Barnaby gegen Brin

Köbis17

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Hallo werte Marineinteressierte,

ich habe hier eine spezielle Frage zum Thema Konstruktions- bzw. Ideenklau um den Bau spezieller Turmpanzerschiffe der 1870iger Jahre.

Bekannte Größen der Konstruktionsabteilungen waren auf englischer Seite, Nathaniel Barnaby und auf italienischer Seite Benedetto Brin.

Worauf möchte ich hinaus? Es geht mir um die Panzerschiffe Inflexible und Duilio.
Beide Schiffe waren zum erwähnten Zeitpunkt das Nonplusultra in der taktischen Anordnung der schweren Geschütztürme.
Immerwieder wird behauptet, Barnaby hat für die Inflexible die Konstruktionsmerkmal der Duilio abgekupfert. Zumal die italienische Duilio bereits April 1873 auf Stapel gelegt wurde, die Inflexible erst ein knappes Jahr später.
Doch in wie weit wurden die Konstruktionsplanungen im Vorfeld schon getätigt?
 
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Ich bin zwar kein Experte für eine solche Frage, aber mir scheint es doch recht wahrscheinlich, dass das Konzept der Anordnung der Geschütztürme von Barnaby übernommen wurde.

Das Hauptaugenmerk lag in Großbritannien in dieser Zeit doch auf der Verbesserung der Stabilität der Turmschiffe, nach dem Desaster mit der HMS Captain in 1870. Nathaniel Barnaby erbte, als er 1872 Chief Naval Architect wurde, von seinem Vorgänger (und Schwager) Edward Reed eine Reihe von Schiffen, die in Bau waren und bei denen zur Verbesserung der Stabilität Änderungen erforderlich waren. Er war also vollauf beschäftigt, bis 1874 schließlich die Ausschreibung für den Inflexible-Entwurf erfolgte. Sein Interesse blieb auch weiterhin auf der Bauweise, so propagierte er nach einem Besuch bei seinem französichen Kollegen de Bussy in England vehement den Siemens-Martin-Stahl, dessen Verwendung im Schiffbau er dort kennengelernt hatte, der dem in England bisher verwendeten Bessemer-Stahl weit überlegen war und mit dem man leichter bauen konnte.

Benedetto Brin hatte dagegen engen Kontakt zu William Armstrong, der auch an der Turmanordnung der Duilio beteiligt gewesen sein soll. Brin verwendete dann die riesige Armstrong RML 17.72"- Kanone, die Barnaby auf der Inflexible schon gewichtsmäßig nicht unterbringen konnte. Von engeren Kontakten Barnabys zur Ordnance Industry habe ich dagegen nichts gelesen.

Das lässt es doch wahrscheinlich erscheinen dass Barnaby abgekupfert hat.
 
Mir ist nicht ganz klar, welche Konstruktionsmerkmale denn genau übernommen worden sein sollen. Eindeutig (*) ist die Inflexible eine Antwort auf die Duilio.

Die Turmanordnung ist eine "Lösung" der Vorgaben nach steigendem Kaliber, Gewichtszunahme hierdurch, dann weiter der zunehmenden Panzerung, Anordnung der Zitadelle (inkl. Horizontalpanzer und Wasserlinie), Stabilität des Schiffes bzw. Schwimmfähigkeit bei Treffern ("aufschwimmende Zitadelle").

Was genau ist denn gemeint? Barnaby hat die Konstruktionsvorgaben im März 1874 vor der Institution der Royal Navy Architects erläutert, und auch die verbundene Problematik von 80-Tonnen-Geschützen und Zitadellpanzerung genannt. Berücksichtigt man den Stand der Erkenntnisse zur Schiffsstabilität, ergibt sich die Konstruktion doch weitgehend aus den Ausführungen.

(*) eindeutig meint: die Konstruktion ist eine Reaktion. Ist speziell die versetzte Turmanordnung angesprochen?
 
Zuletzt bearbeitet:
(*) eindeutig meint: die Konstruktion ist eine Reaktion. Ist speziell die versetzte Turmanordnung angesprochen?

Ja, es geht um die Anordnung der Geschütztürme.

Im Vorfeld der Inflexible wurde der Turmschiffbau in zwei Richtungen, damals noch unter Reed, bei der RN betrieben, so wie von kwschaefer schon angerissen.
So die besegelten Panzerschiffe Monarch (Reed) und Captain (Cole), wobei hier bemängelt wurde, daß die Vorteile der Geschütztürme durch die Takelage beschnitten wurden.

Interessante finde ich die Konstruktionen von Reed, um die Panzerschiffe Devastation und Thunderer, sowie der verbesserten Dreadnought.
Die Aufstellung der Türme wurde hier schon mit der reduzierten Panzerung auf den Bereich um die Türme, der Zitadelle. Hinzukommt, daß hier kein Einsatz einer Besegelung vorgesehen ist.
Im Grunde ging die Aufstellung der Türme hier schon der optimalen Lösung voraus, nur war zu diesen Zeitpunkt der Kampf der Panzerschiffe nicht in einer Gefechtslinie vorgesehen.
Dadurch wurde auch das Geschützfeuer mit Schwerpunkt auf ein Bugfeuer, wie in die Retraite- Richtung beeinflusst. Die Aufstellung der Geschütztürme „en échelon“ wurde so von den Panzerschiffen der Duilio und Dandolo, unter Brin konstruiert.

