Das Ende des Imperiums. Auch das Ende der römischen Kultur?

TheTigerNg

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Hallo zusammen,

ich beschäftige mich mit der Frage, wie lange sich die römische Kultur (Lebensweise, Senat, Städte, Namen, klassische Bildung, etc.) noch in den Nachfolgestaaten halten konnte, wenn es überhaupt diese Kontinuität gab.
Freue mich auf Eure Kommentare!
 
Das ist ein kompliziertes Thema. Es kommt schließlich nicht nur auf den Nachfolgestaat an, sondern auch darauf, was man genau unter römischer Kultur versteht, und auch auf die soziale Schicht. Die "römische Kultur" war nie ein Einheitsbrei, sondern entwickelte sich schon im Römischen Reich weiter, und das tat sie in gewisser Weise noch nach dessen Untergang, wobei sie freilich neue Einflüsse aufnahm. Man darf nur nicht, wenn man an das spätantike römische Reich denkt, die Römer Caesars oder Neros vor Augen haben.

Vergleichsweise einfach zu beantworten ist noch die Frage nach dem Senat: Der in Rom dürfte in der Zeit um 600 verschwunden sein. Allerdings hatte er schon lange davor nur noch als eine Art Gemeinderat der Stadt Rom fungiert.

Viele Städte gingen überhaupt nicht unter, sondern existierten - meist in mehr oder weniger geschrumpfter Form - auch im Mittelalter und existieren noch heute. Natürlich wurden auch nicht irgendwann alle antiken Gebäude abgerissen, sondern bestanden weiter, wurden umgebaut oder verfielen irgendwann. Manche wurden allerdings auch als Steinbrüche genutzt.

Bei den Namen darf man nicht an die klassischen römischen Namen (Gaius Iulius Caesar etc.) denken, die gab es bereits in der Spätantike nicht mehr. Die meisten Männer hatten dann nur noch einen richtigen Namen, vor den sie, wenn sie der Oberschicht angehörten, "Flavius" setzten. Spätantike romanische Namen (ohne Flavius) blieben unter den Romanen auch nach dem Untergang des Reiches in Gebrauch und finden sich z. B. im galloromanischen Adel noch lange.

Die klassische Bildung ging auch nicht sofort unter. Im fränkischen Reich bestanden z. B. anfangs auch unter den Merowingern in Südgallien noch Rhetorikschulen. In den Klöstern wurde in gewisser Weise klassische Bildung das ganze Mittelalter durch gepflegt: Neben christlich-theologischen Schriften wurde z. B. auch Vergil weiterhin gelesen und abgeschrieben. Um nur ein Beispiel zu nennen, im 10. Jhdt. nahm sich die Nonne Roswitha von Gandersheim die Komödien von Terentius zur Vorlage für ihre geistlichen Dramen.
Zu beobachten ist allerdings auch, dass das geschriebene Latein schon im 6./7. Jhdt. immer schlechter wurde. (Vom gesprochenen Latein hatte es sich ohnehin schon längst getrennt.)

Grob kann man sagen, dass in Gallien die "römische Kultur" von der gehobenen romanischen Bevölkerung noch relativ lange beibehalten wurde und erst im späten 7., frühen 8. Jhdt. verschwand.
 
Wesentliches hat Ravenik schon ausgeführt. Es gab Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Einige Kontinuitäten reichen sogar bis in die Gegenwart (dazu muß ich nur auf die lateinischen Buchstaben auf meiner Tastatur zu blicken:rofl:). Das ist aber natürlich nicht das einzig Römische in unserer Gegenwart.

Es hängt natürlich auch von der Region ab. Da ist die Lage in Britannien wieder anders als in Germanien oder Gallien oder Italien oder erst in den östlichen Mittelmeergebieten.

Zu den Kontinuitäten zählen aber auch Transformationen. Das Römische Reich selber hat sich ja auch über einen Zeitraum von vielen Jahrhunderten von einer Monarchie zu einer Republik zu einem Prinzipat bzw. Dominat gewandelt. Diese Entwicklung ging weiter.
 
Vor Allem die späteren Stadtstaaten wie Venedig, Genua und Pisa schienen sich bei ihrer Staatsform wieder an der römischen Republik zu orientieren. Sie hatten einen Senat, der aus Mitgliedern der vermögendsten Familien bestand. Die Dogen wurden gewählt und konnten ohne Zustimmung des Rates nichts beschließen. Venedig entwickelte bis zum !5. Jh. ein kleines Reich , zu dem ein Teil Dalmatiens, Griechenlands, zahlreiche Inseln wie Zypern und Kreta und einige Konkurenzstädte ,wie Amalfi und Verona gehörten. Papst Pius bezeichnete die Venezianer als die neuen Römer und ohne das Auftauchen der Osmanen als neue Großmacht hätten sie vielleicht sogar ein neues Imperium im östlichen Mittelmeer schaffen können.
 
Genaugenommen betreiben die US-Amerikaner mit Capitol, Senat etc. auch einen Nachfolgestaat. Zumindest in den ersten Jahren der Republik wurde das sehr bewusst betrieben, siehe Stadtgründungen wie Cincinnati (nach Lucius Cincinnatus). Der Thron des Lincoln Memorial ist mit Fasces geschmückt.

