zum Gruß
Bei mir funktioniert der Link und danke an ursi deswegen. :winke:
 
Mir scheint klar, dass es sich beim "Reichspersonal" um die völlig falschen Zeitzeugen handelt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Mir ging es mit meiner ernsthaft gemeinten Frage nach einem protokollarischen Sitzungsdienst beim Reichstag auch nicht um die Arbeitsmoral bzw. politischen Einstellung des Personals.
Sondern ob es tatsächlich Mitschriften (so wie diese in modernen Parlamentsbetrieben heute üblich sind) auch damals in Regensburg gegeben hat; natürlich in Ansehung der damaligen technischen Möglichkeiten.

Von allgemeinen Abhandlungen oder Zusammenfassungen im Sinne eines C. Th. Gemeiner (Geschichte der öffentl. Verhandlungen etc.) wird man sich nämlich wahrscheinlich auch keine echten Erkenntnisse erhoffen dürfen, da diese doch ein Stück weit gefiltert sein dürften.

Jetzt gibt es zwar schon seit hundert (?) Jahren den Versuch, die Reichstagsakten zu editieren, aber so richtig vollständig ist diese Arbeit meines Wissens nach noch nicht.

Daher halt die Frage, ob für den hier relevanten Zeitraum Regensburger Verhandlungsprotokolle (sprich bis zur letzten richtigen Sitzung 1803) bekannt und auch ausgewertet sind.
Denn aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen zwischen 1795 - 1803 kann ich es mir kaum vorstellen, dass sich hierüber die Gesandten keine hitzigen Wortgefechte im Plenum geliefert haben - muss ja nicht gleich in Richtung Wehner, Strauß oder gar Joseph Fischer gehen.....

Götz zum Gruß
 
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