Ost- und Westgoten

Dido

Mitglied
Wie kommt es eigentlich zu dieser Unterscheidung?

Sonst wird meines Wissens nicht zwischen einzelnen Strömungen in einer Bevölkerungsgruppe dieser Zeit unterschieden, wir sagen ja nicht Ost und West oder Nord und Südgermanen.

Wieso wird also bei den Goten unterteilt? War ihr Ursprungsgebiet größer als das aller anderen Stämme oder woran liegts
 
Wie kommt es eigentlich zu dieser Unterscheidung?

Sonst wird meines Wissens nicht zwischen einzelnen Strömungen in einer Bevölkerungsgruppe dieser Zeit unterschieden, wir sagen ja nicht Ost und West oder Nord und Südgermanen.

Wieso wird also bei den Goten unterteilt? War ihr Ursprungsgebiet größer als das aller anderen Stämme oder woran liegts

Wir sprechen schon von West-, Ost- und Nordgermanen, von Südgermanen dagegen nicht. Ost- und Westgoten unterscheiden wir, weil die Teilstämme der Terwingen (~ Westgoten) und die Greutungen (~ Ostgoten) später als Visigoten bzw. Ostrogoten bezeichnet wurden. Man unterteilt im Übrigen auch die Vandalen: In Silingen und Asdingen.
Terwingen und Greutungen und später Westgoten und Ostgoten führten im Übrigen immer mal wieder Krieg gegeneinander oder waren in unterschiedlichen Kriegsparteien. Am bekanntesten ist da wohl die Schlacht auf den katalaunischen Feldern, wo die Westgoten auf römischer Seite, die Ostgoten unter Attilas Befehl kämpften.
 
Wir sprechen schon von West-, Ost- und Nordgermanen, von Südgermanen dagegen nicht. Ost- und Westgoten unterscheiden wir, weil die Teilstämme der Terwingen (~ Westgoten) und die Greutungen (~ Ostgoten) später als Visigoten bzw. Ostrogoten bezeichnet wurden. Man unterteilt im Übrigen auch die Vandalen: In Silingen und Asdingen.
Terwingen und Greutungen und später Westgoten und Ostgoten führten im Übrigen immer mal wieder Krieg gegeneinander oder waren in unterschiedlichen Kriegsparteien. Am bekanntesten ist da wohl die Schlacht auf den katalaunischen Feldern, wo die Westgoten auf römischer Seite, die Ostgoten unter Attilas Befehl kämpften.

Danke für die schnelle Aufklärung ;)
 
Die heutige Bezeichnung als Ost- und Westgoten ist allerdings verwirrend und - wenn man es auf die räumliche Ausdehnung bezieht - auch falsch.

Wissenschaftlich korrekter sind die Bezeichnungen Visigoten und Terwinger sowie Gepiden und Ousi(?)goten (bin mir bei den letzteren nicht mehr völlig sicher)
Die Titulatur als West- und Ost- Goten, die sich ja nach der Abwanderung der Visigoten und Terwinger auch anbot, ist somit egtl. inkorrekt aber durchaus nachvollziehbar.
Generell muss man beachten, dass es zu dieser Zeit keine homogenen "Stammesgebilde" oder "Völker" gab, die sich als eben diese verstanden. Vielmehr war es ein Amalgam unterschiedlichster Gruppierungen, die sich in weiten Teilen glichen, allerdings nicht als ein Ganzen angesehen werden können.

Näheres zur Namensherkunft kann ich bei Bedarf nachliefern, allerdings liegt mir das Buch gerade nicht vor...

Beste Grüße,

SI
 
Die heutige Bezeichnung als Ost- und Westgoten ist allerdings verwirrend und - wenn man es auf die räumliche Ausdehnung bezieht - auch falsch.

Wissenschaftlich korrekter sind die Bezeichnungen Visigoten und Terwinger sowie Gepiden und Ousi(?)goten (bin mir bei den letzteren nicht mehr völlig sicher)

Die östliche Gotengruppe, die nördlich des Schwarzen Meers siedelte, hieß Greutungen (= Steppenbewohner) oder Ostrogothi (= glänzende Goten, nach einer anderen Hypothese östliche Goten). Die westliche Gruppe, die nördlich der unteren Donau siedelte, hieß Tervingi (= Waldbewohner) oder Visigothi (= die edlen Goten).

