Eagle

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Mein erster Thread also bitte keine Aufregung über die banale Frage :)

Denkt ihr, dass Karl XII. eher ein großer oder schlechter Herrscher war? Ich meine es besteht kein Zweifel daran, das der Russlandfeldzug ein Fehler war, aber ist es auch verständlich das er seine Nachbarn für den Angriff kurz nach seiner Krönung abstrafen wollte. Was meint Ihr?
 
Denkt ihr, dass Karl XII. eher ein großer oder schlechter Herrscher war? Ich meine es besteht kein Zweifel daran, das der Russlandfeldzug ein Fehler war, aber ist es auch verständlich das er seine Nachbarn für den Angriff kurz nach seiner Krönung abstrafen wollte. Was meint Ihr?
Ich würde Karl XII. als einen guten Schlachtenlenker einstufen. Sein Feldzug in Polen gegen August den Starken, der dann in den Frieden und die Konvention von Altranstädt mündete. Zu dem Zeitpunkt war Karl XII. sicherlich auf dem Höhepunkt seines Lebens. Es ist schwer ihm den schließlichen Zusammenbruch Schwedens anzulasten. Vielmehr scheint es mir beachtlich, dass er so lange vermochte gegen eine derartige Allianz durchzuhalten. Leider weiß ich nicht, ob es an irgendeiner Stelle die reale Chance für den König gab, sich dauerhaft gütlich mit seinen Feinden zu einigen.
 
Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, einen Thread über Karl XII. zu eröffnen.

Zweifellos war er ein herausragender Herrscher und Militär seiner Zeit mit ungeheurer Disziplin, Hingabe und Autorität, und seine Armee war gefürchtet. Seine Leistungen im großen Nordischen Krieg waren bemerkenswert, doch dann fiel er seinem übermäßigen Ego zum Opfer und setzte den Krieg gegen Rußland zu einem Zeitpunkt fort, als er eigentlich bereits gewonnen hatte.
 
Es ist schwer ihm den schließlichen Zusammenbruch Schwedens anzulasten.
Bengt Liljegrenn wirft Karl XII. vor, mögliche Friedensangebote seitens seiner Gegner ausgeschlagen zu haben. Dementsprechend könnte man ihn als guten Taktiker aber schlechten Strategen einordnen. Mangels entsprechenden Sprachkentnissen habe ich seine Karl XII. Biographie nicht im Original gelesen, aber es wäre sicher interessant Liljegrens Thesen zu überprüfen.
 
Na, ja, man muss wohl auch sein Alter in Rechnung stellen (1682 geboren), mit dem er an die Spitze der Truppen gestellt wurde. Welcher 18 jährige gewinnt Schlachten? Er schon!

Richtig ist wohl, dass er diplomatisch nicht sehr erfolgreich war, z.B. auf den Vorschlag der Sachsen nicht einging oder auch Preußen in den Konflikt trieb. Aber zur Beurteilung, auch der Motivation in Richtung schwedischer Hegemonie, hilft wohl wirklich nur eine gute Biografie.

Bei Wiki sind zwei Titel von Findeisen angegeben:
Jörg-Peter Findeisen: Karl XII. von Schweden – ein König, der zum Mythos wurde. Duncker & Humblot, Berlin 1992
Jörg-Peter Findeisen: Das Ringen um die Ostseeherrschaft. Duncker & Humblot, Berlin 1992
Findeisen hat noch mehr zu Schweden geschrieben, erinnert sei an seine erst kürzlich erschienen Bernadotte-Biografie. Er wird daher auch die Verbindungen nach Schweden haben, um zu wissen, was er schreibt.
Vllt. hat der eine oder andere die von Karl XII. und kann etwas mehr sagen?

Was nun die Stellung Schwedens selbst angeht, war wohl der Versuch der Hegemonie über das Baltikum wohl eine Überdehnung der schwedischen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Wiki sagt dazu:

"Schweden fehlte es allerdings an der Wirtschaftskraft, um seine Stellung als Großmacht auf Dauer behaupten zu können, da es mit Ausnahme einiger weniger Eisenhütten und der Kupfergrube in Falun ein reines Agrarland mit ausgeprägter Naturalwirtschaft war."

Unter dem Aspekt war wohl die Aufstellung eines Heeres von 10000 Mann, auch wenn es sich heute nicht viel anhört, ein ungemeiner Kraftakt.

