Wiener Kongress

YannisG

Neues Mitglied
Hallo, ich bin neu hier im Forum. Und zwar besuche ich zurzeit die 11. Klasse eines Gymnasiums in Schleswig-Holstein. Bei uns an der Schule gibt es das Fach Gemeinschaftskunde (GMK), welches hauptsächlich von Geschichte handelt. zusammen mit dem Lehrer arbeiten wir uns zeitlich immer mehr in unsere Gegenwart und bald vielleicht auch in die Zukunft. Zurzeit sind wir beim Wiener Kongress... ich dachte mir, ich könnte mir in Zukunft ein wenig Informationen und Hilfe aus diesem Forum holen, weshalb ich mich hier einfach mal registriert habe. Bekommen haben wir alle ein Buch, welches mir persönlich nicht so gefällt und wo ich nicht wirklich den Durchblick habe. Es ist der "DTV-Atlas Weltgeschichte Von den Anfängen bis zur Gegenwart"

Doch nun zum Thema.. Wir sind beim Wiener Kongress und unsere Aufgabe ist es, die Ergebnisse herauszufinden und eine These zu erstellen.

Könnt ihr mir helfen ?

Vielen Dank im voraus ! :)

Mit freundlichen Grüßen

YannisG
 
Nein, nein.. Es gibt keine Vorlage.. Also die These sollte nur an ein Ergebnis des Wiener Kongresses gebunden sein.. Und ich möchte Wikipedia eigentlich meiden..Deshalb gucke ich schon überall. Aber danke ! :)
 
Nein, nein.. Es gibt keine Vorlage.. Also die These sollte nur an ein Ergebnis des Wiener Kongresses gebunden sein.. Und ich möchte Wikipedia eigentlich meiden..Deshalb gucke ich schon überall. Aber danke ! :)
So, so, du möchtest Wiki meiden ...

dann dieser Link:

Wiener Kongress

aus den Folgen läßt sich dann, bezugnehmend auf die teilweise sehr willkürlichen Grenzziehungen und die Nichtbeachtung nationaler Interessen durch die Großmächte ein These erstellen.

Auf der Seite liegt allerdings der Teufel im Detail: Z.B. Karl X. wurde erst 1824 König von Frankreich.

Ergänzend noch dieser Link:

http://www.wissen.de/lexikon/wiener-kongress

"Durch seine legitimistische u.und restaurative Politik geriet der W. K.Wiener Kongress in scharfen Gegensatz zu den liberalen u.und nationalen Strömungen des 19. Jh Jahrhunderts. Deutschland erhielt statt des erhofften Nationalstaats nur die lose Form des Deutschen Bundes (Bundesakte vom 8. 6. 1815), Italien wurde die Einheit versagt, Polen erneut unter Russland, Preußen u.und Österreich aufgeteilt. Die Ergebnisse des Kongresses waren deshalb Gegenstand heftiger Kritik der liberalen u.und nationalen Geschichtsschreibung. Doch darf man nicht übersehen, dass die durch den Kongress für Europa geschaffene Ordnung dem Kontinent bis zum Krimkrieg 40 Friedensjahre gesichert hat."

Das Hervorgehobene eignet sich auch für eine These.

Grüße
excideuil
 
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Ja, cool danke ! :) Das hat mir zum Beispiel seehr geholfen ! :) Ich fertige nun meine Hausaufgaben an und wenn ich später nochmal Fragen haben sollte, melde ich mich, oder wenn du vielleicht etwas wichtiges findest, denn schreib es mir.. Danke
 
Doch darf man nicht übersehen, dass die durch den Kongress für Europa geschaffene Ordnung dem Kontinent bis zum Krimkrieg 40 Friedensjahre gesichert hat."

Das Hervorgehobene eignet sich auch für eine These.

Das ist sicherlich eine spannende These. Sie ist auch deswegen spannend, weil durch den Konsens der Großmächte die Lösung regionaler Differenzen, seien sie politischer oder auch militärischer, auch unterbunden wurden. Und schufen so die instabile Situation einer europäischen "Zweiklassengesellschaft" der saturierten und nicht-saturierten Nationen.

Es war zudem eine erzwungene "Friedhofsruhe", die den sozialen Modernisierungsbedarf innerhalb der europäischen Gesellschaften, den erwachten liberalen Nationalismus und somit auch die Konflikte zwischen den Ethnien nicht ausreichend berücksichtigt hat.

