August 1944: Vergleich der Aufstände in Paris und Warschau gegen die dt. Besatzung

Carolus

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Im August 1944 fanden in Paris (Schlacht um Paris ? Wikipedia) und Warschau (Warschauer Aufstand ? Wikipedia) Aufstände gegen die deutsche Besatzung statt. Während in Paris der Aufstand gelang und die Stadt sich selbst befreite bzw. von außen befreit wurde, wurde der Aufstand in Warschau blutigst niedergeschlagen. Die Ausgangslage war ähnlich: sowohl in Paris als auch in Warschau (auch als "Paris des Ostens" bezeichnet) waren alliierte Armeen "ante portas", Hitler gab Zerstörungsbefehle für beide Städte, und in beiden Städten gab es "Untergrundarmeen", die ihre jeweilige Hauptstadt selbst befreien wollten.

Was waren aber die jeweiligen Unterschiede, die zu den unterschiedlichen Ergebnissen führten?

Kann man das hauptsächlich auf das jeweilige Verhalten der deutschen Kommandanten zurückführen? In Paris gab es außerdem noch Vermittlungen zwischen den deutschen Truppen, des französichen Widerstands und der anrückenden Alliierten duch den schwedischen Konsul Nordling. Gab es solche Vermittlungsversuche auch in Warschau? Wie haben sich die beiden Aufstände gegenseitig beeinflußt?
 
Kann man das hauptsächlich auf das jeweilige Verhalten der deutschen Kommandanten zurückführen?

Die spezifische Lage im Westen und Osten und die kulturellen Werte der beteiligten Offiziere sind ein erster "Schlüssel".

Meine These lautet, die höheren Offiziere im Westen, mit Kenntnis des "französischen Lebensstils" und der französischen Kultur, hatten überwiegend eine innere Abneigung, Paris zur Kampfzone zu machen oder Teile, wie vorgesehen, zu zerstören (Sprengmittel wären teilweise vorhanden gewesen).

Latent spielt dabei vielleicht auch eine Rolle, dass man angesichts des sich abzeichnenden Zusammenbruchs an die Phase nach dem WW2 dachte. Und an das Zusammenleben mit seinen westlichen Nachbarn.

Die These würde für Warschau genau das Gegenteil formulieren. Integriert in den allgemein, mehrheitlich geteilten, anti-Slawismus, war Warschau ein beliebiger Kampfplatz. Und es gab mehrheitlich keine innere Abneigung gegen die Zerstörung.

Angesichts des Zusammenbruchs und der extremen Verhärtung der emotionalen Haltung der Teilnehmer, sowohl WM und auch Rote Armee, an der Ostfront, war eine gegenseitige Achtung nicht zu erwarten.

Dieses wurde vermutlich generalisierend auf die polnische Befreiungsarmee übertragen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurz und knapp

Eisenhower war nicht Stalin

Dietrich von Choltitz war nicht Heinrich Reinefarth

Die Armia Krajowa war leider von Feinden (militärisch und / oder politisch) umzingelt. Die einzige nennenswerte Unterstützung von Außen waren die Versorgungsflüge der RAF.

Nebenbei:
Die Darstellung der Einnahme von Paris quasi als Höhepunkt von Overlord "Die Schlacht um Paris fand während des Zweiten Weltkriegs im Verlauf der Operation Overlord gegen Ende August des Jahres 1944 bei und in Paris statt."
in der dt. Wiki ist mir neu. Ich ging bisher davon aus, Qverlord wäre mit der Festigung der Brückenkopfe in der Normandie und dem anschließenden Ausbruch "Operation Cobra" abgeschlossen.

Aber das müßte ja aus den Befehlen für Overlord hervorgehen. Weiß vielleicht jemand in dem Punkt etwas Genaueres?
 
Wer hat denn die gigantische Bezeichnung " Schlacht von Paris " erfunden ?

Fand denn eine Schlacht statt ?
MW einige Rückzugsgefechte deutscher Rest -Einheiten mit Leclercs
Panzerspitzen und ein paar Schiessereien mit der Resistance......

Die engl. wiki spricht nach wie vor von " liberation of Paris " , wie es
üblich war und den Abläufen gerecht wird .....
 
Die spezifische Lage im Westen und Osten und die kulturellen Werte der beteiligten Offiziere sind ein erster "Schlüssel".