Der wirtschaftliche Aspekt erscheint mir einleuchtender als die Niederlage einem einzelnen Herrscher anheften zu wollen.

Grüße
excideuil
 
Ich würde Karl XII. als einen guten Schlachtenlenker einstufen. Sein Feldzug in Polen gegen August den Starken, der dann in den Frieden und die Konvention von Altranstädt mündete. Zu dem Zeitpunkt war Karl XII. sicherlich auf dem Höhepunkt seines Lebens. Es ist schwer ihm den schließlichen Zusammenbruch Schwedens anzulasten. Vielmehr scheint es mir beachtlich, dass er so lange vermochte gegen eine derartige Allianz durchzuhalten. Leider weiß ich nicht, ob es an irgendeiner Stelle die reale Chance für den König gab, sich dauerhaft gütlich mit seinen Feinden zu einigen.


Sein größter Kontrahent, Peter I. bemühte sich mehrfach um einen Seperatfrieden, und er war bereit, dafür alle Gebietsgewinne in Livland, Ingermanland und Estland an Schweden zurückzugeben, wenn Karl XII. ihm nur St. Petersburg gelassen hätte. Auch in den Jahren nach Poltawa boten sich Schweden diplomatische Chancen, zumindest einen Teil der von Russland eroberten Territorien zu behalten, was zu einem großen Teil dem Premier Karls, dem Freiherren Heinrich von Görtz zu verdanken war. Görtz war klar, dass Schweden zuviele Feinde hatte, die es unmöglich alle besiegen konnte und daher mit einigen von ihnen Frieden oder ein Bündnis schließen musste. Entweder schloss Schweden mit Russland Frieden, um sich auf Dänemark, Preußen und Hannover zu konzentrieren oder es verständigte sich mit diesen, um Russland noch einmal anzugreifen. Görtz bevorzugte eine Verständigung oder ein Bündnis mit Russland, um Dänemark dann schließlich die Zeche bezahlen zu lassen. Görtz war dafür bereit, weite Teile der verlorenen Territorien im Baltikum abzutreten und eine russische Flotte im Ostseeraum zu dulden. Er verhandelte mit allen gegnern, mit Ausnahme von Dänemark.
Görtz spielte ein virtuoses Spiel, praktisch über Nacht wurde Schweden, das von seinen Gegnern überwältigt zu werden drohte 1716 zum Hauptakteur. Auf den Alandinseln verhandelten dann Görtz und Ostermann miteinander. Peter der Große war grundsätzlich verhandlungsbereit, denn Russland hatte bereits mehr schwedische Gebiete erobert, als Peter brauchte oder begehrte. Ostermann, von Peter instruiert forderte als Vorbedingung, dass Schweden Livland, Ingermanland, Teile Estlands und Karelien abtreten musste, während man Finnland westlich von Wyborg an Schweden abtreten wollte.

Im Verlauf der Verhandlungen, gelang es Görtz glänzend mit schwachen Karten zu spielen, und Ostermann war schließlich bereit, ganz Livland und Finnland abzutreten, bestand aber auf Ingermanland, Estland und Karelien.

Wenn aber Görtz damit herausgerückt hätte, welche Instruktionen Karl ihm gegeben hatte, wären die Verhandlungen sofort gescheitert, denn Karl XII. verlangte, dass Russland alle Eroberungen herausgab in dem Zustand, in dem sie sich vor dem Krieg befanden und einen Schadensersatz zahlte, weil die Russen einen ungerechten Krieg begonnen hätten.
 
Der wirtschaftliche Aspekt erscheint mir einleuchtender als die Niederlage einem einzelnen Herrscher anheften zu wollen.
Das sehe ich genauso.

Man muss sich die schwedischen Ressourcen vergegenwärtigen und dann wird einem ganz klar, weshalb Schweden mit der Verteidigung eines weit umspannenden Reiches, das obendrein durch seine Zersplitterung schwer zu verteidigen war, hoffnungslos überfordert sein musste. Gelang es dem schwedischen König an einer Stelle Siege zu erringen, so brach ein anderer Kontrahent wieder den Frieden und griff erneut an.

Zu untersuchen wäre vielleicht in wie weit die Friedensschlüsse, welche Karl seinen Gegnern in Traventhal (1700) und Altranstädt (1706) aufzwang, dazu angelegt waren, einen dauerhaften Frieden zu erreichen.

