Diese Münzen werden Herodes Antipas zugschrieben:
Judaea - Herodianer, Herodes Antipas, Schekel Jahr 130-131= 4-6 n.Chr., ss
Judaea - Herodianer, Herodes Antipas, Schekel Jahr 161 = 35/36 n.Chr., ss
Stimmt das?
Das ist eine interessante Frage. Der tyrische Schekel war für die Juden m. W. ja als Tempelsteuer-Währung von Bedeutung. Mir ist bisher nur die ganz verwandte Überlegung des oben erwähnten Meshorers bekannt, dass Herodes d. Gr. solche tyrischen Schekel geprägt haben könnte. Ich werde mir das entsprechende Kapitel bei Meshorer mal durchlesen, um zu schauen, wie stark die Argumente dafür tatsächlich sind und worauf diese Zuordnung überhaupt basiert. Im Moment kann ich aber leider noch nichts dazu sagen.
@ Moderatoren: Weil ich's angekündigt hatte, erstatte ich hier Bericht. Falls der Beitrag aber im Faden störend wirkt, weil er in Bezug auf's Thread-Thema so Nebensächliches behandelt, bitte ich die Moderation, ihn zu verschieben.
@ Sepiola
Von Herodes dem Großen sind ausschließlich Bronzemünzen bekannt; nie wurden Silber-Münzen dieses jüdischen Herrschers und röm. Klientelkönigs gefunden. Das findet der Numismatiker Meshorer angesichts der polit. Größe dieses Herrschers nicht alleine seltsam, sondern auch andere Fachmänner wunderten sich schon darüber. Bisher behalf man sich mit der Erklärung, dass die Römer dem Herodes offenbar von Anfang an und konsequent das Recht, Silbermünzen zu schlagen, verwehrt haben müssen. Meshorer stellt eine neue Hypothese auf – in den Kapiteln „What about Herod's Silver Coins?“, „The Tyrian Shekel“ u. „The Tyrian Shekel Minted in Jerusalem“ aus Meshorer, Ya'akov: A Treasury of Jewish Coins, Jerusalem 2001, S. 72-78: Herodes ließ sehr wohl Silbermünzen in Jerusalem prägen und zwar jene
Tyrischen Schekel (im folgenden: TS), die nach 19 v. Chr. geschlagen wurden. Da TS bis 65/66 n. Chr. geprägt wurden, muss man nach Meshorer annehmen, dass auch die Nachfolger des Herodes in der Herrschaft über Judäa die TS in Jerusalem prägen ließen. Ich will dieser Hypothese im Folgenden nachgehen:
126 v. Chr. erlangte die Stadt Tyros Autonomie. Der Kopf des Seleukiden-Herrschers flog runter; die tyrischen Silber-Schekel wurden seitdem geziert vom Portrait des tyrischen Stadt-Gottes Herakles-Melqart auf der Vorderseite. Der Adler auf der Rückseite blieb; um den Adler herum steht stets die Inschrift ΤΥΡΟΥΙΕΡΑΣ ΚΑΙΑΣΥΛΟΥ („Tyros die Heilige und Unverletzliche“). Auf allen Münzen ist links vom Adler die Datierung zu finden, rechts stehen verschiedene Monogramme (deren Aussagen wir zum größten Teil nicht mehr nachvollziehen können).
Zur Auflösung der Münz-Datierungen ab 126 v. Chr., die nach der tyrischen Ära gegeben sind, siehe
atp-corp.com All Things Possible Corporation: Tyre Shekel Dating -by James Knox - wo allerdings die Überschrift richtig lauten müsste „Tyre Shekel Dating: TYRIAN Era ...“.
Zum sonstigen Nachweis dieses Beginns der tyrischen Ära aus den Quellen siehe
Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie; das Zeitrechnungswesen der Völker (S. 45 unten bis S. 46 unten).
Nun ist es so, dass es zwischen den TS vor und denen nach 19 v. Chr. (Jahr 108 der tyr. Ära) einen Unterschied in der Präge-Qualität gibt, der selbst für den Laien z. B. hier
tyrian shekels - NumisWiki, The Collaborative Numismatics Project zwischen Fig. 6 und Fig. 7 gut zu erkennen ist.
