Vor den Druiden

Alles in allem ein interessanter Artikel, der zwar recht effekthascherisch ist, aber wenigstens nicht versucht, alles zu verharmlosen und Menschenopfer als römische Propaganda zu verwerfen.
Aber dass die Galater schon bei ihrer Ankunft in Kleinasien weitgehend hellenisiert gewesen sein sollen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Woher denn? Sie waren erst zwei Jahre davor in den griechischen Raum vorgedrungen und erst wenige Jahrzehnte davor in den südlichen Balkan gekommen, aber ohne unter hellenistische Herrschaft zu geraten. Im Gegenteil scheinen sie noch in Kleinasien nicht nur ihre Sprache, sondern auch viele Sitten lange beibehalten zu haben.
Woher man weiß, dass Galater ihre Eigenbezeichnung gewesen sei, ist mir auch unbekannt.
 
Im Gegenteil scheinen sie noch in Kleinasien nicht nur ihre Sprache, sondern auch viele Sitten lange beibehalten zu haben.

... und zwar bis weit in die römische Kaiserzeit hinein. Der Kirchenvater Hieronymus berichtet noch um 400 n. Chr. in seinem Kommentar zum Galaterbrief, dass die Galater eine ähnliche Sprache sprächen, wie die keltischen Treveri im Rheinland. Allerdings soll die Authentizität dieser Stelle umstritten sein.
 
Es ist nicht die Authentizität der Stelle sondern vielmehr die Frage, ob er das wirklich beurteilen konnte.
 
@ravenik:
"Aber dass die Galater schon bei ihrer Ankunft in Kleinasien weitgehend hellenisiert gewesen sein sollen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Woher denn?"
Auf der einen Seite bestanden Kontakte zum "Groß"griechischen Bereich ja bereits seit Jahrhunderten. Dabei von einer "Hellenisierung" zu sprechen, halte ich aber für falsch.
Gegenseitige Beeinflussung trifft es sicher besser.
Es wäre ein wichtiges Desiderat, einmal genauer zu untersuchen, welche Bestandteile der Hallstattkultur und der frühen LaTene-Kultur im Gegenzug ihren Weg in den Mittelmeerraum gefunden haben.

Zu der von dir kritisierten Stelle nehme ich an, dass sich hier ebenfalls mal wieder ein Gedanke niederschlägt, den man etwa so wird umschreiben müssen: Außerhalb der schriftführenden Kulturen des klassischen Altertums besteht ein akutes Kultur"defizit". Sobald an irgendeiner Stelle schriftlich irgendeine Form von Kontakt erwähnt wird (Reisen, Wanderungen, Kriegszüge, Söldnerheere) bricht sprichwörtlich ein Damm - und die Ursprungsregion wird schlagartig von Kulturelementen beeinflusst.

Wer das für wahrscheinlich hält, setzt aber immer auch voraus, dass die bestehenden Handelskontakte oder auch anzunehmende, aber nicht ständig schriftlich bestätigte diplomatische Kontakte, sich so gut wie nicht kulturell niederschlagen. Ein bisschen katastrophistisch, diese Sicht.

Bezüglich der Beibehaltung von Sitten und Gebräuchen pflichte ich dir mal ... bei.
 
Auf der einen Seite bestanden Kontakte zum "Groß"griechischen Bereich ja bereits seit Jahrhunderten. Dabei von einer "Hellenisierung" zu sprechen, halte ich aber für falsch.
Gegenseitige Beeinflussung trifft es sicher besser.
Es wäre ein wichtiges Desiderat, einmal genauer zu untersuchen, welche Bestandteile der Hallstattkultur und der frühen LaTene-Kultur im Gegenzug ihren Weg in den Mittelmeerraum gefunden haben.

Die Kelten, die 279 v. Chr. den Balkan plünderten und ein Jahr später Delphi ausraubten, waren sicher noch nicht hellenisiert. Vermutlich hatten sie vor ihrer Expansion mit Händlern Kontakt, die mal ein griechisches Luxusobjekt oder eine Waffe tauschten - darauf wird sich der Kontakt mit Griechen beschränkt haben. Immerhin lagen die Sitze der Kelten und die griechischen Poleis weit auseinander und auch griechische Kolonien wie Massilia und andere, mit denen bereits die Fürsten der Halltstattzeit Handel getrieben hatten, waren nicht benachbart.

