Aktualität des Mittelalters

B

benderinchen

Gast
Ein ganz liebes Hallo, ich würde euch gerne 2 Fragen stellen und freue mich über Antworten!:)
Unser aktuelles Thema im Geschichtskurs ist das Mittelalter und unsere Lehrerin gab uns den Tipp auch einmal in Foren nach Meinungen zu Folgenden Fragen und Aussagen zu stellen :)
Ich freue mich sehr über jede Antwort und Hilfe :)

Unsere Aufgabenstellung ist es einerseits die Aktualität des Mittelalters zu erkläre, warum es heutzutage soviel Interesse daran gibt und so viele Dokumentationen, hinsichtlich dessen hab ich schon einige Historikermeinungen gelesen, die jedoch nicht sehr hilfreich waren :)
Ebenso sollen wir den "Umgang mit dem Fremden" erklären, im Bezug auf den heutigen Umgang mit dem Mittelalter :)

Wenn es jemanden gibt der ein paar Tipps oder vielleicht Texte wüsste die ich diesbezüglich verwenden könnte, oder einfach eine Antwort darauf weiß, würde mich das sehr freuen :)
Liebe Grüße!:)

PS: Ist eine Aufgabe im Geschichte Grundkurs der 11ten Stufe eines Gymnasiums :)
 
Jacques Le Goff soll die "Geburt Europas im Mittelalter" angesetzt haben. Leider befindet man sich mit einem solchen Rekurs (im Hinblick auf politische Legitimation) schon zügig in Fragen zur Zeitgeschichte verstrickt.
Von einer Geschichte der Emotionen her ließe sich aber beispielsweise aus ganz anderer Sichtweise die Frage nach Ähnlichkeiten oder Unterschieden stellen, wobei mein Hinweis, auf den ich dafür bezug nehme, leider bereits in die frühe Neuzeit fällt. Doris Kolesh (Theater der Emotionen Ffm: Campus, 2006) meinte beispielsweise anhand ihrer Studie über die Zeit Ludwigs XIV beobachten zu können, "dass das vormoderne, voraufklärierische Subjekt [...] erstaunliche Parallelen aufweist zum postmodernen Subjekt". Leider habe ich diese Arbeit nicht selbst gelesen, sondern entnehme diese Information einer sehr guten Rezension zur Affektforschung von Florian Weber (in Neue Politische Literatur 53/ 2008, S.36)
 
Ein bisschen k o m i s c h ist die Frage schon. Was soll denn Aktualität des Mittelalters heissen? Mittelalter ist vorbei und das schon seit fast 1000 Jahren. Und der Umgang mit dem Fremden? Was ist denn damit gemeint?

Da ich Camus und damit das Absurde mag (und somit nicht alles Sinn machen muß) versuche ich halt mal die Fragen zu beantworten:

Als erstes kann ich ja mal sagen, was m i c h am Mittelalter interessiert: Nun jedenfalls keine Mittelalterfeste in der Menschen in seltsamer Tracht herum laufen.
Schon eher das, was damals anfing und heute uns noch prägt (wie z. B. spezielle Formen der Gerichtsbarkeit)
Das keltische -, germanische - oder slawische Erbe ist weit weg, aber über das Mittelalter wissen wir doch ganz gut bescheid. Deshalb kann man hier besser nach Wurzeln suchen.

Während wir m e n t a l eher von der Aufklärung und der darauffolgenden Moderne ( besser Postmoderne) geprägt werden, f ü h l e n wir uns beim Mittelalter unserem Seelengrund näher (was immer das auch ist).
Es ist so der Gegenpol zu unserem heutigen Leben und das Fremde, was man nicht lebt. So zieht es einem halt als "das Andere" an und schafft einen Ausgleich, eine Art Balance.
 
