Titanen=Götter?

Die Frage danach, ob die Titanen nun Götter seien oder nicht, oder wie es denn sein könne, dass es vor den Göttern noch etwas gebe, impliziert letztendlich eine Vorstellung, wie wir sie aus der monotheistischen Religion kennen, nämlich einen (allmächtigen) Schöpfergott. Nur ein Schöpfergott ist per definitionem ungeschaffen und besteht schon vor seiner Schöpfung. Dies gilt aber nicht für die Götter der antiken Mythologie. Diese werden in eine präexistente Welt hineingeboren (oder -geworfen) und sind zwar mächtig, aber eben nicht allmächtig. Im Prinzip handelt es sich nur um personalisierte Naturgewalten und ich glaube, dass hierin auch ihr Ursprung zu suchen ist: In der Erklärung für Wetterphänomene und Katastrophen, denen man einen Sinn geben wollte und von denen man hoffte, sie durch Opfer gewissermaßen lenken bzw. günstig stimmen zu können. Die Vergottung der Naturgewalten wäre demzufolge also der Versuch gewesen, wenigstens wieder ein Stück weit die Kontrolle zurück zu erlangen.

Ich mag dem nicht zustimmen, wenn ich andernorts lese, daß die Theogonie Hesiods lehre, daß das Universum einst aus dem uranfänglichen Chaos gebildet worden war ("universe, once it had been formed out of primeval Chaos" - Herrington, Introduction to Prometheus Bound, 1975)
So in etwa gibt das auch Wikipedia wieder: "In der Theogonie des griechischen Dichters Hesiod (ca. 700 v. Chr.) ist das Chaos der Urzustand der Welt: 'Wahrlich, zuerst entstand das Chaos und später die Erde...' (Vers 116). Das Chaos besitzt in diesem kosmogonischen Mythos Ähnlichkeit mit dem Nichts und der Leere." (Chaos ? Wikipedia Herv. v. mir)
Ähnlich Michael Brumbaugh (Chaos: A Critical Analysis of Theogonic Origins), der die (wohl nicht anderweitig publizierten Doktoral-) These vertritt, daß Chaos eine eigenständige Gottheit ist http://apaclassics.org/images/uploads/documents/abstracts/Brumbaugh.pdf).
Schließlich Raymond Prier (Archaic Logic) stellt in seiner literarkritischen Analyse dezidiert fest, daß Chaos als erster kam, danach die Erde und dann Taratarus und Eros. Archaic Logic: Symbol and Structure in Heraclitus, Parmenides and Empedocles - Raymond A. Prier - Google Books Gegenüber anderen Deutungen des Gottesnamens "Chaos" findet er ferner M. L. Wests lexikalische Erläuterung hilfreich: ein leerer Raum voller Dunkelheit, die Feuer fangen könne. Seiner Auffassung nach würde es gut passen, daß die Nacht und Eris die Nachkommen des Chaos seien. Nun gut, es läßt sich ein gewisser Gegensatz der (priesterlichen) Schöpfungsgeschichte in Gen 1 konstatieren, wo ein tranzendentaler Gott vorgestellt wird, der erst Himmel und Erde mit dem Chaos (tohuwabohu) erschafft.

Wie dem auch sei, nicht einverstanden, um darauf nun einzugehen: Warum sollte die Einschätzung von etwas als Göttlich erst aus monotheistischer Perspektive Sinn ergebe? Der monotheistische Gott selbst erscheint mir historisch selbst nur eine Entwicklungsstufe religiösen Denkens zu repräsentieren.
Aus historisch-kritischer Sicht war beispielsweise El-Jahwe, an den ich vornehmlich dabei denke, wenn der Monotheismus ins Spiel gebracht wird, selbst nur eine Simplizierung und Abstraktion zugleich, deren strenge in der alttestmentlichen Überlieferung selbst nicht durchgehalten werden konnte, wenn ich an die Gottessöhne aus Gen. 6; oder Hiob 1, 6, wo einer derer auch Satan geheißen; oder deren Nachkommen, die sie mit den Menschen zeugen: die Riesen, die Helden der Vorzeit (Gen 6). Das wirft ggf. auch im Monotheismus die Frage nach halbgöttlichen Gespöpfen auf! Ganz zu schweigen von der Frage nach Gottesähnlichkeit oder - gleichheit Jesu, über die man zum Ende der Spätantike im Christentum bekanntlich streiten mußte.