Erst später im 6. Jh. machte der römische Beamte Cassiodor daraus zur besseren Unterscheidung Ostgoten und Westgoten. Vom Standpunkt des 6. Jh. aus betrachtet war eben die Geschichte der Goten stets eine der westlichen und östlichen Stammesteile gewesen. Tatsächlich aber bestanden im 5. und 6. Jh. die westlichen Goten ebenso aus Ostrogothen, wie Vesier an der Ethnogenese des östlichen Stammesteils beteiligt waren.
 
Um Missverständnisse zu vermeiden:
Die explizit auf die Geographie abstellenden Bezeichnungen "Westgoten" und "Ostgoten" sind doch ein deutsches Spezifikum? Im Englischen werden sie doch nach wie vor korrekter "Visigoths" und "Ostrogoths" genannt.
In Cassiodors Briefesammlung werden die Ostgoten selbst immer nur "Gothi" genannt, lediglich für die Westgoten verwendet er "Visigothae". In der Gotengeschichte von Cassiodor/Iordanes finden sich die korrekten Bezeichnungen "Ostrogothae" und "Vesegothae", wenn auch mitsamt der falschen etymologischen Erklärung.
 
... lediglich für die Westgoten verwendet er "Visigothae". In der Gotengeschichte von Cassiodor/Iordanes finden sich die korrekten Bezeichnungen "Ostrogothae" und "Vesegothae", wenn auch mitsamt der falschen etymologischen Erklärung.

Das ist die erwähnte geografische Umdeutung von Visigothi = Westgoten und Ostrogothi = Ostgoten.

Oder was wolltest du damit sagen?
 
Ich wollte damit sagen, dass Cassiodor die Visigothen nicht Westgoten und die Ostrogothen nicht Ostgoten genannt hat, sondern lediglich die Etymologie falsch erklärt hat. Er erklärte zwar z. B., dass Visigothen "westliche Goten" bedeuten würde, nannte sie aber trotzdem weiterhin Visigothen und nicht etwa "Gothi occidentales" oder dergleichen. Das Wort "Westgote" selbst, das direkt die falsche Etymologie widerspiegelt, scheint erst deutschen Ursprungs zu sein, während in anderen Sprachen, soweit mir bekannt, nach wie vor Wörter verwendet werden, die unmittelbar auf den korrekten Stammesnamen Visigothen zurückgehen.
 
Ich wollte damit sagen, dass Cassiodor die Visigothen nicht Westgoten und die Ostrogothen nicht Ostgoten genannt hat, sondern lediglich die Etymologie falsch erklärt hat. Er erklärte zwar z. B., dass Visigothen "westliche Goten" bedeuten würde, nannte sie aber trotzdem weiterhin Visigothen und nicht etwa "Gothi occidentales" oder dergleichen.

Das ist doch Haarspalterei und kommt aufs gleiche raus. Ab Cassiodor gibt es die geografische Umdeutung, dass Visigothi für die westlichen Goten steht und Ostrogothi für die östlichen - auch wenn die ursprünglichen Namen beibehalten wurden.

Cassiodorus, a Roman in the service of Theodoric the Great, invented the term "Visigothi" to match that of "Ostrogothi", which terms he thought of as signifying "western Goths" and "eastern Goths" respectively.[8] The western–eastern division was a simplification (and a literary device) of 6th-century historians. Political realities were more complex.[13] Further, Cassiodorus used the term "Goths" to refer only to the Ostrogoths, whom he served, and reserved the geographical term "Visigoths" for the Gallo-Spanish Goths. This usage, however, was adopted by the Visigoths themselves in their communications with the Byzantine Empire and was in use in the 7th century.[13]

Visigoths - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Dass das Wort "Visigothi" eine Erfindung Cassiodors ist (indem er den älteren Stammesnamen "Visi" mit "Gothi" kombinierte), kann ich mir nicht so recht vorstellen, denn immerhin verwendete er den Ausdruck auch in seiner diplomatischen Korrespondenz mit den Westgoten, nämlich in einem Brief Theoderichs an den Westgotenkönig Alarich II. Ich bezweifle, dass Alarich sonderlich erbaut reagiert hätte, wenn sein Volk per Brief einen neuen Namen verpasst bekommen hätte. Ich vermute daher, dass sich die Westgoten schon vor und unabhängig von Cassiodor (auch) "Visigothae" nannten.
 
