Die Diskussion in der polnischen Öffentlichkeit scheint tatsächlich wesentlich facettenreicher, als das Diskussionen im Internet vermuten lassen. Man geht dort deutlich kritischer mit der Geschichte um. Hierbei scheint es auch einen Generationenkonflikt zu geben.
Aber wen wundert das, hat Polen doch 40 Jahre Diktatur hinter sich und auch in den folgenden drei Jahrzehnten diese Mythen eher gepflegt denn hinterfragt.
Die Heimatarmee ist dabei eine heilige Kuh. Sie wurde bereits zur Zeit der Diktatur von den Kommunisten verteufelt und verfolgt. Man bezeichnete die AK als Faschisten und Kollaborateure. Vielfach ist es gar nicht bekannt, daß noch mehrere Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, polnische Armee, Polizei und Miliz, zusammen mit sowjetischen Sicherheitskräften, einen Guerillakrieg gegen die AK führten. Ein weiterer Punkt ist das Verhalten der Polen gegenüber den Juden. Hier entwickelte sich zwei weitere Traditionen. Zum einen, daß Polen den Juden geholfen haben, selbst unter der Gefährdung des eigenen Lebens, denn die Hilfe für Juden stand im besetzten Polen unter Todesstrafe. Zum Anderen, daß Polen gleich viel oder sogar mehr unter der Nazidiktatur gelitten hätten als die Juden.
Die Polen stellen unter den "Gerechten unter den Völkern" mit 6394 die weitaus größte Gruppe. Deutsche sind mit 510 Personen deutlich darunter. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, da es keine eindeutigen Kriterien für die Aufnahme gibt. Viele sind gar nicht aufgenommen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Auch wenn ich mir jetzt Unmut zuziehen, man sollte auch nicht vergessen, daß die Ehre mit einer Vergütung und Rente verbunden ist. Diese Zahl wird häufig von Polen vorgebracht, um ihre Hilfe für die Juen zu bekräftigen. Andrzej Niziolek, "Polskie drzewka, Polskie tablicy", schrieb jedoch, daß wenn jeder Pole unter den Gerechten unter den Völkern einen Baum pflanzen würde, man einen kleinen Wald bekäme. Er schrieb aber weiter, daß wenn man für jeden Juden der von Polen denunziert oder ermordet wurde ebenfalls einen Baum pflanzen würde, man einen sicher ebendso großen Wald bekäme. Er setzt sogar noch einen darauf und rechnet vor, daß, wenn man die Zahl der jüdischen Einwohner eines Staates mit der Zahl der geretteten Juden in Verhältnis setzt, Polen die niedrigste Rate erhält. General Grot-Rowecki sagte schon 1941, daß Kriminalität in Polen weitverbreitet war, das sich ein regelrechtes Denunziationssystem entwickelte und Kollaboration mit den Deutschen weit verbreitet war.
Das widerspricht aber der offiziellen Geschichtsauffassung, wie sie zB von Bednarczyk propagiert wird, daß Polen keinen Quisling hatte, daß Polen niemals mit den Deutschen kollaborierten und daß, wenn es Szmalcownicy überhaupt gab, diese Litauer, Ukrainer, Weißrussen, Juden oder Volksdeutsche waren. Man darf sich also über die Entrüstung in bestimmten polnischen Kreisen nicht wundern.
Nun aber zur AK. Generell werden die Widerstandsbewegungen gegen die Nazis weitgehend positiv bewertet. Gerne stellt man besonders kühne Aktionen in den Vordergrund. Man darf aber eines nicht vergessen, heute würde man viele dieser Gruppen als Terroristen bezeichnen. Auch wenn ihr Widerstand gegen die Deutschen natürlich legitim war, die Mittel die angewandt wurden, waren es nicht. Und es ist auch nicht so, daß Deutsche Hauptziel von Anschlägen waren, schon gar nicht Soldaten. Vielfach waren es die eigen Landsleute, die Ziel waren, sei es weil sie kollaborierten oder auch nur der Kollaboration bezichtigt wurden und auch, wie sooft und überall, manchmal auch nur, weil man eine persönliche Rechnung begleichen wollte. Teilweise nutzte man auch die Nazis um sich konkurrierender Gruppen zu entledigen. Für die NSZ waren Juden und Kommunisten ebenfalls Feinde, man kollaborierte zB auch dazu mit den Deutschen. Auch die AK sah sich gezwungen in bestimmten Gebieten mit den Nazis zusammen zu arbeiten und erhielt Waffen von SS/SD, um gegen sowjetische und jüdische Partisanen vorzugehen. Bei militärischen Aktionen wurden ebenfalls alle Grenzen überschritten. Guerilla wie Nazis brannten Dörfer nieder, mordeten, raubten, vergewaltigeten. In der Summe kommt die AK sicher nicht in die Nähe der Nazis, das sollte klar sein. Schuldig macht es sie doch.
Aber ebend all dies ist nicht Teil der polnischen Tradition. Damit stehen sie aber nicht allein. Auch wir pflegten jahrzehnte das Bild der sauberen Wehrmacht und wenn ich an die Beteiligung der Polizei denke, dann ist eine öffentliche Debatte darüber in Deutschland ebenfalls noch nie in Gang gesetzt worden.
Deutschland und Deutsche sind die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen während des 2. Weltkrieges. Vieles ist noch nicht genügend aufgearbeitet. Unsere Nachbarn nutzen aber die deutsche Schuld und Verantwortung vielfach, um eigene Schuld und Verantwortung zu negieren oder zumindest klein zu halten. Wenn nun gerade eine deutsche Fernsehproduktion daran rüttelt, ist die Entrüstung groß, vielleicht gerade, weil man sich ertappt fühlt.
Für Polen und andere Nachbarn sollte diese Produktion der Anlaß sein, die eigenen Mythen zu hinterfragen und über Bord zu werfen. Wir Deutsche sollten die Mitverantwortung anderer aber nicht nutzen, um unsere eigene Schuld und Verantwortung kleiner zu reden. Diese bleibt.