Viele suchen eine Kontinuität Roms in Byzanz/Konstantinopel, über das ich allerdings wenig Bescheid weiss, das allerdings mit einer christlichen Basis und mehreren Kulturrevolutionen (Bilderstürme) mehrere Kontinuitätsstränge nur noch nominell bedient haben dürfte. Auf Pferderennen fuhren allerdings Römer wie Byzantiner ganz unheimlich ab.
 
Hallo zusammen,

ich beschäftige mich mit der Frage, wie lange sich die römische Kultur (Lebensweise, Senat, Städte, Namen, klassische Bildung, etc.) noch in den Nachfolgestaaten halten konnte, wenn es überhaupt diese Kontinuität gab.
Freue mich auf Eure Kommentare!

Mit dem Untergang des Römischen Reichs im 5. Jh. verließen die meisten Römer - Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen und kehrten in ihre Heimat zurück. Die Römerstädte an Rhein, Donau und Rhone verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den germanischen Völkern zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse.

Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist. In diesem Zusammenhang kam es u.a. zu einer Erneuerung des Gottesdienstes und der Liturgie und eine erneuerte Fassung der Bibel, da sich in die zahlreichen lateinischen Bibelabschriften Fehler eingeschlichen hatten, die manche Bibelstellen völlig entstellten.

Der bekannte Historiker Henri Pirenne betont:

"Obwohl die Kirche so tief gesunken war, blieb sie die einzige kulturelle Macht ihrer Zeit. Durch sie allein setzte sich die römische Tradition fort und dies verhinderte Europas Rückfall in völlige Barbarei. Die weltliche Macht wäre unfähig gewesen, die kostbare Erbschaft der Antike aus sich selbst heraus zu bewahren. Trotz des guten Willens der Könige war ihre rohe Verwaltung den Aufgaben nicht gewachsen ... Die Kirche blieb also inmitten der Anarchie ihrer Umgebung, und trotz der zersetzenden Wirkung, welche diese Anarchie auch auf sie selbst ausübte, unzerstört".
(Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt 1961, S. 47)

Der Untergang des Imperium Romanum markiert auch das Erlöschen der Spätantike, wobei hier natürlich kein festes Datum zu nennen ist. Es gibt einen allmählichen Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter, der von Historikern meist als breiter Grenzsaum gesehen wird, der von der Teilung des Römischen Reichs in einen Westen und Osten über das faktische Ende Westroms bis hin zur Expansion des Islam im 7. Jh. reicht. Manche sprechen dabei auch von einem "Transformationsprozess" der Antike.

Nach Auflösung der römischen Staats- und Ordnungsstrukturen erfolgte neben einem kulturellen Niedergang auch eine wirtschaftliche Verödung. Henri Pirenne berichtet vom Verschwinden der Städte und des Handels als Folge dieser Entwicklung:

"Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen, das in die Zeit zwischen den muslimischen Eroberungen und der Herrschaft der Karolinger fiel, die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung ... Die soziale und verwaltungsmäßige Struktur verlor nun ihren dem städtischen Charakter des römischen Staates entsprechenden Charakter: ein Phänomen, das in Westeuropa ganz neu und sehr erstaunlich war. Das Ende des städtischen Typus im frühen Mittelalter ergab sich zumindest für die Verwaltung daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen; denn nur die Institutionen des römischen Staates hatten in den durch Barbaren eroberten Provinzen - in Gallien, Spanien, Italien, Afrika und Britannien - einst die Existenz der Städte gesichert. Nur noch einige Städte an den Küsten des Mittelmeers trieben auch noch nach den Völkerwanderungen einen mehr oder weniger bedeutenden Seehandel."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 81)

Pirenne beschreibt sehr eindringlich, dass Wirtschaft und Handel nach den Eroberungen des Islam im Mittelmeerraum völlig versandeten:

"Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz, wenn man von einigen lokalen Erscheinungen wie der in Flandern noch aufrechterhaltenen Tuchweberei absieht. Der Umlauf von Geld hörte beinahe auf. Seitdem verfielen in den fast entvölkerten Städten die verlassenen Viertel und dienten den wenigen Einwohnern, die sich auf einen Winkel des früheren Stadtinnern beschränkten und dort hausten, als Steinbrüche ... In Gallien erlosch das städtische Leben so völlig, dass die Herrscher nicht mehr in den Städten residierten, denn der vollkommenen Mangel eines Handelsverkehehrs ermöglichte es ihnen nicht mehr, dort genügend Lebensmittel für den Unterhalt des Hofes zu finden. Sie verbrachten das Jahr auf den Domänen und zogen von einer zur anderen."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 83)

Große Teile des einst von Römern beherrschten Europas verödeten zwischen dem 5. und 8. Jh., der Handel versiegte und man kehrte zur Naturalwirtschaft zurück. Es entstanden riesige Domänen, die nahezu autark waren, da der Fernhandel weithin zum Erliegen gekommen war. Es waren also "Dark Ages", die weite Teile Europas nach dem Untergang des römischen Imperiums erfassten, was auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist, die einander bedingen und immer neue Auswirkungen haben. Dieser Zustand beginnt sich erst mit den Karolingern und später den Ottonen und Kapetingern zu wandeln.