Meine These lautet, die höheren Offiziere im Westen, mit Kenntnis des "französischen Lebensstils" und der französischen Kultur, hatten überwiegend eine innere Abneigung, Paris zur Kampfzone zu machen oder Teile, wie vorgesehen, zu zerstören (Sprengmittel wären teilweise vorhanden gewesen).

Latent spielt dabei vielleicht auch eine Rolle, dass man angesichts des sich abzeichnenden Zusammenbruchs an die Phase nach dem WW2 dachte. Und an das Zusammenleben mit seinen westlichen Nachbarn.

Die These würde für Warschau genau das Gegenteil formulieren. Integriert in den allgemein, mehrheitlich geteilten, anti-Slawismus, war Warschau ein beliebiger Kampfplatz. Und es gab mehrheitlich keine innere Abneigung gegen die Zerstörung.

Angesichts des Zusammenbruchs und der extremen Verhärtung der emotionalen Haltung der Teilnehmer, sowohl WM und auch Rote Armee, an der Ostfront, war eine gegenseitige Achtung nicht zu erwarten.

Dieses wurde vermutlich generalisierend auf die polnische Befreiungsarmee übertragen.

Das ist sicherlich ein interessanter Gesichtspunkt. Ich muß dabei daran denken, dass nach dem Sieg über Polen 1939 in Warschau wie auch in ganz Polen Theater, Konzerthäuser, Universitäten geschlossen worden sind, während m. W. kurz nach dem Sieg über Frankreich die Berliner Symphoniker für ein Konzert nach Paris geschickt wurden. Nach dem, was ich gelesen habe, habe ich den Eindruck, dass Frankreich eine "mildere" Besatzung erdulden mußte als Polen.

Wer hat denn die gigantische Bezeichnung " Schlacht von Paris " erfunden ?

Fand denn eine Schlacht statt ?
MW einige Rückzugsgefechte deutscher Rest -Einheiten mit Leclercs
Panzerspitzen und ein paar Schiessereien mit der Resistance......

Die engl. wiki spricht nach wie vor von " liberation of Paris " , wie es
üblich war und den Abläufen gerecht wird .....

Der Begriff "Schlacht von Paris" in der deutschen Wikipedia scheint mir auch etwas "groß" zu sein. Auf der dazugehörigen Diskussionsseite wird dieser Begriff auch kritisiert (Diskussion:Schlacht um Paris ? Wikipedia).



Das ist richtig, aber so nicht zutreffend.:grübel:

Von Choltitz war Stadtkommandant von Groß-Paris und in dieser Rolle für die Verteidigung zuständig. In entsprechender Position in Warschau war General Rainer Stahel ? Wikipedia. Während des Aufstandes in Warschau wurde Stahels Hauptquartier in Warschau von der polnischen Untergrundarmee belagert, während sein Amstskollege in Paris bis zur Kapitulation volle Handlungs- und Entscheidungsvollmacht hatte. Da Stahel seine Handlungsfreiheit verloren hat, wurden von außen Truppen zugeführt. Dies waren die Einheiten des SS-Gruppenführers Reinefahrt, der - Parteimitglied seit 1932 - seine Anweisungen zur Niederschlagung des Aufstandes von Himmler erhielt, der wiederum von Hitler selbst damit beauftragt wurde.


Die Armia Krajowa war leider von Feinden (militärisch und / oder politisch) umzingelt. Die einzige nennenswerte Unterstützung von Außen waren die Versorgungsflüge der RAF.

Das waren nur wenige Flüge (die Sowjets stellten ihre Flugplätze nicht zur Verfügung), die aufgrund der deutschen Luftabwehr Warschau nur in großer Höhe überflogen, so dass die abgeworfenen Hilfslieferungen oftmals ihr Ziel verfehlten und auf der deutschen Seite landeten. Hauptsächlich war das - neben der britischen und polnischen Flugverbänden - die amerikanische Luftwaffe.
 