Auch die Formulierung mit den Naturgewalten, auf die du hier quasi die Entstehung der Gotteidee zurückführen willst, gefällt mir nicht - das mag ein Faktor sein, aber mutmaßlich nicht der einzige. Gerade die soziale Komponente wird ja deutlich, wenn man schon alleine einen Blick auf die auf Gaia folgende, göttliche Einheit (Eros) wirft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im weiteren, oben skizzierten Sinne ist Prometheus ein Gott wie alle unsterblichen Nachkommen von Gaia, Erebos und Nyx, die ja alle aus dem Chaos entsprungen sind.

Aber kläre mich bitte auf: Es gibt in den antiken Quelle doch sowieso keine Stelle, wo Prometheus nicht als Gott auftritt/dargestellt wird? (Das war nämlich meine diesbezüglich letzte Schlußfolgerung: http://www.geschichtsforum.de/651217-post13.html)
 
Auch die Formulierung mit den Naturgewalten, auf die du hier quasi die Entstehung der Gotteidee zurückführen willst, gefällt mir nicht - das mag ein Faktor sein, aber mutmaßlich nicht der einzige. Gerade die soziale Komponente wird ja deutlich, wenn man schon alleine einen Blick auf die auf Gaia folgende, göttliche Einheit (Eros) wirft.

Wenn man sich nach der Theogonie richtet, folgt Eros nicht der Gaia, sondern entsteht mit ihr zusammen aus dem Chaos.



Aber kläre mich bitte auf: Es gibt in den antiken Quelle doch sowieso keine Stelle, wo Prometheus nicht als Gott auftritt/dargestellt wird? (Das war nämlich meine diesbezüglich letzte Schlußfolgerung: http://www.geschichtsforum.de/651217-post13.html)


Nun bin ich weit davon entfernt, alle Quellen zu Prometheus zu kennen, insofern kann ich nur eingeschränkt sagen, daß mir nichts derartiges bekannt ist.

Wie ich gerade gelesen habe, wurde Prometheus besonders in Athen als Handwerkergott verehrt, was vielleicht sogar sein ursprüngliches Wesen war, bevor er mythologisch zu einem Titanensohn und zu einem Gegenspieler des Zeus ausgebaut wurde.
 
Wenn man sich nach der Theogonie richtet, folgt Eros nicht der Gaia, sondern entsteht mit ihr zusammen aus dem Chaos.
So war's gemeint: Gaia und Eros kommen aus Chaos, aber eben nacheinander!

Nun bin ich weit davon entfernt, alle Quellen zu Prometheus zu kennen, insofern kann ich nur eingeschränkt sagen, daß mir nichts derartiges bekannt ist.

So war es auch mein Eindruck, freilich hat sich die Lage im Laufe der Recherchen wieder verkompliziert, denn die Halbgöttlicheit wird auch von Fachleuten erwähnt (prominent: H. J. Rose).*
Ich frage mich, ob die hier angesprochene Vorstellung, mit der hypothetischen Rückführung auf einen Kulturheros zusammenhängt, da Prometheus demnach erst nach seinem Ableben deifiziert worden wäre. Es gibt noch einen anderen Grund, wie jetzt doch noch bei H. J. Rose (Handbook of Greek Mythology [1929]) lese, daß man ihn für halbgöttlich deklarierte: Nach verschiedenen Autoren (A. Mommsen, Farnell u./o. Bapp) soll es Gräber von ihm gegeben haben (S.58, Anm. 64); und nach der aopollodorischen Chronik (II 85) soll Cheiron seine Unsterblichkeit an Prometheus vererbt haben, weil er selbst hatte sterben wollen wegen einer unheilbaren Wunde. Wie Rose andeutet, degenerierte seine Göttlichkeit quasi. Bei Aischylos (als "Gefesselter Prometheus") jedenfalls ist er noch deutlich ein Vollgott im Sinne der Unsterblichkeit ("Warum sollte ich mich fürchte, dessen Schicksal es ist, nicht zu sterben.) Bei Anthony C. Yo (New Gods and Old Order, 1971) lese ich gerade, daß Karl Reinhardt (in einer Studie über Aischylos, 1949) wohl argumentiert hätte, daß Prometheus sogar nur bei diesem Dramatiker den vollen Status eines Titanen erhielt. Aber ich gebe zu, daß kommt mir langsam wie Sophisterei vor.

Wie ich gerade gelesen habe, wurde Prometheus besonders in Athen als Handwerkergott verehrt, was vielleicht sogar sein ursprüngliches Wesen war, bevor er mythologisch zu einem Titanensohn und zu einem Gegenspieler des Zeus ausgebaut wurde.