Henri Pirenne schrieb sein Werk vor vielen Jahrzehnten, doch sind seine Gedanken und Überlegungen auch heute noch diskussionswürdig und repräsentieren einen wichtigen Aspekt innerhalb vieler Hypothesen zur Kontinuität bzw. zum Kulturbruch nach dem Untergang Westroms.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach der gute alte Pirenne. Mein Geschichtslehrer hat mich damit geärgert, ein Referat über sein Werk zu halten, obwohl er genau wusste, daß ich den Anfang vom Untergang viel früher sehe und mich das eigentliche Ende null interessiert. Die Arbeit an diesem Referat war ein Graus. Das gilt für mich für die Transformationstheorie in Gänze.

Aber 30 Jahre später bin ich mit Pirenne versöhnt. Mittlerweile glaube ich, daß wenn man überhaupt ein Ende des römischen Imperiums datieren müsste, dann war es der Verlust des Orients an die Araber, womit das römische Imperium nicht nur in der Fläche zu einem weiteren mittelalterlichen Königreich degradiert wurde.

Pirenne geht ja einen Schritt weiter und sagt, daß erst durch die Eroberung Nordafrikas und Spaniens der Mittelmeerhandel zusammenbrach und damit das Ende der Mittelmeerkultur besiegelte. Die Sache mit dem Handel ist aber meines Wissens mittlerweile widerlegt.
 
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mal anders betrachtet:
- ein riesiger Konzern zerbricht (warum auch immer), zersplittert sich in einzelne Unternehmen, diese müssen nun ihre Teilbereiche des geborstenen Konzerns selbständig am laufen halten. Hierbei stehen ihnen in der Verteilung der Investitionsmasse nicht mehr die Möglichkeiten des Konzerns selber, der nicht mehr existiert, zur Verfügung; sie haben als Einzelunternehmen mehr Konkurrenz und weniger Finanzmasse.
- durch feindliche Übernahmen verliert ein Multikonzern peu a peu erst seine Anteile und dann mehr und mehr seiner Immobilien und Produktionsstätten; der Restkonzern verzichtet darauf, in die nicht mehr unter seiner Kontrolle stehenden feindlich übernommenen Sparten zu investieren: sollen die selber sehen, wo sie bleiben.
:):)
in diesem Modell kann man Merowinger, Westgoten, Ostgoten, arabisch/islamische Konkurrenten usw. für die Teilunternehmen oder wahlweise für die kleinen feindlichen Übernahmen einsetzen - klar wird, dass die neuen Herren wie Goten oder Merowinger eben nicht von der "Konzernleitung" (röm. Imperium) gedeckt oder finanziert waren. Daraus folgt ganz schlicht, dass die Nachfolgeteilstaaten schlichtweg finanziell und wirtschaftlich nicht in der Lage waren, trotz aller Bemühungen den kulturellen und zivilisatorischen Standard des Imperiums zu halten. Patrick Geary beschreibt das recht anschaulich in seinem Buch über die Merowinger. Integriert ins Imperium ging es einer Provinz wie Gallien besser als später als eigener merowingischer Territorialstaat.

Das wäre eine (hoffentlich amüsant beschriebene) Erklärungsmöglichkeit - freilich kommt dann noch das Phänomen der Barbarisierung hinzu... das Bildungsniveau, der cursus honorum etc. der neuen Herren, der Barbarenkönige, und ihrer militärischen Gefolgschaften war recht verschieden von den römischen Gepflogenheiten (worüber sich etliche spätantike Autoren teilweise süffisant äußerten) und gutenteils nicht wirklich kompatibel mit den bewährten römischen Verfahrensweisen (man denke nur daran, dass die Franken der Merowinger den Steuereintreiber ihres eigenen Chefs steinigten, weil sie der Ansicht waren, als Sieger und Herren nicht wie die dummen romanischen Provinzialen gemolken werden zu dürfen, sondern vielmehr selber melken wollten...)

...unter solchen Bedingungen wundert nicht, dass die Chose steil bergab ging - vielmehr wundert, dass das Ostreich (Byzanz) sich erfolgreich weiter halten konnte.
 
Ein schwieriges Thema, ich möchte mich hier weitgehend Ravenik anschließen.

In Bezug auf die Bewertung des Endes des Römischen Reiches (im Westen) möchte ich eine etwas andere Sicht als in vielen der Vorartikel einnehmen. Wesentliche soziale und wirtschaftliche Elemente des frühen Mittelalters formten sich im spätrömischen Reich aus und lebten nach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers weiter. Hier sind insbesondere die Domänen mit der beginnenden Leibeigenschaft zu nennen, die in der Spätphase des Reiches zu einer Verlagerung des Machtschwerpunkts von der Stadt auf das Land und die dortigen Adeligen führten.

Das spätantike Römische Reich war im wesentlichen Zwangsherrschaft einer Zentrale (oder mehrerer, mögen sie in Trier, Ravenna oder Byzanz gelegen haben) über eine immer weniger am Reich interessierte Peripherie. Eine von selbst verständliche Stützung der Reichsidee durch die Provinzen und Städte, wie sie noch im 2. und 3 Jhdt. n. Chr. einigermaßen vorhanden war, halte ich im 5. Jhdt. nicht mehr für gegeben. Das Reich steuerte nicht nur das Leben vieler einfacher Bürger mit Zwangsmaßnahmen, z.B. in Bezug auf Beruf und Aufenthalt, sondern erodierte zunehmend auch die Schicht der Dekurionen in den Städten mit wirtschaftlichem und politischen Druck.

