Härteausbildung der SS-Totenkopfstandarte

Die "Truppenhistorie" der LSSAH hat den Vorgang selbstredend zurückgewiesen und Erklärungen gesucht, in sich in Andeutungen über Anfeindungen durch Wehrmachtsstellen (in "Konkurrenz" zur SS) etc. und taktischen "Erklärungen" ergehen.

Es handelt sich hier jedoch um ein "ordinäres" Wehrmachtskorps, dass sich mit der unterstellten Elitetruppe (im Selbstanspruch) "unzufrieden" zeigte. Man muss sich das einmal zugespitzt vorstellen: die Kerntruppe des Weltanschauungskrieges wird abgekanzelt, und schlechter eingestuft als polnische Armeeverbände.

Zum Weiteren: Böhler, Auftakt zum Vernichtungskrieg, hat auch die SS-Verfügungstruppe und die Totenkopfverbände, teils in den "Einsatzgruppe" im Vernichtungskrieg, teils an der Seite von Wehrmachtsverbänden (wie SS-VT, LSSAH, verschiedene Totenkopfstandarten, untersucht (S. 221-231).

Die im Verband mit Wehrmacht marschierenden und kämpfenden Totenkopfverbände, die SS-VT und die LSSAH unterschieden sich in den Übergriffen und Massaker gegen Zivilbevölkerung und Kriegsgefangene wenig von den Vorfällen im Rahmen der normalen Wehrmachtsverbände. Zum Teil kämpfte diese "Nebenarmee" sogar vermischt, Verbrechen geschahen allerorten, sowohl bei reinen Wehrmachtsverbänden, bei den Durchmischungen, als auch bei LSSAH, SS-VT und Standarten. Ein Beispiel:
"In Wirklichkeit verhielten sich die Soldaten der LSSAH auf ihrem Vormarsch nach Nordwesten jedoch kaum anders als ihre Kameraden von der 8. Armee."
(Böhler, S. 223).

Im Klartext: sie begingen die gleichen Verbrechen. Die Wehrmachtsverbände, die nicht diesen "Schulungen" der SS unterlegen hatten, verhielten sich in den Verbrechen ähnlich, zum Teil lief so etwas sogar "kooperativ" ab (etwa bei der Durchmischung von Infanterieregiment 95 und LSSAH und dem Massaker von Zlosczew). Unterschiedlich war nur der "Ruf" der LSSAH, "keine Gefangenen zu machten", "die radikalste Truppe zu sein", die "jeden Gegner restlos vernichtet".

Da die gleichen Verbrechen geschahen, sogar überwiegend durch Wehrmachtsverbände, ist ...

1. die angebliche besondere Wirkung der "Schulungen" und der "besonderen Härte" in der Kausalkette zu Kriegsverbrechen und Genozid zu hinterfragen. Böhlers Studie weist zahlreiche Verbrechen gleichlaufend nach, die ...

2. damit auch in Frage stellen, hier in angeblich abweichenden "Sozialstrukturen" zwischen SS-VT und Totenkopfstandarten einerseits und dem Wehrmachts-Querschnitt andererseits (im übertragenen Sinne "ganz normaler Männer" Brownings) entscheidende Ursachen zu sehen.

Zur Frage von Bildung und "Kerntruppe des Genozids" bzw. des Weltanschaungskrieges komme ich noch auf die Studie von Wildt ("Generation des Unbedingten") zurück, Fortsetzung folgt also.
 
Zum Abschluss und Kontrast die "Tätergruppe" im RSHA, die "Kerngruppe des Genozids" (Ulrich Herbert).

Im Gegensatz zur Politischen Leitung der NSDAP, höheren Beamten und Generalität: generationelle Homogenität, deutlich jünger und akademisch gebildeter.