Hellenisierung fand also erst in den neuen Sitzen inmitten Anatoliens statt, wo Tolistobogier und Tektosagen seit dem 3. Jh. v. Chr. zu "Galatern" wurden. Herrschernamen wie Deiotaros Philopator zeigen eine solche Helleniserung, doch scheint sich im Lauf der Zeit eine merkwürdige Mischung von gallo-keltischen und hellenistischen Elementen in Religion und Brauchtum ergeben zu haben, wie u.a. dieser interessante Artikel von ZEIT-online zeigt. Druidenopfer in Anatolien | ZEIT ONLINEAllerdings vermutet der Verfasser dieses Artikels, dass die Kelten bei ihrer Ankunft in Kleinasien bereits weitgehend hellenisiert waren, wobei nicht klar ist, auf welche Fakten sich sich diese Vermutung stützt.
 
@Dieter, Massalia/Marseille liegt innerhalb weniger Kilometer am anzunehmenden keltischen Siedlungsraum. Dazu würde ich schon "benachbart" sagen. Gleiches gilt für die griechischen Städte an der spanischen Küste. Und durch die Funde werden auch Teile der Poebene als "keltisch" beeinflusst ausgewiesen - auch diese Region ist der klassischen Welt direkt benachbart. Von den thrakisch-keltisch beeinflussten Gebieten am Unterlauf der Donau werden auch regelmässige nachbarschaftliche Beziehungen bestanden haben.
Man darf die Kelten nicht pauschal an den "Quellen der Donau" verorten - dann werden ganz gute Nachbarn daraus.

Womit ich natürlich keineswegs ausdrücken will, dass die Plünderung von Delphi ein Zeichen liebevoller Nachbarschaft gewesen wäre ...
 
@Dieter, Massalia/Marseille liegt innerhalb weniger Kilometer am anzunehmenden keltischen Siedlungsraum. Dazu würde ich schon "benachbart" sagen..

Ob man das nun benachbart nennt oder nicht: Bestimmt kann man nicht sagen, dass die Stadt Massilia die Kelten "hellenisiert" habe. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass die Kelten im 3. Jh. v. Chr. einen Siedlungsraum hatten, der von Gallien bis nach Süddeutschland und zur Kanalküste reichte und im SO bis ins heutige Ungarn und Serbien (ganz abgesehen von den Keltiberern und den Keltenstämmen in Norditalien). Es gab Handelskontakte und Warenaustausch, aber keine "Hellenisierung".

An den Rändern dieses gewaltigen Siedlungsraums kam es natürlich zu intensiveren Kontakten und zwar nicht nur mit Griechen, sondern auch mit Römern, Iberern, Ligurern, Etruskern, Dakern, Germanen und Thrakern. Eine Überschichtung keltischer Stämme ist vor allem im Raum des heutigen Deutschlands durch nach Süden vorrückende germanische Bevölkerungsgruppen festzustellen.
 
Was genau meint ihr denn mit Hellenisierung? Romanisierung und Hellenisierung sind ja - im Gegensatz zu Latinisierung - zwar nicht polyseme aber dennoch sehr offene Begriffe.
 
Was genau meint ihr denn mit Hellenisierung?
das frage ich mich auch
die mir bekannten keltischen Funde (z.B. der "Hochdorfer Keltenfürst") erwecken nicht gerade den Eindruck, dass Asterix und Obelix beständig Retsina tranken, Sirtaki tanzten und sich von Gyros ernährten :):) -- Spaß beiseite: sonderlich mediterranisiert wirken sie nicht.
 
Was genau meint ihr denn mit Hellenisierung? Romanisierung und Hellenisierung sind ja - im Gegensatz zu Latinisierung - zwar nicht polyseme aber dennoch sehr offene Begriffe.

Gute Frage!

Für mich bedeutet "Hellenisierung" in Bezug auf die Kelten, dass sie sich hinsichtlich ihrer Kultur - materieller Fundus, Religion, Brauchtum - an die griechische Kultur angepasst haben. Davon kann man bei den Kelten, die Ende des 3. Jh. v. Chr. nach Anatolien einwanderten, sicher noch nicht sprechen. Wie den dürftigen Quellen zu entnehmen ist, schlossen sich die Galater erst später der griechischen Kultur an, wobei fraglich ist, wie weit das ging. In diesem Zusammenhang hier nochmals der ZEIT-online-Artikel: Druidenopfer in Anatolien | ZEIT ONLINE
 
Für mich bedeutet Hellenisierung eine Anpassung an die Kultur der Diadochenreiche. Dabei reicht die Spanne der möglichen Kulturelemente von der Trinksitte über die Grabkultur bis hin zur Bautechnik ("Lehmziegelmauern" der Heuneburg?).