@ Scorpio
Danke für die Erläuterungen zu den schwedisch-russischen Verhandlungen. Da hatte sich wohl Karl XII. eindeutig überschätzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein erster Thread also bitte keine Aufregung über die banale Frage :)

Denkt ihr, dass Karl XII. eher ein großer oder schlechter Herrscher war? Ich meine es besteht kein Zweifel daran, das der Russlandfeldzug ein Fehler war, aber ist es auch verständlich das er seine Nachbarn für den Angriff kurz nach seiner Krönung abstrafen wollte. Was meint Ihr?


Voltaire brachte die Persönlichkeit Karls XII. sehr treffend auf den Punkt, als er sagte, dass Karl alle Tugenden eines Helden in einem solchen Übermaß besessen habe, dass sie sich in ihr Gegenteil verkehrten.

Peter I. hat seinen Kontrahenten stets sehr respektiert, und als "sein Bruder Karl" bei der Belagerung von Frederikshald von einer Kugel getötet wurde, ordnete er Hoftrauer an. Indirekt kritisierte er aber Karl auch wegen seines Starrsinns. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Frieden von Nystad äußerte er sich sinngemäß, dass er Schweden einen Notfrieden, einen Kompromissfrieden und einen generösen Frieden angeboten habe, jetzt aber sei es genötigt, einen "Schandfrieden" anzunehmen, was ihm aber wegen der Sturheit der Verantwortlichen ganz recht geschehe.
 
Ich habe einmal Google bemüht und die Vorschau einer Studienarbeit gefunden:

"Die wohl schillerndste Figur in diesem Krieg war der schwedische König Karl XII. ... Voltaire nennt ihn sogar den "wohl außerordentlichsten Menschen, der je auf Erden gelebt hat." Der Vater des jungen Königs, Karl XI., hatte in seiner Regierungszeit äußerst "absolutistische Tendenzen entwickelt". Er hatte die Gesetzgebungsmacht und die Finanzgewalt inne und schränkte die Macht der Reichsräte immer mehr ein. Er entmachtete den Senat und erklärte ihn zum Senat des Königs. Um den Mangel an Soldaten, Proviant, Waffen und hauptsächlich an Geld wieder auszugleichen, führte er die Reduktion ein. Er schaffte es, mehr als die Hälfte der adligen Güter und Besitztümer wieder an das Königshaus zurück zu führen und nahm dem Adel und den Ständen die Autorität, an Entscheidungen der Regierung mitzuwirken. In seinem Testament legte er fest, dass auch sein Nachfolger die Verwaltung und Gesetzgebung des Landes weiterhin innehaben sollte. Nach seinem Tod 1697 wurde sein achtzehnjähriger Sohn als Karl XII. zum König gekrönt. Er verfolgte die Absichten seines Vaters weiter und reformierte die schwedische Armee. Am Ende des 17. Jahrhunderts standen ihm mehr als 85000 Soldaten zur Verfügung." [1] (Hervorhebung von mir)

Damit zeigt sich deutlich die wirtschaftliche Anspannung, unter der die schwedische Krone stand. Erstaunlich ist die Zahl von 85000 Soldaten! (Mehr als doppelt soviel, als Schweden heute (33900, Wiki) unter Waffen hält!)

Aber auch dies ist interessant:
"Georg Piltz beschreibt, wie sehr sich die künftigen Kriegsgegner in dem jungen Karl XII. getäuscht haben. Sie sahen ihn als Flegel und Rüpel, der sich in seiner Heimatstadt Stockholm benahm wie ein verstandloser Bengel." [1]

Grüße
excideuil

[1] Franziska Drax: Der Große Nordische Krieg 1700-1721 - Der Kampf um die Ostseeherrschaft (Studienarbeit) Books on Demand, Norderstedt, 2005, Seite 4
Von der Autorin verwendete Quellen: Voltaire: Karl XII., 1978; Findeisen: Schweden, 1997; Bracher, Geschichte Skandinaviens, 1968, Piltz, August der Starke, 1996
 
Guter oder schlechter Herrscher? Diese Kategorisierungen helfen in meinen Augen nicht weiter.

Gehen wir mal vom Ergebnis aus: Mit ihm endete die Vormachtstellung Schwedens im Ostseeraum; das Land schied aus dem Kreis der europäischen Großmächte aus.