Birns Analyse der Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) ergab, dass diese dazu im Gegensatz der älteren "Frontgeneration" des Ersten Weltkrieges angehörten. Orths Untersuchung der Konzentrationslager-SS zeigt in der Führung ebenfalls eine ältere Gruppe, an Eicke orientiert, die erst 1941/42 durch jüngere abgelöst wurden. Diese nachfolgende jüngere Generation der KZ-SS weist die größeren Ähnlichkeiten zum RSHA auf. Die Führung ist Eickes Schülergeneration, aber nicht in Bildung und Homogenität dem RSHA vergleichbar. Dann weiter das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, ältere Generation als RSHa, bürokratisch geprägte Führung, von "hypertrophen ökonomischen Plänen" geleitet, sozusagen ein bürokratischer, ökonomisch orientierter Funktionsapparat (Schulte). Dann wiederum die Polizeigruppen, häufig mit älteren Offizieren der "Frontgeneration" bzw. bis in die 1930er auch ohne NS-Bezug und ohne "Konzentrationslager-SS-Drill".

Die Aufstellung zeigt, wie unterschiedlich die "Gruppen" des Genozids gesehen werden müssen, und wie sie verbrecherisch im Genozid wieder zusammen wirkten. Die differenzierte Aufstellung zeigt außerdem, dass "Bildung" hier keine Rolle spielte, alle Schichten beteiligt waren, und mehrere Generationen, mit oder ohne Front- und Kriegserfahrungen 1914-18.

Wildt führt das dann weiter aus, und bringt Aspekte in der Zusammenfassung, die hier aber zu weit führen, ein Profil der Täter im RSHA:
- Generation
- Bildung
- Weltanschauung
- "Dynamik" der Institution, bzw. das Handeln in der gelenkten Organisation nebst
- Radikalisierung und Entgrenzung der Gewalt "in der Praxis"
 
Moin, Moin,

ich habe noch etwas anderes gefunden:

Strafvollzugslager der Waffen-SS in Danzig-Matzkau
https://de.wikipedia.org/wiki/Strafvollzugslager_Danzig-Matzkau

Das Strafvollzugslager der SS und Polizei in Danzig-Matzkau war ein deutsches Strafgefangenenlager bei Danzig. Es unterstand der Waffen-SS. Es war für Angehörige des SS- und Polizeidienstes bestimmt, denen zum Beispiel "Befehlsverweigerung" vorgeworfen wurde. Das Strafvollzugslager Danzig-Matzkau nahm daher nur Soldaten auf, deren Vergehen disziplinarer Art war.
Während im Verband der Wehrmacht Vergehen disziplinarer und krimineller Art mit der Verurteilung zu Festungshaft- und Gefängnisstrafen, in schwersten Fällen Todesstrafe, geahndet wurden, wurde in der Waffen-SS jeder Soldat, der sich eines ehrenrührigen und kriminellen Verhaltens schuldig gemacht hatte, aus der Truppe ausgestoßen und in ein KL (Konzentrationslager) als Häftling eingewiesen. Ebenso betroffen waren SS-Angehörige, die über bewusst verschleppte Krankheiten den Status der "Wehruntüchtigkeit" erlangen wollten. Unberührt hiervon blieb die Todesstrafe. In diesen Fällen wurde der Verurteilte ausnahmslos vor Vollstreckung aus der SS ausgestoßen.
Während Soldaten der Wehrmacht, die zu Festungs- oder Strafhaft verurteilt waren, die Möglichkeit hatten, sich in einer sogenannten Feldstrafeinheit zu rehabilitieren, fiel diese Möglichkeit für Angehörige der Waffen-SS zunächst weg. Jedoch wurde im September 1943 aus Häftlingen des Strafvollzugslagers das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 gebildet.[1] Ferner wurde am 20. September 1944 ein Kontingent von 1.500 Strafvollzugslager-Insassen aus Danzig-Matzkau zur Niederschlagung des Warschauer Aufstands abgestellt. Die Insassen wurden dem SS-Regiment Dirlewanger zugeteilt. Weder war die Meldung freiwillig noch konnten die Insassen ablehnen.[2] Die Einheit Dirlewanger legte bei der Niederschlagung des Aufstandes eine selbst für SS-Einheiten außerordentliche Grausamkeit und Brutalität an den Tag. Auch in das Anfang 1945 gebildete SS-Bewährungsregiment Kaltofen wurden Häftlinge aus dem SS-Strafvollzugslager Danzig-Matzkau versetzt.[3]
Das ehem. Strafvollzugslager Danzig-Matzkau lag südwestlich von Danzig in der Nähe von Borgfeld an der Straße nach Groß-Kleschkau.

