Woher stammen die Aschkenasim

Herrlich oberflächlicher Artikel.
Angesichts der Völkervielfalt im Kaukasus scheint es mir kaum vorstellbar, dass die dortige Population genetische als Ahnenschaft für irgendein Volk beiderseits des Gebirges nicht herhalten könnte.:grübel:
Der "Süden des Chasarenreiches" liegt schon fast im Nahen Osten, am Rande der aus dem Alten Testament bekannten Welt. Im Grunde habe ich keine Ahnung, was das jetzt genau bedeuten soll. Auch bei der angenommenen Westroute über das Rheinland würde man schlussendlich doch die Abstammung der Aschekenasier im Nahen Osten zurückverfolgen. Ob sich jenes jüdische Volk nun 1000 Jahre am Rhein oder am Kaukasus aufhielt, ist für das genetische Ergebnis ohnehin egal, solange die Poplation nur brav isoliert bleibt und sich nicht entgegen dem Gesetz des Moses mit anderen Völkern vermischt.
Naja, zumindest ist die Geschichte reichlich kompliziert.

Als Hauptargumente, für die sogenannte Rheinland-Hypothese, gilt die jiddische Sprache. Ihre enge Verwandtschaft mit der deutschen Sprache gilt als Beweis dafür, dass die Juden Osteuropas aus dem Rheinland stammen.

Wenig beachtet wird jedoch, dass es neben dem Jiddischen noch weitere Judensprachen in Osteuropa, insbesondere im Kaukasus, gab und gibt.
So gab es einst georgische, griechische, iranisch- und turksprachige jüdische Gemeinschaften. Diese Gruppierungen lebten aber größtenteils im persischen oder türkischen Einflussgebiet.
Jiddisch und Ladino haben andere Judensprache verdrängt. Im Mittelalter haben es sogar ein slawische Judensprache gegeben, das Knaanische.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Phänomen ist die Annahme des jüdischen Glaubens durch die Chasaren. Gegen Ende des 8. Jh. konvertierte Khan Bulan (reg. 786-909) zum Judentum. Der Überlieferung zufolge waren ein Vertreter der christlichen Kirche, ein Muslim und ein Rabbi nach Sarkel, der Hauptstadt, zu einem Streitgespräch über Religionsfragen eingeladen worden. Angeblich soll den Khan die Argumentation des Juden am meisten beeindruckt haben.

Eine erste Erwähnung der Chasaren als Anhänger des jüdischen Glaubens findet sich in den Schriften des Mönchs Druthmar von Aquitanien 864. Damals unterhielt das mächtige Chsaren-Khanat diplomatische Beziehungen zu vielen Staaten, u.a. zum Kalifat von al-Andalus im maurischen Spanien. Der in Toledo wirkende Historiograph Judah Halevi (1075-1141) feierte den Chasaren-Khan in sienem Traktat über das Judentum ("Sefer ha-Kuzari") als Helden des jüdischen Glaubens.

Die Annahme des jüdischen Glaubens blieb nicht auf die chasarische Elite beschränkt, sonden verbreitete sich auch bei der einfachen Bevölkerung. Was ich aber ebenso erstaunlich finde ist die Tatsache, dass sich beim Volk der Karaimen (auch Karäer) im Bergland der Krim die jüdische Religion bis in die heutige Zeit gehalten hat. Ob die 3400 Bergjuden des Kaukasus einst dazugehörten, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Die Karäer verließen im Spätmittelalter ihre Wohnsitze im Süden und migrierten in die westliche Ukraine, ins östliche Polen und nach Litauen, wo noch heute einige hundert Karäer als ethnisch-religiöse Minderheit leben. Interessante Informationen hierzu: Karäer ? Wikipedia
 
Gab es nicht dazu schon früher eine Genstudie welche die Chasarenhypothese wiederlegt hat.
 
Gab es nicht dazu schon früher eine Genstudie welche die Chasarenhypothese wiederlegt hat.

Ich denke, mit Gen-Studien lässt sich die Abkunft der osteuropäischen Juden kaum klären. Immerhin gibt es im Verlauf der Jahrhunderte so viele ethnische Vermischungen und Verschmelzungen, dass eine eindeutige Aussage kaum möglich ist.
 