In der Schule ist natürlich der Gegenwartsbezug historischer Ereignisse wichtig. Geschichtsunterricht ist kein Selbstzweck, man lernt hier auch nicht, um im Berufsleben später mal mit seiner Allgemeinbildung glänzen zu können. Geschichtsunterricht in der Schule dient zwei Dingen: (1) Dem kritischen Denken und den Methoden dahin zu kommen und (2) den Schülern eine Verortung zu geben, das beinhaltet eine historische und eine politische Identität.
Das Mittelalter spielt eine Rolle, weil wir z.Zt. eine erneute Romantisierung des Mittelalters mit dem Mittelaltermarktsprech und Historischen Romanen/"Schrägstrich"/Frauenliteratur erleben. Kennzeichnend sind hier z.B. die Romane des Autorenehepaars Iny Lorenz, die historisch schlecht recherchiert insbesondere Frauen eine auf romantische Art und Weise emanzipatorische Vorbilder bieten sollen, eben Wanderhuren und Pilgerinnen, die sich aus eigener Kraft aus dem ihnen von einer feindlichen Männerwelt aufoktoyierten Rolle befreien können und ggf. auch wieder stürzen (Päpstin).
Auf diese Art und Weise ist das Mittelalter sehr nah und doch ferner denn je, weil es eben nicht das Mittelalter ist, was gezeigt wird, oder - im Sinne (de)konstruktivistischer Theorien - eine einigermaßen realistische Vorstellung des Mittelalters, sondern eine dem ausgehenden 20./ beginnenden 21. Jhdt. typische Wunschvorstellung, wie das Mittelalter denn hätte aussehen sollen, wenn es nach den Autoren und den Leserinnenwünschen ginge.
Insofern fördert und blockiert die gegenwärtige Mittelaltermode den Umgang mit dem Mittelalter zugleich.
 
Hmn meiner Meinung nach hat das drei Gründe:

1. Wie schon erwähnt, ist das Mittelalter seit Jahrhunderten passé. Der heutige Mensch interessiert sich für seine und die allgemeine Geschichte. Es gibt Leute die sich speziell auf die Antike fixieren, andere auf spezielle Ereignisse oder Gegenstände. Und wieder andere mögen halt das Mittelalter.

2. Die "Grausamkeiten" des Mittelalters. Viele verbinden diese Epoche mit Gewalt, Unterdrückung, Folter und Krieg. Die Menschheit ist seit jeher von solchen Dingen... (Ich will jetzt nicht fasziniert sagen, aber soetwas in der Art.)

3. Der Heldenmut des Mittelalters oder bessergesagt der Sagen. Wer kennt das nicht: Ein edler Ritter befreit eine junge, hübsche Prinzessin aus den Klauen eines Drachen (oder Einer Verbrecherbande)
Wen bitteschön interessieren Helden/Legenden wie Robin Hood nicht???
 
Zuletzt bearbeitet:
1. Jacques Le Goff soll die "Geburt Europas im Mittelalter" angesetzt haben.

2. Von einer Geschichte der Emotionen her ließe sich aber beispielsweise aus ganz anderer Sichtweise die Frage nach Ähnlichkeiten oder Unterschieden stellen,

Zu 1. Bei Strayer finden sich ebenfalls Verweise auf die zentrale Rolle des Mittelalters bei der Ausformung des Staates bzw. der bürokratischenStrukturen.

On the Medieval Origins of the Modern State - Joseph R. Strayer - Google Books


Zu 2. Und bei Taylor wird die Ausbildung unserer "modernen" Identität ebenfalls ins Mittelalter bzw. in die Neuzeit verlegt.

Quellen des Selbst: Die Entstehung der neuzeitlichen Identität - Charles Taylor - Google Books

@Musopilli: Insofern sind beide Ansätze sicherlich zielführend sowohl auf der Ebene von Makrostrukturen, also dem Staat als auch auf der Ebene von Mikrostukturen, also dem Individuum im Rahmen der Gesellschaft.
 
Das Mittelalter spielt eine Rolle, weil wir z.Zt. eine erneute Romantisierung des Mittelalters mit dem Mittelaltermarktsprech und Historischen Romanen/"Schrägstrich"/Frauenliteratur erleben.
und diese ahistorische Romantisierung enthält obendrein auch noch Verniedlichung, Verharmlosung, Kitsch und Geschichtsklitterei.
 
2. Die "Grausamkeiten" des Mittelalters. Viele verbinden diese Epoche mit Gewalt, Unterdrückung, Folter und Krieg. Die Menschheit ist seit jeher von solchen Dingen... (Ich will jetzt nicht fasziniert sagen, aber soetwas in der Art.)