Daß sich in Hephaistos und Prometheus irgendwie verwandte Charaktere verbergen, war auch schon mein Verdacht:

Vetraut man Wikipedia, was die Nähe zu Hephaistos betrifft, so könnte das ein interessanter Hinweis darauf sein, wie die griechische Mythologie mit kulturbringenden Gottheiten umgegangen ist (ich habe irgendwie das Gefühl, daß Prometheus eine Douplkat von Hephaistos sein könnte, aber finde dafür keine Belege): Auffällig ist jedenfalls, daß beide eine sehr ambivalente Stellung gegenüber Zeus manifestieren.


Es wäre aber nett, wenn du mir verraten würdest, bei wem du die Angabe gelesen hast, denn ich habe seither ja auch etwas recherchiert:

Laurence C. Welche gibt in seiner Arbeit über "Prometheus. A Conjecture About the Origins of a Myth" (1960: The Classical Journal 55/6) an, daß Prometheus in Athen als ursprünglicher Feuergott verehrt wurde (nach Rose) - bei Rose finde ich zwar die Behauptung über Prometheus als eine Art göttlichen Kulturhelden ["sort of devine culture-hero"]) bestätigt, als auch, daß Prometheus ursprünglich scheinbar ein Feuergott: "As to what Prometheus originally was, it would appear that he was an old fire god" (S.44) - die Quellen, auf die sich dieser Autor bezieht, sind die oben zit. Lit. (August Mommsen, Bapp, Lewis Farnell, u. m. E Apollodorische Chronik) und auch nachdem ein Kult in großem Ausmaß ersetzt worden sei durch den "orientalischen" Hephaistos, wurde seine Anbetung in Athen weitergeführt.

Bei Wikipedia heißt es, daß beide in einem Heiligtum verehrt wurden, aber das Hephastion kann es kaum sein, in dem nach Angabe Ulrich Sinns (Athen. Beck, 2004, S.49), daß neben Hepahstos eben auch Athene gewidmet war (er schreibt eigentlich genau, daß sich im Innern des Tempels die Statuen der beiden Gottheiten der Kunstfertigkeit befinden und von deren Kultplatz).

Daher habe ich wieder etwas recherchiert: Ein Prometheus-Altar soll es in der Akademie gegeben haben: "At Plato's academy, there was an altar to Prometheus. Foot-racers would carry torches lit from this altar, and the winner was the first to finish without the torch going out (Pausanius, "Description of Greece" 1.30,2)." (Enjoying "Prometheus Bound", by Aeschylus) - jetzt habe ich doch noch etwas gefunden: "Nach Apollodor. Schol. Soph. Oed. Col. 56 befand sich im Athena-Temenos bei der Akademie am Eingang eine archaische 'Baisis' und daruf dargestellt Prometheus und Hephaistos, Prometheus als Erste und Ältere, in der Rechten ein Skeptron haltend. Hephaistos, als der Zweite und Jüngere, und ein beiden gemeinsamer Altar" (Karl Reinhart, 1957) Hiermit wäre dann wohl der Athena-Tempel auf der Akropolis gemeint, nicht das Hephaisteon, wie ich zunächst assoziierte.

In einer alten Rezension über Mommsens Feste der Stadt Athen im Altertum (1898) lese ich ferner, daß es in Athen eine sog. Lampadedromia gegeben habe, dem ein Stammeswettbewerb (Euandria) voranging: Zuerst conkurrierten die Stammestruppen gegeneinander und die Mitglieder der siegreichen Truppe trugen abends in Konkurrenz Fackeln vom Prometheus-Altar in der Akademie zu einem bestimmten Platz in der Stadt. Nebenbei bemerkt sei, daß der Rezensent (L. C. Purser) Mommsens Auffassung einer Beziehung der Lampadedomie mit den Göttern Hephaistos & Athena für zweifelhaft hält und auf Weckleins Sicht verweist, die auch Frazer teile.
Leider sagt er nicht, um welche Auffassung es sich dabei handelt. Aber es dürfte sich um diejenige vom Prometheus Purphorus handeln: Die Institution des attischen Kultes um Prometheus als Kulturgott - in Verbindung mit Hephaistos & Athene sowie dem Fackellauf (so wiedergegeben nach Janet Case, 1904: On Prometheus Desmotes. The Clasical Review 18/ 2).