Die Karäer kann man zwar als osteuropäische Juden bezeichnen, sie sind jedoch keine Aschekenasier und nicht einmal rabbinische Juden sondern eine eigenständige, wiederum isolierte jüdische Glaubensgemeinschaft mit eigener Tradition. Aufgrund ihrer Turksprache ist der Zusammenhang mit den Chasaren schon naheliegend.
Die Herkunft der aschkenasischen Juden Osteuropas kann man jedenfalls nicht mit den Karäern erklären!
 
Die Herkunft der aschkenasischen Juden Osteuropas kann man jedenfalls nicht mit den Karäern erklären!

Die Existenz der Karäer passt jedenfalls gut in diesen Zusammenhang, wo es um die rätselhafte Existenz jüdischer Gruppen in Osteuropa geht, deren Ursprung nur mittels verschiedener Hypothesen zu erklären ist.

Dazu zählen die Karäer, dazu zählt die erstaunliche Konversion der südrussischen Chasaren zum Judentum, in denen manche eine Wurzel der Ostjuden sehen wollen. Dazu zählt auch die Geschichte der Bergjuden, die eine iranische Sprache (!) sprechen und im Kaukasus (Dagestan) lebten. (Inzwischen sind sie weitgehend nach Israel ausgewandert.) Woher kamen sie und sind sie möglicherweise ein Rest jener Juden, der 597 v. Chr. vom babylonischen König Nebukadnezar II. nach Babylon verschleppt wurde, dort in einer Minderheit unter persischen Königen verblieb, während der größte Teil nach Juda zurückkehrte?

Bergjuden ? Wikipedia
 
Zunächst einmal ist es ja nicht erstaunlich, dass Juden in der Diaspora - was ja nun mal auch ein Mehrheitsschicksal war - die Sprache der Menschen in ihrer Umgebung annahmen, das Jiddische ist dafür genauso ein Beispiel, wie das Ladino (nicht das alpenländische Ladino, sondern das Judenspanische). Warum also die Verwunderung darüber, dass Juden, die in anderen Regionen siedelten oder angesiedelt wurden entsprechende Sprachen sprachen?
 
Warum also die Verwunderung darüber, dass Juden, die in anderen Regionen siedelten oder angesiedelt wurden entsprechende Sprachen sprachen?

Es geht hier nicht allein um die Sprache, sondern um das erstaunliche Schicksal der Karäer, der Bergjuden und der zum Judentum konvertierten chasarischen Reiternomaden. Erstaunlich deshalb, weil Karäer und Bergjuden ihre ethnische Identität über tausend oder sogar über zweitausend Jahre bewahren konnten.

Nun wirst du einwenden, dass die spanischen Juden ein mindestens ebenso erstaunliches Schicksal hatten, doch ging es hier eher um den osteuropäischen Zweig der Juden.
 
Es geht hier nicht allein um die Sprache, sondern um das erstaunliche Schicksal der Karäer, der Bergjuden und der zum Judentum konvertierten chasarischen Reiternomaden. Erstaunlich deshalb, weil Karäer und Bergjuden ihre ethnische Identität über tausend oder sogar über zweitausend Jahre bewahren konnten.

Nun wirst du einwenden, dass die spanischen Juden ein mindestens ebenso erstaunliches Schicksal hatten, doch ging es hier eher um den osteuropäischen Zweig der Juden.

Nein, ich werde nichts über das erstaunliche Schicksal der spanischen Juden äußern. Mir geht es darum, wie alt diese jüdischen Gemeinschaften in ihrer Identität wirklich sind.
Wir haben die Aussiedlung der Juden aus Judäa mindestens seit den Babyloniern und Persern, dann unter Alexander und den Diadochen, aber auch Rückwanderungen. Dann haben wir zwei ganz massive Vertreibungswellen, nämlich um 70 und um 135 n. Chr.
Wir sehen immer, dass die Juden sich bei diesen beiden Wellen im römischen Reich verteilen, worauf ja auch die Rheinlandtheorie basiert. Was wir übersehen ist, dass viele Juden, die ja damals Aramäisch sprachen, vielleicht eher in den syrischen Raum gezogen sind, jenseits der römischen Grenzen. Wir haben dann, spätestens mit der Islamisierung mehrere Kriege, die sicher wiederum zu Bevölkerungsverschiebungen führten, die auch die Juden betrafen. Einmal die Expansion des Islam, dann die Seldschukisierung der Region, die Kreuzzüge, den Mongoleneinfall, die osmanische Expansion... Wenn man das alles berücksichtigt und dabei bedenkt, das Juden verschleppt, vertrieben oder als Siedler angeworben wurden von wechselnd iranischen, türkischen, arabischen, mongolischen Heeren oder Politikern, dann müssen wir uns nicht wundern, dass es persisch-sprachige oder türkischsprachige jüdische Gruppierungen gibt, die vielleicht sogar ihren eigenen persischen oder iranischen ~Dialekt~ sprechen.
 
