Kolberg der Film

Moltke d. Ä.

Mitglied
Guten Tag alle zusammen,

ich spreche heute mal ein kritischeres Thema an, welches mir dennoch am Herzen liegt. Es geht um den Film Kolberg. Dieser ist ja bekanntlich zensiert. Die Hintergründe dafür ja ausreichend diskutiert.

Nun habe ich aber den Film mehrmals gesehen und muss sagen, dass dieser nicht viel anders wirkt, als ein x-beliebiger Sandalenfilm und, meines Empfindens nach, kritischer ist, als ein pro-Vietnamfilm der Amerikaner, wie z.B. "Wir waren Helden".

Ich finde, gerade für Leute, welche sich für die Zeit der Napoleonischen Kriege interessieren, bietet dieser Film eine gute Darstellung an Uniformen und Charakteren.
Ich empfinde es als richtig, den Film nicht im Fernsehen laufen zu lassen, aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen der Opfer, welche mit diesem Film sinnlos in den Tod geschickt wurden, obwohl schon alles verloren war.
Aber ich finde, man sollte ihn überall kaufen dürfen und ansehen dürfen. Eine so weitreichende Zensur ist hier mMn fehl am Platz.

Er wirkt einfach wie ein Kriegsfilm, in dem es um alles oder nichts geht. Davon werden heutzutage dauernd welche produziert.

Wie seht ihr das? Ich hoffe, man kann hier vernünftig darüber diskutieren.
 
Ich mußte grad auch erstmal googeln, weil ich unsicher war, denn der Film lief schließlich schon im frei empfangbaren Fernsehen bei ARTE.
Nach Wiki ist er ein Vorbehaltsfilm, was heißt - wenn ich das richtig verstehe - daß der Film nicht von Staatsseite verboten ist, sondern nur unter Auflagen des Rechteinhabers, also der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, beschränkt aufgeführt werden darf.
 
Also ich finde den Film höchst propagandistisch. Lernen kann man aus dem Film über die tatsächlichen Ereignisse von 1806/07 bzw. 1813 kaum etwas. Es ist vielleicht etwas makaber/bezeichnend, dass der als Held in dem Film charakterisierte Nettelbeck in Wahrheit zeitweilig mit dem Sklavenhandel in Kontakt kam. So arg schwierig finde ich es auch nicht, an den Film ranzukommen. Man hätte ihn sich ja damals, als er auf Arte lief, einfach aufnehmen können. Wer weiß, vielleicht läuft er ja auch im Zuge eines Themenabends nochmal im Fernsehen - selbstredend in den richtigen Kontext gesetzt.
Dass er nicht oder nur selten ausgestrahlt wird, scheint mir nun den Zuschauern auch nicht gerade einen Meilenstein der Filmgeschichte vorzuenthalten. Am interessantesten scheint mir der Film noch aus der Sicht, dass man noch mehr über das Weltbild/Propagandabild der Nazis erfährt.
 
Also ich finde den Film höchst propagandistisch. Lernen kann man aus dem Film über die tatsächlichen Ereignisse von 1806/07 bzw. 1813 kaum etwas. Es ist vielleicht etwas makaber/bezeichnend, dass der als Held in dem Film charakterisierte Nettelbeck in Wahrheit zeitweilig mit dem Sklavenhandel in Kontakt kam. So arg schwierig finde ich es auch nicht, an den Film ranzukommen. Man hätte ihn sich ja damals, als er auf Arte lief, einfach aufnehmen können. Wer weiß, vielleicht läuft er ja auch im Zuge eines Themenabends nochmal im Fernsehen - selbstredend in den richtigen Kontext gesetzt.
Dass er nicht oder nur selten ausgestrahlt wird, scheint mir nun den Zuschauern auch nicht gerade einen Meilenstein der Filmgeschichte vorzuenthalten. Am interessantesten scheint mir der Film noch aus der Sicht, dass man noch mehr über das Weltbild/Propagandabild der Nazis erfährt.


Etliche Propagandafilme, darunter auch wesentlich härtere Kost wie "Der Ewige Jude" und "Jud Süß" habe ich vor einigen Monaten schon auf Youtube entdeckt.
Ich muss mich bei dem Streifen Kolberg immer wundern, was die UFA noch kurz vor Ladenschluss ultimo an Komparsen, Kostümen und Durchhalteparolen noch aufbieten konnte. Die Ostfront war im Sommer 1944 mehr oder weniger zusammengebrochen, die Rote Armee stand schon in Ostpreußen, die Westfront wurde von Amerikanern und Briten aufgerollt. Es mangelte an Treibstoff, Munition, eigentlich an allem. Mein Opa erzählte mir mal, dass ab 1943/44 die Artillerie Formulare ausfüllen musste, in denen über Muniverbrauch, beschossene Ziele und Ergebnisse des Beschusses Auskunft gegeben werden musste. An der Front tauchten Kinder auf, aber die UFA drehte in Farbe und bot Komparsen und Kostüme auf wie Hollywood.
 