Eine solche Zwangsherrschaft setzte einen funktionierenden Beamtenapparat, gute Finanzen und ein starkes Militär voraus. Von keinem kann man in Bezug auf die Westhälfte im 5. Jhdt. mehr ausgehen. Der zentrale Beamtenapparat im Dominat war zwar sehr viel größer als im Prinzipat, konnte es bei den herrschenden Kommunikations- und Kontrollmöglichkeiten aber nicht oder schwer schaffen, den zum Funktionieren der Zwangsherrschaft notwendigen Druck aufzubauen. Das Reich war auf die freiwillige Mitwirkung der Provinzen angewiesen. Diesen Provinzen hatte man aber immer weniger zu bieten. Das Berufsmilitär war wegen knapper Kassen zunehmend nicht mehr in der Lage, zentral für Schutz zu sorgen. Eine Wiedereinführung einer Milizarmee scheint man schon aus ideologisch-moralischen Gründen nicht in Betracht gezogen zu haben, wieso sollten die Reichsbürger auch für den fernen Kaiser kämpfen? Man war sozusagen grundlegend kriegsungewohnt geworden, anders ist es kaum erklärlich, wieso ein Heer von 25000 Germanen eine Stadt von 1 Million Einwohnern quasi widerstandslos einnehmen und plündern konnte.

Die schlechte Steuer- und Wirtschaftspolitik des Reiches führte zu einer in Bezug auf die Größe des Gebildes (und des Heeres) lächerlichen Staatseinnahme, knebelte aber trotzdem in großen Teilen die Wirtschaft. Nach dem Verlust von Afrika, aus dem ein großer Teil der Einnahmen kam, war das Westreich im Grunde genommen erledigt. Entschlossene Versuche, die afrikanischen Provinzen zurückzuerobern, unternahm man nicht. Der Ostteil des Reiches, der von Byzanz aus regiert wurde, dagegen war mit finanziellen Mitteln in erheblich reicherem Maße gesegnet. Daher konnte insbesondere das Heer hier im Wesentlichen stabil gehalten werden.

Der "Fall" des (West)Römischen Reiches war meines Erachtens kein riesiger Knall, den alle entsetzt beweinten. Im Grunde genommen interessierte sich nur ein kleiner Teil der gebildeten Oberschicht sowie der christliche Klerus noch für den Erhalt dieser Struktur. Der Zusammenbruch "der Zivilisation" ereignete sich in weitaus geringerem Maße als früher oft angenommen wurde. Vieles, was sich seit dem Ende des 4. Jhdts. an sozialen und wirtschaftlichen Strukturen im Reich entwickelt hatte, entwickelte sich einfach weiter. Oft war das nichts besonders Positives, aber die negative Entwicklung war die, die vom spätrömischen Reich selbst veranlaßt worden war.

Der Niedergang der klassischen Bildung fängt bereits mit der Adaptierung des Christentums als alleiniger Staatsreligion an. Das Christentum setzte sich nur durch, da es die Unterstützung des Reiches hatte, also über Zwang. Es übernahm wesentliche Organisationstrukturen seines Helfers und Förderers und konnte daher nach dem Zusammenbruch effiziente römische Verwaltungsstrukturen bewahren und weitergeben, damit verbunden auch die Neigung zu Zwangsmaßnahmen. Dieser Zwang würgte im 5. Jhdt. die Bedeutung einer profanen Bildung allerdings zunehmend ab. Die wichtigen Leute in den Nachfolgestaaten paßten dazu, da sie aus der germanischen Linie herrührend keine städtische Schriftkultur hochhielten. Der Zusammenbruch der römischen Verwaltung ging daher verschärft weiter. Für viele Menschen dürfte das durchaus eine Erleichterung gewesen sein, da sie von zentralen Zwangsmaßnahmen befreit wurden, an deren Stelle erst langsam dezentraler Zwang trat. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch an die weitgehende Kodifizierung des Rechts der Nachfolgestaaten im 6. und 7. Jhdt. zu denken. Von einem plötzlichen Verlust der Schriftkultur kann nicht die Rede sein.

Ich denke insgesamt, daß der Fall des schwerfälligen zentralisierten (ob es 1, 2 oder 4 "Zentren" gab, ist dabei eher egal) Zwangsstaates, der mit dem klassischen Römischen Reich nicht mehr viel zu tun hatte, letztlich zu der Dynamik des Frühmittelalters führte, die ab dem 7. Jhdt. zu beobachten ist. Wahrscheinlich ist die dezentrale Beschäftigung mit den Problemen, so viele Nachteile sie einerseits auch mit sich brachte, in Kombination mit einem aus dem Christentum herrührenden anderen Arbeitsideal gleichzeitig ein Grund für die vielen Innovationen, die unter anderem auch den technischen Stillstand, der die Antike weitgehend auszeichnete, beendeten und zu den Fortschritten des Mittelalters überleiteten. Das gilt ganz besonders für den agrarischen Bereich.
 
Die Eingangsfrage lautete, wie lange es überhaupt eine römische Kontinuität gab und was davon blieb. Und da ist festzustellen, dass besonders im Raum Gallien, Germanien und Britannien ein kultureller Niedergang erfolgte, der die gesamte Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Architektur u.a. erfasste. Wie ich oben bereits schrieb, ersannen Karl der Große und seine Berater das Programm der Karolingischen Renaissance, um den Zuasmennberuch des Wissens und der Kultur zu bremsen oder vielleicht sogar umzukehren. Und tatsächlich lässt sich feststellen, dass sich seit der Zeit der Karolinger und später der Ottonen das kulturelle Niveau langsam hob, auch wenn es längst noch nicht den Standard des Imperium Romanum erreichte. Immer wieder erfolgten dabei Rückgriffe auf die römische Antike, sodass ein Teil der Forschung von einem Prozess der Transformation spricht, was allerdings nicht unwidersprochen bleibt.