Nun mag also ein Kult also irgendwie belegt erscheinen, aber ich hege jetzt so meine Zweifel, ob man ihn dann tatsächlich mit einer uralten Gottheit in Verbindung bringen kann, zumindest weil die Akademie selbst erst jüngeren Ursprungs ist; und ich habe noch einen weiteren Grund zum Bezweifeln gefunden: Prometheus ist nun anscheinend ein leicht übersetzbarer Name und das paßt meiner Ansicht nach nicht so recht zu einem alten Gott! Dieser Widerspruch scheint dann auch dem breits zitierten L. C. Welch scheint das nicht aufgefallen zu sein, der sich auf Rose stützend sogar meint, daß Prometheus ein vorgriechischer Gott war.
Was Lewis R. Farnell (Cults of the Greek State) dazu schreibt, konnte ich leider nicht eruieren, aber auch er wird sich mutmaßlich Frazer angeschlossen haben, da das Werk diesem Mythenforscher gewidmet ist

Vielleicht hilft sonst noch die Auswertung von Vasenbildern, wie sie sehr kondensiert bzw. andeutungsweise z. B. von Karl Reinhart (1957b: in seinem Nachtrag zum Neuen Aischylos. Hermes 85/1) vogeschlagen werden mit Mitiven zum Fackellauf & auch Prometheus aus dem späten 5./ frühen 4. Jh. v. Ztr.

Irgendwie scheint mir die frühdatierende Spekulation zu Prometheus sehr modern gewesen zu sein: So beispielsweise eine motivgeschichtliche Spekulation aus einer Notiz von Arthur Stanley Pease (1925: Prometheus & Tityios. Classial Philology 20):
Ausgehend von dem Hinweis Bapps in Roschers Lexikon argumentiert er, daß die Prometheus-Mythe (zumindest, was den gefesselten Prometheus betrifft) älter sein sollte als die wohl von homerisch überlieferte Tityossage, weil die Leber nicht nur, wie Bapp behauptete, der "Sitz sinnlicher Begier" (passion) war - wie im homerischen Zeitalter, sondern auch der Seele einschließlich der intellektuellen Funktionen bereits in sehr alter Zeit angesehen wurde: "the crime of Prometheus lay in the misuse of that intelligence to which his very name bears witness, and the story of the torture of his liver must, I believe, have arisen at an epoch when that organ was the seat of intelleigence." Ich finde es einen faszinierenden Gedanken, aber hochspekulativ.
Noch eine kleine Perle zum Abschluß: Gilbert Murray - in einer Arbeit über Aeschylus (Oxford: Claredon, 1940) - wollte in Prometheus einen "phallischen Dämon" identifiziert haben.

Ich muß zugeben,, es ist alles sehr bis ziemlich alte Überlegungen zu Prometheus, die ich hier zusammengetragen habe.

* A Handbook of Greek Mythology - H. J. Rose - Google Books, S.43 f
 
Ich muß zugeben,, es ist alles sehr bis ziemlich alte Überlegungen zu Prometheus, die ich hier zusammengetragen habe.

Oh, ich finde das eine ganze und interessante Menge, vielen Dank dafür.


So war's gemeint: Gaia und Eros kommen aus Chaos, aber eben nacheinander!

Im Text ja, aber im Kontext lese ich: Aus dem Chaos heraus entstand Gaia ... und mit ihr Eros. Das wäre jetzt also eine Interpretationsfrage, ob man aus der Abfolge eine zeitliche Dimension ableiten kann oder ob dahinter die Frage der Bedeutung steht, vor allem, ob Hesiod oder seine griechischen Rezipienten dieses Problem gesehen haben.


So war es auch mein Eindruck, freilich hat sich die Lage im Laufe der Recherchen wieder verkompliziert, denn die Halbgöttlicheit wird auch von Fachleuten erwähnt (prominent: H. J. Rose).*
Ich frage mich, ob die hier angesprochene Vorstellung, mit der hypothetischen Rückführung auf einen Kulturheros zusammenhängt, da Prometheus demnach erst nach seinem Ableben deifiziert worden wäre.

Es wäre dann aber eine sehr frühe Vergöttlichung, denn wenn Prometheus vielleicht ein attischer Lokalheros war, der dann schon in der Theogonie des Boiotiers Hesiod um 700 v. Chr. eine tragende Rolle einnimmt, muß der Prozeß in den dunklen Jahrhunderten abgelaufen sein, und zu unseren Kenntnissen über die Zeit gilt ja nach wie vor der Satz: Mach doch mal einer Licht an!


Es gibt noch einen anderen Grund, wie jetzt doch noch bei H. J. Rose (Handbook of Greek Mythology [1929]) lese, daß man ihn für halbgöttlich deklarierte: Nach verschiedenen Autoren (A. Mommsen, Farnell u./o. Bapp) soll es Gräber von ihm gegeben haben (S.58, Anm. 64); und nach der aopollodorischen Chronik (II 85) soll Cheiron seine Unsterblichkeit an Prometheus vererbt haben, weil er selbst hatte sterben wollen wegen einer unheilbaren Wunde. Wie Rose andeutet, degenerierte seine Göttlichkeit quasi. Bei Aischylos (als "Gefesselter Prometheus") jedenfalls ist er noch deutlich ein Vollgott im Sinne der Unsterblichkeit ("Warum sollte ich mich fürchte, dessen Schicksal es ist, nicht zu sterben.) Bei Anthony C. Yo (New Gods and Old Order, 1971) lese ich gerade, daß Karl Reinhardt (in einer Studie über Aischylos, 1949) wohl argumentiert hätte, daß Prometheus sogar nur bei diesem Dramatiker den vollen Status eines Titanen erhielt. Aber ich gebe zu, daß kommt mir langsam wie Sophisterei vor.