Er ist zumindest auf YouTube zu sehen. Evtl. läuft da eine gekürzte Version.

Die Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung und Liebhaber derer Freiheiten hatten auch als Sklavenhalter ihr Geld verdient. Das sollte man in den Augen ihrer Zeit beurteilen. Heutzutage wäre das freilich zum Glück ein Skandal.
Nettelbeck wird in dem Film ja eher als etwas unfähig dargestellt. Gneisenau korrigiert ihn ja mehrmals.

Was sind denn die propagandistischen Momente? Und ich meine nicht die, welcher jeder amerikanische Kriegsfilm heutzutage hat.

Wenn ich nicht mehr vom Handy aus schreiben muss, schreibe ich auch mal ausführlichere Texte.
 
Kolberg mischt den Mythos vom Befreiungskrieg mit einer Prise nationalsozialistscher Durchhalteparolen. Geschichtlich lernt man wie Brissotin schon meinte wenig bis gar nichts, insbesondere Lucadou wird völlig falsch dargestellt. Inhaltlich ist Kolberg sicherlich kein Meisterwerk, aber die Massenszenen und Filmtechnik machen den Film interessant (nicht zu vergessen die Aussagekraft zur Rezeption der napoleonischen Kriege im Dritten Reich). Im Prinzip wird den Zuschauern mittlerweile nichts mehr vorenthalten. Kolberg ist jederzeit über Youtube abrufbar. Wem das zu neumodisch sein sollte, der kann Kolberg auf Videokassette auch problemlos über Bibliotheken als Fernleihe bekommen. Ich habe Kolberg so z.B. mal in der Oberstufe im LK gesehen.
 
Was sind denn die propagandistischen Momente? Und ich meine nicht die, welcher jeder amerikanische Kriegsfilm heutzutage hat.
Öhm, die Anfangsszene schon allein. Als wären die Deutschen - äh Preußen allesamt von Körner beseelt rumgerannt. Die Parallelen zu den Ereignissen des Kriegsendes sind doch sehr deutlich.
Natürlich gibt es auch US-amerikanische Kriegsfilme mit propagandistischen Zügen, aber das ist ja hier nicht das Thema. :pfeif:
 
Was sind denn die propagandistischen Momente? Und ich meine nicht die, welcher jeder amerikanische Kriegsfilm heutzutage hat.

Das Wort
, das immer und immer wieder insbesondere vom strahlenden Durchhaltehelden Gneisenau wiederholt wird!

Das ist Jahre, nachdem ich den Film auf ARTE gesehen habe, das einzige, was sich - zumindest bei mir - richtig fest eingebrannt hat.

M. E. waren die damaligen NS-Propagandafilme psycholotechnisch auf diabolische Weise wirklich "gut" im Sinne von wirksam gemacht - siehe auch unsere Diskussion zu "Der Große König". War bei diesem noch die Botschaft "Ihr müsst nur auf den Führer vertrauen, dann wird am Ende alles gut und siegreich und heldenmütig - hört nicht auf die feigen Generäle, die verräterischen Verbündeten und die verweichlichten Zivilunken!", so lautet bei Kolberg die Botschaft: "Wenn ihr rücksichtslos genug seid (gegenüber Feinden, Deserteuren, Juden, Zigeunern, Russen, Euren Vätern, Müttern, Frauen, Männern, Kindern, Städten, Fremdarbeitern gegenüber), dann werden am Ende ein paar Helden übrig bleiben und das Reich (Kolberg) nicht vom pösen Feind eingenommen.

Das ist für mich die propagandistische Quintessenz von "Kolberg": Bis zum allerallerallerletzten ohne Rücksicht auf Verluste weitermachen, was immer auch passiert und dabei noch zerstört wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Anfangszene stimmt natürlich. Die hatte ich völlig vergessen. Allerdings könnte man hier auch reininterpretieren, wie nunmal Massen an Landwehrmännern die preußische Armee verstärkt haben, eben in einer kurzen Filmsequenz künstlerisch so dargestellt. Ab und an wird es vllt. auch mal solche Massenfreiwilligenmeldungen gegeben haben. Zumindestens halb so kleine Gruppen. Aber es sieht ja schon übertrieben aus.

Ich wollte das schon mit heutigen Filmen vergleichen. Gerade mit Amerikanischen.

Danke aber auf jedenfall für die bisher absolut sachliche Diskussion!
 