In diesem Sinne hat die Konservierung durch den Wiener Kongress die Heftigkeit der stattgefundenen Konflikt im zweiten Teil des 19. Jahrhundert verschärft, wäre die konträre und auch in gewissem Sinne ergänzende These.
 
Zuletzt bearbeitet:
In diesem Sinne hat die Konservierung durch den Wiener Kongress die Heftigkeit der stattgefundenen Konflikt im zweiten Teil des 19. Jahrhundert verschärft, wäre die konträre und auch in gewissem Sinne ergänzende These.
Damit bin ich nicht so recht einverstanden.
Ich denke, dass der Wiener Kongress nicht mehr erreichen konnte. Grundlage war, dass die von N. abgetretenen Gebiete neu zu verteilen waren und es galt ein System des Gleichgewichts zu finden, dass revolutionäre Erhebungen und eine Neuauflage eines aus nationaler Überhöhung geführten Eroberungskrieges verhinderte. Noch erinnerlich waren die Parolen der franz. Revolutionäre, die Welt notfalls mit Waffengewalt mit den Errungenschaften der Revolution zu beglücken.

Sehr deutlich wird der Wille der Großmächte, eine dauerhafte Friedenslösung zu finden in der Lösung des poln.-sächs. Konfliktes. Wenn es Rußland tatsächlich nur darum gegangen wäre, sich ganz Polen als Kriegsbeute zu sichern, dann hätte es niemand - wirklich - daran hindern können/wollen. Aber es folgte der Kompromiss, in der Summe ein europäisches Gleichgewicht, dass den dauerhaften Frieden möglich machte. Ich sehe daher die Konservierung der Grenzen durchaus positiv.

Mit den Beschlüssen des Pariser Friedens und des WK war keine konsequente Rückkehr zum Absolutismus wie sie dann zum Beispiel in Spanien erfolgte angedacht. Dies zeigt sich daran, dass man genau wußte, dass in Frankreich nur auf der Grundlage einer liberalen Verfassung dauerhaft Frieden möglich war. Ebenfalls wurden die vorrevolutionären Grenzen nicht wiederhergestellt. Von einer Nichtakzeptanz der Realität der franz. Rev. kann daher nicht die Rede sein.

Was nun die Heftigkeit der ausgebrochenen Konflikte angeht, stelle ich einen Zusammenhang mit dem WK infrage. Ich halte eher verfehlte (einzel-)staatl. Politik dafür für ursächlich, die dann wie z.B. die Juli-Ordonanzen Karl X. zur Revolution führten.

Grüße
excideuil
 
1. Ich denke, dass der Wiener Kongress nicht mehr erreichen konnte.

2. Grundlage war, dass die von N. abgetretenen Gebiete neu zu verteilen waren und es galt ein System des Gleichgewichts zu finden,

3. dass revolutionäre Erhebungen und eine Neuauflage eines aus nationaler Überhöhung geführten Eroberungskrieges verhinderte.

4. Was nun die Heftigkeit der ausgebrochenen Konflikte angeht, stelle ich einen Zusammenhang mit dem WK infrage. Ich halte eher verfehlte (einzel-)staatl. Politik dafür für ursächlich, die dann wie z.B. die Juli-Ordonanzen Karl X. zur Revolution führten.

Nochmal der Hinweis auf "Fazit und Folgen", zum Wiener Kongress.

Wiener Kongress ? Wikipedia

Als Erweiterung des Links noch folgende Aspekte. Generell passierte in Europa in der Folge der Wiener Konferenz bis zum Vormärz folgendes:

Vormärz ? Wikipedia

- Die Industrialisierung schritt vor allem in GB und Frankreich weiter voran und der Kapitalismus und die damit zusammenhängenden Handelsströme intensivierten sich (vgl. z.B. Rübberdt: Geschichte der Indudstrialisierung)

- Die Sozialstruktur veränderte sich und das Bürgertum nahm an Bedeutung zu

- Trotz repressiver Unterdrückung der Werte der Aufklärung bzw. der Französischen Revolution leben sie als "Traditionsbestand" des kollektiven Gedächtnis fort, trotz der Dominanz der Kultur des Biedermeier/Romantik.

