Handschrift entziffern

Jenatsch

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Hallo Geschichtsfans

Meine Eltern haben vor kurzem das Haus und beim Räumen fanden wir auf dem Dachboden eine Bibel aus dem Jahr 1736. Ganz vorne auf den ersten Seiten waren auch einige handschriftliche Notizen zu lesen, die ich aber leider nicht entziffern kann. Einzig einige Jahreszahlen zwischen 1738 und 1744 und das obligate "Anno" sind für mich lesbar.

Kann jemand von Euch diese Schrift lesen? Ich würde mich über eure Hilfe sehr freuen :yes:

Ein Bild befindet sich im Anhang. Hier noch der Link zu einer grösseren Version (knapp 2 MB): https://www.dropbox.com/s/50wfida401l11up/Bibel1736_gr.jpg

Entschuldigt bitte die Schatten und Knicke oben rechts. Leider habe ich zur Zeit kein bessere Bild zur Verfügung.

Vielen Dank für Eure Mithilfe!
 

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Wie unschwer zu erkennen, erfolgten die oberen Einträge von anderer Hand als die unteren. Auch die Tinte scheint eine andere zu sein, die obere erscheint dunkler. Die Namen des ersten Eintrags sind natürlich schwierig zu entziffern: In der ersten Zeile ist der Name von einem Knick verdeckt und zudem verzerrt. Der zweite Name erscheint als Abkürzung. Der Text lautet:

Anno 1740 [darüber wurde 38 geschrieben] den 17 [?]Monat hat [?]ied
mit [Wilhelma? LuZie?] hochZeit gehalten
Gott verbinde sie [Rest der Zeile ist so nicht zu lesen] [EDIT: mit Ghnade gegen-]
einander, in Liebe Gu[...] bis [Rest der Zeile ist so nicht zu lesen]

Anno 1739 den 16 Geistmonat ist Ihnen [E]in To[chter]
gebohren Namens [Carbla/Carola?]
Gott laße Sie Zu seiner Eh[re] u[nd zu]
Ehren Eltrn freud aufwachsen

Anno 1741 den 22. Tag Wintermonat I[st]
Ein Tochter gebohren mit Namen ElisaBe[th]
Verleihe uns die gnad das Wir Sie können [zu]
Ehren gottes auferZihn, Ihr Zeichen ist Wag

Anno 1744 den 17 Tag We[?]Monat ist
Widerum ein Tochter gebohren mit namen [?]
im Leü Gott Verleihe uns die gnad das [wir]
Sie können Zu der Ehren Gottes auferZiehen

Solche Familienereignisse in Bibeln festzuhalten war schon früh üblich. Aus einem Nachbarort kenne ich eine Bibel, die solche Einträge und Urkundenkopien aus dem 16. Jh. enthält.

Für die Zeilenenden und Knicke bräuchte man ein besseres Bild. Aber Vorsicht! Nicht mit Blitz ablichten! Bis zum Beginn des 20. Jh. sind Tinten lichtempfindlich. Bei Namen hilft es oft, wenn man die in Frage kommenden schon kennt. Ohne diese Kenntnis und ohne Knickfreies Bild und müsste ich raten, würde ich beim ersten Namen auf Hans Vied tippen.
 
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Riothamus, vielen Dank für die schnelle Antwort!

Ich hatte am Wochenende leider wenig Zeit und auch nur das Handy dabei. Ich werde versuchen die Seite vorsichtig glatt zu streichen und bei besserem Licht mit der Spiegelreflex abzulichten. Das kann aber noch einige Zeit dauern, da z.Zt. das Buch bei meinen Eltern liegt.

Ein möglicher, mir bekannter Nachnahme der entfernt zu Vied passen könnte ist Varnier (oder auch in der Form Warnier, Vernie, Vernier - ein nach und nach eingedeutschter Hugenotten-Name).
 
Was genau ist ein "Geistmonat"?
Habe dazu nichts gefunden, nur was aus China, aber das ist es bestimmt nicht.
 
Ich tue mich trotz "Lösung" immer noch recht schwer diese Schrift zu lesen. Aber könnte es anstatt "Geistmonat" nicht auch "Christmonat" (also Dezember) heissen? Zumal der zweite(?) Buchstabe ähnlich aussieht wie das h in den anderen Wörtern im selben Eintrag.
 
Ich würde "Christm:" lesen. Das große "G" ist zu der Zeit oftmals noch verschnörkelter und bekam erst in der zweiten Hälfte des 18.Jh. eine recht einfache Form. An anderen Stellen sieht man auch beim Wort "Gott" wie das "G" damals geschrieben wurde. Der "Christmonat" war früher der Dezember, gemeint ist also der 16. Dezember.