Ich denke, gerade dass heute noch einige Leute, diese Filme für historisch weitesgehend korrekt und "nicht so schlimm" halten, zeigt doch den Reiz, den diese Art von Filmen für die NS-Propaganda-Maschinerie hatte. Im Sektor historischer Film war es schon damals, wie auch heute noch, üblich, die historischen Ereignisse verzerrt darzustellen. Es war die Zeit, als in Frankreich Napoleon schon in der Stummfilmära beispielsweise zum großen Heroen stilisiert wurde. Da war es doch naheliegend, den generell mit der Wahrheit nicht so ernst nehmenden Historienfilm für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Zudem kursierten viele, viele Schundromane oder Erzählungen, die bereits Vorarbeit leisteten und einen ähnlich mythischen Heldenkult zelebrierten. Zeitgenossen wie Jelusich setzten in ihren Büchern Männern wie Scharnhorst ("Der Soldat" 1937) oder Sickingen ("Der Ritter" 1939) als Vordenker einer deutschen Stärke ins "rechte" Licht. Ich denke, dass eine fragwürdige Handlung dann auch garnicht hinterfragt wurde. Außerdem gab es ja in Deutschland in den 30er Jahren garkeine Geschichtsschreibung, die irgendeine Filmproduktion hätte wissenschaftlich bewerten können. Somit bildeten Geschichtsbild, Literatur (egal ob nun zu "Helden" des 66er Krieges, der Befreiungskriege oder des Siebenjährigen) und Propagandafilm meines Erachtens sicherlich ein in sich stimmiges Gesamtbild, das vom damaligen Publikum wahrscheinlich garnicht hinterfragt wurde.

Ein auffälliger Vorteil ist auch, dass sich der an der Historie angelehnte Propagandafilm weitaus weniger als die "im Jetzt" spielenden Kriegsfilme an der politischen-militärischen Großwetterlage orientieren mussten. Man denke an "Besatzung Dora", wo entsprechend den Rückzügen der Wehrmacht dauernd das Drehbuch umgeschrieben werden musste, um die Handlung nicht grotesk/widersprüchlich erscheinen zu lassen.
 
Mal eine andere Frage, vielleicht weiß es jemand. Woher stammt eigentlich das im Film "Kolberg" mehrmals erwähnte Zitat, mit dem Goebbels das allerletzte Aufgebot verabschiedete:

"Nun, Volk steh auf und Sturm brich los".
 
Die Anfangszene stimmt natürlich. Die hatte ich völlig vergessen. Allerdings könnte man hier auch reininterpretieren, wie nunmal Massen an Landwehrmännern die preußische Armee verstärkt haben, eben in einer kurzen Filmsequenz künstlerisch so dargestellt. Ab und an wird es vllt. auch mal solche Massenfreiwilligenmeldungen gegeben haben. Zumindestens halb so kleine Gruppen. Aber es sieht ja schon übertrieben aus.

Ich wollte das schon mit heutigen Filmen vergleichen. Gerade mit Amerikanischen.

Danke aber auf jedenfall für die bisher absolut sachliche Diskussion!
Aber das ist es ja eben. Diese Darstellung der Landwehr ist völlig fragwürdig. Ein seltsamerweise ebenso verfälschtes Bild von den Befreiungskriegen lieferte die DDR.

Ich würde mich da an Deiner Stelle nicht aufs Glatteis begeben. Man muss da schon unterscheiden zwischen den NS-Filmen, die staatlich gelenkt und letztlich entscheidend gefördert waren und heutigen Spielfilmen, die einfach - ähm - einen heimischen Publikumsgeschmack treffen sollen.

Zu dem Zeitschnitt (1807/1813) fallen mir obendrein nur sehr wenige so arg proamerikanischen Filme ein. Es ist ja schon erstaunlich, wie wenig Widerhall der War-of-1812 in Hollywood findet und das sogar zum 200. Jubiläum. Im Moment fallen mir mit Staraufgebot nur ein paar wenige Filme wie "König der Freibeuter"/"The Bucaneer" mit Yul Brynner als Jean Lafitte und Charlton Heston als General Jackson in den Hauptrollen sowie "Davy Crockett, King of the Wild Frontier" (1955) mit Fess Parker als Crockett und Basil Ruysdeal als Jackson ein.
 
Ich glaube nicht, dass Körner gewollt hat, dass Millionen Menschen sinnlos ermordet werden. Man muß das aus seiner Zeit betrachten. Ausbeutung, Vergewaltigung, Erniedrigung durch die Franzosen waren an der Tagesordnung. Und das jahrelang.

Ich kenne die negativen Einstellungen zu Körner. Verdient hat er es mMn nicht.
 
Aber das ist es ja eben. Diese Darstellung der Landwehr ist völlig fragwürdig. Ein seltsamerweise ebenso verfälschtes Bild von den Befreiungskriegen lieferte die DDR.