3. Der Heldenmut des Mittelalters oder bessergesagt der Sagen. Wer kennt das nicht: Ein edler Ritter befreit eine junge, hübsche Prinzessin aus den Klauen eines Drachen (oder Einer Verbrecherbande)
Wen bitteschön interessieren Helden/Legenden wie Robin Hood nicht???


ad 2: Das Bild des "finsteren Mittelalters" ist eine aus der Zeit der Aufklärung stammende. Die Frage ist, wieweit das zutreffend ist. Die Strafjustiz des Mittelalters war zweifellos grausam, aber es handelte sich nicht um sinnlose Brutalität. Sie sollte grausam sein, und sie musste grausam sein, sonst hätte sie keinen Sinn gehabt. Es gab die Vorstellung der Strafe an einen sinnvollen Zweck kaum, es gab keine angestrebte Resozialisierung. Die Strafe spiegelte die tat und sollte den gebrochenen Rechtsfrieden wiederherstellen. Es gab keine gefängnisse, wo Gebäude als solche dienten, waren sie eher U-Haftanstalten. Es gab keine Polzei. Dass die Folter als Mittel der Rechtsfindung durch die Rezeption des Römischen Rechts ein Mittel der Wahrheitsfindung war, sogar in gewisser Weise ein rechtshistorischer Fortschritt im vergleich mit irrationalen Mitteln wie dem Gottesurteil, erscheint uns heute ungeheuerlich (oder auch nicht mehr), doch stritten sich noch im 17. Jhd gelehrte Köpfe über ihre Legitimität, und neben prominenten Gegnern wie Friedrich von Spee und Christian Thomasius, ebenso prominente Befürworter, darunter Jean Bodin, den renommiertesten Juristen des 16. Jhds. Hängen, Rädern, Vierteilen, Galgen und Scheiterhaufen waren grausam, doch ist es etwa die Sicherungsverwahrung nicht?

In einer Zeit in der die Staatlichkeit noch längst nicht so ausgeprägt war wie in der Neuzeit, in der sowohl gefängnisse fehlten wie ein ausgebildetes Strafverfolgungspersonal und nicht einmal theoretisch die Besserung des Delinquenten angedacht wurde und die Mittel der Rechtsfindung begrenzt waren und ein Geständnis oder zwei Tatzeugen erforderlich waren, um eine Verurteilung zu erreichen, benötigte die Justiz das "Theater des Schreckens", das "Fest der Matern" wie Richard van Dülmen und Michel Foucault es nannten. die Strafen waren grausam, mussten es sein und sollten es sein, ohne Frage, doch etliche Strafen wurden nicht vollstreckt, und das Mittelalter kannte auch Gnade gegenüber dem "Armen Sünder". man folterte ihn, aber es wäre keiner auf die Idee gekommen, ihn jahrelang in der Todeszelle gefangen zu halten oder ihn für Taten zu bestrafen, die er wegen schlechter Prognose begehen könnte. So gesehen ist die Grausamkeit des Mittelalters relativ, jede Epoche hat ihre eigentümliche Grausamkeit.

Ad 3) Die Vorstellung der ritterlichen Ehre war eine literarische, ein Ideal, das man pries, an das sich aber kaum jemand in freier Wildbahn hielt. Und auch die literarischen Helden hatten ihre Makel, wobei die des Nibelungenliedes weitaus vielschichtiger waren, als die des Chanson de Roland.

Robin Hood als Sozialbandit interessiert doch noch heute, und jede Zeit hat sich ihren Robin Hood erschaffen. er hat auch die amerikanischen Militärs fasziniert, die ihrer Entlaubungsaktion in Vietnam den poetischen Namen Operation Sherwood Forrest gaben.

So wandelbar wie der Robin Hood-Mythos ist auch die Vorstellung des Heldentums. Was ist eigentlich ein Held?
 
Die Strafjustiz des Mittelalters war zweifellos grausam, aber es handelte sich nicht um sinnlose Brutalität. Sie sollte grausam sein, und sie musste grausam sein, sonst hätte sie keinen Sinn gehabt. Es gab die Vorstellung der Strafe an einen sinnvollen Zweck kaum, es gab keine angestrebte Resozialisierung. Die Strafe spiegelte die tat und sollte den gebrochenen Rechtsfrieden wiederherstellen.

