hjwien
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Es ist ein ravenickscher Gedanke, der mir da durchs Hirn spukt: Wie ist das mit der Thronfolge in Ithaka? Warum kann Telemachos nicht einfach Thron und Krone übernehmen?
Zunächst einmal ist es natürlich klar, daß es sich bei der Odyssee um Literatur handelt. Diese darf zuspitzen, übertreiben, sie darf, um ihre Aussage deutlich zu machen, Widersprüche aufbauen oder unlogisch werden, wenn es dem Aufbau dient. All dies darf auch die antike Literatur.
Auf der anderen Seite ist Literatur stets auf das Verständnis und Interesse des Rezipienten angewiesen. Wenn eine Geschichte sich soweit aus dem Erwartungshorizont ihrere Zuhörer heraus bewegt, daß diese ihr nicht mehr folgen können oder wollen, dann verliert sie ihre Glaubwürdigkeit und damit auch ihre Spannung. Schiller formuliert das in etwas so: Eine Geschichte muß stets moralisch sein, damit sie unterhaltsam ist.
Wie ist das also in Ithaka? Da gibt es einen König, der seit zwanzig Jahren fort ist. Er ist nicht offiziell für tot erklärt, dennoch werden die Freier um eine Frau, die noch nicht eindeutig Witwe ist. Hier kann man der Geschichte folgen und sagen, daß sich darin eben der Frevel der Freier deutlich zeigt, indem sie Regeln brechen.
Auf der anderen Seite ist offensichtlich der vakante Thron an die Heirat mit der Königin gebunden, denn die Freier werben ja nicht nur um Penelope, sondern auch gleichzeitig um die Krone. Aber wieso? Es ist ein zwanzigjähriger Prinz da, der doch allem Anschein nach alles recht auf die Krone hätte, wenn sein Vater nicht wiederkehrt.
Gut, Telemach wird als schwach gezeigt, so daß er nicht in der Lage ist, sich gegen die Freier durchzusetzen. Aber wie sieht das mit dem Recht aus?
Man könnte also vermuten, daß es sich bei der Herrschaft über Ithaka nicht um ein Erbkönigtum handelt, sondern um ein Wahlkönigtum. Abgesehen davon aber, daß die mythischen Könige alle Erbkönige sind und auch Odysseus ja den Thron von Laertes übernahm, wäre ja ein Wahlkönigtum wiederum nicht an die Hand der Königin gebunden, die ja so offensichtlich gar nicht wieder heiraten möchte. Dann könnte man sie ja in Ruhe auf ihr Altenteil schicken.
Die Frage ließe sich aber auch noch erweitern: neben dem Thronanwärter Telemachos gibt es auch noch den Altkönig, nämlich Laertes. Die Frage, warum er nicht den vakanten Thron wieder einnimmt, führt weiter: Wer regiert eigentlich in Odysseus Abwesenheit? Ist Penelope die Regentin? Wenn dies so wäre, warum wird ihr dies nun nicht mehr zugebilligt? Weil sie an das Leben von Odysseus gebunden ist, welches nun bezweifelt wird? Dann könnte sie ja aber immer noch rechtmäßige Regentin an Stelle ihres Sohnes sein, bis dieser volljährig wird, was er aber bei Odysseus Rückkehr mit zwanzig Jahren eindeutig ist.
Zum Vergleich: Der Irgendwie-Cousin von Telemach, Orestes, wird als Kind aus dem Haus geschmuggelt, wächst in der Fremde auf, kehrt zurück, tötet Mutter und Thronräuber, wird dann von den Furien durch Griechenland gehetzt, muß bis nach Tauris zu seiner Schwester, aber als er dann heimkommt nach Mykene, gibt es keinen Zweifel, daß er als rechtmäßiger König herrscht. Wer aber regiert solange in Mykene? Wenn Menelaos, dann doch auch als Regent?