Auf dem Schlachtfeld war er ein Meister des Krieges, aber seine Politik schwächte sein Land.

Nur am Rande: Das Buch von Voltaire ist ein Lesegenuss ersten Ranges, ein Stück Weltliteratur.
 
Nun ja,der Vergleich mit einem anderen Zeitgenossen Voltaires ,Friedrich II von Preußen, drängt sich hier auf.
Von der Ausgangslage ähnlich war das,was Karl im Gegensatz zu diesem fehlte schlicht das Glück.
Wäre es während der Schlacht bei Lesnaja nicht zu dem verheerenden Schneesturm gekommen,der die Schweden entscheidend behinderte, wäre Lewenhaupts Armee mit dem Nachschub vermutlich zu Karls Hauptmacht durchgekommen und dieser hätte nach Moskau vorstoßen können, was den Krieg sicherlich beendet hätte.
 
Nun ja,der Vergleich mit einem anderen Zeitgenossen Voltaires ,Friedrich II von Preußen, drängt sich hier auf.
Von der Ausgangslage ähnlich war das,was Karl im Gegensatz zu diesem fehlte schlicht das Glück.
Wäre es während der Schlacht bei Lesnaja nicht zu dem verheerenden Schneesturm gekommen,der die Schweden entscheidend behinderte, wäre Lewenhaupts Armee mit dem Nachschub vermutlich zu Karls Hauptmacht durchgekommen und dieser hätte nach Moskau vorstoßen können, was den Krieg sicherlich beendet hätte.
Naja, Friedrich war als Politiker geschickter und verfolgte vergleichsweise begrenzte Kriegsziele. Die Ausgangslage von Karl XII. war in einigen Punkten deutlich schlechter (Stichwort Rekrutenpotential Schwedens). Hätte ein Vorrücken bis Moskau wirklich den Sieg gebracht? Um beim Vergleich zu bleiben: Die Vorstöße von Friedrichs Gegnern nach Berlin beendeten den Krieg nicht. Eine Kontrolle über Rußland hätte die Einnahme von Moskau ohne einen entscheidenden Sieg über Peter den Großen wohl nicht gebracht. Der Rußlandfeldzug war ohnehin wegen der stetigen Gefahr einer Überdehnung der Nachschublinien sehr gewagt. Die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang des Großen Nordischen Krieges würde ich insgesamt eh nicht sonderlich hoch einstufen.
Pech hatte Karl XII. im Vergleich wohl als ihn die verirrte Kugel getötet hat. ;)
 
Naja, Friedrich war als Politiker geschickter und verfolgte vergleichsweise begrenzte Kriegsziele. Die Ausgangslage von Karl XII. war in einigen Punkten deutlich schlechter (Stichwort Rekrutenpotential Schwedens). Hätte ein Vorrücken bis Moskau wirklich den Sieg gebracht? Um beim Vergleich zu bleiben: Die Vorstöße von Friedrichs Gegnern nach Berlin beendeten den Krieg nicht. Eine Kontrolle über Rußland hätte die Einnahme von Moskau ohne einen entscheidenden Sieg über Peter den Großen wohl nicht gebracht. Der Rußlandfeldzug war ohnehin wegen der stetigen Gefahr einer Überdehnung der Nachschublinien sehr gewagt. Die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang des Großen Nordischen Krieges würde ich insgesamt eh nicht sonderlich hoch einstufen.
Pech hatte Karl XII. im Vergleich wohl als ihn die verirrte Kugel getötet hat.
Das ist alles ganz richtig. Wenn man Friedrichs Staat als schwer zu verteidigen bezeichnete, dann frage ich mich, was dann das Territorium Schwedens um 1700 war? Das Meer war ja auch zum Verlegen von Verstärkungen in die entlegenen Teile des Reiches nur eingeschränkt geeignet. Es musste prompt zu extremen Problemen kommen, wenn die Herrschaft der Schweden in der Ostsee gebrochen war (man denke an die Invasion der Verbündeten auf Rügen). Außerdem hatte Preußen im Vergleich zu Schweden den großen Vorteil, dass es einige Staaten gab, welche nicht gern sahen, wenn es in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Man kann zwar feststellen, dass auch Schweden für sich genoss, dass sich die Verbündeten gegenseitig misstrauten, aber letztlich änderte das nichts an der Niederlage. Ehedem hatte sich ja Frankreich im 17.Jh. dafür ins Zeug gelegt, dass die Friedensbedingungen für Schweden nie zu gravierend wurden. Man denke an den Frieden von Saint-Germain 1679: Frieden von Saint-Germain (1679) ? Wikipedia)
 