- das stabile Mächtegleichgewicht erfolgte auf Kosten der kleinen Staaten bzw. von ethnischen Gruppen und führte zu einer Entfremdung gegenüber dem Zentrum

- durch die industrielle Entwicklung und die damit zusammenhängende militärische Leistungsfähigkeit wird das Gleichgewicht der in Wien anwesenden Mächte erodiert

Wenn man dieses als oberflächliche Beschreibung der europäischen Situation von der WK bis 1848 betrachtet, dann stellt sich die Frage, wie man die Entwicklung, vor allem auch die bruchhaften, erklären kann.

Meine ursprüngliche These stellte darauf ab, dass es zu keinen revolutionären Veränderungen in Gesellschaften kommt, sofern sie sich evolutionär den verändernden Bedingungen anpassen.

Im Gegenzug bedeutet die auf der Basis von militärischer Macht erzwungene Restauration der politischen und sozialen Verhältnisse eine Konservierung eines antiquierten politischen Systems wie durch die WK festgeschrieben. Und endet in einer nachhaltigen Verkrustung der Sozialstruktur, der politischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit bei mindestens zwei Teilnehmern an der WK, Ö-U und Russland.

Restauration (Geschichte) ? Wikipedia

Diese gewollte "Nichtentwicklung" der Gesellschaft als Ganzes führte zu massiven Defiziten bei der Industrialisierung der Gesellschaft, die den beiden Ländern im Verlauf der weiteren Geschichte den Status einer Großmacht gekostet haben. Besonders deutlich in Russland im Rahmen des Krimkrieges, des Konflikts mit Japan (1904/05) und dann im WW1 noch zu erkennen.

Sehr anschaulich beschrieben bei Acemoglu und sehr stark anhand der Entwicklung des "Schienen-Infrastruktur" festgemacht

Why Nations Fail: The Origins of Power, Prosperity and Poverty - James A. Robinson, Daron Acemoglu - Google Books

Einzelne Antworten
zu 1: Blanning weist darauf hin, dass es eine allgemeine und universelle Erschöpfung aller teilnehmenden Nationen gab.

The Eighteenth Century: Europe 1688-1815 - T. C. W. Blanning - Google Books

In diesem Sinne ergab sich eher ein Zwang zu einer derartigen Konferenz als eine wirkliche Einsicht, zu einer "fairen" Lösung zu kommen. Die anfängliche Haltung des englischen Gesandten gegenüber Frankreich, als der besiegten Macht, ist mehr als bezeichnend.

zu 2: Ja das Gleichgewicht der Großmächte, die aus den egoistischen nationalen Perspektiven heraus gehandelt haben und im Fall von Italien und auf dem Balkan mit ausreichenden Problemen konfrontiert wurden. Das waren Machtpolitiker, die die Szene in Wien dominiert haben!

zu 3. Das ist dann der zentrale Punkt. Weniger der Eindämmung des militärischen Potentials Frankreichs, sondern eher der Eindämmung bzw. Unterdrückung der Ideen der Aufklärung und der damit assoziierten Idee des des Nationalismus galt die Aufmerksamkeit der jeweiligen nationalen Poliziebehörden.

zu 4. Die Fehler wurden in der Tat in den einzelnen Ländern auf eine länderspezifische Art begangen. Dennoch bleibt die Rolle der "Heiligen Allianz" als europäische Institution erhalten und hat Auswirkungen auf die europäischen Herrschaftsstrukturen und die Art der Entwicklung der Opposition und der Entwicklung von Unabhängigkeitsbewegungen, auch in Kombination mit Revolutionen.
 
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Meine ursprüngliche These stellte darauf ab, dass es zu keinen revolutionären Veränderungen in Gesellschaften kommt, sofern sie sich evolutionär den verändernden Bedingungen anpassen.

Im Gegenzug bedeutet die auf der Basis von militärischer Macht erzwungene Restauration der politischen und sozialen Verhältnisse eine Konservierung eines antiquierten politischen Systems wie durch die WK festgeschrieben. Und endet in einer nachhaltigen Verkrustung der Sozialstruktur, der politischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit bei mindestens zwei Teilnehmern an der WK, Ö-U und Russland.
Deine These ist wohl beim Übergang von der absoluten Ständeordnung zur bürgerlichen Gesellschaft nicht anwendbar, da hier ein "anpassen" eher "niedlich" klingt, tatsächlich aber epochale Veränderungen bedeuteten.