Die Schlüsselfrage des Dramas erscheint mir also nicht ganz schlüssig. Wäre ich ein Grieche des 8. Jhs. und ein Rhapsode trüge mir die Geschichte vor, schüttelte ich doch das lockige Haupt und riefe fragend: „Wo eigentlich liegt das Problem?“
Zunächst einmal ist es natürlich klar, daß es sich bei der Odyssee um Literatur handelt. Diese darf zuspitzen, übertreiben, sie darf, um ihre Aussage deutlich zu machen, Widersprüche aufbauen oder unlogisch werden, wenn es dem Aufbau dient. All dies darf auch die antike Literatur.
Auf der anderen Seite ist Literatur stets auf das Verständnis und Interesse des Rezipienten angewiesen. Wenn eine Geschichte sich soweit aus dem Erwartungshorizont ihrere Zuhörer heraus bewegt, daß diese ihr nicht mehr folgen können oder wollen, dann verliert sie ihre Glaubwürdigkeit und damit auch ihre Spannung. Schiller formuliert das in etwas so: Eine Geschichte muß stets moralisch sein, damit sie unterhaltsam ist.
Wie ist das also in Ithaka? Da gibt es einen König, der seit zwanzig Jahren fort ist. Er ist nicht offiziell für tot erklärt, dennoch werden die Freier um eine Frau, die noch nicht eindeutig Witwe ist. Hier kann man der Geschichte folgen und sagen, daß sich darin eben der Frevel der Freier deutlich zeigt, indem sie Regeln brechen.
Auf der anderen Seite ist offensichtlich der vakante Thron an die Heirat mit der Königin gebunden, denn die Freier werben ja nicht nur um Penelope, sondern auch gleichzeitig um die Krone. Aber wieso? Es ist ein zwanzigjähriger Prinz da, der doch allem Anschein nach alles recht auf die Krone hätte, wenn sein Vater nicht wiederkehrt.
Gut, Telemach wird als schwach gezeigt, so daß er nicht in der Lage ist, sich gegen die Freier durchzusetzen. Aber wie sieht das mit dem Recht aus?
Man könnte also vermuten, daß es sich bei der Herrschaft über Ithaka nicht um ein Erbkönigtum handelt, sondern um ein Wahlkönigtum. Abgesehen davon aber, daß die mythischen Könige alle Erbkönige sind und auch Odysseus ja den Thron von Laertes übernahm, wäre ja ein Wahlkönigtum wiederum nicht an die Hand der Königin gebunden, die ja so offensichtlich gar nicht wieder heiraten möchte. Dann könnte man sie ja in Ruhe auf ihr Altenteil schicken.
Die Frage ließe sich aber auch noch erweitern: neben dem Thronanwärter Telemachos gibt es auch noch den Altkönig, nämlich Laertes. Die Frage, warum er nicht den vakanten Thron wieder einnimmt, führt weiter: Wer regiert eigentlich in Odysseus Abwesenheit? Ist Penelope die Regentin? Wenn dies so wäre, warum wird ihr dies nun nicht mehr zugebilligt? Weil sie an das Leben von Odysseus gebunden ist, welches nun bezweifelt wird? Dann könnte sie ja aber immer noch rechtmäßige Regentin an Stelle ihres Sohnes sein, bis dieser volljährig wird, was er aber bei Odysseus Rückkehr mit zwanzig Jahren eindeutig ist.
Zum Vergleich: Der Irgendwie-Cousin von Telemach, Orestes, wird als Kind aus dem Haus geschmuggelt, wächst in der Fremde auf, kehrt zurück, tötet Mutter und Thronräuber, wird dann von den Furien durch Griechenland gehetzt, muß bis nach Tauris zu seiner Schwester, aber als er dann heimkommt nach Mykene, gibt es keinen Zweifel, daß er als rechtmäßiger König herrscht. Wer aber regiert solange in Mykene? Wenn Menelaos, dann doch auch als Regent?
Die Schlüsselfrage des Dramas erscheint mir also nicht ganz schlüssig. Wäre ich ein Grieche des 8. Jhs. und ein Rhapsode trüge mir die Geschichte vor, schüttelte ich doch das lockige Haupt und riefe fragend: „Wo eigentlich liegt das Problem?“