Ich meine es besteht kein Zweifel daran, das der Russlandfeldzug ein Fehler war

Nicht unbedingt. Findeisen betont eher, dass sich General Lewenhaupt mit seiner Nachschubkolonne zu zögerlich fortbewegte, um sich mit Karls Hauptstreitmacht rechtzeitig zu vereinigen. Das gab dem russischen Zaren genügend Zeit, um diesen nachrückenden Tross abzufangen und zu vernichten, ehe er noch Karl erreichte. Letzterer wartete vor Smolensk auf die angeordnete Verpflegung bis die Versorgungslage kritisch wurde. Ein weiterer direkter Vormarsch in Richtung Moskau war ohne Lewenhaupts Bagagewagen kaum zu bewältigen, war der Weg dorthin durch das russische Militär vorsorglich zur "verbrannten Erde" gemacht worden. Also änderte der schwedische König die Marschrichtung nach Süden in der Hoffnung, dass sich dort noch ausreichend unversehrte Dörfer für die hungernden schwedischen Soldaten zum Ausplündern befinden.

Diese Änderung der Marschrichtung durch Karl geschah einerseits zu früh, um Lewenhaupts Nachschubeinheiten zu empfangen, aber sie erfolgte andererseits zu spät, um einen echten Überraschungseffekt für den russischen Kriegsgegner zu erzielen.

Findeisen schließt also nicht aus, dass Karl XII. auch hätte Russland erobern können. Die mittelalterlichen mongolischen Heere haben es auch geschafft und auch in der frühen Neuzeit, etwa hundert Jahre vor Karls Russlandfeldzug haben polnische Steitmächte Moskau eingenommen.

Auch um das Jahr 1700 herum, war die Herrschaft des russischen Zarentums über das offiziell annktierte (schon damals riesige) Territorium wahrscheinlich noch nicht so gefestigt, wie zu Napoleons Zeiten. Zar Peter war während des großen nordischen Krieges gleichzeitig mit gewaltigen Aufständen im Inneren konfrontiert und auch das osmanische Reich war damals ein starker Rivale, wie es sich mit seinem kurzen, militärisch sehr erfolgreichen aber diplomatisch aus machtpolitischer Sicht zum großen Teil wieder vermasselten Kriegseintritt wenig später nach Karls Niederlage bei Poltawa zeigte.

Scorpio schrieb:
Sein größter Kontrahent, Peter I. bemühte sich mehrfach um einen Seperatfrieden, und er war bereit, dafür alle Gebietsgewinne in Livland, Ingermanland und Estland an Schweden zurückzugeben, wenn Karl XII. ihm nur St. Petersburg gelassen hätte.

Ein russischer Zugang zur Ostsee (und sei es nur ein schmaler Landstreifen) hat aus strategischer Sicht so etwas wie den Charakter eines trojanischen Pferdes. Es war leicht vorherzusehen, dass ein materiell derart überlegenes Land sich früher oder später eine Flotte baut, welche die Schwedische in ihren heimischen Gewässern zumindest zahlenmäßig überflügelt.

Brissotin schrieb:
Wenn man Friedrichs Staat als schwer zu verteidigen bezeichnete, dann frage ich mich, was dann das Territorium Schwedens um 1700 war? Das Meer war ja auch zum Verlegen von Verstärkungen in die entlegenen Teile des Reiches nur eingeschränkt geeignet. Es musste prompt zu extremen Problemen kommen, wenn die Herrschaft der Schweden in der Ostsee gebrochen war (man denke an die Invasion der Verbündeten auf Rügen).