Der WK war der letzte große Friedenskongress, den die Aristokratie des alten Systems abhielt. Gemessen an den absoluten außenpolitischen Ideen als Voraussetzung war ein mehr als Ergebnis nicht möglich. Selbst die konstitutionelle Monarchie England beharrte auf dem bekannten und probaten System der "Balance of Power"!

Ich halte es für problematisch, z.B. die weitergehende wirtschaftl. Entwicklung z.B. Rußlands an den WK koppeln zu wollen, da dies ureigenste Politik Rußlands war. Wenn hier Fehler vorlagen, dann bitte auf Seiten des Zaren, der zwar begriff, dass Frankreich ohne liberale Verfassung nicht regierbar war, aber dem eigenen Land jegliche Reform vorenthielt. Wo ist das "Schuld" des WK?

Das Thema ist in der Tat sehr spannend. Ich würde mich daher freuen, wenn der Thread in das entsprechende Unterforum verlegt werden könnte, da ich ungern Energie aufwende, und das Thema irgendwann entsorgt ist.

Vielen Dank

Grüße
excideuil
 
Einen lieben Dank an die Moderation! Ich seid die Besten! (Muss auch mal gesagt werden!)

Im Gegenzug bedeutet die auf der Basis von militärischer Macht erzwungene Restauration der politischen und sozialen Verhältnisse eine Konservierung eines antiquierten politischen Systems wie durch die WK festgeschrieben. Und endet in einer nachhaltigen Verkrustung der Sozialstruktur, der politischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit bei mindestens zwei Teilnehmern an der WK, Ö-U und Russland.

Restauration (Geschichte) ? Wikipedia

Diese gewollte "Nichtentwicklung" der Gesellschaft als Ganzes führte zu massiven Defiziten bei der Industrialisierung der Gesellschaft, die den beiden Ländern im Verlauf der weiteren Geschichte den Status einer Großmacht gekostet haben. Besonders deutlich in Russland im Rahmen des Krimkrieges, des Konflikts mit Japan (1904/05) und dann im WW1 noch zu erkennen.

Zunächst möchte ich mich dem Thema der Restauration und dem Fazit, dass die Erg. des WK noch Auswirkungen auf WW1 etc. gehabt hätten widmen.

Betrachten wir die politische Karte Europas vor der franz. Rev. und nach dem WK, dann werden mehrere (wesentliche) Dinge deutlich:

Sichtbar sind die gleichen 5 Großmächte, die den Kontinent in einem System der Balance of Power austariert haben.

Die zwei östl. Großmächte sind weiter an den Westen herangerückt.

Die Ergebnisse der Säkularisation/Mediatisierung wurden nicht zurückabgewickelt.

Etliche nationale Interessen sind auf beiden Karten nicht berücksichtigt.

Dazu einige Gebietsänderungen wie z.B. Finnland an Rußland, Norwegen an Schweden, 4. poln. Teilung, Belgien mit Holland vereinigt ...

In der Summe bedeutet dies, dass die Landkarte des WK grundsätzlich nach den außenpolitischen Ideen des Absolutismus gestaltet wurde, und dies konnte auch gar nicht anders sein. Dass ein "ähnliches" Bild herauskam, ist auf die gleichen 5 großen Mitspieler zurückzuführen.

Warum wird nun die Karte oder werden die Ergebnisse des WK gern als Schuldzuweisung für, teilw. hist. recht weit entfernte nationale Fehlentwicklungen genutzt? Und nicht die Karte von z.B. 1789? Meine These ist, dass es so wunderschön bequem ist, dem "reaktionären" WK, der noch "reaktionäreren Restauration" und der "Heiligen Allianz" die "Schuld" ans Zeug zu flicken, und damit wunderbar nationale Gründe relativieren kann.

Restauration heißt Wiederherstellung.
Defacto wurde der vorrev. Zustand nicht wiederhergestellt, konnte gar nicht, und das begriffen selbst die Aristokraten.