Hallo Carolus,

...Das ist richtig, aber so nicht zutreffend. ...
Von Choltitz war Stadtkommandant von Groß-Paris und in dieser Rolle für die Verteidigung zuständig. In entsprechender Position in Warschau war General Rainer Stahel ? Wikipedia. Während des Aufstandes in Warschau wurde Stahels Hauptquartier in Warschau von der polnischen Untergrundarmee belagert, während sein Amstskollege in Paris bis zur Kapitulation volle Handlungs- und Entscheidungsvollmacht hatte. Da Stahel seine Handlungsfreiheit verloren hat, wurden von außen Truppen zugeführt. Dies waren die Einheiten des SS-Gruppenführers Reinefahrt, der - Parteimitglied seit 1932 - seine Anweisungen zur Niederschlagung des Aufstandes von Himmler erhielt, der wiederum von Hitler selbst damit beauftragt wurde. ...

Ich fürchte die deutschsprachige Wiki ist hier wieder etwas unpräzise. Lt. der englischsprachigen Version, war es mit Stahels "Kommandantur" am 2. August, d. h. einen Tag nach Beginn des Aufstandes, schon wieder vorbei. Dann wurde die "Aufgabe" an den Profi-Schlächter Bach-Zelewski übertragen:

On 2 August 1944, Bach-Zalewski took command of all German troops fighting against the Warsaw Uprising.
The German forces were made up of 17,000 men arranged in two battle groups: under von Rohr, and under Reinefarth – the latter included the Dirlewanger Brigade of convicted criminals. ... This command group was named after Bach-Zalewski, as Korpsgruppe Bach. Units under his command killed approximately 200,000 civilians (more than 65,000 in mass executions) and an unknown number of POWs.

Du hast insofern also Recht, dass Reinefarth nicht auf der gleichen Kommandoebene agierte wie von Choltitz, es ging mir aber mehr um die ethischen Gegensätze.

"Charakterfeste" <== :ironie: SS-Führer wie R. oder B.-Z. hätten m. E. in Paris ein Massaker angerichtet und der deutschen Geschichte ein weiteres "Ruhmesblatt" <== :ironie: hinzugefügt.
 


Ich fürchte die deutschsprachige Wiki ist hier wieder etwas unpräzise. Lt. der englischsprachigen Version, war es mit Stahels "Kommandantur" am 2. August, d. h. einen Tag nach Beginn des Aufstandes, schon wieder vorbei. Dann wurde die "Aufgabe" an den Profi-Schlächter Bach-Zelewski übertragen:



Du hast insofern also Recht, dass Reinefarth nicht auf der gleichen Kommandoebene agierte wie von Choltitz, es ging mir aber mehr um die ethischen Gegensätze.

"Charakterfeste" <== :ironie: SS-Führer wie R. oder B.-Z. hätten m. E. in Paris ein Massaker angerichtet und der deutschen Geschichte ein weiteres "Ruhmesblatt" <== :ironie: hinzugefügt.

Bei dem Kommando in Warschau müßte man noch unterscheiden, wer von wem direkte Befehle bekommen hat und wer auch vor Ort das Kommando faktisch ausübte. Im Spiegel Artikel DER SPIEGEL 39/1961 - Mehr Polen als Pulver von 1959 wird auch die Frage thematisiert, wann Reinefarth tatsächlich in Warschau das Kommando übernahm. Im Rahmen von Gerichtsverhandlungen ergaben sich da eine Diskrepanz zwischen R.'s Angaben und denen des Kriegstagebuch.

Aber die Frage, ob Reinefarth oder von Bach oder irgendein anderer SS-General Kommandant war, ist m. E. nicht von zentraler Bedeutung. Wichtig ist, dass in Warschau direkt der verlängerte Arm Hitlers in Form der SS agierte.

"Charakterfeste" <== :ironie: SS-Führer wie R. oder B.-Z. hätten m. E. in Paris ein Massaker angerichtet und der deutschen Geschichte ein weiteres "Ruhmesblatt" <== :ironie: hinzugefügt.

Ich befürchte, dass o. g. Aussage richtig ist.

Interessant ist ja das Verhalten von von Choltitz: gegenüber Berlin meldete er die Verteidigungsbereitschaft und die Vorbereitungen zur Zerstörung von Paris. Gleichzeitig verhandelte er mit dem französischen Widerstand und den anrückenden Alliierten.
 
Sehr interessante Diskussion!