Eine solche Hellenisierung hat in Ansätzen statt gefunden, was für mich der Blick auf die Entwicklung des Münzwesens in der Mittel- und Spätlatenezeit belegt. Hier erkennt man sehr deutlich, dass die Münzpräger von einem Philipp II.-Stater ausgegangen sind, als sie ihre ersten eigenen Münzen prägten. Aber: Selbst hier bewahren sie sich ihre Eigenart. Die Bildmotive sind "keltisch" interpretiert, man hat nicht versucht, die Münzen zu "kopieren" und sie dann wieder in den griechischen Bereich zu schaffen - das wäre ja auch denkbar gewesen.

Gerade, weil das Recht der Münzprägung wichtig war und dem "herrschaftlichen" bzw. politischen Bereich zugehörig ist, finde ich diese Anmerkung wichtig.

Eine "Hellenisierung" macht doch dann Sinn, wenn man im (vielleicht häufiger gewordenen?) Umgang mit den hellenistisch geprägten Städten und Städtebünden um das Mittelmeer politisch einfacher Umgang pflegen kann bzw. wenn einzelne Kulturelemente angepasst werden müssen, um regelmässige Kontakte zu erleichtern.

Gibt es jemanden, der unter "Hellenisierung" etwas ganz anderes versteht?
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade, weil das Recht der Münzprägung wichtig war und dem "herrschaftlichen" bzw. politischen Bereich zugehörig ist, finde ich diese Anmerkung wichtig.
zwei Überlegungen dazu:
1. etliche nordgermanische Brakteaten imitieren lateinische Schrift und römische Münzen, aber von einer Romanisierung der Nordleute kann man deswegen nicht sprechen
2. wir verwenden lateinische Buchstaben und arabische Zahlen, aber bedeutet das, dass wir romanisiert und arabisiert zugleich sind?

Das Münzwesen, relevant für den Handel zwischen den verschiedenen Kulturen, ist als Herrschaftsausdruck wohl nur in der jeweils Münzen prägenden Kultur zu sehen; dass im keltischen Kulturraum griech. Münzen imitiert und gelegentlich die griech. Schrift verwendet wurde, halte ich noch nicht für ein Indiz zur Hellenisierung.

Sicher waren die anatolischen Galater irgendwann mehr oder weniger "hellenisiert", doch bei den Festlandkelten habe ich da Zweifel.
 
@dekumatland
Zu deinen beiden Überlegungen würde ich gerne sagen 1. Doch! und 2. Ja!
Zum Verständnis: Die Aufschrift einer Münze ist im Herkunftsland funktional. Sie kann sich auf Wert, Prägedatum, Umlaufgebiet u. A. beziehen und bezeichnet ganz allgemein die Münze genauer.

Wenn die Schrift mit kopiert wird, dann kopiert man auch das Bezugssystem.
Aber: Ich möchte keineswegs behaupten, dass die Nordgermanen in allen Lebensbereichen romanisiert waren. Sicherlich nicht. Aber den Kulturaspekt der Münzverwendung hat man für sich übernommen. Und am Anfang kopiert man eben diejenigen Stücke, die bereits im Umlauf sind.

Interessanterweise gehen die keltischen Münzmeister eben doch etwas anders vor: Die Symbolik wird teilweise kopiert und doch sichtbar verändert, die ursprüngliche Umschrift wird in einzelne Glyphen aufgelöst und verschwimmt schnell zur Unkenntlichkeit.

Für die Tatsache, dass wir lateinische Schrift und arabische Zeichen verwenden, gibt es sehr treffende historische Ursachen. Das römische Münzwesen war zeitweise dem in Mitteleuropa verwendeten im gleichen Ausmass überlegen, wie die arabische Zählweise der christlich geprägten Klostermathematik. Kurz geschrieben.

Eine mögliche Hellenisierung hätte aber, da gebe ich dir völlig recht, eher die täglich mit den Diadochenreichen in Kontakt stehenden Galater getroffen, als die Festlandkelten. Wobei man die Frage anschliessen muss, ob nicht auch in dieser Zeit bereits die Migranten (Galater auf dem Gebiet der heutigen Türkei) in stetigem, wenn auch nicht regelmässigen Kontakt mit Familie und Freunden standen (Ergebnisse der modernen Migrationsforschung).