Beispiel Frankreich: Volker Sellin schreibt in seinem Buch [1] dass, wenn Ludwig XVIII. es nicht verstanden hätte, seinen salisischen Anspruch durchzusetzen man kaum von Restauration sprechen könnte. Klingt frappant. In der Tat weicht die geplante Verfassung des Senats nur wenig von der denn oktroyierten Charte ab. Die bürgerlichen Rechte blieben unangetastet ... die Charte war insgesamt liberaler als die Verfassung im Kaiserreich.
Wirtschaftlich wurde ein Aufschwung verbucht, die Kontributionen konnten schnell bezahlt werden, im Außenhandel kam man näher an England heran ...
Die negative Überlieferung der franz. Restauration rührt vom weißen Terror her, wobei man da sehr sorgfältig die Ursachen untersuchen sollte.

Hier später ganz klar die Fehler Karl X., aber "Schuld" des WK etc.?

Holland erhielt eine Verfassung, m.W. wurde der Freihandel etc. in Preußen nicht wieder abgeschafft ... die Beispiele ließen sich sicher fortsetzen.

In der Summe bedeutet das, dass die Restauration so restaurativ nicht war.

Unbestritten ist, dass die Heilige Allianz ihr Ziel, nationale Erhebungen und Rev. zu bekämpfen verfolgte, zuletzt mit dem Beschluss 1822, dass Frankreich in Spanien einmarschiert.

Aber sind damit Rückschlüsse auf nationale wirtschaftliche und politische Fehlentwicklungen gerade bei den Großmächten zulässig, die doch völlig selbstständig ihre Hauspolitik betrieben?

Mögen die Österreicher Metternich vom Sockel holen, die Russen ihre Zaren, die Schuld beim WK zu suchen geht meiner Ansicht nach fehl.

Grüße
excideuil

[1] Sellin, Volker: Die geraubte Revolution – Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2001
 
Zuletzt bearbeitet:
Mögen die Österreicher Metternich vom Sockel holen, die Russen ihre Zaren, die Schuld beim WK zu suchen geht meiner Ansicht nach fehl.

Ich suche nie die "Schuld" und ich klage die "WK" auch nicht an. Sie hat, sofern man lediglich die politische Konstellation in Europa betrachtet, einen beispielhaften Beitrag geleistet und ist vermutlich als Idee einer der Vorbilder des Völkerbundes.

Und sie hat, isoliert betrachtet, Europa eine relativ lange Zeit ohne Kriege zwischen den Großmächten beschert. Allerdings handelten die Teilnehmer nicht als Altruisten, sondern um ihre Machtpositionen nach innen abzusichern.
 
Warum wird nun die Karte oder werden die Ergebnisse des WK gern als Schuldzuweisung für, teilw. hist. recht weit entfernte nationale Fehlentwicklungen genutzt? Und nicht die Karte von z.B. 1789? Meine These ist, dass es so wunderschön bequem ist, dem "reaktionären" WK, der noch "reaktionäreren Restauration" und der "Heiligen Allianz" die "Schuld" ans Zeug zu flicken, und damit wunderbar nationale Gründe relativieren kann.

Restauration heißt Wiederherstellung.
Defacto wurde der vorrev. Zustand nicht wiederhergestellt, konnte gar nicht, und das begriffen selbst die Aristokraten.
und die etablierte neue Balance of Power funktionierte erstaunlich in der sich nun anschließenden Phase militärischer (waffentechnisch etc.) und industrieller Fortentwicklungen - auf diplomatisch-politischem Gebiet, trotz allerlei zeitgenössischer Klage über Restauration und Adel, ein doch recht staunenswertes Ergebnis.
salopp gesagt nicht nur weltflüchtendes Biedermeier, sondern auch aufrührerische Romantik finden ihren Anfang.
 
und die etablierte neue Balance of Power funktionierte erstaunlich (....) trotz allerlei zeitgenössischer Klage über Restauration und Adel, ein doch recht staunenswertes Ergebnis.
salopp gesagt nicht nur weltflüchtendes Biedermeier, sondern auch aufrührerische Romantik finden ihren Anfang.

Kann man die Zeit nach dem Wiener Kongress vielleicht auch als "Friedhofsruhe" bezeichnen? Zensur, Spitzelsystem, Zollgrenzen, unterdrueckte Vølker...
Es wird auch uebersehen, dass es in vielen Lændern wie Spanien, Frankreich, Polen zu Aufstænden und Revolutionen kam - ein friedliches Europa sieht anders aus.
Ich sehe fuer den "Otto-Normal-Europæer" keinen substantiellen Unterschied zur Zeit davor.