Allerdings gibt es auch personelle Kontinuitäten z.B. im Reich der Merowinger, wo die gallo-romanische Senatsaristokratie den Fortbestand einer - wenn auch bescheideneren - Administration garantierte und die kirchliche Organisation am Leben hielt. Kontinuität beweist schließlich die nicht zerbrechende Romanisierung der Bevölkerung in Spanien, Frankreich und Rumänien.

Die gallo-romanische Senatsaristokratie behielt zumeist nicht nur ihren Besitz und ihre Ämter, sondern wurde von beginn an in das germanische Frankenreich und dessen politisch-administrative Führung integriert. Die frühe Eingliederung der Senatsaristokratie in die kirchliche und weltliche Führungsschicht bewirkte eine sachliche und personelle Kontinuität, besonders in den Regionen südlich der Loire. Diese römisch inspirierte aristokratische personelle Basis trug entscheidend zum Aufstieg des Frankenreichs bei. Die "Historien" des Gregor von Tours vom Ende des 6. Jh. belegen das deutlich und zeigen das aristokratische Selbstbewusstsein dieser einstigen römischen Führungsschicht, die überwiegend im Süden Galliens ansässig war.

Bis zum 10. Jh. wurden die germanischen Franken von der romanisierten gallischen Bevölkerung assimiliert und vollzogen einen Sprachwechsel zum romanisch-französischen Idiom. Die zweisprachig abgefassten Straßburger Eide von 842 belegen diese Entwicklung. Sie sind auf westfränkischer Seite bereits in Altfranzösisch und auf ostfränkischer in Althochdeutsch abgefasst. Auch in Spanien und Portugal setzten sich romanische Idiome durch, was das Ergebnis einer tief greifenden Romanisierung ist.

In Britannien oder dem römischen Germanien hingegen war die Macht der Romanisierung geringer, sodass sich dort die autochthonen Sprachen durchsetzten. Das gilt auch für den Balkan, wo die seit dem 6. Jh. einströmenden Slawen die balkanromanische Bevölkerung teils verdrängte, teils assimilierte. Nur in Rumänien ergab sich eine erstaunliche Entwicklung, indem sich dort eine romanische Sprache weitab vom römischen Zentrum durchsetzen konnte.

Einen weniger starken Kulturbruch erlebte das Oströmiche Reich, wo sich im Bereich der Architektur, des Rechtswesens, der Religion, der Literatur oder der Philosophie alte Traditionslinien fortsetzten und im Lauf der Jahrhunderte evolutionär veränderten.
 
Dein letzter Post klingt schon etwas anders als das in der Tradition von Pirenne geschilderte Untergangsszenario weiter oben. :winke: Ich kann dir also weitgehend zustimmen. Meiner Meinung nach war der beobachtete Niedergang allerdings in gewissen Bereichen (Wirtschaft z.B.) bereits in den innerrömischen Vorgängen autochthon angelegt und hatte wenig mit der Übernahme der Herrschaft durch die Germanen zu tun. Mein Ansinnen war, darauf hinzuweisen, daß insofern ein großer Teil der römischen Kultur weiterlebte, auch was negative Entwicklungen angeht.
 
Dein letzter Post klingt schon etwas anders als das in der Tradition von Pirenne geschilderte Untergangsszenario weiter oben. :winke: Ich kann dir also weitgehend zustimmen.

Das eine schließt das andere nicht aus. Inmitten des wirtschaftlichen Niedergangs und Kulturbruchs gab es Traditionskerne, die eine Transformation der römisch-antiken Kultur begünstigten. Dazu zählten Elemente wie die gallo-römische Senatsaristokratie, die römisch-katholische Kirche und zusammen mit ihr vor allem das Mönchtum.

Meiner Meinung nach war der beobachtete Niedergang allerdings in gewissen Bereichen (Wirtschaft z.B.) bereits in den innerrömischen Vorgängen autochthon angelegt und hatte wenig mit der Übernahme der Herrschaft durch die Germanen zu tun. Mein Ansinnen war, darauf hinzuweisen, daß insofern ein großer Teil der römischen Kultur weiterlebte, auch was negative Entwicklungen angeht.

Die Entvölkerung der Römerstädte an Rhein, Donau und Rhône, das Verschwinden der römischen Gutshöfe, der Zerfall der gesamten römischen Infrastruktur, das Verschwinden der Schriftlichkeit und der Übergang zur Naturalwirtschaft sind allein Folgen des römischen Untergangs. Nach Auflösung der römischen Staats- und Ordnungsstrukturen erfolgte neben einem kulturellen Niedergang auch eine wirtschaftliche Verödung.

Es ist allerdings ratsam, diesen Prozess differenziert zu betrachten, denn die Regionen wurden unterschiedlich davon betroffen. In Italien kam es zu einem weitaus geringeren wirtschaftlichen und kulturellen Abstieg, Ostrom war davon sogar nur am Rande betroffen, jedenfalls was sein kleinasiatisches Kerngebiet angeht. Der Balkan hingegen wurde ein Opfer der Awaren, Slawen und Ungarn, die die romanisierte Bevölkerung assimilierten, verdrängten oder vernichteten.
 