Gräber gab es auch von anderen Göttern, in Delphi zum Beispiel eines des Dionysos, und, leider ungeprüft, erinnere mich, einmal etwas von einem Zeusgrab auf Kreta gehört zu haben.
Als voller Titan gilt Prometheus aber, wie gesagt, schon bei Hesiod. Die Frage nach der Halbgöttlichkeit, die ja eine menschliche Hälfte implizieren würde, kollidiert ja dann auch mit der Vorstellung, daß Prometheus selbst erst die Menschen geschaffen habe.


Daß sich in Hephaistos und Prometheus irgendwie verwandte Charaktere verbergen, war auch schon mein Verdacht:
Es wäre aber nett, wenn du mir verraten würdest, bei wem du die Angabe gelesen hast, denn ich habe seither ja auch etwas recherchiert:

Ich muß gestehen, daß ich mir nicht so viel Mühe wie Du gemacht habe, sondern einfach in den Kleinen Pauly geguckt habe.


Daher habe ich wieder etwas recherchiert: Ein Prometheus-Altar soll es in der Akademie gegeben haben: "At Plato's academy, there was an altar to Prometheus. Foot-racers would carry torches lit from this altar, and the winner was the first to finish without the torch going out (Pausanius, "Description of Greece" 1.30,2)." (Enjoying "Prometheus Bound", by Aeschylus) - jetzt habe ich doch noch etwas gefunden: "Nach Apollodor. Schol. Soph. Oed. Col. 56 befand sich im Athena-Temenos bei der Akademie am Eingang eine archaische 'Baisis' und daruf dargestellt Prometheus und Hephaistos, Prometheus als Erste und Ältere, in der Rechten ein Skeptron haltend. Hephaistos, als der Zweite und Jüngere, und ein beiden gemeinsamer Altar" (Karl Reinhart, 1957) Hiermit wäre dann wohl der Athena-Tempel auf der Akropolis gemeint, nicht das Hephaisteon, wie ich zunächst assoziierte.

Nein, die Akademie war ein Garten am Stadtrand von Athen. Siehe auch hier:

In einer alten Rezension über Mommsens Feste der Stadt Athen im Altertum (1898) lese ich ferner, daß es in Athen eine sog. Lampadedromia gegeben habe, dem ein Stammeswettbewerb (Euandria) voranging: Zuerst conkurrierten die Stammestruppen gegeneinander und die Mitglieder der siegreichen Truppe trugen abends in Konkurrenz Fackeln vom Prometheus-Altar in der Akademie zu einem bestimmten Platz in der Stadt.


Nun mag also ein Kult also irgendwie belegt erscheinen, aber ich hege jetzt so meine Zweifel, ob man ihn dann tatsächlich mit einer uralten Gottheit in Verbindung bringen kann, zumindest weil die Akademie selbst erst jüngeren Ursprungs ist; und ich habe noch einen weiteren Grund zum Bezweifeln gefunden: Prometheus ist nun anscheinend ein leicht übersetzbarer Name und das paßt meiner Ansicht nach nicht so recht zu einem alten Gott!

Zu den vorigen Überlegungen gehört auch folgendes: Die Akademie ist benannt nach Akademos, einem Heros, der in einem Hain außerhalb Athens verehrt wurde, und nach diesem Ort ist dann der Garten benannt worden, in dem Platon seine Schule gründete, das heißt, nur die Schule ist jüngeren Datums, der Kultort älter. Daß dort dann die Verehrung des Prometheus manifestiert wurde, muß nicht heißen, daß der Kult erst mit der Akademie entstand, er kann älter am selben Ort gewesen sein oder er ist dorthin transportiert worden.

Die Übersetzbarkeit des Namens ist eine interessante Theorie, ich gebe aber zu bedenken, daß auch Namen wie Zeus oder Hades sich übersetzen lassen.