Jein. Im SpätMA schickte man Verbrecher gerne auf Buß-Pilgerschaft, auch in der Hoffnung darauf, dass das Problem unterwegs "erledigt wurde". Man entfernte so Delinquenten aus der angestammten Umgebung und konnte so auch den sozialen Frieden wiederherstellen. Wenn man Glück hatte, siedelte sich der Delinquent irgendwo anders an, verunfallte oder wurde erschlagen.
Nicht umsonst wurde aber auch der Begriff Santiago-Pilger im SpätMA zum euphemistischen Synonym für Kriminelle.
 
Das Mittelalter spielt eine Rolle, weil wir z.Zt. eine erneute Romantisierung des Mittelalters mit dem Mittelaltermarktsprech und Historischen Romanen/"Schrägstrich"/Frauenliteratur erleben. Kennzeichnend sind hier z.B. die Romane des Autorenehepaars Iny Lorenz, die historisch schlecht recherchiert insbesondere Frauen eine auf romantische Art und Weise emanzipatorische Vorbilder bieten sollen, eben Wanderhuren und Pilgerinnen, die sich aus eigener Kraft aus dem ihnen von einer feindlichen Männerwelt aufoktoyierten Rolle befreien können und ggf. auch wieder stürzen (Päpstin).
Auf diese Art und Weise ist das Mittelalter sehr nah und doch ferner denn je, weil es eben nicht das Mittelalter ist, was gezeigt wird, oder - im Sinne (de)konstruktivistischer Theorien - eine einigermaßen realistische Vorstellung des Mittelalters, sondern eine dem ausgehenden 20./ beginnenden 21. Jhdt. typische Wunschvorstellung, wie das Mittelalter denn hätte aussehen sollen, wenn es nach den Autoren und den Leserinnenwünschen ginge.
Insofern fördert und blockiert die gegenwärtige Mittelaltermode den Umgang mit dem Mittelalter zugleich.


Während die Aufklärung die Vorstellung des finsteren Mittelalters kolportierte, so entwickelte die Romantik ein Faible für das Mittelalter, das ihr eloquentester Autor, Heinrich Heine allerdings satirisch aufs Korn nahm.

"..Das ist so rittertümlich und mahnt an der Vorzeit holde Romantik,
An die Burgfrau Johanna von Montfaucon, an den Freiherrn Fouquet,
Uhlandik!
Das mahnt an das Mittelalter so schön,
An Edelknechte und Knappen,
Die in den Herzen getragen die Treue,
und auf dem Hintern ein Wappen.
Das mahnt an Kreuzzug und Turney,
An Minne und frommes Dienen,
An die ungedruckte Glaubenszeit,
In der noch keine Zeitung erschienen....

(Heine, Deutschland ein Wintermärchen Caput 1)
 
Jein. Im SpätMA schickte man Verbrecher gerne auf Buß-Pilgerschaft, auch in der Hoffnung darauf, dass das Problem unterwegs "erledigt wurde". Man entfernte so Delinquenten aus der angestammten Umgebung und konnte so auch den sozialen Frieden wiederherstellen. Wenn man Glück hatte, siedelte sich der Delinquent irgendwo anders an, verunfallte oder wurde erschlagen.
Nicht umsonst wurde aber auch der Begriff Santiago-Pilger im SpätMA zum euphemistischen Synonym für Kriminelle.


Die rheinische Bezeichnung für einen Bierkeller, der "Köbes" soll indirekt auf die ruppigen Jakobspilger zurückgehen, die es nicht bis nach Santiago des Compostela schafften, sondern nur bis an den Rhein und sich dort verdingten. Köbes ist eine Koseform von Jakob, und der rauhe Umgangston der Pilger wurde geradezu zu einem Markenzeichen
 
Besonders ulkig finde ich vielen pferdeschwanz-oder zopftragenden Männer auf diesen Mittelaltermärkten. Ich kenne keine bildliche Darstellung aus dem Mittelalter die eine derartige Männerfrisur zeigt. Auch der Ausschank von Kartoffelsuppe auf solchen Spektakeln, ist etwas in der Epoche verrutscht:D
 
Entschuldigung, Folter , Radflechten ,Hängen im MA?
Constitutio Criminalis Carolina ? Wikipedia das ist früheste Neuzeit, oder?? Leibesstrafen im Sachsenspiegel sind aus dem beginnenden Spätmittelalter...

