Wo haben die Griechen damals ihre Kolonien gegründet?

Zwei Anmerkungen:

Erstens stammt der Satz nicht von Sokrates, da haben wir nämlich keine gesicherten Zitate. Wenn, dann stammt er vom platonischen Sokrates, was doch ein Unterschied ist.

Zweitens taucht der Satz in der Politeia auf - wenn ich mich recht erinnere - und die gehört ja bekanntlich zu Platons Spätwerken, so dass darin kaum mehr was vom Einfluss des Sokrates festzumachen ist.

Der Satz stammt also von Platon, nicht von Sokrates.
 
Hey ich habe mich hier im Forum angemeldet um zu schauen, ob mir jemand etwas weiterhelfen kann mit Literatur, Quellen, Wissen, etc.

Ich schreibe zurzeit meine Diplomarbeit über die Gründungen von Kolonien der Griechen im Mittelmeerraum und möchte in diesem Kontext unter anderem herausfinden, wie die Griechen des Festlandes die Kolonisten gesehen haben bzw. was sie über die gedacht haben. Meinte die eher, dass die alle im Paradies leben und es ihnen beispielsweise auf Sizilien gut geht und sie besonders durch den Handel alle reich werden, oder waren die Emigranten eher unbeliebt und verhasst?
Habe bereits mehr als die Hälfte meiner Arbeit fertig, habe jedoch trotzdem irgendwie das Gefühl, dass mir ein paar Antworten im Bezug auf die Sichtweise der "Festlandgriechen" hinsichtlich der Kolonisten fehlen.
Bereits verwendete Quellen sind u.a.: Strabo (wenig brauchbares in dem Zusammenhang), Herodot, Pindar (pythische Ode), Thukydides.

Fällt jemand noch eine gute Quelle/Literatur/Ideen/Vorschläge/Gedanken zu dem Thema hat, bedanke ich mich bereits im Voraus.

P.S. Ich habe das alle sehr knapp und eng geschildert, bitte nicht böse sein :winke:
 
Nur ein paar Aspekte unter vielen:

Beschäftige Dich einmal mit dem Verhältnis zwischen Korinth und seiner Kolonie Korkyra, nicht nur, aber insbesondere auch mit dem Konflikt zwischen Korinth und Korkyra um die gemeinsame Kolonie Epidamnos im Vorfeld des Peloponnesischen Krieges. Lies bei Thukydides und Diodor nach und Du wirst einiges über die zwischenstädtischen Verhältnisse und Befindlichkeiten finden.

Weiters kannst Du Dich über das Verhältnis zwischen Korinth und seiner Kolonie Syrakus informieren, u. a. in Zusammenhang mit der Entsendung von Timoleon.

Interessant auch das Verhältnis zwischen Massalia und Phokaia (nachzulesen irgendwo im 1. Buch von Herodot).

Das sind nur ein paar Schlaglichter, vermutlich nicht einmal repräsentativ, aber sie bieten interessante Einblicke in die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochterstadt und die wechselseitigen Befindlichkeiten.
 
Hast du den Sokrates zugeschriebenen Spruch "wir sitzen wie Frösche um einen Teich" ("ὥσπερ περὶ τέλμα μύρμηκας ἢ βατράχους περὶ τὴν θάλατταν οἰκοῦντας", Platon: Phaidon 109b) berücksichtigt?
 
Hey erstmal vielen herzlichen Dank für die beiden Antworten, hilft mir sehr viel weiter. Ich werde mir die Textpassagen jetzt in der Bib holen und mir anschauen, so wie du das schilderst wird es mir durchaus sehr weiterhelfen.

Das mit den Fröschen habe ich auch berücksichtigt ;) :)

Danke!!
 
Strabon ist wohl auch die falsche Quelle, der Mann war zwar ethnisch ein Grieche, aber ich würde ihn eher als griechisch schreibenden Römer betrachten, zumal er ja auch etliche Jahrhunderte nach der griechischen Kolonisation lebte.
 
Interessant ist auch, was Xenophon in Anabasis 5,5 über das Verhältnis zwischen Sinope und seiner Kolonie Kotyora schreibt.

Außerdem muss man berücksichtigen, dass Kolonisten ihre Mutterstadt nicht immer freiwillig verließen, entsprechend war wohl auch das Verhältnis.
Ich glaube, Diodor schreibt irgendwo von einem Fall, wo Kolonisten von ihrer Mutterstadt mit Waffengewalt an der Heimkehr gehindert wurden, allerdings finde ich die Stelle nicht.
 