Gruss, muheijo
 
Ich suche nie die "Schuld" und ich klage die "WK" auch nicht an.
Sollte ich in der Form unterstellend herübergekommen sein, stelle ich klar, dass das nicht beabsichtigt war!
Sie hat, sofern man lediglich die politische Konstellation in Europa betrachtet, einen beispielhaften Beitrag geleistet und ist vermutlich als Idee einer der Vorbilder des Völkerbundes.
Ich habe mit solchen Vergleichen etc. so meine Probleme, Ich lasse Napoleon auch in seiner Zeit und versuche keinen Vergleich z.B. mit Hitler, wie es gelegentlich gern getan wird, weil es aus meiner Sicht wenig Sinn macht.
Kann man die Zeit nach dem Wiener Kongress vielleicht auch als "Friedhofsruhe" bezeichnen? Zensur, Spitzelsystem, Zollgrenzen, unterdrueckte Vølker...
Es wird auch uebersehen, dass es in vielen Lændern wie Spanien, Frankreich, Polen zu Aufstænden und Revolutionen kam - ein friedliches Europa sieht anders aus.
Die übliche Fürstenschelte, die suggeriert, dass die genannten Attribute nur in feudal-autokratischen Systemen vorkamen. Du übersiehst zudem, dass die Geißel des Nationalismus "an der Kette" gehalten werden konnte ...
Ich sehe fuer den "Otto-Normal-Europæer" keinen substantiellen Unterschied zur Zeit davor.
Soll dein Beitrag vermitteln, dass der permanente Kriegszustand der 25 Jahre vor dem WK erstrebenswerter gewesen wäre?

Grüße
excideuil
 
Du übersiehst zudem, dass die Geißel des Nationalismus "an der Kette" gehalten werden konnte ...
das ist ein hochinteressanter Gedanke!

aber: ist das eine Beobachtung vor dem Hintergrund späteren Wissens, oder ist so eine Art "früher Anti-Nationalismus" den Machern des Wiener Kongress programmatisch wichtig gewesen?
 
Du übersiehst zudem, dass die Geißel des Nationalismus "an der Kette" gehalten werden konnte ...

Genau das meine ich ja, am Beispiel Polen kann man ja sehen, wie dieses "an der Kette halten" aussah.

Soll dein Beitrag vermitteln, dass der permanente Kriegszustand der 25 Jahre vor dem WK erstrebenswerter gewesen wäre?

Bitte nicht herumdrehen. Die vielen Toten und Verwuestungen kann man selbstverstændlich nicht als erstrebenswert bezeichnen.
(Ich hætte mir aber auch einen Frieden 1802 oder 1805 vorstellen kønnen, der fuer die Menschen nicht schlechter als der des Wiener Kongresses gewesen wære)
Ich wehre mich vor allem dagegen, dass der Eindruck vermittelt wird, alles wære besser geworden, nachdem N. "endlich" weg war.
Mitnichten, es ging vielen Menschen nicht besser, und nicht wenigen schlechter.
Der Wiener Kongress brachte sicherlich das bestmøgliche Ergebnis auf Verhandlungsbasis, aber deswegen war es noch lange kein gutes Ergebnis.

Gruss, muheijo
 
...ist das eine Beobachtung vor dem Hintergrund späteren Wissens, oder ist so eine Art "früher Anti-Nationalismus" den Machern des Wiener Kongress programmatisch wichtig gewesen?

Eigentlich muss es den Kongresslern wichtig gewesen sein, da der Nationalismus die Existenz, zumindest die Ausdehnung fast aller Staaten zerstøren wuerde.

Gruss, muheijo
 
das ist ein hochinteressanter Gedanke!

aber: ist das eine Beobachtung vor dem Hintergrund späteren Wissens, oder ist so eine Art "früher Anti-Nationalismus" den Machern des Wiener Kongress programmatisch wichtig gewesen?
Eigentlich muss es den Kongresslern wichtig gewesen sein, da der Nationalismus die Existenz, zumindest die Ausdehnung fast aller Staaten zerstøren wuerde.
Gruss, muheijo
In der Summe wohl eine Beobachtung vor dem Hintergrund späteren Wissens.
Wobei sicherlich zu fragen ist, ob die Aristokraten des WK den gerade erlebten franz. Nationalismus oder generell die franz. Rev. als Ursache und Rev./Revolte als Bedrohung wahrnahmen.

