geschichtsfan07
Aktives Mitglied
@ geschichtsfan: besten Dank für die ausführliche Info!
Gern.
Ich war auch stark verwundert, als ich es zuvor in besagtem Buch so laß und ich konnte gestern Deine Skepsis gut verstehen.
Wenn ich die Ausführungen richtig verstanden habe, basierte die Ablehnung der Standeserhöhung zum Reichsfürsten auf der Befürchtung, die Harmonie des Gesamthauses könne dadurch gestört werden. Das hört sich für unsere heutigen Ohren etwas merkwürdig an, denn man müsste eigentlich annehmen, dass alle Glieder eines Hauses die Erhebung einer Linie in den Fürstenstand begrüßen müssten. Auch wenn es nur eine Linie betraf, so hob das immerhin das Prestige des gesamten Hauses und auch das aller reichsgräflich bleibenden Zweige.
Vielleicht wäre ein Mod so freundlich und könnte mit den entsprechenden Beiträgen einen neuen Thread öffnen?
Denn die Begründungen sind vielseitig und umfangreich.
Ich habe das Buch leider erst wieder am Montag Abend zur Hand, aber allgemein kann ich heute schon etwas dazu sagen.
Die thür./sächs. Reichsgrafen vor allem sahen erst ausdrücklich am Beispiel Schwarzburgs, dass die teilweise erfolgte Erhebung in den Fürstenstand erheblich die Harmonie im Gesamthaus störte. Das war nicht zu begrüßen, da Vergleiche und Erbteilungen eh schon die Beziehungen zwischen Brüdern und Vettern erschwerten - und von außen drängelten vor allem die Wettiner. Auch das Kurfürstentum Brandenburg wollte die Stolberger erniedrigen und ihnen lange Zeit ihre Landen, ihren Anspruch und ihre Souveränität abspenstig machen, aber ganz aggressiv betrieben eben die Wettiner ihre Politik den kleinen reichsunmittelbaren Staaten ihre Souveränität abzuerkennen, mit dem klar und deutlich verfolgten Ziel, sie zu ihren Vasallen zu machen.
Warum Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt zeitlebens nichts vom Fürstendiplom hielt, wurde früher mit seinem eher pietistischen Lebensstil in Verbindung gebracht. Heute ist man von dieser Ansicht eher abgerückt.
Wie viele andere wird er davon Abstand genommen haben, weil es zu der Fürstenwürde keine Stimme im Reichsfürstenrat mehr gab.
Die Reußen haben sich nicht um den Titel bemüht, weil sie die damit verbunden Pflichten (wie einer entsprechenden Hofhaltung) eindeutig nicht finanzieren konnten.
Sagen wir es so: das Preis-Leistungs-Verhältnis schien nicht zu stimmen.
Denn die "neuen" Fürsten wurden von den alten fürstlichen Häusern nicht anerkannt oder müde belächelt, dabei trat das große Problem auf der anderen Seite auf, dass der Ruf eines alten Grafengeschlechtes in dieser Zeit stark verwässerte, weil "Hinz und Kunz", Emporkömmlinge der jüngeren Zeit, reihenweise in den Grafenstand erhoben wurden. "Ehrwürdige alte Grafen" wurden im Protokoll arg vernachlässigt, der Stand wurde "unter Wert behandelt" und viele Depeschen gingen darum nach Wien ab! Deshalb bemühten sich einige auch um den Fürstenrang und aus eben diesem Grund (Schade, dass ich gerade die Quelle nicht einstellen kann.) bspw. bat Friedrich Karl von Stolberg-Gedern um diesen Titel.
Die einzelnen Linien eines Hauses waren stark voneinander unabhängig, so scheint es zumindest, wenn man den Ausführungen traut. Nur von den Reußen sind mir Familienkonferenzen bekannt, aber es ist auch bekannt, dass sich die Linien auch ordentlich angiften konnten.
Beispiel: Während das reiche Haus Schleiz zwei Töchter bspw. nach Sachsen-Weißenfels und nach Sachsen-Gotha-Altenburg oder das vermögende Haus Gera zwei Söhne nach Pfalz-Birkenfeld-Gelnhausen verheiraten konnte, fragte sich alle Welt schon, wie Sophie, eine Tochter Heinrich XIII. von Reuß-Untergreiz, die Gemahlin vom Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt werden konnte.
Es zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Linien behandelt und angesehen wurden, obwohl sie zum gleichen Gesamthaus (in dem Falle: Grafen von Reuß) gehörten.
Wenn ich mich recht erinnere, gab es sehr große Differenzen zwischen den Linien der Grafen von Henneberg. Die Aufwertung einer Linie, lies die anderen eher noch "älter" aussehen, anstatt dass es auch denen einen Nutzen gebracht hätte.
Immerhin zeigen die Beispiele, wie stark das Konkurrenzdenken und der Standesneid innerhalb der hochadligen Häuser ausgeprägt war. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Streit zwischen den Welfenlinien Hannover und Braunschweig. Unzufrieden damit, dass der jüngeren Linie Hannover 1702 die Kurwürde zuerkannt worden war, wurde Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel aus einem treuen Anhänger zum Gegner des Kaisers. Es kam zur Vertreibung des Braunschweiger Herzogs durch hannoversche Truppen und der Herzog musste schließlich verbindlich zusagen, dass er sich der hannoverschen Kurwürde und Primogenitur nicht länger widersetzen würde.
Gutes Beispiel, aber ich glaube, dass dieses in eine eher andere Richtung weist, denn mir ist bei den Fürstenerhebungen noch nicht vorgekommen, dass eine Linie der anderen den Titel nicht gegönnt hätte oder sie gar darum in irgendeiner Form angegriffen hätte. Es war wohl eher so, dass jede Linie zusehen musste in diesem schwierigen "Geschäft" nicht ins Abseits zu geraten. (Bspw. die ständige Behauptung gegenüber großen Nachbarn.)
Bei den Welfen würde ich es wirklich als Machtkampf im "eigenen Haus" sehen. Der Gegner war hier die eigene Familie und nicht der mächtige Nachbar. So ein Gerangel um die Kurwürde gab es auch bei den Wettinern.