Sehr gut, vielen dank für die Anregungen.
Das die Kolonisten teilweise "ausgewandert wurden"/gezwungen wurden zu emigrieren habe ich in meiner Arbeit selbstverständlich eingebaut :) Das die dann mit denen aus der Mutterpolis nicht ganz klar gekommen sind, ist naheliegend, jedoch geht es eigentlich um die andere Sicht, nämlich wie haben die Griechen des Festlandes die Kolonisten gesehen und was für einen Kontakt pflegten sie.Natürlich auch über den Handel, jedoch wie sahen sie dann jemanden, der ausgewandert ist und ein paar Jahre später ein wohlhabender Händler ist, bzw. wie in Pindar dann als Sieger der olymp./pyth./etc. Spiele dargestellt hat. Habe ich zwar schon eingebaut, und Oden sind nun einmal (bezahlte) Oden, und es werden die ruhmvollen Taten und Gründungen/Eroberungen beispielsweise aus Sizilien erwähnt und über/neben den Siegen bei den Wettkämpfen gestellt, aber wie haben die Menschen die Kolonisten dann wirklich gesehen?
Ein weiterer Aspekt der mir zu Denken gibt in diesem Kontext ist unter anderem, dass auf dem griechischen Festland etliche Unruhen (Innen- und außenpolitisch => Perser, Kriege zwischen Poleis etc.) stattfanden. War man "neidisch" bzw. hatte man das Bild im Kopf, dass "die in der Magna Graecia" es ganz gemütlich dort haben, bissl handeln und reich werden? So ungefähr stell ich mir das vor, bisschen salopp natürlich formuliert, aber ihr wisst vermutlich wie und was ich damit meine :)

Pindar bearbeite ich gerade, genauso wie Thukydides.. Herodot kommt danach. Das Strabon nicht viel hergibt in diesem Zusammenhang war mir von Anfang an bewusst, jedoch habe ich trotzdem 1-2 interessante und brauchbare Stellen gefunden:
„Als sich aber die Lukaner hier ansiedelten, zugleich auch die Hellenen die beiderseitige Küste bis zur Meerende von Sizilien hin besaßen, kämpften die Hellenen und Barbaren lange miteinander. Die Griechen haben alle dort Wohnenden übel mitgenommen, ihnen große Teile des Landes entrissen und schließlich ihre Macht so vergrößert, dass sie dieses Gebiet und Sizilien das Große Hellas (Magna Graecia) nannten." Strabo VI, 1, 2

Xenophon in Anabasis 5,5 ist ein sehr guter Hinweis, vielen Dank dafür! Werde ich mir, wenn ich Zeit und Motivation wieder gefunden habe, durchlesen und vermutlich auch einarbeiten! :)
 
Ein weiterer Aspekt der mir zu Denken gibt in diesem Kontext ist unter anderem, dass auf dem griechischen Festland etliche Unruhen (Innen- und außenpolitisch => Perser, Kriege zwischen Poleis etc.) stattfanden. War man "neidisch" bzw. hatte man das Bild im Kopf, dass "die in der Magna Graecia" es ganz gemütlich dort haben, bissl handeln und reich werden?
Mir fällt zwar keine eindeutige Quelle für oder gegen eine derartige Sichtweise ein, aber grundsätzlich bezweifle ich, dass es sie gab. In Magna Graecia ging es schließlich auch alles andere als friedlich zu. In Sizilien gab es Kämpfe gegen die Einheimischen, gegen die Karthager und natürlich auch der Griechenstädte untereinander. In Unteritalien stand es nicht viel besser, man denke nur an den Krieg zwischen Sybaris und Kroton, aber auch mit den Einheimischen (Lukaner, Bruttier etc.) gab es häufig Auseinandersetzungen. Vor allem Diodor, aber auch Herodot und Iustinus bieten eine Menge Anschauungsmaterial dazu.
Dagegen, dass man in Griechenland glaubte, dass es in Magna Graecia gemütlich zugehe, spricht neben den dortigen Konflikten, von denen man natürlich auch im Mutterland erfuhr, auch, dass es immer wieder wechselseitige Hilfsersuchen gab.

Was allerdings stimmt, ist, dass die Griechenstädte in Magna Graecia als sehr reich galten. Sybaris war geradezu sprichwörtlich für Wohlstand und Luxus. Sizilien galt ebenfalls als sehr wohlhabend, weniger wegen des Handels, sondern wegen der Landwirtschaft. Kein Wunder: Während große Teile Griechenlands schon in der Antike eher karg waren, war Sizilien noch zu römischer Zeit eine Kornkammer. Allerdings führte der Streit um die besten Böden immer wieder zu Kriegen.
Lies z. B., was Diodor (13,81-84) über den enormen Reichtum von Akragas schreibt. Allerdings stammte Diodor selbst aus Sizilien und benutzte für seine Darstellung der Geschichte Siziliens wohl vor allem sizilianische, teils zeitnah schreibende Autoren. Seine Schilderung Siziliens spiegelt somit vermutlich weniger die Sicht der Griechen Griechenlands auf ihre Kolonien auf Sizilien, sondern durchaus die Eigensicht der Griechen Siziliens.
 