Ich habe früher eigentlich recht häufig und regelmäßig DDR- Fernsehen gesehen. In den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts änderte sich ein wenig die Sichtweise der DDR auf Preußen, das in den 60ern und 70ern überhaupt nicht als Vorbild, eher als Feindbild eignete und als revanchistisch, reaktionär und militaristisch galt. Ulbricht hatte noch das Stadtschloss der Hohenzollern plattgemacht und dort den Republikpalast (Palazzo Protzo) errichten lassen.
Anfang der 80er Jahre lief eine recht aufwendig gestaltete mehrteilige Defaproduktion "Scharnhorst", und als 1986 in der BRD Gedächtnisfeiern zum 200. Todesstag Friedrichs II. stattfanden, feierte auch die DDR, und die Defa brachte einige durchaus ausgewogene und sehenswerte Produktionen, die sich mit Preußen beschäftigten.

An Defaproduktionen zum Thema Befreiungskriege kann ich mich ehrlich gesagt nur an den Mehrteiler "Scharnhorst" erinnern, und den fand ich eigentlich recht gelungen.

Wäre vielleicht wirklich mal einen Thread im Forum wert:
Die DDR und die Preußenrezeption von 1949- 1989.
 
Ich habe früher eigentlich recht häufig und regelmäßig DDR- Fernsehen gesehen. In den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts änderte sich ein wenig die Sichtweise der DDR auf Preußen, das in den 60ern und 70ern überhaupt nicht als Vorbild, eher als Feindbild eignete und als revanchistisch, reaktionär und militaristisch galt. Ulbricht hatte noch das Stadtschloss der Hohenzollern plattgemacht und dort den Republikpalast (Palazzo Protzo) errichten lassen.
Anfang der 80er Jahre lief eine recht aufwendig gestaltete mehrteilige Defaproduktion "Scharnhorst", und als 1986 in der BRD Gedächtnisfeiern zum 200. Todesstag Friedrichs II. stattfanden, feierte auch die DDR, und die Defa brachte einige durchaus ausgewogene und sehenswerte Produktionen, die sich mit Preußen beschäftigten.

An Defaproduktionen zum Thema Befreiungskriege kann ich mich ehrlich gesagt nur an den Mehrteiler "Scharnhorst" erinnern, und den fand ich eigentlich recht gelungen.

Wäre vielleicht wirklich mal einen Thread im Forum wert:
Die DDR und die Preußenrezeption von 1949- 1989.
Meine Erinnerung bezieht sich im Grunde nur auf zum einen Schulbücher aus den späten 80ern und zum anderen militärhistorische Werke (Militärverlag der DDR u.a.). Dabei hatte ich den Eindruck, dass schon zwischen dem preußischen "Junkertum" und den lieben Befreiungskämpfern unterschieden wurde. Schon das Jugendbuch "Der schwarze Jäger aus Sachsen" von 1983 in der Reihe "Spannend Erzählt" (Verlag Neues Leben, Berlin) stellte im Grunde alle Lützower als positive Figuren hin. Würde man heute wahrscheinlich, außer vielleicht rechte Gruppierungen, so in der Form auch nicht mehr machen.

Das Werk "Der Soldat" zu Scharnhorst bspw. landete in der DDR bzw. schon zuvor auf der "Liste der auszusondernden Literatur". Dennoch wurde es in Österreich bspw. wiederaufgelegt, wo man offenbar weniger Skrupel mit dem Inhalt und der Kernaussage des Buches hatte.
 
Warum sollten Menschen, welche in den Lützowern tugendhafte Menschen sehen, rechte Personen sein?

Ist dann unsere Deutschlandfahne eine erneute Nazifahne? Die Erhebung gegen Unterdrückung und Ausbeutung schlechter, als deren Hinnahme?

Vllt. sollten viele Menschen einfach mal wieder nach den Gründen dahinter fragen. Dann würden sie ihre Heimat auch positiver sehen. Man kann ja zur Not auch auswandern, wenn man sich mit der eigenen Geschichte nicht identifizieren kann. Es war eben bei weitem nocht alles schlecht.
 
Körner. Überhaupt zu Recht eine Vorbildfigur der Nazis. Theodor Körner (Schriftsteller) ? Wikipedia

Wie kann eine Person als zu Recht der Vorbildfunktion einer Ideologie die über 100 Jahre später den Nationalen Gedanken der Zeit Körners für sich auf die Fahnen schreibt eingestuft werden?

Das diverse Ereignisse oder Personen für die eigenwilligen Ideologien der Randspektren genutzt werden, macht diese doch nicht auch zu deren geistigen Handlangern?
 
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