Am Anfang würde ich sagen, heißt es:

Anno 1738 [Korrektur von damals] d(en) 17. Herbstm. [Herbstmonat/Herbstmond, der 9. Monat im Jahr siehe http://de.wikipedia.org/wiki/September ] hat Hans Stied [oder Ried] mit wen, [Tintenfleck oder sowas, macht das sehr schwer zu entziffern] so Luzi HochZeit gehalten Gott verbinde sie mit Ahne und gegeneinander; in Liebe Gnad bis an [?] Ende.
 
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Ja, das heißt Christmonat. Beachtet bitte die Uhrzeit zu der ich das las. Herbstmonat dürfte auch hinkommen. Bei der Beurteilung des restl. ersten Absatzes würde ich lieber auf die glattgestrichene Version warten.

Eine so abgekürzte Wilhelmina ist mir schon mal über den Weg gelaufen. (Vlh.-a) Allerdings fehlt hier der untere Bogen des h, was aber nicht unbedingt gegen die Lesung sprechen muss. Schließlich ist da der Tintenfleck und Schreibfehler dabei sind gar nicht so selten. Darauf schwören würde ich allerdings auch nicht.

St und R kann ich beim Nachnamen nicht sehen, aber der Buchstabe liegt glaube ich verzerrt vor uns. Für Verniers müsste dabei eine Kürzung vorliegen, die ich so noch nicht gesehen habe. Vom anscheinend so deutlich 'd' geht allerdings ein Strich zum t in der unteren Zeile hinab, könnte also tatsächlich als 'rs' zu lesen sein. Wegen der Kürzung werde ich heute Abend mal im Capelli nachsehen.
 
@ Riothamus oder ist das vielleicht ein K? Große Rs werden manchmal wie ein S und ein t geschrieben. "Verniers" fände ich sehr eigenwillig. Da würde ich eine Ausführung in einer ausländischen Schrift erwarten so wie damals lateinische Worte handschriftlichen zwischen in Kurrent ausgeführten deutschen Begriffen gesetzt wurden. Manchmal war man aber freilich in der Hinsicht freizügiger.
Meine Quelle sind einfach mittlerweile jahrelange Erfahrungen mit Schriftstücken der Mitte des 18.Jh. (ohne Nachschlagewerk, d.h. nur mit Alphabeten aus der Zeit, z.B. in Lehrbüchern des 18.Jh.). Ich lese sie heutzutage eigentlich genauso flüssig wie moderne Handschriften.
Respekt für Deine Versuche zu Transkribieren. :)
 
K oder R kann auch sein, aber ich bin eher der Meinung das das Papier an der Stelle nicht gerade liegt. Erster Impuls war bei mir tatsächlich K oder R. Für st fehlt mir die Ligatur. Das R eben auch auszuschließen war ein Flüchtigkeitsfehler. Ried - oder vielleicht Rieds - käme auch als Nachname vor. Aber ich habe tatsächlich auch schon solche Vs gesehen, wenn man es sich plattgedrückt vorstellt.

Bei schwierig zu lesenden Namen hat mir bisher zu 50% das Einsetzen möglicher Namen weitergeholfen. Daher die Versuche mit Verniers.

Mittlerweile habe ich auch jahrelange Erfahrung im Transkribieren. Allerdings bisher eher weniger aus der Mitte des 18. Jh., eher schon 20 Jahre vorher oder nachher. Und zumeist Kanzleischrift.
 
Vielen Dank für eure Mithilfe

Das versprochene Foto steht ganz oben auf meiner ToDo-Liste. Aber aus zeitlichen und organisatorischen Gründen wird es wohl Mitte nächster Woche werden, bis ich es machen und hier hochladen kann.

Hier aber noch einige Anmerkungen von mir, die vielleicht etwas helfen könnten:

Die Bibel wurde im im nördlichen Teil des Schweizer Kantons Graubünden (Nordbünden) gefunden. Ich vermute, dass die Besitzer auch damals schon hier in der Region gewohnt haben. Belegen kann ich das nicht, aber mir ist, mit Ausnahme der erwähnten Hugenotten, in diesem Familienzweig niemand bekannt, der von ausserhalb hinzu gekommen wäre.

Anno 1738 [Korrektur von damals] d(en) 17. Herbstm. [Herbstmonat/Herbstmond, der 9. Monat im Jahr siehe September ? Wikipedia ] hat Hans Stied [oder Ried] mit wen, [Tintenfleck oder sowas, macht das sehr schwer zu entziffern] so Luzi HochZeit gehalten Gott verbinde sie mit Ahne und gegeneinander; in Liebe Gnad bis an [?] Ende.

Zum Nachnamen "Ried" ist anzumerken, dass es heute in Nordbünden noch einige Personen mit dem Namen Riedi (208 Treffer im Telefonbuch) gibt.

Könnte es anstatt "so Luzi Hocheit gehalten" auch "zu [St.]Luzi HochZeit gehalten" heissen? Der heilige Luzius ist der Patron des Bistums Chur. In Chur selbst gibt es auch eine gleichnamige Kirche (inkl. Priesterseminar) sowie etwa ausserhalb eine Kapelle -> St. Luzi. Auch an anderen Orten in Nordbünden ist sein Name präsent. Über gleichnamige Kirchen müsste ich aber noch etwas recherchieren, spontan fällt mir nur noch eine ein.