Da bin ich anderer Ansicht. Schweden hatte eine vorteilhaftere geographische Lage als Preußen. Die Ostsee stellt eine wichtige Barriere dar und ist wohl auch eines der Hauptgründe dafür, dass es Karl XII. so lange gelang, das zentral- südskandinavische Kernland Schwedens vor jeglicher direkter Invasion zu bewahren und die Kämpfe (und die damit verbundenen ausgesprochen brutalen Plünderungen der Zivilbevölkerung) weitgehend ins Land seiner Kriegsgegner zu tragen. Nur die schwedischen Besitzungen jenseits der Ostsee waren von Anfang an sehr gefährdet. Livland, Estland und Ingermanland konnten (trotz einiger brillianter schwedischer Siege auch hier, insbesondere bei Narva 1700, bei Rauge 1701 usw.) nicht so lange verteidigt werden und wurden zum größten Teil von den russischen Angreifern noch vor Karls Niederlage im Russlandfeldzug ausgeplündert, wenngleich die wichtigsten schwedischen Küstenstädte des Baltikums (Riga, Reval, Pernau,...) erst im Jahre 1710 fielen.

Und für eine Eroberung Rügens brauchte man damals im Grunde genommen gar keine maritime Überlegenheit zu haben, da die Meerenge welche Rügen vom Festland trennte, im Winter einfach zugefroren war. Das Klima war anders als heute. Es war erheblich kälter im Durchschnitt. Daher spricht man auch von der "kleinen Eiszeit".
 
Da bin ich anderer Ansicht. Schweden hatte eine vorteilhaftere geographische Lage als Preußen. Die Ostsee stellt eine wichtige Barriere dar und ist wohl auch eines der Hauptgründe dafür, dass es Karl XII. so lange gelang, das zentral- südskandinavische Kernland Schwedens vor jeglicher direkter Invasion zu bewahren und die Kämpfe (und die damit verbundenen ausgesprochen brutalen Plünderungen der Zivilbevölkerung) weitgehend ins Land seiner Kriegsgegner zu tragen. Nur die schwedischen Besitzungen jenseits der Ostsee waren von Anfang an sehr gefährdet. Livland, Estland und Ingermanland konnten (trotz einiger brillianter schwedischer Siege auch hier, insbesondere bei Narva 1700, bei Rauge 1701 usw.) nicht so lange verteidigt werden und wurden zum größten Teil von den russischen Angreifern noch vor Karls Niederlage im Russlandfeldzug ausgeplündert, wenngleich die wichtigsten schwedischen Küstenstädte des Baltikums (Riga, Reval, Pernau,...) erst im Jahre 1710 fielen.

Und für eine Eroberung Rügens brauchte man damals im Grunde genommen gar keine maritime Überlegenheit zu haben, da die Meerenge welche Rügen vom Festland trennte, im Winter einfach zugefroren war. Das Klima war anders als heute. Es war erheblich kälter im Durchschnitt. Daher spricht man auch von der "kleinen Eiszeit".
Ich spreche auch nicht vom schwedischen Kerngebiet, sondern von den gesamten schwedischen Besitzungen. Preußens Schwäche im frühen 18.Jh. wurde ja beispielsweise auch oft in der Zersplitterung der Besitzungen in Gebiete ohne Landverbindung miteinander (Ostpreußen, Besitzungen am Rhein) erkannt. Andererseits muss man zugeben, dass das im 18.Jh. eher die Regel als die Ausnahme war.
Die Ostsee als Barriere und zugleich als Nachschubader für die schwedischen Operationen in den verschiedenen Interessengebieten konnte nur solange nützlich sein wie die schwedische Marine ein bedeutendes Übergewicht gegenüber der dänischen bspw. behaupten konnte. Diese Abhängigkeit wurde mit den zunehmenden Niederlagen der Schweden zur See (z.B. Seeschlacht vor Rügen, 1712) immer deutlicher.

Im Winter wurde gewöhnlich in die Winterquartiere gegangen. Ein Winterfeldzug barg für die opperierenden Armeen viele Gefahren und bereits die Unternehmungen der kurbrandenburgischen Truppen des Großen Kurfürsten in der kalten Jahreszeit erhielten daher nicht umsonst große Beachtung.
 
Findeisen schließt also nicht aus, dass Karl XII. auch hätte Russland erobern können. Die mittelalterlichen mongolischen Heere haben es auch geschafft und auch in der frühen Neuzeit, etwa hundert Jahre vor Karls Russlandfeldzug haben polnische Steitmächte Moskau eingenommen.