Ich bezog mich auf das Wikipedia-Zitat: "Cassiodorus, a Roman in the service of Theodoric the Great, invented the term "Visigothi" to match that of "Ostrogothi"".
Meine Englisch-Kenntnisse sind zwar nicht die besten, aber soweit ich weiß, bedeutet "to invent" "erfinden". Demzufolge soll Cassiodor also den Ausdruck "Visigothi" erfunden haben, um damit ein Gegenstück zu den Ostrogothen (deren Name mindestens seit dem frühen 5. Jhdt., eventuell auch schon seit dem 4., belegt ist) zu schaffen.
 
Eine wenig Fachkenntnisse erfordernde Antwort auf obige Frage gibt es in: Gerd Kampers, Geschichte der Westgoten. Paderborn, 2008, - und zwar auf den Seiten 19 bis 120.
Ergänzend folgendes: Die Wisigoten, die nur im Deutschen als Besonderheit Westgoten heißen, befinden sich im Westen von den Ostgoten, die auch nur im Deutschen so heißen, erst nach der jeweiligen Ansiedlung in Italien bzw. Südgallien/Hispanien.
Zudem ist die Benennung durch griechische und römische Quellen, also von außen, bei allen Germanenstämmen von relativ großer Unkenntnis geprägt und wenig konstitutiv für solche. Besser wäre es, Visigoten und Ostrogoten erst dort konstituiert zu sehen, wo sie unter zentralen Herrschern fest angesiedelt und damit auch erst definitiv zu erfassen sind.
Wenn man dann von dort aus zurückschaut, stellt man fest, das alle vorherigen Vorgänge erst einen Weg hin in die Konstituierung von zwei definitiven Völkerschaften darstellt.

Es bietet sich der Vergleich mit den "Franken" an, deren Erwähnung in römischen Quellen schon geschieht, bevor sie als klare Völkerschaft "historisch" greifbar werden - nämlich unter Childerich und Chlodwig. Das
ist eben erst möglich durch einen zentralen Herrscher und sein Territorium, welche erst ein "Volk" in die Welt setzen.
 
Das die Ostgoten Ostrogoten als "glänzende Goten " angesehen werden, finde ich eine falsche Interpretation des Namens . Beides strahlend ,glänzend und östlich bzw. Ost- sehe ich in einem Zusammenhang. So bedeutet Ostro (austra- strahlend ) Es gibt aber auch das Wort Ostern ,wo ebenfalls ein ähnlicher Wortlaut vorkommt .Osten bedeutet die Himmelsgegend des Sonnenaufgangs,dazu Ostern - das Fest der Auferstehung , das Fest der aufgehenden Sonne des Frühlings (aus dem Osten).Zum Vergleich in einer weit entfernten Sprache wie dem baskischen heisst Osten ekhalde aus ekhi Sonne und Suffix alde (dort wo die Sonne aufgeht), weitere Entsprechnungen dazu sind althochdeutsch astara, altfranzösisch austara, altfriesisch austrobeorta-die Osterhelle altsächsisch -eastre, Ostern vl .auch Mz. von Osten
weiteres Beispiel ist der Name Österreich -althochdeutsch -ostarihhi ,ostarichi das östliche Reich gebildet mit dem Adjektiv althochdeutsch -ostar, mittelhochdeutsch- oster(im Osten befindlich ,östlich )
Kommt auch in folgenden geographischen Eigennamen vor: Osterborn ,Osterbrunnen ,Ostergasse ,Ostergrund .
Des weiteren gibt es auch sprachliche Verbindungen zu slawischen Namen und Ortsnamen . russisch ,Osten: Wostok , bulgarisch :Istok hier ist das r verlorengegangen) als slawische Ortsnamen wären hier aufzuführen Ostritz (Ortschaft in der Oberlausitz ) -Bedeutung von Ostritz in der Ortsnamen-Chronik als östlicher Grenzort eines im 6. bis 7. Jahrhundert grössern eingewanderten Slawenvolkes, weiter slawische Ortsnamen mit ähnlicher Entsprechung z.B: Ostrava (Suffix ava) (hier mit der Bedeutung Osten = Ostr bzw. Ostra und den Suffix -itz entspricht den deutschen Ortsnamenssuffix -wick
 