Das wissen wir eben nicht genau

Das ist es in etwa, was ich ausdrücken wollte.

Zunächst einmal ist es ja nicht erstaunlich, dass Juden in der Diaspora - was ja nun mal auch ein Mehrheitsschicksal war - die Sprache der Menschen in ihrer Umgebung annahmen, das Jiddische ist dafür genauso ein Beispiel, wie das Ladino (nicht das alpenländische Ladino, sondern das Judenspanische). Warum also die Verwunderung darüber, dass Juden, die in anderen Regionen siedelten oder angesiedelt wurden entsprechende Sprachen sprachen?
 
Klar ist, dass es schon sehr früh Juden im Kaukasus gab.
In der englischen Wikipedia finden sich einige phantastische Erklärungen zur Entstehung der jüdischen Gemeinden in Georgien und Armenien.
Die Erklärungen mittels Nebukadnezar, Alexander dem Großen, Heiligenlegenden und anderen übliche Verdächtigen klingen für mich erst einmal phantastisch, zumal armenische und georgische Historiker als die einzigen Referenzen erscheinen.
Am hohen Alter besteht aber denke ich gar kein Zweifel, also das es dort wenigstens schon in der Spätantike jüdische Gemeinden bestanden.

Die kaukasischen Gemeinden hatten regen Austausch mit den orientalischen Juden. Engere Kontakt zu den Aschekenasier entstanden erst der russischen Expansion in den Südkaukasus in der Neuzeit.

Bei den meisten Karten zur Ausbreitung der Sepharden nach ihrer Vertreibung durch die spanische Inquosition führen auch immer Pfeile über Kleinasien in die Ukraine. Ein ganzes Teil muss in den Aschkenasiern Osteuropas aufgegangen sein.

Ansonsten halte ich es für naheliegend, dass die jiddisch-sprachige Aschkenasier-Tradition mir ihrem Vordringen in Osteuropa - das die Kreuzzugsprognome der Auslöser waren liegt auf der Hand - andere, ältere Kulturgruppen des rabbinischen Judentum verdrängte.
Der Kaukasus wurde vor kaum mehr als zwei Jahrhunderten Teil des Russischen Reiches und damit Teil einer aschkenasischen Hemisphäre. Dort erhielten sich noch andere Judensprachen und rabbinische Tradition.
Innerhalb jenes von Polen-Litauen oder Russland dominierten Bereichs hielten sich ansonsten nur noch die Karäer als nicht jiddisch-sprachige Gruppe. Sie waren jedoch aufgrund ihrer Religion inkompatibel.
 
Als Hauptargumente, für die sogenannte Rheinland-Hypothese, gilt die jiddische Sprache. Ihre enge Verwandtschaft mit der deutschen Sprache gilt als Beweis dafür, dass die Juden Osteuropas aus dem Rheinland stammen.

Nachdem Arthur Koestlers Hypothese noch immer die Gemüter bewegt, habe ich sein Buch "Der dreizehnte Stamm" antiquarisch erworben, was mich allerdings 34 Euro kostete - darunter kann man es nicht mehr bekommen.

Koestler postuliert eine Abstammung der Ostjuden in Polen und Russland von den türkischen Chasaren. Wie ich oben schon sagte, nahm das halbnomadische Turkvolk der Chasaren etwa um 800 den jüdischen Glauben an. Das geschah laut entsprechender Quellen aus taktischen Gründen, da die Chasarenkagane gegenüber dem christlichen Byzanz und dem muslimischen Kalifat ihre Eigenständigkeit bewahren und keinen Missionsversuchen ausgesetzt sein wollten. Ende des 10. Jh. ging das südrussische Chasarenreich durch einen Kriegszug der Waräger/Rus unter.

Koestler behauptet nun, dass die Chasaren in großer Zahl nach Norden migrierten und künftig den Kern der osteuropäischen Aschkenasim bildeten. Nach seiner Meinung waren die Juden im Rheinland eine kleine Minderheit, die niemals die große Masse von Ostjuden hätte bilden können.