Eine wirkl. überzeugende Antwort habe ich nicht, nur einen Ansatz:

Der preußische Befreiungskrieg war von massiver nationalistischer Rhetorik begleitet. Wer mag, kann bei E.M. Arndt etc. nachlesen.
Sicherlich läßt sich daraus auch ein wenig das Verhalten einiger Preußen in Paris 1814/15 nachvollziehen.

Recht deutlich wird dies in den Instruktionen der franz. Delegation zum Wiener Kongress zu Preußen:

"In Deutschland gilt dasselbe von Preußen, denn die geografische Lage dieser Monarchie macht ihr Streben nach Vergrößerung zu einer Notwendigkeit. Jeder Vorwand hierzu ist ihr willkommen; kein Bedenken hält sie darin auf, und was für sie für zweckmäßig hält, hält sie für Recht. Dadurch hat Preußen es zuwege gebracht, im Laufe von dreiundsechzig Jahren seine Bevölkerung von 4 Millionen bis auf 10 zu steigern und so den Grund zu einer sehr ausgedehnten Monarchie zu legen und sich sozusagen einen Rahmen für ein noch größeres Reich zu schaffen, in welchem es nach und nach die zerstreut liegenden und noch zu erwerbenden Gebiete einfügen will. Der furchtbare Sturz, den sein Ehrgeiz ihm zuzog, hat Preußen von dieser Sucht nicht geheilt. Augenblicklich durchstreifen seine Emissäre und Parteigänger ganz Deutschland, wiegeln das Volk auf und schildern Frankreich in den schwärzesten Farben. Frankreich, so behaupten sie, stehe schon bereit, abermals Preußen zu überfallen, und da letzteres allein nicht im stande sei, Deutschland zu verteidigen, so verlangen sie, dass man es ihm, unter dem Vorwande, es zu schützen, preisgebe. Preußen hat auch ein Auge auf Belgien geworfen, ja, es nimmt alles Land zwischen den gegenwärtigen Grenzen Frankreichs, des Maas und den Rhein für sich in Anspruch. Es will Luxemburg, Mainz und ganz Sachsen besitzen, weil sonst angeblich nicht in Sicherheit leben könne... Ließe man Preußen ruhig gewähren, es würde bald 20 Millionen zählen und ganz Deutschland unterjochen. [1]

In der Summe bedeutet dies, dass eine Bedrohung von Preußen ausgehend wahrgenommen wurde, auch wenn der Nationalismus nicht benannt wird, sondern nur das machtpolitische Streben.

Fraglich dürfte n.E. sein, ob die Aristokraten Nationalismus überhaupt als Größe wahrnehmen konnten, da er ihnen doch im Grunde wesensfremd ist.

Und damit ist die rein machtpolitische Behandlung dominierend gewesen, wie es muheijo ausführt und die an die Kette gelegte "Geißel des Nationalsmus" ein Nebeneffekt.

Grüße
excideuil

[2] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 2, Seite 188
 
Nachgang zu den Folgen des WK

Die Nationalbewegung, die sich bekanntermaßen von den Ideen der Französischen Revolution herleitete, stand ganz klar in einen Spannungsverhältnis zum Deutschen Bund, wie er auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde. Man war von en Beschlüssen des Kongresses enttäuscht, möglicherweise sogar verbittert.

Die deutschen Großmächte haben die Institutionen des Bundes im repressiven Sinne gebraucht und nicht zu einem liberalen Ausbau verwendet. Die Kritik der Nationalbewegung wurde immer schärfer und schärfer, insbesondere nach 1830, als die Restauration durch den Vormärz abgelöst wurde.

So wurde beispielsweise die Bundeakte, die Freiheit von Handel und Verkehr im Deutschen Bund vorsah, tatsächlich nie ausgeführt. Erst im Jahre 1834 wurde der Deutsche Zollverein gegründet, wozu jahrelange Verhandlungen erforderlich gewesen waren.

Durch die Julirevolution kam es dann auch zur Entfaltung politischer Ideologien und zu einen Parteienspektrum, obwohl natürlich von einem organisierten Parteiwesen keine Rede sein kann.

Die Existenz des Nationalbewusstseins der Deutschen und die Nationalbewegung selbst mündeten schließlich in einer überregionalen Massenbewegung.

Bismarck hat sich später dieser Bewegung virtuos bedient und schließlich das Deutsche Reich gegründet.

Burg, Wiener Kongress
 
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