Das ist ein Thema, welches nicht einfach über einen Kamm geschert werden kann. Zunächst einmal sollten wir zeitlich ein wenig klassifizieren und feststellen, daß wir in der Regel von der griechischen Antike reden, denn auch römische Götterbilder greifen in der Regel griechische Bildtraditionen auf. Und innerhalb der griechischen Antike ist auch festzuhalten, daß die Gewohnheiten, wie Götter gesehen wurden, zumeist in der späten Archaik und vor allem in der Klassik geprägt wurden, während der Hellenismus die Bildwelt durch ein reiches Repertoire an Genredarstellungen ergänzte.
In diesem Rahmen kann man dann festellen, daß Zeus oder Poseidon nicht einfach als ältere Männer dargestellt werden, denn Götter sind alterslos. Bilder werden über Formeln ausgedrückt, und die sind in der Regel summarisch zusammengesetzt. Die typische griechische Darstellung, wenn ich von der Skulptur ausgehe, unterscheidet zwischen dem Jüngling und dem Mann. Der Jüngling, idealtypisch für den Epheben, ist unter 18, bartlos, ohne Körperbehaarung und mit einem weicheren und nicht zu stark ausgeprägtem Muskelbild. Der Mann ist bärtig, hat (allerdings nicht immer) Schambehaarung und ein ausgeprägtes Muskelspiel. Altersdarstellungen kommen in der Regel nicht vor, die Musekln sind nicht schlaff, die Haut ist nicht faltig oder runzlig, der Bauch nicht dick, die Schultern hängend, und besonders im Gesicht ist alles idealisiert, die Lippen sind voll und straff, die Wangen sind nicht eingefallen, die Nasolabialfalte ist nicht übermäßig betont, das Hapthaar ist voll. Bei Zeus und Poseidon kann hin und wieder allerhöchstens das längere Nackenhaar als Zeugnis der Reife gesehen werden. Zeus ist also kein älterer oder reifer Herr, sondern einfach nur ein erwachsener Mann. Im Gegenteil, Alterdarstellungen sind in der Regel abwertend gemeint und bleiben in der Klassik selten, das Alter wird ja als negativ erachtet und wird mit Kennzeichen verbunden, die dann zumeist Fremde, Feinde oder Sklaven auszeichnen. Mann sieht den Wechsel sehr schön beim Sokratesporträt, wo eben Alterzüge ursprünglich verächtlich gemeint waren. Das ändert sich in engen Grenzen erst bei den Philosophenporträts des 4 Jhs.
Das Ideal beruht auf dem Grundsatz des "kalos kai agathos", des "schön und gut", nur derjenige, der schön ist, kann auch gut sein. Und schön war in der Regel der junge Mensch, was auch nicht verwundert in einer Gesellschaft, in der das Durchschnittsalter relativ niedrig liegt und die Straßen voll sind mit Menschen, die sich mit gebrechen und Krankheiten durch das Leben schleppen müssen. Schön ist immer das, was man idealisiert und anstrebt.
Und damit kommt der zweite Punkt. Auch Göttinnen sind nicht in ältere oder jüngere Personen unterteilt, Altersunterschiede werden - wenn überhaupt - durch Größenunterschiede gekennzeichnet. Da bei den Frauen der politische Aspekt des "kalos kai agathos" nicht greift, ist auch ihre Körperlichkeit nicht so vordergründig gedacht wie bei den Männern. Deshalb werden sie zumeist bekleidet gezeigt, und auch da ist es keine Frage des Alters, ob jemand "züchtig" gekleidet ist. Ich muß Ravenik mal widersprechen, ich wüßte nicht, wo jugendliche Göttinnen nackt oder halbnackt gezeigt werden, ich rede hier nicht von Nymphen oder Mänaden, die Nacktheit ist ein Kennzeichen der Aphrodite, allerdings nur im Kontext, das heißt, in Bezug auf ihre Geburt oder wenn sie zum Bade geht, beides abgeleitet dadurch, daß sie eine Meeresgöttin ist.
Im Verhältnis zu den Menschen sind übrigens alle Göttinnen überirdisch schön, Hera, wie in der Illias geschildert, als sie Zeus verführt, genauso wie auch Athena. Auch hier ist die Darstellung einer erwachsenen Frau nicht im Sinne von "älter" zu verstehen. Die Geschenke, die Paris beeinflussen sollen, sind eher ein Ausdruck dafür, daß alle drei Göttinnen in gleicher strahlender Schönheit vor dem armen trojanischen Prinzen standen.
Um nochmals auf die Eingangsfrage einzugehen: da bei Skulpturen und Reliefs die Farbigkeit in der Regel verschwunden ist, will ich auf Vasenmalerei verweisen, wo es durchaus vorkommt, daß Alter durch weiße Haare angezeigt wird. Allerdings reden wir auch da von einem Zeitrahmen vom 6. bis zum 4. Jh, dann verschwindet die figürliche Vasenmalerei zumeist wieder. Und ich wüßte nicht, auch wenn ich es natürlich nicht komplett ausschließen kann, das es da einen weißhaarigen Zeus gab.