Barneby übernimmt diese Aufstellung, obwohl, die Aufstellung der Dreadnought wesentlich richtungweisender war. War es der schweren Türme geschuldet, diese soweit wie möglich Mittschiffs zu platzieren, der Stabilität wegen und um die Panzerflächen nur noch auf eine kleine Zitadelle zu reduzieren?

In einem Artikel des Marinekalenders der DDR 1984 wird berichtet, daß Reed Januar 1873 die in Bau befindliche Dandolo in La Spezia besichtigte. Arbeitet er unter Barnaby in der Konstruktionsabteilung weiter, der seit 1870 neuer Chef war?
Des weitern wird in dem Artikel berichtet, daß die Geschütze der Firma Armstrong mit 45 cm Vorderlader zwar kalibertechnisch das Größte war, was angeboten wird, aber die technischen besseren Geschütze des Kaliber 40,6 cm der RN vorbehalten bleiben. Konnten so gezielt durch die britische Marinerüstung, innovativer Rückschritt ausgeglichen werden?
 
Ja, es geht um die Anordnung der Geschütztürme.


Des weitern wird in dem Artikel berichtet, daß die Geschütze der Firma Armstrong mit 45 cm Vorderlader zwar kalibertechnisch das Größte war, was angeboten wird, aber die technischen besseren Geschütze des Kaliber 40,6 cm der RN vorbehalten bleiben. Konnten so gezielt durch die britische Marinerüstung, innovativer Rückschritt ausgeglichen werden?

Diese Aussage bezweifle ich. Die RML 16" 80 to muzzler-loader wurden doch nur auf HMS Inflexible verwendet, so wie die RML 17.72" nur auf Duilio und Dandolo zur Anwendung kamen, wenn man mal von den Küstengeschützen in Malta und Gibraltar absieht. Die Küstengeschütze wurden im übrigen ja beschafft, um eine landgestützte Antwort auf einen ev. Angriff von Duilio und Dandolo zu haben. Wäre der RML 16" besser gewesen, wäre er sicher eine billigere Lösung gewesen. Aber das Konzept des sehr großen muzzle-loaders war um diese Zeit einfach technisch am Ende.

Was die Turmanordnung angeht, habe ich den Grund dafür vornehmlich in dem Nachladeverfahren gesehen. Die langen hydraulischen Ansetzer konnten mit geringeren Turmdrehwinkeln erreicht werden, was bei der langsamen Drehgeschwindigkeit der Türme ein Rolle spielte. Außerdem war der Schutz der komplizierten Nachladevorrichtungen durch die Zitadelle besser. Mit einer Turmanordnung a la Dreadnought, die aber auch nur über RML 12.5" 38 to Geschütze verfügte wäre das nicht möglich gewesen.
Wurde eigentlich die 12.5" 38 to muzzle loader auch abgesenkt nachgeladen?
 
Abgesenkt, hmmm... aber es gab auch hier spezielle Ladepositionen, auch noch bei den Nachfolgenden Admiral- Klasse, wobei hier schon keine Türme mehr verwendet wurden.

Aber ich habe hier ein Klasse Link zum Thema mit tollen 3D Darstellungen, des Panzerschiffes Colossus.
HMS Colossus (1882 - 1906)

Ja, tolle Bilder, aber mit einem Hinterlader.

Mit "abgesenkt" meinte ich natürlich "mit abgesenktem Geschützrohr", so wie hier:

File:RML 16 inch gun Clowes Vol VII.jpeg - Wikimedia Commons

Die Mündung musste beim Nachladen unter Deck liegen.
 
Was die Turmanordnung angeht, habe ich den Grund dafür vornehmlich in dem Nachladeverfahren gesehen. Die langen hydraulischen Ansetzer konnten mit geringeren Turmdrehwinkeln erreicht werden, was bei der langsamen Drehgeschwindigkeit der Türme ein Rolle spielte. Außerdem war der Schutz der komplizierten Nachladevorrichtungen durch die Zitadelle besser. Mit einer Turmanordnung a la Dreadnought, die aber auch nur über RML 12.5" 38 to Geschütze verfügte wäre das nicht möglich gewesen.
Wurde eigentlich die 12.5" 38 to muzzle loader auch abgesenkt nachgeladen?

Abgesenkt, hmmm... aber es gab auch hier spezielle Ladepositionen, auch noch bei den Nachfolgenden Admiral- Klasse, wobei hier schon keine Türme mehr verwendet wurden.

Aber ich habe hier ein Klasse Link zum Thema mit tollen 3D Darstellungen, des Panzerschiffes Colossus.
HMS Colossus (1882 - 1906)

Nachtrag:
[...]Zur Bewegung der, einschließlich Geschütze, je 762 Tonnen wiegenden Thürme, sowie zur Bedienung der Geschütze werden die verschiedenen hydraulischen Vorrichtungen von George Rendel verwendet. Bezüglich derselben wollen wir nur erwähnen, daß sie gegenüber jenen des Thunderer viele Verbesserungen aufweisen, und daß z.B das Geschütz nach abgefeuertem Schusse von beliebiger Elevation, durch den Rücklauf von selbst jenen Depressionswinkel einnimmt, welcher der Ladestellung entspricht, [...]
Quelle: Das schwimmende Flottenmaterial der Seemächte 1881 / von Kronenfels
George Wightwick Rendel - Wikipedia, the free encyclopedia
HMS Thunderer (1872) - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Worauf bezieht sich das Zitat? Auf HMS Inflexible? Auf Colossus ja wohl nicht, denn da gibt es keinen Depressionswinkel beim Nachladen.
 
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