Interessant ist, dass es bei der SS nur "ganz oder gar nicht" gab. Nichts dazwischen. Entweder zu 100% im Schwarzen Korps und sich auch bedingungslos dem unterwerfen, was der Vorgesetzte befahl oder halt auch ganz schnell die andere Seite kennenlernen. Also der Grad zwischen SS-Mann und KZ-Häftling war anscheinend sehr schmal.

Gruss,
Bernd
 
Du machst da einen Gegensatz auf, der in dieser Form nicht existiert. Deinen Äußerungen zufolge würden wir alle, wenn es keine Gesetze gäbe - und das ist hobbesianisch - aufeinander los gehen. Aber das ist eben nicht der Fall.
In der Psychologie gilt es als ausgemacht, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Menschen zu helfen macht ist sinnstiftend und macht glücklich.
Da ich noch nie eine Zeile von den Ansichten das Mr. Hobbes gelesen habe, kann ich auch nicht hobbesianisch argumentieren. Ich schreibe lediglich aus Beobachtung und Lebenserfahrung, die auch die Erfahrungen des Lebens in der Diktatur beinhalten.
Dass der Mensch auch die Fähigkeit zur Hilfeleistung und Uneigennützigkeit besitzt, würde ich nie bestreiten. Aber die finstere Seite ist ein ebensolcher Bestandteil der menschlichen Natur. Auch dass Menschen sich in der Not beistehen, ist eine Eigenschaft des Menschen, die ihn zur erfolgreichsten Art gemacht haben. Allerdings hält dieser Zustand selten sehr lange an. Sobald es Einigen wieder besser geht ist der Zusammenhalt schnell wieder dahin und der Neid gewinnt die Oberhand.

Das Eine schließt das andere nicht zwingend aus. Auch die brutalsten SS-Männer machten sicher gern ihren Angehörigen oder Bekannten eine Freude oder waren ihnen gegenüber hilfsbereit und empfanden dabei auch Glücksgefühle. Das ist ja auch ein Grund dafür, dass sich viele Angehörige gar nicht vorstellen können, dass der liebevolle Vater, Onkel oder Großvater an solch monströsen Verbrechen beteiligt gewesen sein soll. Sie haben überwiegend die positive Seite dieses Menschen erlebt. Hätte er nie die Gelegenheit bekommen seine dunkle Seite auszuleben, wäre er in seinem Leben wahrscheinlich auch überwiegend positiv gewesen.

Das Argument, dass Strafen Verbrechen nicht verhindern, trifft m.M. nach nur auf speziell kriminell veranlagte Menschen zu. Die Mehrheit wird durchaus davon abgehalten sich ungesetzlich zu verhalten. Alles was nicht verboten ist aber trotzdem als nicht so ganz ehrehaft gilt, wird von den Meisten auch durchaus betrieben ohne an großen Gewissensbissen zu leiden.
Jeder Autobahnraser geht davon aus, dass er nicht geblitzt wird. Sobald er weiß, dass an einer bestimmten Stelle kontrolliert wird, fährt er dort natürlich in der erlaubten Geschwindigkeit, um ,sobald er daran vorbei ist wieder aufs Gas zu treten. Weshalb macht er das wohl ? Weil er die Strafe vermeiden will ,wenn er genau weiß wo sie 100-prozentig droht.
 
@BerndHH

Erlaube mir bitte ein kurzes Resumee. Sicher gab es ein „System Eicke“ , mit Sicherheit hatte der „Inspekteur der KL“ Einfluß auf die Ausbildung und den Einsatz von Angehörigen der SS-VT und der TKV. Es wurde aber auch gezeigt, dass die Teilhabe an Verbrechen nicht davon abhing, ob die Täter das „System Eicke“ durchliefen oder nicht, oder ob sie einer „Härteausbildung“ bei der SS unterzogen wurden oder auch nicht. Silesia zeigte dieses exemplarisch in Postings zu „Täterprofilen auf, die auch die aktuelle Literaturlage hierzu widerspiegeln.