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Das die Kolonisten teilweise "ausgewandert wurden"/gezwungen wurden zu emigrieren habe ich in meiner Arbeit selbstverständlich eingebaut :) Das die dann mit denen aus der Mutterpolis nicht ganz klar gekommen sind, ist naheliegend,

Was auf den ersten Blick naheliegend erscheinen mag, ist nicht unbedingt richtig.
Ich bin jetzt kein Experte auf diesem Gebiet, das solltest du aber hoffentlich bald sein, daher kann ich die keine Quellen nennen, aber eigentlich sollte ein enges Band zwischen Kolonien und Mutterstädten bestanden haben. Die Kolonisten wurden ja auch nicht mit Gewalt vertrieben, sondern, wenn ich Herodot richtig im Kopf habe, ausgelost. Es war schlicht eine Notwendigkeit. Etwas anderes ist der Oistrakismos (+ Varianten), das hat aber nichts mit der Kolonisation zu tun.

wie haben die Griechen des Festlandes die Kolonisten gesehen

Dieser Ansatz ist vielleicht nicht im Gedanken, aber doch mindestens in der Wortwahl falsch. Er geht glaube ich von einem modernen Griechenlandbild aus, mit den heutigen Grenzen.
und was für einen Kontakt pflegten sie.
Wenn ich mich recht erinnere, fühlte sich Korinth als Schutzmacht von Syrakus und unterstützte die Stadt dementsprechend in Kriegen.
 
Was auf den ersten Blick naheliegend erscheinen mag, ist nicht unbedingt richtig.
Ich bin jetzt kein Experte auf diesem Gebiet, das solltest du aber hoffentlich bald sein, daher kann ich die keine Quellen nennen, aber eigentlich sollte ein enges Band zwischen Kolonien und Mutterstädten bestanden haben.
Im Allgemeinen ja, aber das war von Fall zu Fall unterschiedlich. Korinth und seine Kolonie Korkyra waren meist verfeindet und Rivalen. Besser lief es zwischen Korinth und seiner Kolonie Potidaia: Korinth entsandte sogar Aufsichtsbeamte nach Potidaia, übte also eine Art politischer Oberhoheit aus. Andere Kolonien mussten ihren Mutterstädten Tribut entrichten. Wenn eine Kolonie selbst eine Kolonie gründete, tat sie das oft in Zusammenwirken mit ihrer Mutterstadt. Auch militärisch unterstützen sich Mutter- und Tochterstädte mitunter.
Dieses "Band" zwischen Mutter- und Tochterstadt konnte auch kuriose Formen annehmen, z. B. wenn eine Kolonie von mehreren Städten gemeinsam gegründet wurde. In Thurioi und Epidamnos kam es zu Streitigkeiten darüber, welche Stadt als "offizielle" Mutterstadt anzusehen sei.

Die Kolonisten wurden ja auch nicht mit Gewalt vertrieben, sondern, wenn ich Herodot richtig im Kopf habe, ausgelost. Es war schlicht eine Notwendigkeit.
Mitunter wurden Kolonien aber auch von in innenpolitischen Konflikten in der Mutterstadt Unterlegenen gegründet.

Dieser Ansatz ist vielleicht nicht im Gedanken, aber doch mindestens in der Wortwahl falsch. Er geht glaube ich von einem modernen Griechenlandbild aus, mit den heutigen Grenzen.
Vielleicht sollte man besser, wenngleich recht umständlich, formulieren: Die Griechen aus Städten, die nicht als Kolonien galten
 
Die Cambridge-History (Expansion of the Greek World III/3), führt als einen möglichen wichtigen Faktor auch die Distanz zwischen Kolonie und "Mutterstadt" an, und fasst grob zusammen (S. 155):

"In sum, the relationship between colony and mother city was fundamentally based on shared cults, ancestors, dialect and institutions. As such it was especially expressed in religion. It would be quite wrong to conclude from this that it was purely formal. Far from it, in a period when political relations grew out of shared religious centres and shared worship (as shown by the early Greek leagues) it is not surprising that the relationship between colony and metropolis was often important, practical and effective."

Das ist natürlich nur das Egebnis der längeren Einzelbetrachtungen und vielen Beispiele. Vielleicht lohnt es, sich den Band mal auszuleihen.
 
Du könntest als einen Aspekt auch den Begriff der Kleruchien aufgreifen, da sind wir gerade für Athen gut unterrichtet. Hier blieben die Kolonisten in starker politischer Abhängigkeit von der Mutterstadt, kamen zum Beispiel auch zu den großen Staatsfesten, den Panathenäen.
 
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