Bzgl. Paris scheint es übertrieben, wie schon angemerkt wurde, von einer "Schlacht" zu sprechen. Dieser fand eher mit dem Kessel von Falaise und dem endgültigen Ausbruch aus der Normandie im Vorfeld des Vormarsches ihren Abschluss. Choltitz hatte mW nur Reste und Etappe zur Verfügung, man ließ zuvor Verbände an die Normandiefront publikumswirksam auch durch Paris fahren (um die Résistance ggf. zu beeindrucken).

Zu Warschau: die völlige Vernichtung der Stadt war mW schon vor diesen Kämpfen beschlossene Sache. Als noch die Front weit im Osten stand, sollte die (aus Sicht Hitlers: ehemalige) Hauptstadt Polens von der Landkarte "verschwinden". Tatsächlich diente sie auch der Wehrmacht als Durchgangsstation zur Ostfront. Relativ viel Personal war hier im Rückraumes vorhanden, und wurde auch aktuell durchgeleitet, um vor der in Folge von Bagration vorstoßenden Roten Armee eine Widerstandslinie vorzulegen. Ein Teil der Truppen, der sich den Weißrussischen Fronten vorlegte, marschierte durch Warschau.

Die Kräftekonzentrationen in Paris und Warschau sind mE schwer zu vergleichen.
 
Bei der Suche nach Informationen über Choltitz Beweggründe bin ich auf den Film "http://de.wikipedia.org/wiki/Brennt_Paris%3F" gestoßen, der wiederum auf einem Buch beruht. Die Rollen im Film sind übrigens mit hochkarätigen Schauspielern der 60er Jahre besetzt, wie Gert Fröbe, Kirk Douglas, Alain Delon, Jean-Paul Belmondo, Orson Wells, Yves Montand, Anthony Perkins etc. Leider ist der Film nicht als DVD mit deutschen Ton erhältlich, aber auf Youtube ist er in ganzer Länge verfügbar (ich hoffe, dieser Verweis auf Youtube geht so in Ordnung).

Im Film werden die verschiedenen Interessen der einzelnen Résistancegruppen gezeigt, von denen nicht alle angesichts des brutalen Kampfes in Warschau den Aufstand in Paris wagen wollen, die Führung der alliierten Streitkräfte, die zunächst nicht Paris befreien wollen, sondern die Stadt umgehen möchten sowie die Rolle von Choltitz, der einerseits unter Druck Hitlers steht und auf der anderen Seite angesichts der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands nicht Paris sinnlos zerstören möchte.
 
...auf den Film "Brennt Paris" gestoßen, der wiederum auf einem Buch beruht.

Das Buch steht bei mir noch irgendwo im Schrank - es ist allerdings lange her, dass ich es gelesen habe.
Ich erinnere mich nur daran, dass es -lt.Buch- wohl ziemlich knapp war, das Paris nicht zerstørt wurde.

Gruss, muheijo
 
Sehr interessante Diskussion!

Bzgl. Paris scheint es übertrieben, wie schon angemerkt wurde, von einer "Schlacht" zu sprechen. Dieser fand eher mit dem Kessel von Falaise und dem endgültigen Ausbruch aus der Normandie im Vorfeld des Vormarsches ihren Abschluss. Choltitz hatte mW nur Reste und Etappe zur Verfügung, man ließ zuvor Verbände an die Normandiefront publikumswirksam auch durch Paris fahren (um die Résistance ggf. zu beeindrucken).

Zu Warschau: die völlige Vernichtung der Stadt war mW schon vor diesen Kämpfen beschlossene Sache. Als noch die Front weit im Osten stand, sollte die (aus Sicht Hitlers: ehemalige) Hauptstadt Polens von der Landkarte "verschwinden". Tatsächlich diente sie auch der Wehrmacht als Durchgangsstation zur Ostfront. Relativ viel Personal war hier im Rückraumes vorhanden, und wurde auch aktuell durchgeleitet, um vor der in Folge von Bagration vorstoßenden Roten Armee eine Widerstandslinie vorzulegen. Ein Teil der Truppen, der sich den Weißrussischen Fronten vorlegte, marschierte durch Warschau.

Die Kräftekonzentrationen in Paris und Warschau sind mE schwer zu vergleichen.
man darf auch nicht vergessen, daß Warschau schon etliche Zerstörungen vor 1944 erlitten hatten. Während des Aufstandes wurde dann zusatzlich reichlich zerstört, so daß im Nachhinein auch gar nicht mehr so viel zerstört werden mußte.