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Zwischen der Bedeutung der Namen der Ost -und Westgoten ,die auch als Ostrogothae (austra -strahlend )( Bedeutung aus dem Osten,östliche) oder Visigothae Vesegothae ( wesu - gut)oder auch Greutingi ( greuta -Sand) und Tervingi ( trewa-Baum) besteht wahrscheinlich eine antonyme Beziehung, in Bezug auf die Herkunftslandschaft der beiden Gotenvölker.
 
Der Historiker Walter Pohl sagt dazu:

Die zeitgenössischen Quellen nennen diese Goten vor wie nach der hunnischen Herrschaft Ostrogothae, nach der wahrscheinlichsten Etymologie die "durch den Sonnenaufgang glänzenden" Goten, zum Unterschied von den Vesii oder Vesegothae, den "edlen" Goten. Jordanes (und wohl bereits Cassiodor) deuten im Einklang mit den Verhältnissen ihrer Epoche ebenso wie der Zeit vor der Hunnenherrschaft die Namen geographisch als östliche und westliche Goten. Dem folgen die modernen Übersetzungsbegriffe Ost- und Westgoten (während man etwa auf englisch von Ostrogoths/Visigothe spricht).

Um den Einschnitt durch die Neubildung der beiden Völker nach 375 zu markieren, hat es sich eingebürgert, nur mehr danach von Ost- und Westgoten zu sprechen. Um diese Zeit ging die Bezeichnung als Greutungen und Terwingen verloren, sodass sich der Bruch auch in der zeitgenösssischen Terminologie ausdrückt.

(Walter Pohl, Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart 2002/2005, S. 126 f.)
Herwig Wolfram spricht in seinem Buch "Die Goten" von der Doppelbezeichnung der beiden Gotenvölker Tervingi/Vesi und Greutungi/Ostrogothi. Die Begriffe Terwingen/Greutungen verschwinden ab etwa 400 und sind dann nur noch in Heldenliedern greifbar. Das Paar Vesier/Ostrogothen erhält sich zunächst, bis es durch Cassiodor zum Analogon Vesegothen-Visigothen - Ostrogothen "verbessert" oder umgedeutet wird. Die Goten: von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts ... - Herwig Wolfram - Google Books
 
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Das Paar Vesier/Ostrogothen erhält sich zunächst, bis es durch Cassiodor zum Analogon Vesegothen-Visigothen - Ostrogothen "verbessert" oder umgedeutet wird.
Ich bin immer noch der Ansicht, dass Cassiodor wohl nur die älteste erhaltene Erwähnung bietet, den Ausdruck aber nicht selbst erfunden hat. Den Grund habe ich schon in #11 genannt.
 
Dass das Wort "Visigothi" eine Erfindung Cassiodors ist (indem er den älteren Stammesnamen "Visi" mit "Gothi" kombinierte), kann ich mir nicht so recht vorstellen, denn immerhin verwendete er den Ausdruck auch in seiner diplomatischen Korrespondenz mit den Westgoten, nämlich in einem Brief Theoderichs an den Westgotenkönig Alarich II. Ich bezweifle, dass Alarich sonderlich erbaut reagiert hätte, wenn sein Volk per Brief einen neuen Namen verpasst bekommen hätte. Ich vermute daher, dass sich die Westgoten schon vor und unabhängig von Cassiodor (auch) "Visigothae" nannten.

Zumal es verwunderlich wäre, wenn Cassiodor ein germanisches Kompositum gebildet hätte.
 
Ich bin immer noch der Ansicht, dass Cassiodor wohl nur die älteste erhaltene Erwähnung bietet, den Ausdruck aber nicht selbst erfunden hat. Den Grund habe ich schon in #11 genannt.

Wer hat's erfunden? - Ricola! :D

Und wenn's nicht Ricola war, so hat sich Ostrogothae und Visigothae irgendwann im 5. Jh. zur geografischen Kennung in Ost- und Westgoten verwandelt. Ob nun Cassiodor der Urheber war oder nicht, ist eigentlich unwichtig.
 
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