Zu diesem Themenkreis möchte ich noch eines kurz ins Bewusstsein rufen. Die Aktion T4, hier war die SS und der SD weder planend noch durchführend beteiligt. Hier ist zu konstatieren, die beteiligten gutachterlich tätigen Ärzte brauchten offenbar keine „Härteausbildung“ die die direkt Exekutionen Durchführenden wohl auch nicht.

Daß beteiligte Täter der Aktion T4 später bei Shoa mitwirkten ist nachgewiesen, die vollständige Wechselwirkung T4 óShoa ist m.E. historisch noch nicht vollständig gesichert.

M.
 
@BerndHH

Erlaube mir bitte ein kurzes Resumee. Sicher gab es ein „System Eicke“ , mit Sicherheit hatte der „Inspekteur der KL“ Einfluß auf die Ausbildung und den Einsatz von Angehörigen der SS-VT und der TKV. Es wurde aber auch gezeigt, dass die Teilhabe an Verbrechen nicht davon abhing, ob die Täter das „System Eicke“ durchliefen oder nicht, oder ob sie einer „Härteausbildung“ bei der SS unterzogen wurden oder auch nicht. Silesia zeigte dieses exemplarisch in Postings zu „Täterprofilen auf, die auch die aktuelle Literaturlage hierzu widerspiegeln.

Zu diesem Themenkreis möchte ich noch eines kurz ins Bewusstsein rufen. Die Aktion T4, hier war die SS und der SD weder planend noch durchführend beteiligt. Hier ist zu konstatieren, die beteiligten gutachterlich tätigen Ärzte brauchten offenbar keine „Härteausbildung“ die die direkt Exekutionen Durchführenden wohl auch nicht.

Daß beteiligte Täter der Aktion T4 später bei Shoa mitwirkten ist nachgewiesen, die vollständige Wechselwirkung T4 óShoa ist m.E. historisch noch nicht vollständig gesichert.

M.

Gute Zusammenfassung und mit T4 sehr gute Ergänzung
 
Hallo Melchior,
Vielen Dank für Deine Zusammenfassung und auch meinen Dank an Silesia für seine guten Beiträge.

Es hat sich ja auch eine sehr rege Diskussion mit vielen Hinweisen und Zitaten entwickelt, über die ich mich sehr gefreut habe.

Kern meiner Frage war eigentlich, ob es irgendwelche speziellen Ausbildungsmethoden zur systematischen “Entmenschlichung” des SS-Wachsturmbanns Dachau (oder exemplarisch für den TV, der für die Bewachung der KZs zuständig war) gegeben hat. Anscheinend ja nicht, denn offenbar gibt es dazu keine bekannten Quellen dazu.

Die “Entmenschlichung” hat ja schon bereits viel früher begonnen, entstanden vielleicht aus einer rohen Zeit (nennen wir es einmal so), die gewalttätigen 1930er Jahre, die Blutorgien der SA 1933, “Köpenicker Blutwoche”, etc., die dann noch später von der SS übertroffen wurde. Politischer Mord und die brutale Verfolgung Andersdenkender wurde schon sehr früh Programm auch gegen die eigene Bewegung, siehe Röhm-Putsch, die “Nacht der langen Messer”, die Ermordung Röhms durch Michael Lippert und Theodor Eicke, etc.

All das schuf ein Klima, in dem sich menschliche Perversionen, Sadismus, etc. ideal entfalten konnten.