Auch um das Jahr 1700 herum, war die Herrschaft des russischen Zarentums über das offiziell annktierte (schon damals riesige) Territorium wahrscheinlich noch nicht so gefestigt, wie zu Napoleons Zeiten. Zar Peter war während des großen nordischen Krieges gleichzeitig mit gewaltigen Aufständen im Inneren konfrontiert und auch das osmanische Reich war damals ein starker Rivale, wie es sich mit seinem kurzen, militärisch sehr erfolgreichen aber diplomatisch aus machtpolitischer Sicht zum großen Teil wieder vermasselten Kriegseintritt wenig später nach Karls Niederlage bei Poltawa zeigte.



Ein russischer Zugang zur Ostsee (und sei es nur ein schmaler Landstreifen) hat aus strategischer Sicht so etwas wie den Charakter eines trojanischen Pferdes. Es war leicht vorherzusehen, dass ein materiell derart überlegenes Land sich früher oder später eine Flotte baut, welche die Schwedische in ihren heimischen Gewässern zumindest zahlenmäßig überflügelt.
QUOTE]

Um Russland erobern und beherrschen zu können, war die schwedische Armee meiner Meinung nach zu klein. Es hatte sich diese Erfahrung ja schon auf dem Kriegsschauplatz in Polen abgezeichnet, wo Karl bis zum Frieden von Altranstädt Siege auf Siege erzielte, sich aber dort auch verzettelte, während im Baltikum die Russen die Iniative ergriffen. Es zeigten auch die Schlachten von Lesnaja und Golowtschin, dass die russische Armee die Zeit genutzt hatte und nicht mehr die undisziplinierte Truppe von Narwa war. Gerade die Schlacht von Lesnaja wirkte sich motivierend auf die Russen und entmutigend für die Schweden aus. Bei zahlenmäßiger Gleichheit hatten die Russen nicht nur standgehalten, sondern dem Gegner auch die größeren Verluste zugefügt. Peter schickte Diagramme der Schlacht an Freunde, Verwandte und Verbündete wie August den Starken und gab Befehl, Kriegsberichte zu übersetzen. Gleichzeitig erwies sich ein Vorstoß der Schweden auf St. Petersburg als Debakel die Taktik der verbrannten Erde, die die Russen rücksichtslos auch auf eigenem Territorium praktizierten, zeigte Erfolge, ohne Geschütze konnte General Luebecker keine befestighten Städte erobern, und im kargen Hinterland von St. Petersburg ging den Schweden bald der Proviant aus, sie mussten ziellos durch Ingermanland ziehen und sich nach Narwa zurückziehen, von wo die Truppe nach Wyborg verschifft wurde. Die Pferde, die die Schweden noch nicht aufgegessen hatten, mussten zurückgelassen werden. Die Umgehung St. Petersburgs hatte 3000 Schweden gekostet, ohne dass dabei auch nur ein einziger russischer Soldat der Hauptarmee nach Norden abkommandiert wurde, so dass diese Aktion auch als Ablenkungsmanöver scheiterte.
 
Nun ja,der Vergleich mit einem anderen Zeitgenossen Voltaires ,Friedrich II von Preußen, drängt sich hier auf.
Von der Ausgangslage ähnlich war das,was Karl im Gegensatz zu diesem fehlte schlicht das Glück.
Wäre es während der Schlacht bei Lesnaja nicht zu dem verheerenden Schneesturm gekommen,der die Schweden entscheidend behinderte, wäre Lewenhaupts Armee mit dem Nachschub vermutlich zu Karls Hauptmacht durchgekommen und dieser hätte nach Moskau vorstoßen können, was den Krieg sicherlich beendet hätte.


Vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit, denn bei Narwa begünstigte ein Schneesturm eindeutig die Schweden, die sich eigentlich in einer verzweifelten Lage befanden. Durch Märsche und mangelnden Nachschub zermürbt, standen die Schweden vor der Aufgabe, einen mehr als vierfach überlegenen Gegner anzugreifen. Auf russischer Seite, erlaubte sich ein Offizier einen Sarkasmus gegen den Herzog von Croy, der plötzlich zum Oberbefehlshaber ernannt wurde, obwohl er kein russisch sprach. Croy habe keinen Alkohol mehr und er werde daher bald in Narwa Ersatz suchen. doch es kam anders, Croy selbst fiel auf, was auch Karl XII. bemerkt hatte, die russischen Linien waren überdehnt, so dass ein Durchbruch möglich schien. Es zog ein Schneesturm herauf, und einige Schweden wollten den Angriff verschieben, doch Karl entschied sich für die attacke, denn der Wind wehte den Russen entgegen, und leise und schnell rückten die Schweden vor, die erst auf kürzeste Entfernung eine Salve abgaben. Dass Karl den Dänen relativ schnell den Frieden von Traventhal diktieren konnte, war vor allem der britisch-niederländischen Unterstützung zu verdanken, bei der Überquerung des Sunds war Karl seekrank, doch Narwa war Karls Erfolg und Verdienst. Alle Welt gratulierte Karl wie auch Leipnitz, der gar nicht lange vorher sich für Peter I. begeisterte.
Es trug aber zu einer gewissen Hybris bei, denn nach Narwa unterschätzte er die Russen.
 