Problematisch bleibt bei dieser Beweiskette, wie die jiddische Sprache der Ostjuden zu erklären ist, die bekanntlich aus dem Mittelhochdeutschen hervorging und u.a. hebräische, aramäische und romanische Elemente enthält. Koestler erklärt das mit einem Taschenspielertrick: Er behauptet, dass die Deutschen, die im Zuge der Ostsiedlung Städte in Polen gründeten oder deutsches Stadtrecht dorthin verpflanzten (z.B. Lemberg, Krakau, Posen, Gnesen, Kulm), eine große wirtschaftliche und politische Bedeutung hatten. Deutsche Sprache im polnischen "Stedtl" sei demnach im Handel und anderen Bereichen wichtig gewesen und aus diesem Grund hätten die chasarischen Juden die Sprache aufgenommen und zum Jiddischen fortentwickelt.

Bei dieser Argumentation hakt es allerdings gewaltig, obwohl eine Migration vertriebener chasarischer Juden nicht ausgeschlossen ist.

Einen Brandsatz stellt die Hypothese von Koestler insofern dar, als die aschkenasische Masse heutiger Juden damit keine semitischen Wurzeln hätte, sondern türkisch-chasarische. Das hat vielen Antisemiten seither einen Grund geboten, den Anspruch der Juden auf Palästina zu bestreiiten.

Koestler ist im übrigen ein ungarisch-österreichischer Jude und verstarb 1983 in London. Der dreizehnte Stamm ? Wikipedia
 
Neue Publikation, die auf der älteren Analyse der Aschkenasim Levi(ten) aufsetzt:


The genetic variation in the R1a clade among the Ashkenazi Levites’ Y chromosome


Approximately 300,000 men around the globe self-identify as Ashkenazi Levites, of whom two thirds were previously shown to descend from a single male. The paucity of whole Y-chromosome sequences precluded conclusive identification of this ancestor’s age, geographic origin and migration patterns. Here, we report the variation of 486 Y-chromosomes within the Ashkenazi and non-Ashkenazi Levite R1a clade, other Ashkenazi Jewish paternal lineages, as well as non-Levite Jewish and non-Jewish R1a samples. Cumulatively, the emerging profile is of a Middle Eastern ancestor, self-affiliating as Levite, and carrying the highly resolved R1a-Y2619 lineage, which was likely a minor haplogroup among the Hebrews. A star-like phylogeny, coalescing similarly to other Ashkenazi paternal lineages, ~1,743 ybp, suggests it to be one of the Ashkenazi paternal founders; to have expanded as part of the overall Ashkenazi demographic expansion, without special relation to the Levite affiliation; and to have subsequently spread to non-Ashkenazi Levites.

Ungefähr 300.000 Männer rund um den Globus identifizieren sich als Aschkenasi Leviten, von denen zwei Drittel zuvor nachweislich von einem einzigen Mann abstammen. Die mangelnde Verfügbarkeit ganzer Y-Chromosomen-Sequenzen verhinderte eine abschließende Identifizierung des Alters, der geographischen Herkunft und der Migrationsmuster dieses Vorfahren. Hier berichten wir über die Variation von 486 Y-Chromosomen innerhalb der Ashkenazi und non-Ashkenazi Leviten R1a Clade, über andere Ashkenazi-jüdische väterliche Abstammungslinien, sowie nicht-Levite jüdische Linien und nicht-jüdische R1a Proben. Kumulativ ergibt sich das aufkommende Profil eines nahöstlichen Vorfahren, das sich als Levit darstellt und die hochaufgelöste Linie R1a-Y2619 trägt, die wahrscheinlich eine kleine Haplogruppe unter den Hebräern war. Eine sternförmige Phylogenie, die ähnlich wie andere väterliche Linien der Aschkenasi, ~1.743 ybp, zu einer sternförmigen Phylogenie verschmilzt, deutet darauf hin,
- dass sie zu den Gründern der Aschkenasi gehört;
- dass sie sich als Teil der demografischen Expansion der Ashkenasi ohne besonderen Bezug zur levitischen Zugehörigkeit ausgeweitet hat;
- und dass sie sich in der Folge auf die Nicht-Aschkenasi-Leviten ausgeweitet hat.


Übersetzung ~ DeepL
 
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