In diesem Zitat geht es um die Perserkriege.
Es geht einfach darum, dass - weniger von den Griechen selbst, sondern vor allem von ihren Verehrern in der Neuzeit - der Kampf der Griechen gegen die Perser zu einem Kampf der Griechen für Freiheit gegen orientalische Despotie hochstilisiert wurde. Dabei wurden (und werden teilweise noch heute) die Perserkriege als Abwehrkampf Europas interpretiert und die Perser als Verkörperung all dessen gesehen, was in Europa abgelehnt wird (die Griechen selbst haben die Perser gar nicht so negativ gesehen!), die Griechen hingegen als Verkörperung all dessen, was Europa (positiv) ausmachen soll.
Die "Güter", die die Griechen verteidigt haben sollen, sind daher diejenigen Güter, die in der Neuzeit in Europa geschätzt wurden und werden und deren Anfänge man gerne bei den Griechen sieht. Diese "Güter" sind allerdings reichlich diffus und interpretationsfähig. Das sieht man schon bei den von Bengtson genannten Beispielen: "politische Freiheit", "geistige Unabhängigkeit", "Individualität", "Europa als Idee und Wirklichkeit" etc. All das soll typisch europäisch sein, während die Perser für Knechtschaft, Despotie, geistlose Prunkliebe statt echter Kultur, und ein System, in dem der Einzelne nichts zählt, sondern nur Teil der Masse ist, stehen sollen, ein System, das unfähig ist, individuelle Begabungen hervorzubringen, oder sie zumindest unterdrückt.
Anzumerken bleibt, dass diese Interpretation des griechischen Freiheitskampfes ahistorisch ist. Die Griechen kämpften nicht für irgendwelche Güter, sondern schlicht dagegen, unter persische Herrschaft zu geraten - wobei überdies anzumerken ist, dass nicht "die Griechen" schlechthin gegen die Perser kämpften, sondern hauptsächlich die des Peloponnes und Athen. Viele Griechenstädte in Mittel- und Nordgriechenland blieben neutral oder unterstützten die Perser sogar aktiv - oft unfreiwillig, weil ihnen keine andere Wahl blieb, teilweise aber auch freiwillig (z. B. weil die in vielen Städten herrschenden Oligarchen von den Persern Unterstützung gegen demokratische Bestrebungen ihrer Mitbürger erhofften).
Als Vorkämpfer der Demokratie kann man die Griechen schon deswegen nicht sehen, weil zur Zeit der Perserkriege noch die wenigsten griechischen Städte Demokratien waren. "Europa als Idee und Wirklichkeit" gab es in der Antike auch noch nicht, im Gegenteil: Aus griechischer Sicht war ein Großteil Europas von geist- und kulturlosen Barbaren bewohnt, die Griechen interessierten sich mehr für den Mittelmeerraum, wo es außer den Griechen und ihren Kolonien noch andere (aus griechischer Sicht zumindest halbwegs zivilisierte) Kulturen gab. (Übrigens war Europa noch nicht einmal als geographischer Begriff im heutigen Sinne fixiert: Z. B. zählte noch im 1. Jhdt. v. Chr. der griechische Historiker Diodor Karthago zu Europa.) Und was die Sache mit der Individualität anbelangt: In Sparta (das in der Antike auch von vielen nichtspartanischen Griechen bewundert wurde) wurde gnadenlos auf das Kollektiv gesetzt, dessen Interessen sich der Einzelne in seinem ganzen Leben unterzuordnen hatte. Aber auch in den meisten anderen griechischen Städten zur Zeit der Perserkriege waren politische und geistige Entfaltungsmöglichkeiten nur für die Angehörigen der aristokratischen Oberschicht erwünscht; die Masse des Volkes hatte zu arbeiten und sich unterzuordnen.