Nochmals vielen Dank für Eure Mithilfe :yes:
 
So, hier nun endlich wie versprochen das Foto von der oberen rechten Ecke der Eintragungen.

Noch eine Kurze Anmerkung zum Namen der Braut im ersten Absatz: Der zweite Name ist wohl ihr Nachnahme und lautet Luzi, ein in der Region auch heute noch verbreiteter Name. Und zum genannte Monat im letzte Abschnitt auf der ersten Seite (1744). Könnte hier auch wie im vorangegangenen Abschnitt (1741) der Wintermonat gemeint sein?

Meine Mutter hat mich darauf hingewiesen, das etwas weiter hinten in der Bibel noch zwei weitere zur Hälfte beschriebene Seiten zu finden sind. Leider hat der Zahn der Zeit hier schon deutlich mehr genagt und vor allem der Text der letzten Seite ist teilweise nur noch schwer zu sehen. Die Einträge reichen nun bis Anno 1764.

Ich habe mir erlaubt alle drei Seiten in meiner Dropbox hochzuladen. Hier der Link dazu: https://www.dropbox.com/sh/fo781y63ojzlh7j/6IOs0Fi6tp

Hier das Gleiche in maximaler Auflösung (eventuell muss das gewünschte Bild heruntergeladen werden): https://www.dropbox.com/sh/wu7wsyilu4u9ki9/TNJwZtj7sJ

Ich würde mich über einige Ergänzungen zu den Einträgen von Euch freuen. Vielen Dank für die Hilfe!
 

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Der erste Eintrag lautet dann:

Anno 1740 [darüber wurde 38 geschrieben] den 17 Herbstm. hat Hans Ried
mit [Wle/We sa/na] LuZi hochZeit gehalten
Gott verbinde Sie mit Ihme und gegen
einander, in Liebe Guod, bis an Ihr End

Die Kürzungen vor Luzi könnten auch "Wilhelmine nata", also "Wilhelmine, geborene" heißen. Die Kürzung muss auch nicht Wilhelmine heißen. Es ist hier nur praktisch einen Namen zu benutzen.
 
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Bild 3:

[Ann]o 1759 den 14 Marzen
namß Mathiss gebohren im Zeichen
dess Waser man
Gott Verleihe ihm die gnad, dass
ehr b[äie/öre?] zu der ehre Gottes

Dies Ereignis ist auf Bild 4 oben ein 2. mal eingetragen.

Aber jetzt habe ich für heute keine Zeit mehr.

Wäre der Eintrag aus Westfalen, würde ich dahin tendieren, das B in der letzten Zeile für einen Fehler zu halten und löue, also plattdeutsch für lebe zu lesen. Da ist mal wieder zu sehen, wie vorsichtig man sein muss.
 
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Bild 4/5:
Anno 1759 den 14 Tag Märtzen ist uns
ein Sohn gebohren [mit namen Hans]
Mahtis im Zeichen des [Wassermans] Gott
Verleihe uns die gnad [das wir ihn] könen
Zu der Ehren Gottes [auferzihen und] das er
ein Kind der [...]

Anno 176[2] den [...] ist uns
abermahlen ein Sohn gebohren mit na[men]
Luzi Mathis im Zeichen der Wag Gott
Verleihe uns die gnad das Wir in kö[nen]
Zu der Ehren Gottes auferZihen und das
Er ein Kind der [...]

Bei dem letzten lesbaren Wort stehe ich irgendwie auf dem Schlauch. Mal sehen, ob das nächste Woche immer noch so ist. Vielleicht kann das aber auch ein anderer lesen.

Die schlecht lesbaren Stellen - nach dem Bild würde ich auf Feuchtigkeit oder Nässe als Ursachen schließen - sind zum großen Teil nur zu erraten. Dank des ähnlichen Formulars gelingt dies aber recht sicher, teilw. sogar mit der entsprechenden Rechtschreibung. Wenn die Bibel bei Gelegenheit einem Schriftkundigen ;) gezeigt wird, wird der vom Original wohl besser Lesen können.

Der Monat zu 1744 kann Wintermonat heißen. Der waagerechte Strich über dem 'm' zeigt eine Kürzung an. Nachdem ich es mir nochmal genauer angesehen habe, würde ich den Monat ohne Auflösung der Kürzung als We[r/u/n?]monat lesen.
 
Die Leute müssen tatsächlich mit mir verwandt sein, ich kann manchmal meine eigene Handschrift nach einiger Zeit auch nicht mehr lesen :)

Auf jeden Fall vielen Dank für die Hilfe beim Entziffern. Sollte ich mich endlich einmal an das Erstellen unseres Stammbaumes wagen, werden mir diese Einträge sicher sehr nützlich sein.
 
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