Mit dem Durchmarschgebiet zur Front liegst du richtig. Mein Großvater war zu dieser Zeit bei der 19. Panzer-Division und mußte Anfang August 1944 durch die Stadt um in die Warka-Region zu gelangen und kämpften dann in der Schlacht von Wolomin-Radzymin. Es gab in Warschau einige Gefechte mit Partisanen, wenn ich auch nicht weiß ob die Panzerjäger daran beteiligt waren. Im September mußten sie wieder durch die Stadt und wurden im Stadtteil Zoloborz in Kämpfe verwickelt.
 
Bei der Suche nach Informationen über Choltitz Beweggründe b

Bei Mitcham werden eine Reihe von Ereignissen geschildert, die Choltiz sehr stark verunsichern und sein Verhalten erklären.

Vorausgeschickt werden sollte, dass Choltitz eine persönliche Wahl Hitlers war (vgl. S. 183). Um ihn zu instruieren wurde Choltitz nach Rastenburg kommandiert und durch Hitler "eingewiesen".

Die "Vorstellung", die Hitler dem soldatisch völlig unbescholtenen und hoch dekorierten Choltitz bot, ist vor dem Hintergrund des 20. Juni zu interpretieren und kann wohl als "hysterisch" bezeichnet werden.

Auf dem Weg nach Paris traf er Rober Ley, der ihm mitteilte, vermutlich ohne Hintergedanken, dass eine "Sippenhaftung" gegen die Familie von Offizieren verhängt wird, die sich nicht im Sinne des "Widerstands bis zum letzten Mann" verhalten.

Beide Aspekte haben wohl das grundsätzliche Vertrauen in Hitler nachhaltig beschädigt, da sie gegen seine Werte als "Familienvater" und als deutscher Offizier verstießen, so Mitcham.

Die letzte Entscheidung nicht zu kämpfen, war denn wohl eine Mischung aus Respekt von der Zivilbevölkerung und die Einsicht in die militärische Sinnlosigkeit des Kampfes gegen die Resistence, wie Choltitz nach dem Krieg seine Motivation zu begründen suchte (S.187).

Retreat to the Reich: The German Defeat in France, 1944 - Samuel W. Mitcham, Jr. - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Choltitz war zwar "Kampfkommandant" von Paris, hatte aber tatsächlich nicht alle Fäden in der Hand. Hier dirigierte auch die 5.PA mit hinein, die sich über die Seine nach Nordosten zurückzog.

Viel Wirbel gab es hier über das angebliche Eingreifen der "Panzerlehrdivision" in die Kämpfe um Paris, von dem auch die Lageberichte des OKW handeln.

Tatsächlich war das eine äußert schwache Kampfgruppe, bestehend aus einem Bataillon eines PGR und einer Kompanie "Panther" des PR der PLD. Der Kampfgruppe gelang es während der zT anhaltenden Straßenkämpfe und während die Alliierten bereits in Teile der Stadt eingedrungen waren, bis zum Gare du Nord vorzustoßen. In der Gefahr, dort eingeschlossen zu werden, zog man sich unter großen Verlusten zurück. Weitere herbei georderte Teile, wie die der 15. Panzergrenadierdivision, gelangten erst garnicht in die Stadt.

Wie die Episoden zeigen, war die Kapitulation nicht allein Angelegenheit von Choltitz, sondern auch seiner vorgeordneten Dienststellen. Diese versuchten aussichtslos, mangels verfügbarer Kampftruppen, Paris zu halten bzw. den Vormarsch zu verzögern, oder Zerstörungen beim Rückzug anzurichten.

Das dieses nicht gelang, lag letztlich nicht nur an der Übergabe von Choltitz.
 
Zum Thema des Aufstandes in Paris bin ich auf einen interessanten Artikel aufmerksam geworden: Paris' Unlikely Savior – July '96 World War II Feature (englisch)

Dieser beschreibt zusammenfassend die einzelnen Positionen, Entscheidungsspielräume und -zwänge der einzelnen Akteure.

Da wären die Allierten Streitkräfte zu nennen, die eigentlich Paris zunächst nicht befreien wollten, sondern möglichst schnell Richtung Deutschland vorstoßen wollten.

Dann die Franzosen: für die Bildung der ersten Nachkriegsregierung ist aus deren Sicht entscheidend, wer Paris befreit - Gaullisten oder Kommunisten.