Irgendwie scheint mir die frühdatierende Spekulation zu Prometheus sehr modern gewesen zu sein: So beispielsweise eine motivgeschichtliche Spekulation aus einer Notiz von Arthur Stanley Pease (1925: Prometheus & Tityios. Classial Philology 20):
Ausgehend von dem Hinweis Bapps in Roschers Lexikon argumentiert er, daß die Prometheus-Mythe (zumindest, was den gefesselten Prometheus betrifft) älter sein sollte als die wohl von homerisch überlieferte Tityossage, weil die Leber nicht nur, wie Bapp behauptete, der "Sitz sinnlicher Begier" (passion) war - wie im homerischen Zeitalter, sondern auch der Seele einschließlich der intellektuellen Funktionen bereits in sehr alter Zeit angesehen wurde: "the crime of Prometheus lay in the misuse of that intelligence to which his very name bears witness, and the story of the torture of his liver must, I believe, have arisen at an epoch when that organ was the seat of intelleigence." Ich finde es einen faszinierenden Gedanken, aber hochspekulativ.

Da kenne ich mich nicht so gut aus, aber bei solchen Dingen wie der Bedeutung der Leber oder dem Motiv des Herausfressens durch den Adler würde ich erstmal fragen, ob da nicht eine irgendwie adaptierte vorderasiatische Mythologie Pate stand.
 
Antwort hat auf sich warten lassen; wird jetzt knapper als vorbereitet:
Wenn man sich nach der Theogonie richtet, folgt Eros nicht der Gaia, sondern entsteht mit ihr zusammen aus dem Chaos.
So war's gemeint: Gaia und Eros kommen aus Chaos, aber eben nacheinander!

Im Text ja, aber im Kontext lese ich: Aus dem Chaos heraus entstand Gaia ... und mit ihr Eros. Das wäre jetzt also eine Interpretationsfrage, ob man aus der Abfolge eine zeitliche Dimension ableiten kann oder ob dahinter die Frage der Bedeutung steht, vor allem, ob Hesiod oder seine griechischen Rezipienten dieses Problem gesehen haben.

Entschuldige, ich habe mich tatsächlich zu einer Fehlinterpretaion verleiten lassen:
"Siehe, vor allem zuerst ward Chaos; aber nach diesem ward die gebreitete Erd', ein daurender Siz den gesamten Ewigen, welche bewohnen die Höhn des beschneiten Olympos, Tartaros' Graun auch im Schooße des weitumwanderten Erdreichs, Eros zugleich, der, geschmückt vor den Ewigen allen mit Schönheit" [Hesiod, Theogonie, 116 ff - Projekt Gutenberg-DE - SPIEGEL ONLINE)

Auf deine Frage habe versucht anhand der Literatur, die mir zur Verfügung steht, eine Antwort zu finden:
So habe ich bei Jean-Pierre Vernant über Die Entstehung des griechischen Denkens (frz. original 1962; dt. Ffm: Suhrkamp, 1982) einen Hinweis für weitere Überlegungen hinsichtlich dieser Frage gefunden. Ausgehend von der Beobachtung, daß der Mythos nicht danach frage, "wie eine geodnete Welt aus dem Chaos entstehen konnte", sondern darauf antworte, welcher Gott der Souverän sei, gibt er als seine Funktion an, "zwischen dem zeitlich Ersten und dem Ersten unter dem Gesichtspunkt der Macht, zwischen dem Prinzip, das chronologisch am Anfang der Welt steht, und dem Ersten, dem Fürsten, der gegenwärtig über diese Welt herrscht, zu unterscheiden" (S.116) Er hebt ferner hervor, "daß der Begriff der archē, welcher im philosophischen Denken einen solchen Aufstieg erleben sollte, im politischen Vokabular des Mythos nicht vorkommt" (ebd.). In der entsprechenden Anmerkung stellt Vernant denn auch dezidiert fest, daß bei Hesiod "das Wort archē in einer ausschließlich zeitlichen Bedeutung verwandt [wird]" (S.143, Anm.5)
Um ehrlich zu sein, ich bin mir darüber irgendwie gar nicht so sicher, vor allem wenn ich den ähnlichen Gedanken nach Paul Feyerabend (Naturphilosophie - Nachlaßschrift Suhrkamp 2009) zitiere: ""Der Beginn der Entwicklung ist in fast allen orientalischen Quellen ewig, er ist zeitlich entstanden bei Hesiod, ewig wieder bei Pherekydes, bei Anaximander und den Ioniern." Aber wenige Seiten später schreibt er auch: "Chaos [...] muß eine mehr substantielle Natur besitzen. Diese Substanz dauert auch nach Erschaffung der Welt und der Götter weiter fort und umgibt die historische Bühne wie ein 'großes Chasma' (Theog.: 740) mit unerreichbaren Grenzen."
Ich finde es eine wichtige Frage, wie die Zeitgenossen Hesiods über dessen Theogonie gedacht haben. Aber wenn man dazu etwas liest, sind dies immer fiktive Hörer, und das finde ich irritierend. Auch verstehe ich eigentlich auch nicht so recht den Kontrast zu der Homerischen Überlieferung, von dem ich vielmehr denken würde, daß es den Zeitgenossen aufgefallen sein müßte und schließlich: Hesiod gilt als die ältere Überlieferung, inhaltlich ist aber wohl Homer älter ... ich zerbrechen mir darüber seit Tagen den Kopf ...