Das Oströmische Reich hatte eine ganz andere Entwicklung, aber ist der Grund des dortigen Niederganges nur der arabischen Expansion (Verlust von Ägypten, Syrien etc.) und der daraus resultierende Themenordnung durch Herakleios zu verschulden? Von demselben wurde doch auch die lateinische Sprache als Amtssprache abgeschafft. :(
 
Ich habe ja schon angemerkt, dass ich mich für dieses sehr komplexe Thema interessiere.
Es wäre sehr nett, wenn mir irgendjemand gute Bücher empfehlen könnte. Aus dem Internet (Wikipedia) werd ich wohl zu diesem Thema nicht schlauer. Also Bücher die den Untergang Roms behandeln gibt es schon genug, ich meine eher welche, die sich mit dem Thema des Verfalles der Kultur beschäftigen.
 
Die Eingangsfrage lautete, wie lange es überhaupt eine römische Kontinuität gab und was davon blieb. Und da ist festzustellen, dass besonders im Raum Gallien, Germanien und Britannien ein kultureller Niedergang erfolgte, der die gesamte Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Architektur u.a. erfasste. Wie ich oben bereits schrieb, ersannen Karl der Große und seine Berater das Programm der Karolingischen Renaissance, um den Zuasmennberuch des Wissens und der Kultur zu bremsen oder vielleicht sogar umzukehren. Und tatsächlich lässt sich feststellen, dass sich seit der Zeit der Karolinger und später der Ottonen das kulturelle Niveau langsam hob, auch wenn es längst noch nicht den Standard des Imperium Romanum erreichte. Immer wieder erfolgten dabei Rückgriffe auf die römische Antike, sodass ein Teil der Forschung von einem Prozess der Transformation spricht, was allerdings nicht unwidersprochen bleibt.

Allerdings gibt es auch personelle Kontinuitäten z.B. im Reich der Merowinger, wo die gallo-romanische Senatsaristokratie den Fortbestand einer - wenn auch bescheideneren - Administration garantierte und die kirchliche Organisation am Leben hielt. Kontinuität beweist schließlich die nicht zerbrechende Romanisierung der Bevölkerung in Spanien, Frankreich und Rumänien.

Die gallo-romanische Senatsaristokratie behielt zumeist nicht nur ihren Besitz und ihre Ämter, sondern wurde von beginn an in das germanische Frankenreich und dessen politisch-administrative Führung integriert. Die frühe Eingliederung der Senatsaristokratie in die kirchliche und weltliche Führungsschicht bewirkte eine sachliche und personelle Kontinuität, besonders in den Regionen südlich der Loire. Diese römisch inspirierte aristokratische personelle Basis trug entscheidend zum Aufstieg des Frankenreichs bei. Die "Historien" des Gregor von Tours vom Ende des 6. Jh. belegen das deutlich und zeigen das aristokratische Selbstbewusstsein dieser einstigen römischen Führungsschicht, die überwiegend im Süden Galliens ansässig war.

Bis zum 10. Jh. wurden die germanischen Franken von der romanisierten gallischen Bevölkerung assimiliert und vollzogen einen Sprachwechsel zum romanisch-französischen Idiom. Die zweisprachig abgefassten Straßburger Eide von 842 belegen diese Entwicklung. Sie sind auf westfränkischer Seite bereits in Altfranzösisch und auf ostfränkischer in Althochdeutsch abgefasst. Auch in Spanien und Portugal setzten sich romanische Idiome durch, was das Ergebnis einer tief greifenden Romanisierung ist.

In Britannien oder dem römischen Germanien hingegen war die Macht der Romanisierung geringer, sodass sich dort die autochthonen Sprachen durchsetzten. Das gilt auch für den Balkan, wo die seit dem 6. Jh. einströmenden Slawen die balkanromanische Bevölkerung teils verdrängte, teils assimilierte. Nur in Rumänien ergab sich eine erstaunliche Entwicklung, indem sich dort eine romanische Sprache weitab vom römischen Zentrum durchsetzen konnte.

Einen weniger starken Kulturbruch erlebte das Oströmiche Reich, wo sich im Bereich der Architektur, des Rechtswesens, der Religion, der Literatur oder der Philosophie alte Traditionslinien fortsetzten und im Lauf der Jahrhunderte evolutionär veränderten.

War es eigentlich nicht so, dass sowieso der Großteil der Bevölkerung romanisch war und nur eine dünne Führungsschicht aus den Franken bestand, zumindest südlich der Loire-Linie. Da müsste die fränkische Sprache nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, die früher oder später vom Altfranzösischen verdrängt wird, da schätzungsweise 90% der Bevölkerung Galliens romanisch war.
 
Das Oströmische Reich hatte eine ganz andere Entwicklung, aber ist der Grund des dortigen Niederganges nur der arabischen Expansion (Verlust von Ägypten, Syrien etc.) und der daraus resultierende Themenordnung durch Herakleios zu verschulden? Von demselben wurde doch auch die lateinische Sprache als Amtssprache abgeschafft. :(

Kann man denn im Frühmittelalter bereits vom "Niedergang" des (Ost-) Römischen / Byzantinischen Reiches sprechen? Letztendlich bestand es noch 1453 (wenngleich es zum Ende hin im wesentlichen auf seine Hauptstadt Konstantinopel (das heutige Istanbul) geschrumpft war).