Das Mittelalter geht aber so ~450 nChr los. Der Rechtsgrundsatz vor den Offizialdelikten ist Rache oder Schadenersatz (Wergeld) Von wegen spiegelnde Strafe im MA...Und grausam und dunkel. Und sieht man sich mal die Kriege genauer an, war das verglichen mit dem 20. Jhdt oder dem 19.Jhdt direkt eine recht friedliche Zeit. Der Ritter in schimmernder Wehr? Auch die Plattenrüstung ist leider erst im Ausgang des MA so richtig in Mode.
Die Faszination ist teilweise eben auch die Frage: "War das Mittelalter wirklich so dunkel und waren die echt so dumm und ungebildet?"
 
Entschuldigung, Folter, Radflechten ,Hängen im MA?
Constitutio Criminalis Carolina ? Wikipedia das ist früheste Neuzeit, oder?? Leibesstrafen im Sachsenspiegel sind aus dem beginnenden Spätmittelalter...

Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und die CCC sind nicht die ersten Rechtsinstitute, selbst wenn man Braunschweig für den Nabel der Welt hält.
Die Folter als Mittel der Wahrheitsfindung gegenüber den vorher angewandten Gottesurteilen wird ab 1215 mit dem Verbot der Gottesurteile im vierten Laterankonzil geradezu notwendig. So unverständlich das aus heutiger Sicht ist: Damals stellte das einen Rechtsfortschritt dar.

Konkreter Fall des Räderns: Friedrich von Isenburg 1226 für den Mord an Engelbert von Köln, 1225.
 
naja, auch wenn Rom der Nabel der Welt war ;-), auch 1226 ist jetzt schon so je nach Sichtweise Spätmittelalter, außerdem war das nun nicht das , was man so heute unter Gerichtsurteil, Gefangenschaft und Hinrichtung versteht. Der Mensch wurde vom Reichstag "zum Tode verurteilt" und der Erzbischof von Köln kriegte in die Finger und ließ ihn aufs Radflechten. Also ein klassischer Akt von Rache des Nachfolgers des Ermordeten. Spätmittelalter ? Wikipedia
Nicht das das Mittelalter so eine friedliche Dudu Zeit war, aber so immens grausam wie die frühe Neuzeit denn auch nicht. Allerdings gabs auch kein sicheres Recht und gleiches Recht für alle schon garnicht. Und sich gegen erwiesenes Unrecht zur Wehr setzen, war nun auch nicht so einfach. Also, ein Rechtsfortschritt war das schon. Vorher hätte den Friedrich nämlich keiner zur Verantwortung gezogen außer dem Erzbischof von Köln. Abgesehen davon, die anhängigen Rechtsstreitigkeiten, die zu dem Mord geführt haben, sind ja denn nicht so dem Gesetz entsprechend entschieden worden. Köln konnte den Raub behalten
 
Entschuldigung, Folter , Radflechten ,Hängen im MA?
Constitutio Criminalis Carolina ? Wikipedia das ist früheste Neuzeit, oder?? Leibesstrafen im Sachsenspiegel sind aus dem beginnenden Spätmittelalter...
"
Karl d. Große ließ öffentliche Galgen errichten. Zuvor wurde meist an Bäumen gehenkt. Gefoltert wurde von der Antike bis in die heutige Zeit. Weshalb soll da ausgerechnet das Mittelalter eine Ausnahme gewesen sein ?
Der Sachsenspiegel schilderte eine Reihe von Hinrichtungsarten, die schon längst gängige Praxis waren. Diese Strafen wurden nicht erst im Spiegel erfunden. Er fasste lediglich das bis dahin geltende Gewohnheitsrecht zu einem einheitlichen Recht zusammen.
 