Es wäre dann aber eine sehr frühe Vergöttlichung, denn wenn Prometheus vielleicht ein attischer Lokalheros war, der dann schon in der Theogonie des Boiotiers Hesiod um 700 v. Chr. eine tragende Rolle einnimmt, muß der Prozeß in den dunklen Jahrhunderten abgelaufen sein, und zu unseren Kenntnissen über die Zeit gilt ja nach wie vor der Satz: Mach doch mal einer Licht an!

Gräber gab es auch von anderen Göttern, in Delphi zum Beispiel eines des Dionysos, und, leider ungeprüft, erinnere mich, einmal etwas von einem Zeusgrab auf Kreta gehört zu haben.
Als voller Titan gilt Prometheus aber, wie gesagt, schon bei Hesiod. Die Frage nach der Halbgöttlichkeit, die ja eine menschliche Hälfte implizieren würde, kollidiert ja dann auch mit der Vorstellung, daß Prometheus selbst erst die Menschen geschaffen habe.
[...]
Nein, die Akademie war ein Garten am Stadtrand von Athen. [...]

Zu den vorigen Überlegungen gehört auch folgendes: Die Akademie ist benannt nach Akademos, einem Heros, der in einem Hain außerhalb Athens verehrt wurde, und nach diesem Ort ist dann der Garten benannt worden, in dem Platon seine Schule gründete, das heißt, nur die Schule ist jüngeren Datums, der Kultort älter. Daß dort dann die Verehrung des Prometheus manifestiert wurde, muß nicht heißen, daß der Kult erst mit der Akademie entstand, er kann älter am selben Ort gewesen sein oder er ist dorthin transportiert worden.

Die Übersetzbarkeit des Namens ist eine interessante Theorie, ich gebe aber zu bedenken, daß auch Namen wie Zeus oder Hades sich übersetzen lassen.

Da kenne ich mich nicht so gut aus, aber bei solchen Dingen wie der Bedeutung der Leber oder dem Motiv des Herausfressens durch den Adler würde ich erstmal fragen, ob da nicht eine irgendwie adaptierte vorderasiatische Mythologie Pate stand.

Danke für deinen relativierenden Hinweis wegen der Prometheusgräber, wobei die Frage wäre, warum es überhaupt Gräber für Götter gegeben haben soll, und welche kultische Vorstellung dahinter stand. Ferner danke ich dir auch für die Bestätigung meines Zweifels an der These eines prä-griechischen (attischen) Lokalheros Prometheus, zumindest wie sie von dem von mir zitierten Autoren vorgebracht wurde; schließlich danke ich dir für die Klärung meiner Verwirrung über den „Standort“ zur kultischen Verehrung der drei Gottheiten Prometheus, Hephaistos und Athena.

Insgesamt bleibt für mich aber vieles rätselhaft. Ich denke auch, daß eine Übernahme eines älteren Prometheus-Kultes durch die Akademie eine Möglichkeit ist, aber diesem Gedanken weiter nachzugehen, steht mir zur Zeit nicht an, weil es zu viele Seiten gibt, die man berücksichtigen könnte (z. B. Geschichte der Akademie, Auswertung von Bildern auf Keramiken; Tityos-Paralellelüberlieferung); aber was mich nicht überzeugt ist die Relativierung meiner Überlegung zur Übersetzbarkeit des Namens; ich habe jetzt nur kurz bei Wikipedia geschaut: Zeus wird auf indogerm. „Himmelvater“ oder ähnlich zurückgeführt, Hades ggf. auf „Unsichtbar“, aber es bleiben Unsicherheiten; dem scheint es sich im Falle Prometheus und seinem Zwilling nicht so zu verhalten, und das hatte mich stützig gemacht. Ich denke, daß man sich bei der weiteren Klärung vielleicht seitens einer Vergleich der mythischen Überlieferungen bspw. Hesiods mit Homer oder weiteren Überlieferungen nähern könnte. Auffällig scheint mir jedenfalls, daß Homer anscheinend keinen Prometheus kannte. Aber ich bin z. Zt. etwas ratlos, weil mir nicht klar ist, welche der Überlieferungen (Hesiod vs. Homer) als die ältere anzusehen ist; ähnlich verhält es sich hinsichtlich der impliziten Psychologie der Betrafung, wie angedeutet - sofern man das auf eine psychologische Frage reduzieren könnte; dein Hinweis auf die mögliche Übernahme eines Motivs aus der vorderasiatischen Mythologie scheint mir interssant, aber ohne näheren Hinweis führt das eigentlich nicht weiter, und ich finde einfach keinen.