Und: Heute spielen die Devisen, die von Migranten in ihre Heimatländer abgeführt werden, eine bedeutende Rolle in vielen Ländern. Wie sind noch mal die ersten Münzen an die "Quellen der Donau" gekommen??

Wer sich für das Thema Münzprägung interessiert - ich habe bei der kurzen Internetrecherche gerade einen schönen Artikel aus der Experimentalarchäologie gefunden, guckst du hier:
Auf den Spuren keltischer Münzmeister
Sonst ist die Frage dabei, sich etwas "off-topic" zu entwickeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
(kleine ot-Abschweifung)
Aber: Ich möchte keineswegs behaupten, dass die Nordgermanen in allen Lebensbereichen romanisiert waren. Sicherlich nicht. Aber den Kulturaspekt der Münzverwendung hat man für sich übernommen. Und am Anfang kopiert man eben diejenigen Stücke, die bereits im Umlauf sind.
allerdings wurden diese Brakteaten, die übrigens später auf Imitation römischer Motive und Schrift zugunsten teophorer german. Symbolik verzichteten, nicht als Zahlungsmittel, nicht als Geld im Norden verwendet; sie hatten da eher dekorativen Charakter - - und das spricht gegen die Übernahme des Kulturaspekts der Münzverwendung in diesem Fall
 
Das gleiche gilt bei den Silbermünzen auch im keltischen Bereich. Es ist noch nicht geklärt, ob eine oder die Hauptfunktion der Münzen wirklich der Umlauf als Zahlungsmittel war. Und: Es könnte von Münztyp oder verwendetem Metall abhängig sein. Danke für den Hinweis, Dekumatland
 
Ich hab noch eine Frage zu einem weiter oben geschriebenen Text, der besagt, dass die Kelten Delphi plünderten: ich dachte, dass die Kelten durch ein Gewitter davon abgehalten wurden, oder irre ich mich bei der Annahme?
 
Nun ja,man könnte es auch umgekehrt sehen:
Die Kelten verfügten ja offensichtlich auch über weitreichende Handelsbeziehungen, wie z.B.die etruskischen Schnabelkannen im Hunsrück u.ä. zeigen. Wer aber Handel betreibt muß entweder tauschen oder für die Ware bezahlen - und dazu sind Münzen ein praktisches Mittel, verkörpern sie doch einen genormten Metallwert .Als Händlervolk hat man also schlicht die levantischen Zahlungssysteme zunächst adaptiert ,also dort geprägte Münzen verwendet und dann kopiert wobei man die darauf abgebildete Symbolik ebenfalls übernommen hat.
Dass die Münzen nebenbei auch als Schmuck dienten sehe ich eher als Nebeneffekt- der sich übrigens bis in die Neuzeit z.B. im Charivari der bayrischen Tracht erhalten hat.
 
Für mich bedeutet Hellenisierung eine Anpassung an die Kultur der Diadochenreiche. Dabei reicht die Spanne der möglichen Kulturelemente von der Trinksitte über die Grabkultur bis hin zur Bautechnik ("Lehmziegelmauern" der Heuneburg?).

Eine derart rudimentäre Übernahme einzelner Elemente verdient weder den Namen "Helleniserung" noch "Romanisierung". Der cheruskische Töpfer im freien Germanien, der sich eine römische Scherbe zum Vorbild nimmt, ist deshalb noch längst nicht romanisert. Ähnliches gilt hinsichtlich einer "Hellenisierung" für die Fürsten der Hallstattzeit und die Masse der festländischen Kelten.

Zu diesen zählten auch die Galater, die vor ihrer Landnahme in Anatolien lediglich keltische Barbaren waren, die hin und wieder eine griechische Exportware erbeutet oder ertauscht hatten. Erst nach ihrer Ansiedlung in der Türkei beginnt der hellenistische Einfluss und wir finden dann Herrschernamen wie Δηιοτάρο bzw. Deiotarus im letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende.
 
Ich hab mich vor Jahren mit keltischen münzen befasst... Damals war bei uns in der Archäologie Konsens ,daß die ostkeltischen münzen, zumindest bei Boiern und ihren Nachbarvölkern Zahlungsmittel waren...

alle Indizien deuten darauf hin: Stammesgrenzen übergreifende Emission, genaue Gewichtsstandarts, alles deutet darauf hin ,daß sie als Geld gedient haben.
 
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