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Nun ja, was aktuell am Mittelalter ist,ist sicherlich die auch noch heute bestehende Gliederung Europas- die Anfänge der meisten Staaten liegen im Mittelalter .
Auch die innerstaatlichen Strukturen sind teilweise auf diese Zeit zurück zu führen-die föderale Struktur des Heiligen Römischen Reiches ebenso wie der Zentralismus in England und Frankreich. Und wenn ich an die Reichsstädte denke,dann haben wir dort sogar sowas wie die Anfänge kommunaler Selbstverwaltung.
Und der Ursprung des modernen Bankwesens , also Kreditbrief,Wechsel und Kontenführung lag ebenfalls im Mittelalter und begann eigentlich mit den Kreuzzügen , die größere Kapitaltransfers notwendig machten.Die Templer, die lombardischen Geldverleiher und Großfinanziers wie Jacques Coeur waren hier engagiert.
Im Mittelalter entstanden auch viele der regionalen Wirtschaftszentren,die es heute noch sind,z.B. Frankfurt,Hamburg,Köln,Augsburg,Nürnberg,Leipzig etc.
 
Liebe sachliche Mitstreiter,

das Thema dieses Threads gibt mir die Gelegenheit, mal auf ein sehr lesenswertes Buch zu verweisen, das ich in Mainz kaufen durfte
(Das erwähne ich nur, weil man in Main vieles macht, aber das kaufen anspruchsvoller Bücher doch sehr selten geschieht - und meist nur, nachdem das eigene Fahrzeug abgeschleppt wurde ... ach, was solls).

Wegen des Bezugs zur Gegenwart sehr lesenswert und auch wirklich überraschend knapp auf 96 Seiten formuliert:
Johannes Fried - Die Aktualität des Mittelalters - Gegen die Überheblichkeit unserer Wissensgesellschaft - 978-3-7995-8301-5 - - Jan Thorbecke Verlag

Ich würde mich über jede/n freuen, die/der den Text wirklich zur Kenntnis genommen hat. Der Inhalt erfüllt nämlich fast den Tatbestand der Wissenschaftlichen-Selbstverteidigung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum ist das Mittelalter so aktuell?

Wohl aus mehreren Gründen:

Zunächst kann wohl jeder etwas damit anfangen: Assoziationen zu Rittern, Burgen, Burgfräuleins, Schwertern, Hexen etc. sind sofort gegenwärtig. Passierte dies, wenn es z.B. um frühe Neuzeit geht? Wohl eher nicht.

Es wurde schon angesprochen; die Gründung vieler Städte und Gemeinden geht auf das Mittelalter zurück, damit gibt es eine gewisse Verbundenheit mit der eigenen Geschichte.

Und ganz wichtig, das Mittelalter läßt sich trefflich vermarkten: Es gibt nicht nur die bereits angesprochenen Romane (mit den entsprechenden Verfilmungen!), sondern auch einschlägige Zeitschriften, wie "Miroque", das unter der der Überschrift "Das Mittelalter hautnah erleben" für sich wirbt.
Seit Jahren gibt es etliche Combos, die der "Mittelalterszene" zuzuordnen sind, wie Schandmaul, Faun, Versengold, Rabenschrey, Saltatio Mortis, Cultus Ferox, Corvus Corax (die Könige der Spielleute), die Zipfelbuben u.a.m.
Es gibt eigene Festivals der Mittelalterszene, Zeitschriften wie "Zillo" oder "Sonic Seducer" bringen jährlich ein "Mittelalter-Spezial" mit bestimmten Themen und zusätzlicher CD ...

Und dann die Mittelaltermärkte. Sie sind Bestandteil vieler Stadtfeste geworden, bieten dem Besucher einen Einblick, wie es im Mittelalter gewesen sein soll mit vielen kommerziellen Möglichkeiten. Es gibt zu essen, zu trinken, Tücher, CD, Metallwaren, es gibt Spass (Bühnenstücke, Bänkelsänger) Wahrsager, Schlangenbeschwörer, Handwerk aller Art, Schmuck, Düfte, Ritterkämpfe wie in Dresden (Schlosshof) ...

Insgesamt steht wohl eher die Unterhaltung, das Abschalten vom tägl. Einerlei, der Spass und der Kommerz im Vordergrund und nicht die tatsächliche Beschäftigung mit dem hist. Mittelalter.

Grüße
excideuil
 
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