Wie angeeutet, ich wollte sehr viel ausführlicher werden, aber ich scheitere an zu vielen Widersprüche; das einzige, was ich mittlerweile zunehmend vermute:
Prometheus ist eine von Hesiod geschaffene, mythische Figur, und der Folgeüberlegung, die schon Bapp vertreten hatte: eventuell in Anlehnung an die Tityos-Mythe.
 
Hallo Muspili,

mir geht es ähnlich, ich würde auch gern auf die vielen Fragen eingehen, die Du da stellst, komme aber zur Zeit nicht dazu, mich eingenehnder damit zu beschäftigen. Lassen wir also das Thema, wenn es jetzt vielleicht etwas ruht, nicht einschlafen, sondern kommen gegebenfalls darauf zurück.

Nur noch mal als Frage: Waren Prometheus und Epimetheus wirklich Zwillinge?
 
Sie hatten jedenfalls dieselben Eltern, Iapetos und Klymene oder Iapetos und Asia. Aus Hesiod geht aber nicht hervor, dass sie Zwillinge waren, ebensowenig aus Pseudoapollodor oder Hyginus.
 
Lassen wir also das Thema, wenn es jetzt vielleicht etwas ruht, nicht einschlafen, sondern kommen gegebenfalls darauf zurück.

Nur noch mal als Frage: Waren Prometheus und Epimetheus wirklich Zwillinge?

Gerne, bin jetzt auch erst einmal in die antike Psychologie gerutscht.
Höflich formulierst du deine kritische Frage, die ich freilich verneinen muß: Es ist nur vom Bruder die Rede: EPIMETHEUS : Greek Titan god of afterthought ; mythology : EPIMETHEOS "Zwilling" war offensichtlich meine Assoziation
 
Du darfst meine Frage nicht zu kritisch sehen, das Schöne an diesem Forum ist ja, daß ich immer wieder feststelle, wie wenig ich doch so weiß, und deshalb war ich mir gar nicht sicher, ob nicht irgendeine Quelle aus den beiden Zwillinge gemacht hat. Das wäre dann sehr interessant gewesen, weil ja Zwillinge doch meist etwas Besonderes sind.
 
Du darfst meine Frage nicht zu kritisch sehen, das Schöne an diesem Forum ist ja, daß ich immer wieder feststelle, wie wenig ich doch so weiß, und deshalb war ich mir gar nicht sicher, ob nicht irgendeine Quelle aus den beiden Zwillinge gemacht hat. Das wäre dann sehr interessant gewesen, weil ja Zwillinge doch meist etwas Besonderes sind.

Die Betonung der Kritik hat bei meinen Antworten manchmal eine rhetorische Funktion. Wie meinst du das eigentlich genau mit der Besonderheit von Zwillingen? Obzwar ursprünglich nur eine Assoziation, habe ich übrigens noch einmal in der Theogonie Hesiods nachgelesen (siehe unten).

Sie hatten jedenfalls dieselben Eltern, Iapetos und Klymene oder Iapetos und Asia. Aus Hesiod geht aber nicht hervor, dass sie Zwillinge waren, ebensowenig aus Pseudoapollodor oder Hyginus.

Deinen Antwort hatte ich doch glatt übersehen; ich nutze sie, da mich die Frage noch beschäftigt, um wenigstens bei Hesiod (Theogonie, 500 ff) nachzuschauen:

"Aber Iapetos rührte die reizende Okeanine/ Klýmene heim zum Gemach, und bestieg das gemeinsame Lager./ Diese gebar ihm Atlas, den Sohn unbändiger Kühnheit,/ Ferner den ehrsuchtvollen Menötios, auch den Prometheus,/ Reich an Entwurf, und gewandt, und den thörichten Sohn Epimetheus, [...]" (Projekt Gutenberg-DE - SPIEGEL ONLINE)

Freilich steht es dort nicht explizit, aber es widerspricht meiner Lesart eigentlich auch nicht unbedingt, wenn der Wortlaut tatsächlich nur einen Zeugungsakt nahelegen sollte, nur daß es sich dann nicht nur um Zwillinge, sondern um Vierlinge handelte; aber das wäre m. E. wohl Interpretationssache.
 
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