Das Griechische war seit Alexander dem Großen die Verkehrssprache im östlichen Mittelmeerraum. Daher war der Verzicht auf das Lateinische als Amtssprache konsequent.


Ich habe ja schon angemerkt, dass ich mich für dieses sehr komplexe Thema interessiere.
Es wäre sehr nett, wenn mir irgendjemand gute Bücher empfehlen könnte. Aus dem Internet (Wikipedia) werd ich wohl zu diesem Thema nicht schlauer. Also Bücher die den Untergang Roms behandeln gibt es schon genug, ich meine eher welche, die sich mit dem Thema des Verfalles der Kultur beschäftigen.


"Kultur" ist ein sehr weiter Begriff. Wie auch schon in den vorherigen Beiträgen ausgeführt, muß man hier regional differenzieren.

Einen guten Überblick über die Umwälzungen in der Spätantike gibt zunächst einmal der Artikel in der Wikipedia: Spätantike ? Wikipedia

Da wird einiges an Literatur genannt: Hartwin Brandt: Das Ende der Antike. Geschichte des spätrömischen Reiches. 2. Aufl. C. H. Beck, München 2004 hier kann man auf ca. 120 Seiten gerafft schon einiges finden.


War es eigentlich nicht so, dass sowieso der Großteil der Bevölkerung romanisch war und nur eine dünne Führungsschicht aus den Franken bestand, zumindest südlich der Loire-Linie. Da müsste die fränkische Sprache nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, die früher oder später vom Altfranzösischen verdrängt wird, da schätzungsweise 90% der Bevölkerung Galliens romanisch war.

Das Fränkische der Spätantike /Frühmittelalter ist auch nur in Bruchstücken überliefert. Leider gibt es kein Pendant zur gotischen Wulfila-Bibel im Fränkischen. Im Französischen gibt es bis heute einige Vokabeln, die aus dem Fränkischen übernommen worden sind. Mir fällt spontan "la guerre" (Krieg) und "honte" (Schande), aber auch "Jardin" (Garten) ein. Wie lange die fränkische Bevölkerungsgruppe ihre eigene Sprache und Gebräuche pflegte, bis sie in der romanischen Bevölkerungsmehrheit assimiliert wurde, kann ich spontan nicht sagen.
 
Das Fränkische der Spätantike /Frühmittelalter ist auch nur in Bruchstücken überliefert. Leider gibt es kein Pendant zur gotischen Wulfila-Bibel im Fränkischen. Im Französischen gibt es bis heute einige Vokabeln, die aus dem Fränkischen übernommen worden sind. Mir fällt spontan "la guerre" (Krieg) und "honte" (Schande), aber auch "Jardin" (Garten) ein. Wie lange die fränkische Bevölkerungsgruppe ihre eigene Sprache und Gebräuche pflegte, bis sie in der romanischen Bevölkerungsmehrheit assimiliert wurde, kann ich spontan nicht sagen.
das fränkische verlor sich lediglich im Westen des Merowingerreichs, wo die romanische Bevölkerung demografisch überwog ;) und diesseits der roman.-germ. Sprachgrenze des Frühmittelalters zählt das fränkische zu den althochdeutschen Sprachen, aus denen sich das mittelhochdeutsche usw. entwickelte --- mit anderen Worten: das fränkische der Merowinger verschwand nur in den ehemaligen gallischen Provinzen.

Die Merowinger selber waren durchaus bestrebt, die ehemalige römische Verwaltungsstruktur zu erhalten - aber wie zuvor schon gesagt, reichten dafür einerseits die Mittel nicht aus und andererseits war ein politisch und militärisch nicht unerheblicher Bevölkerungsteil (nämlich die fränkischen Krieger!) nicht ganz so einverstanden mit einer Verwaltung in römischem Stil. Also nach wie vor die Leitthemen geringe Wirtschaftskraft und Barbarisierung.
 
Das Oströmische Reich hatte eine ganz andere Entwicklung, aber ist der Grund des dortigen Niederganges nur der arabischen Expansion (Verlust von Ägypten, Syrien etc.) und der daraus resultierende Themenordnung durch Herakleios zu verschulden? Von demselben wurde doch auch die lateinische Sprache als Amtssprache abgeschafft. :(

Wie so oft bei größeren dauerhaften Gebilden gab es auch hier Phasen. Immerhin gelang Byzanz (nenne ich mal etwas unhistorisch so) im 6. Jhdt. der Wiedergewinn einiger Gebiete in Italien und Afrika, ich würde hier von einer Stärkung sprechen. In der Zeit gab es allerdings auch eine große Seuche, die das Reich ziemlich erschütterte und auch zu diversen Zwangsmaßnahmen Justinians führte. Trotzdem war das Reich in der Mitte des 6. Jhdts. relativ stark meiner Ansicht nach.

Einen wesentlichen Punkt für den Verlust weiter Gebiete an die frühen Moslems war meiner Ansicht nach der Dauerkrieg, den sich Byzanz im 6. und 7. Jhdt. sodann mit den Sassaniden lieferte. Um 630 waren beide Mächte so ausgelaugt, daß nicht gerade viel Kraft zur Abwehr der Araber bzw. der neuen, sehr dynamischen muslimischen Bewegung blieb. Koppelt man das mit dem Bürgerkrieg und den ständigen zermürbenden innerchristlichen Glaubensstreitigkeiten, wundert man sich nicht mehr so stark (nur noch ein bißchen), daß weite Teile des Reiches relativ problemlos in die neue Ecke wechselten. Viele Leute hatten wenig Grund, der neuen Religion entschiedenen Widerstand entgegen zu setzen, so ein Riesenunterschied zur alten war es wiederum auch nicht.