Ich versuche mir das nur bildlich vorzustellen, was in einem SS-Mann des TV damals vorging. Sehr schweirig aus der heutigen Sicht. Selbst Erniedrigungen zu erleiden, Opfer von Schinderei und vielleicht auch Schikane zu werden ist eine Sache, aber der Hass muss viel tiefere Wurzeln gehabt haben. Ein Hass, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Hass auf Kommunisten, Männer, Arbeiter aus dem gleichen Stadtviertel, gleicher Bildungshintergrund, nur unter der roten Fahne. Irgendetwas, was nur auf ein äußeres Signal wartete, um loszuschlagen. Ich spreche nicht von den Offizieren, sondern von den einfachen SS-Mannschaftsdienstgraden. Als Beispiel Arbeitslose, gescheiterte Existenzen, all die, die während der 1930er Jahre zu kurz kamen, nie gesellschaftliche Anerkennung gekannt haben und irgendwann hatten sie die schwarze Uniform an, den Totenschädel auf der Schirmmütze und eine nie zuvor gekannte Macht.
Gruss und schönes WE,
Bernd
Und hier noch etwas, was ich gefunden habe, oder habe ich das schon gepostet?
Konzentrationslager-SS | Nicolaus Raßloffs Blog
Zur Sozialstruktur der Konzentrationslager-SS
Der soziale Hintergrund der Konzentrationslager-SS lässt sich nach der Historikerin Karin Orth wie folgt zusammen fassen:
■ meist stammten die Männer der KZ-SS aus kleinen mittelständischen Haushalten oder dem Milieu der unteren und mittleren Angestellten und Beamten, darunter waren wenig Bürgerliche (Orth 2000: 88)
■ Abteilungsleiter hatten meist einen Volksschulabschluss, Kommandanten einen mittleren oder höheren Schulabschluss
■ Abteilungsleiter und Kommandanten hatten oft vorher einen kaufmännischen oder handwerklichen Beruf
■ die Heirat im gleichen Milieu war obligatorisch (fast alle bis Ende 2.WK), meist hatten die Familien zwei bis drei Kinder
„Die Mitglieder der Konzentrationslager-SS stammten also nicht aus sozialen Randgruppen, sondern aus der Mitte der Weimarer Gesellschaft. Sie wuchsen in mittelständischen Familien auf, die von der ökonomischen, politischen und sozialen Krise am schärfsten betroffen waren und sich vom sozialen Abstieg bedroht sahen. Ein nicht kleiner Teil der Abteilungsleiter verlor in den dreißiger Jahren kurzfristig oder dauerhaft den Arbeitsplatz. Eine fast doppelt so große Gruppe hingegen 68,1% der Verwaltungsführer, 61,1% der Kerngruppe) war vor der hauptamtlichen Anstellung in der SS nicht arbeitslos.” (Orth 2000: 88)
“Die meisten Männer der Konzentrationslager-SS hatten bereits als Jugendliche Kontakt zum völkischen Milieu, das nationalistisch und antisemitisch war. Nach der Machtübergabe an Hitler bot sich ihnen die Möglichkeit ihr politisches Engagement beruflich zu professionalisieren.” (Orth 2000:125f.)
Zur Ausbildung der Konzentrationslager-SS
Der Inspekteur der Konzentrationslager, Theodor Eicke, meinte über die ihm untergebenen Totenkopfverbände: „Wir sind keine Gefängniswachmeister, sondern politische Soldaten. … Beamte werden bequem, dick und alt. Als Kämpfer bleiben wir gesund und lebendig.“
(Kommandanturbefehl 1/1934 v.2.6.’34 ; zit. in Ort 2000: 128)
Nur wenige SS-Männer konnten einsehen, dass sie den pervertierten militärischen Drill als Demütigung und inhumane Schikane erfuhren, meist protzten sie damit zu „harten Männern“ gereift zu sein. So zitiert Orth den ehemaligen SS-Mann Baer: „Je mehr wir geschliffen wurden, je stolzer waren wir darauf“ (zit. in Orth 2000: 129). Ziel der Ausbildung war der Willensbruch und die Demütigung:
Patronen, die beim Füllen des Patronengürtels zu Boden fielen, mussten mit dem Mund aufgehoben werden. Ein junger SS-Mann verweigerte sich dieser Praxis: „Wie ein Raubtier auf seine Beute losspringt, so kommt er [der Unterführer, NPR] auf mich zu , führt sein Gesicht ganz nahe an das meine heran, so daß zwischen seiner Nase und meiner Nase keine zwei Millimeter sind, und brüllt in dieser Stellung was er kann . … Nachdem er ausgebrüllt hat, übergibt er mich dem stellvertretenden Gruppenführer. Der macht mit mir zehn Minuten lang Theatervorführung. [Auf Befehl wirft er die Patrone weg und hebt sie wieder mit der Hand auf, daraufhin kommt er zum Unterführer, bei dem er mit vorgehaltenem Gewehr 50 Kniebeugen machen muss, NPR] … Es ist nur die Frage, ob man moralisch vorher fertig wird. Und so kommt es auch. Bei 20 Kniebeugen höre ich auf zu zählen Ich kann nicht mehr! Ich mache noch eine Kniebeuge, dann nehme ich das Gewehr ab und steh auf. Ich kann nicht sagen, dass ich etwas dabei denke, ich weiß nur, dass ich am Ende bin. Ich höre noch einmal das Brüllen, aber das interessiert mich nicht mehr, weil ich mich plötzlich nicht mehr beherrschen kann. Ich muß weinen, obwohl das nicht mannhaft und soldatisch ist. [...] Ich bin einfach am Ende. Wie er das sieht, brüllt er : ‚Achtung!’ und dann: ‚Sie Schlappschwanz! Sie Muttersöhnchen! Sie Heulsuse“ Einen heulenden SS-Mann gab es noch nie!’ … Er gibt mir noch den Befehl eine Woche lang sämtliche Klos im ersten Stock sauber zu machen und nachher zwecks Besichtigung ihm zu melden. Und dann befielt er noch schnell: ‚Werfen Sie die Patrone weg!’ Ich tue dies und ohne überhaupt darauf zu warten oder ach nur hinzusehen, ob er mit dem Daumen hinunterzeigt, hebe ich sie mit dem Mund auf“ (Buchheim, Befehl 254, zit. Orth 2000:129).
Quellen: Karin Orth: Die Konzentrationslager-SS. Sozialstrukturelle Analysen und biographische Studien, Göttingen: Wallstein 2000.
 