hält!)

Aber auch dies ist interessant:
"Georg Piltz beschreibt, wie sehr sich die künftigen Kriegsgegner in dem jungen Karl XII. getäuscht haben. Sie sahen ihn als Flegel und Rüpel, der sich in seiner Heimatstadt Stockholm benahm wie ein verstandloser Bengel." [1]

Grüße
excideuil

[1] Franziska Drax: Der Große Nordische Krieg 1700-1721 - Der Kampf um die Ostseeherrschaft (Studienarbeit) Books on Demand, Norderstedt, 2005, Seite 4
Von der Autorin verwendete Quellen: Voltaire: Karl XII., 1978; Findeisen: Schweden, 1997; Bracher, Geschichte Skandinaviens, 1968, Piltz, August der Starke, 1996


Nicht nur die künftigen Kriegsgegner, sondern auch die notablen Stockholms und einige protestantische Geistliche waren außer sich, als Karl gemeinsam mit seinem Vetter dem Herzog von Gottorp Stockholm unsicher machten. Die beiden jungen Männer galoppierten durch die Straßen Stockholms und schlugen den Bürgern die Perücken vom Kopf. Bei einem Gelage machten sie einen Bären mit Wein so betrunken, dass das Tier aus dem Fenster stürzte und starb. An einem Sonntag predigten in Stockholm mehrere Pastoren zum Bibelwort "Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist". Karl nahm sich dann aber zusammen und versprach sich nie wieder zu betrinken.
 
Naja, Friedrich war als Politiker geschickter und verfolgte vergleichsweise begrenzte Kriegsziele. Die Ausgangslage von Karl XII. war in einigen Punkten deutlich schlechter (Stichwort Rekrutenpotential Schwedens). Hätte ein Vorrücken bis Moskau wirklich den Sieg gebracht? Um beim Vergleich zu bleiben: Die Vorstöße von Friedrichs Gegnern nach Berlin beendeten den Krieg nicht. Eine Kontrolle über Rußland hätte die Einnahme von Moskau ohne einen entscheidenden Sieg über Peter den Großen wohl nicht gebracht. Der Rußlandfeldzug war ohnehin wegen der stetigen Gefahr einer Überdehnung der Nachschublinien sehr gewagt. Die Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang des Großen Nordischen Krieges würde ich insgesamt eh nicht sonderlich hoch einstufen.
Pech hatte Karl XII. im Vergleich wohl als ihn die verirrte Kugel getötet hat. ;)


Dass sich Maria Theresia nicht mit dem Verlust Schlesiens abfinden würde, war abzusehen, doch das Renversement des Alliances wurde durch Fehlkalkulationen Friedrichs und sein Verhalten gegen den Hof von Versailles beschleunigt. Er glaubte, durch die Konvention von Westminster, Österreich als traditionellen Verbündeten Englands und Russland diplomatisch in Schach halten zu können, was nicht aufging, und seinen Verbündeten Frankreich hatte der Preußenkönig erst nachträglich davon informiert. In ganz Europa misstraute man der sprunghaften preußischen Politik, und in dieser Situation setzte Friedrich II. auf Präventivkrieg und fiel in Sachsen ein. Glanzvollen Siegen wie bei Rossbach und Leuthen standen katastrophale Niederlagen gegenüber, bei denen Friedrichs Starrsinn nicht unschuldig war. Am Ende war es ein Todesfall, der Preußen rettete.

Poltawa war eine von wenigen historisch wirklich bewegenden Schlachten, doch auch danach boten sich diplomatisch durchaus noch Chancen für Schweden, sich mit Russland auf Kosten Dänemarks zu arrangieren.
 
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