Die Deutschen: hin- und hergerissen zwischen Pflichterfüllung und erzwungenen Gehorsam, strategischen Überlegungen und auch ein wenig Menschlichkeit

Auf der Berlinale in Berlin ist vor einigen Wochen ein neuer Film präsentiert worden, der die Situation in Paris zur Zeit des Umsturz zum Inhalt hat:

Volker Schlöndorff: DIPLOMATIE
 
Die spezifische Lage im Westen und Osten und die kulturellen Werte der beteiligten Offiziere sind ein erster "Schlüssel".
Meine These lautet, die höheren Offiziere im Westen, mit Kenntnis des "französischen Lebensstils" und der französischen Kultur, hatten überwiegend eine innere Abneigung, Paris zur Kampfzone zu machen oder Teile, wie vorgesehen, zu zerstören (Sprengmittel wären teilweise vorhanden gewesen).. .

Könnte man Parallelen ziehen zur Judenverfolgung wie sie z.B. in Dänemark ablief ? Im verlinkten Interview werden auch pragmatische Gründe angeführt, aber der kulturelle Hintergrund spielte wohl auch eine Rolle.

"Diese ganze Sache verlief jetzt nicht besonders geheimnisvoll" (Archiv)
 
Bei der Suche nach Informationen über Choltitz Beweggründe bin ich auf den Film "Brennt Paris? – Wikipedia " gestoßen, der wiederum auf einem Buch beruht. Die Rollen im Film sind übrigens mit hochkarätigen Schauspielern der 60er Jahre besetzt, wie Gert Fröbe, Kirk Douglas, Alain Delon, Jean-Paul Belmondo, Orson Wells, Yves Montand, Anthony Perkins etc. Leider ist der Film nicht als DVD mit deutschen Ton erhältlich, aber auf Youtube ist er in ganzer Länge verfügbar (ich hoffe, dieser Verweis auf Youtube geht so in Ordnung).

Im Film werden die verschiedenen Interessen der einzelnen Résistancegruppen gezeigt, von denen nicht alle angesichts des brutalen Kampfes in Warschau den Aufstand in Paris wagen wollen, die Führung der alliierten Streitkräfte, die zunächst nicht Paris befreien wollen, sondern die Stadt umgehen möchten sowie die Rolle von Choltitz, der einerseits unter Druck Hitlers steht und auf der anderen Seite angesichts der sich abzeichnenden Niederlage Deutschlands nicht Paris sinnlos zerstören möchte.

Beim Hin- und Herschalten sehe ich, dass dieser Film gerade auf arte läuft.

https://www.arte.tv/de/videos/091102-000-A/brennt-paris/
 
Von Choltitz, der Wusste dass der Krieg für Deutschland verloren war, wollte Paris nicht zerstören, um nicht von den zukünftigen Siegern vertuteilt zu werden. Die Kämpfe in Paris waren vielleicht keine Schlacht, aber 130 Soldaten der 2. Panzerdivision, 532 Widerstandskämpfer, 2800 Zivilisten und 177 Polizisten sterben bei den Kämpfen sowie 3200 deutsche soldaten.
 
Von Choltitz, der Wusste dass der Krieg für Deutschland verloren war, wollte Paris nicht zerstören, um nicht von den zukünftigen Siegern vertuteilt zu werden.

Fragen wir mal anders:

Wäre es in der Kürze der Zeit überhaupt technisch möglich gewesen Paris großflächig zu zerstören und hätte das vom militärischen Standpunkt her irgendeinen Sinn ergeben, statt alles, was man an Kampfmitteln noch zusammen bekommen konnte, in Richtung Schelde, Rhein, Maas und Vogesen, als potentiell noch einigermaßen sinnvolle Verteidigungslinien zu bringen?
 
Von Choltitz wollte seine Zukunft als zukünftiger Gefangener verschonen, sonst hätte er in Paris wie in Rotterdam Zerstörungen durchgeführt. Ich denke jedoch, dass Paris für die Deutschen kein interessantes militärisches Ziel war und dass sie sich besser zurückziehen sollten, um eine neue Verteidigungslinie zu etablieren. Aber Paris hatte einen sehr wichtigen politischen und symbolischen Wert für die Regierung von General De Gaulle.
 
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