Außerdem weisen alle TS ab dem Jahr 109 der tyr. Ära auf der Rückseite rechts neben dem Adler das Monogramm KAP bzw. KP (griech. Buchstaben Kappa Rho) auf (die KP-Variante sehr viel häufiger). (Auf den TS vor dem „Bruch“ 19 v. Chr. waren an dieser Stelle wechselnde und verschiedene Monogramme zu sehen.) Bestens entzifferbar ist das KP z. B. bei Fig. 14 unter
tyrian shekels - NumisWiki, The Collaborative Numismatics Project (Beispiele für frühere Monogramme auf den autonomen TS-Prägungen sind Fig. 3 bis Fig. 6). Andere Monogramme wechseln also auf den TS, während das K(A)P von 19/18 v. Chr. bis 65/66 n. Chr. durch 84 Jahre hindurch konstant auftaucht.
So, aber was hat der TS überhaupt mit den Juden und im Speziellen mit den Herodiern zu tun?
Der Jerusalemer Tempel war nicht nur das religiöse Zentrum der Juden, sondern auch eine Art 'Zentralbank'. Der halbe Schekel, den jeder männl. Jude ab einem Alter von 20 Jahren jährlich an den Tempel zu entrichten hatte, war eine wichtige Einnahmequelle der Tempelkasse.
In dem Mischna-Traktat Shekalim wird die Schekel-Währung, welche allein für die Tempelsteuer akzeptiert worden war, näher definiert: Nach der Rückkehr aus dem Exil habe man die Steuer in Darcis und Selas zu entrichten gehabt, ganz am Schluss (also die letzten Jahrzehnte vor 70 n. Chr.) in röm. Denaren, in der Zeit dazwischen aber in Tebain – ein wohl auch aus phönizischen Inschriften bekannter Name für den TS. Seit der Hasmonäer-Zeit waren die tyrischen Münzen waren auch laut Mischna, Bekhoroth 8, 7 die offizielle Währung des Tempels – wohl vornehmlich deshalb, weil sie so gut wie aus reinem Silber waren.
Als der Osten zur Zeit des Augustus fest unter römischer Herrschaft stand und die Römer die Münzhoheit innehatten, änderte sich einiges im Osten: So um 30/20 v. Chr. wurden die autonomen Silber-Prägungen mancher Städte eingestellt, stattdessen wurden die Münzen für Syrien u. Phönizien jetzt in Antiochia am Orontes, für Kleinasien z. B. in Caesarea in Kappadokien geprägt. Die letzten Sidonischen Schekel stammen aus dem Jahr 30 v. Chr., „only a few half-shekels were minted up to 42 C.E.“.
Jetzt grundlegende Argumentations-Stränge Meshorers:
„However, Tyre continued to mint successively, even with greater vigor, up to the year 65/66 C.E. This is surprising since, according to the ancient historian Cassius Dio, Augustus punished its citizens for the riots that had occurred there in 20 B.C.E. [siehe Cass. Dio: hist. 54, 7, 6] It is difficult to understand how a city was punished and at the same time continued to mint an abundance of autonomous silver coins.
It seems to us that both of the surprising elements – the continued minting of Tyrian shekels in Tyre an the absence of Herodian silver coins – could be resolved by a single proposal. Perhaps the qualitative change in the Tyrian shekels after 20 B.C.E. can be attributed to nothing more than a change in the place of their minting. In other words, the need for a steady and regular flow of Tyrian shekels to the Temple in Jerusalem, if their minting in Tyre had indeed been stopped for political reasons, led to a situation in which the Temple authorities had no alternative but to mint them themselves, both to maintain in a proper fashion the precept of the half-shekel tax and to derive therefrom a substantial monetary profit.
[…]
It seems to us that at this stage of Herod's activity, after the rebuilding of the Temple had been completed, he built a mint in it that continued to issue, at an ever increasing rate, Tyrian shekels, the minting of which in Tyre had ceased. The new mint in the Temple added the monogram [K(A)P] to the coins as its special mint mark.