Im Klartext: sie begingen die gleichen Verbrechen. Die Wehrmachtsverbände, die nicht diesen "Schulungen" der SS unterlegen hatten, verhielten sich in den Verbrechen ähnlich, zum Teil lief so etwas sogar "kooperativ" ab

Ein aktueller Nachtrag:

Zur Frage der Befehlsverweigerung in Bezug auf Verbrechen war auch das Thema "Erschießungskommandos" parallel geführt.

In der neuen MGZ 1/2013, S. 23-50 ist nun folgender Fall (Hintergrund: "Mythos Sponeck" - als Regimegegner und Widerstandskämpfer) besprochen:
Erik Grimmer-Solem: »Selbständiges verantwortliches Handeln«. Generalleutnant Hans Graf von Sponeck (1888–1944) und das Schicksal der Juden in der Ukraine, Juni–Dezember 1941.

Sponeck (erschossen am 23.7.1944) ist der Musterfall von Befehlsverweigerung in militärischen Fragen, sozusagen "Musterfall für Mut und selbständigem verantwortlichem Handeln" (Graf Einbeck). Die Erwartungshaltung bei der Untersuchung war, dass solch ein Mann mglw. auch den Mut aufgebracht hätte, den Vernichtungskrieg abzulehnen.

Das Gegenteil ist der Fall: er machte in vollem Umfang mit, was der Aufsatz untersucht hat.
 
@BerndHH

Die Ausbildung des SS-Führerkorps (Untersturmführer aufwärts) erfolgte ab ca. 1936 an "SS-Junkerschulen" bzw. "Führerschulen", auch für die SS-VT oder TKV, später Waffen-SS., dito Allgemeine-SS ("Reserve").

Ich weiß nicht, ob es regelmäßige Kommandierungen von "SS-Junkern" in das KZ Dachau oder andere gab.

M.

Speziell zu unserem älteren Dachau-Thema eine Neuerscheinung, die die Überschrift trifft:

Christopher Dillon: Dachau and the SS: A Schooling in Violence, 2015.
 
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