Die Themenordnung war eine Reaktion auf die Katastrophe und wahrscheinlich einer der Gründe, wieso das Reich sich den immer stärker werdenden Moslems im 7. bis zur Mitte des 9. Jhdts. erwehren konnte. Ein Festhalten an alten, überholten spätantiken Traditionen war in der neuen Situation nicht mehr möglich. Ich sehe also darin keine Schwäche, sondern eher eine Stärke, man paßte sich an.

Der politischen Schwächephase folgte im 9./10. Jhdt. ein Wiedererstarken, nach Manzikert ging es wieder abwärts. Nach 1204 war das Reich nicht mehr dasselbe, auch nach Abschaffung des Lateinischen Reiches durch die Palaiologen krepelte es mehr oder weniger nur herum.
 
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War es eigentlich nicht so, dass sowieso der Großteil der Bevölkerung romanisch war und nur eine dünne Führungsschicht aus den Franken bestand, zumindest südlich der Loire-Linie. Da müsste die fränkische Sprache nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, die früher oder später vom Altfranzösischen verdrängt wird, da schätzungsweise 90% der Bevölkerung Galliens romanisch war.

Gerade bei den Franken des Frankenreichs zeigt sich, dass sich die Sprache der Eroberer nicht in jedem Fall durchsetzt. Sie gaben im Lauf der Zeit ihre germanische Sprache auf und übernahmen das romanische Idiom der weitaus zahlreicheren gallo-romanischen Bevölkerung. Dass es sich dabei um längere Entwicklungen handelt, wird an Karl dem Großen sichtbar, der noch Fränkisch sprach. Allerdings wurden die Straßburger Eide im Jahr 842 zwischen den Königen West- und Ostfrankens bereits in Altfranzösisch und Althochdeutsch geleistet. Straßburger Eide ? Wikipedia

In Südfrankreich war übrigens bis ans Ende des Mittelalters nicht die französische Standardsprache verbreitet, sondern die langue d'oc (okzitanische Sprache), die bereits zum Katalanischen überleitet.

Nur etwa 700 germanische Wortstämme in der französischen Sprache sind germanisch-fränkischer Herkunft, so z.B. blanc = weiß, la halle = Halle, la salle = Saal oder jardin = Garten. Ferner erinnern Siedlungsnamen vor allem in Nordfrankreich mit Endungen auf -ville, -court oder -vic an germanisch-fränkische Gründungen.

Das Oströmische Reich hatte eine ganz andere Entwicklung, aber ist der Grund des dortigen Niederganges nur der arabischen Expansion (Verlust von Ägypten, Syrien etc.) und der daraus resultierende Themenordnung durch Herakleios zu verschulden? Von demselben wurde doch auch die lateinische Sprache als Amtssprache abgeschafft.

Hinsichtlich der Fortführung antiker Traditionslinien gab es keinen Bruch im Oströmischen bzw. Byzantinischen Reich.

Das römischen Recht wurde im "Corpus iuris civilis" Kaiser Justinians fortgebildet und stand in voller Kongruenz zum alten Rom. Die byzantinische Kunst entwickelte Ausdrucksformen der spätantiken römischen Kunst fort, was an Statuen, Bildnisen, Plastiken, Mosaiken oder Wandmalereien mit Genreszenen sichtbar wird. Die byzantinische Architektur setzte die römische fort und nahm im Lauf der Zeit Einflüsse aus Vorderasien auf. Gleiches gilt für die byzantinische Literatur, die auf der Tradition des hellenistischen Geisteslebens und des römischen Staates beruhte und dabei stark verbunden war mit der christlichen Weltanschauung. Romane, Dichtung, Lyrik, Chroniken sowie theologische Werke zählten dazu.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die aus der römischen Spätantike herrührende Kultur im Byzantinischen Reich einen Niedergang erlebte. Eher ist eine gewisse Erstarrung und ein Versiegen der künstlerischen Innovation feststellbar, die der zunehmenden territorialen und geistigen Isolation des byzantinischen Staates zuzuschreiben ist.

Ganz anders sieht es mit den Machtverhältnissen aus. Die expandierenden Araber und Türken im Osten sowie die neuen slawischen Staaten auf dem Balkan ließen Byzanz auf einen kleinasiatischen Kern zusammenschrumpfen, der sich immer weiter auf ein Gebiet rund um Konstantinopel verengte. Das war allerdings eine Entwicklung von vielen Jahrhunderten und man muss sich wundern, dass Byzanz angesichts eines Zweifrontenkriegs überhaupt so lange überlebte - bis 1453.
 
Spengler

Nur mal am Rande: Zum Ende des Imperiums gab es lt. Oswald Spengler gar keine römische Kultur mehr, nur noch eine römische Zivilisation.

Wenn man ihm folgt, so stellt sich die Thread-Frage also gar nicht.

Die römische Zivilisation verschwand dann praktisch mit dem (west-)römischen Imperium, (beliebig austauschbare) formale Einzelteile wurden
aber in die folgende germanisch-katholische Kultur übernommen und dann dieser Kultur gemäß weiter verändert.
 
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