[…]
In Tosefta to the Mishna in the above-mentioned passage, the Mishna adds a commentary: 'What is a Tyrian silver (coin)? It is a Jerusalemite' (Ketubbot 13, 20).
(Rechtschreibfehler sind von mir)
Für Meshorers Argumentation ist außerdem von Bedeutung, dass der letzte TS von 65/66 n. Chr. stammt. Dass in oder unmittelbar nach diesem Jahr in Tyros irgendeine Veränderung, irgendein polit. od. wirtschaftl. Umbruch stattgefunden hat, weshalb die TS-Prägung aufgegeben worden sein könnte, ist aus den Quellen nicht bekannt. In Judäa aber rüsteten sich die Juden zum Aufstand gegen die Römer. Tatsächlich haben die Aufständischen ab 66 n. Chr. eigene Silber-Schekel geprägt, mit der Aufschrift „Jerusalem, die Heilige“ und jüd. Inschriften u. Symbolen (ohne Portraits). Aus welchem Grund sollte also die Prägung der TS genau zu dem Zeitpunkt aufgehört haben, als die Juden eigene Silber-Schekel zu prägen anfingen, wenn nicht aus dem Grund, dass die TS-Herstellung längst unter jüdischer und nicht unter tyrischer Kontrolle war?
Ich fasse also mal zusammen:
Laut Cassius Dio (54, 7, 6) marschierte Augustus 20 v. Chr. in Tyros ein und versklavte die Bevölkerung. Gut vorstellbar, dass der Stadt in diesem Zuge auch das Recht verloren ging, Silbermünzen zu prägen, und dass keine TS mehr in Tyros geschlagen wurden. Auf der anderen Seite ist es für Meshorer gut vorstellbar, dass König Herodes das Recht, Silbermünzen zu prägen, besaß. Die Währung der Jerusalemer Tempel-Wirtschaft war bisher der TS. Also könnte man in Jerusalem in der Folge die TS geprägt haben, weil man nicht auf diese Währung verzichten wollte. Dazu passt, dass die TS ab 19/18 v. Chr. unverkennbare Unterschiede zu den früheren TS aufweisen. Außerdem prangt ein und dasselbe Monogramm auf allen TS ab 19/18 v. Chr., welches davor nicht auftaucht. Dann ist da die Sache, dass die TS-Produktion in dem Jahr stoppt, in welchem die Produktion der jüd. Aufstands-Schekel einsetzt.
Man sieht also, dass Meshorers Hypothese, dass unter der Herodes-Dynastie zwischen 19/18 v. und 65/66 n. Chr. zu Jerusalem TS geprägt wurden, einiges für sich hat. Meshorers Hypothese begegnet einem im Netz und in der Literatur auch immer wieder, wird durchaus gerne übernommen.
Aber könnte das K(A)P auf den TS ab 19/18 v. Chr. nicht auch für für KAICAP = Caesar stehen? Dann wäre es nach dem Erscheinen des Augustus in Tyros 20 v. Chr. auf den Prägestempeln hinzugefügt worden. Und vllt. übernahmen die Produktion der TS von diesem Zeitpunkt an, an welchem die Stadt ihre Freiheit verlor, die römischen Behörden, was auch wieder die Veränderung i. d. Qualität der Prägungen ab diesem Zeitpunkt erklären würde.
Im „FORVM ANCIENT COINS“ habe ich eine sehr aufschlussreiche Diskussion zum Thema gefunden:
Shekels of Tyre minted in Jerusalem
Dort wird der Wert von Meshorers Hypothese relativiert und einige namhafte Gegner dieser Hypothese erwähnt (z. B. Donald T. Ariel). Ebenso wird die These von Brooks Levy und David Hendin genannt, dass Herodes die Tyrer beauftragt haben könnte, für ihn TS zu prägen. Unter anderem wird verwiesen auf
http://www.mcu.es/museos/docs/MC/ActasNumis/Later_Tyrian.pdf Aus diesem Aufsatz von Brooks Levy verstehe ich zu wenig, wenigstens aber das hier:
[...] in fact the largest single find of late shekels – the Usfiye hoard, of over 4,000 pieces, closing in 53/54 CE – was buried much closer to Tyre than Jerusalem.