Der Fall Eugen Wohlhaupter (Rechtshistoriker † 1946)- Wie einzuschätzen?

El Quijote

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Aufgrund meiner Beschäftigung mit dem mittelalterlichen Fehderecht in Spanien bin ich auf Eugen Wohlhaupter gestoßen, ein Rechtshistoriker der Uni Kiel.
Ich habe von ihm Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien vorliegen, in Deutschrechtliche Beiträge Bd. XIV, 2 (1933), dann Gesetze der Westgoten, erschienen in der Reihe Germanenrechte (Bd. 11, 1936) und, dieselbe Reihe, dasselbe Jahr, Altspanisch-gotische Rechte. (Bd. 12).
Während er im Band von 1933 noch recht sachlich ist, ist der Sprachstil in den beiden Bänden von 1936 dem der nationalsozialistischen Machthaber sehr angepasst, er argumentiert völkisch.
Bei Klee (Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945) wird er als
"stockkatholischer" nicht beamteter (1944 beamteter) ao. Professor für Rechtsgeschichte der bedingungslos nationalsozialistischen Stoßtruppfakultät Kiel
dargestellt und seine "Mitarbeit am Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" erwähnt. Literaturangaben bei Klee: Frank-Rutger Hausmann (bei Klee im Lit.-Verzeichnis 2x) und Hans-Werner Prahl (Die Uniformierung des Geistes. Universität Kiel im Nationalsozialismus.)
Hans Hattenhauers Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter wurde wohl übersehen oder absichtlich ausgelassen.
Dieses Buch habe ich nämlich eher zufällig in der Bib entdeckt und mir mal kurz angeschaut, es ist Wohlhaupter gegenüber sehr wohlwollend und bringt am Ende Belege für Wohlhaupter als Opfer* des Nationalsozialismus. U.a. ein Brief an den Rektor der Universität von 1943, in dem Wohlhaupter zwar einräumt, dass der Vorwurf ihm gegenüber katholisch zu sein, zwar stimme, aber sein Katholizismus kein politischer sei. Und dass er sich in seinem Forschungsgebiet viel mit der Kirche beschäftige, läge nun mal daran, dass man in der Rechtsgeschichte des Mittelalters nicht an der Kirche vorbeikomme. Im Übrigen sei er nationalsozialistisch eingestellt. (Aus dem Gedächtnis heraus, die Reihenfolge der Aussagen ist nicht unbedingt die Reihenfolge der Aussagen im Brief.) Ob man letztere Aussage gegen ihn verwenden darf oder nicht, sei dahingestellt, man muss das wohl als Konzession an die Machthaber zum Stellenerhalt sehen.
Ansonsten finden sich Briefe von (ehemaligen) Studenten Wohlhaupters aus dem Sommer 1945 darin, die sich an die Besatzungsmacht richten und die man als Leumundszeugnisse/Persilscheine wird einstufen müssen. Das einzige Zeugnis, welches ich würde gelten lassen wollen, ist ein Dokument von mehreren Studenten, welches diese nach Wohlhaupters Tod verfasst haben.
Hat zufälligerweise jemand den Prahl oder den Hausmann (Deutsche Geisteswissenschaft 1998, Auch im Kriege schweigen die Musen nicht 2001) zur Hand?
Was meint ihr zu Wohlhaupter?
Ein Opfer?
Ein Mitläufer?
Ein überzeugter Nationalsozialist?
Ich würde ihn aufgrund meines Wissensstandes für einen Mitläufer halten, der sich, um seine Position zu halten, den Nazis angedient hat, als Katholik aber gerade den besonders antikatholischen Funktionären unter den Nazis missfallen hat und somit wohl tatsächlich, trotz seines Mitläufertums, Anfeindungen aushalten musste.
Aber es muss einen Grund geben, dass er 1935 ausgerechnet nach Kiel berufen wurde.


*Ich weiß nicht mehr, ob es Hattenhauer selbst war oder Wohlhaupters Studenten, nach dessen Tod 1946. Aber der frühe Tod Wohlhaupters wird damit erklärt, dass Wohlhaupter durch die Demütigungen während der NS-Zeit gebrochen war.
 
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Aber es muss einen Grund geben, dass er 1935 ausgerechnet nach Kiel berufen wurde...


*Ich weiß nicht mehr, ob es Hattenhauer selbst war oder Wohlhaupters Studenten, nach dessen Tod 1946. Aber der frühe Tod Wohlhaupters wird damit erklärt, dass Wohlhaupter durch die Demütigungen während der NS-Zeit gebrochen war.

Wohlhaupter erhielt keinen Ruf, sondern man trug ihm lt. Hattenhauer (liegt mir nicht vor, nur die Rezension) nach mehreren Lehraufträgen nur vertretungsweise den germanistischen Lehrstuhl Karl August Eckhardts an der juristischen Fakultät der Kieler Universität an. Wegen seines Glaubens, Mitgliedschaft im Zentrum und bei der Görres-Gesellschaft wurde er kein Ordinarius:

"Selbst seine bei der Partei anerkannten Kieler Fakultätskollegen, welche allzu oberflächlich als Mitglieder der sog. Kieler “Stoßtruppenfakultät” diskreditiert werden, konnten bei der NSDAP in dieser Sache nichts ausrichten; ergebnislos verliefen die Bemühungen von Larenz, Brandt und Ritterbusch, ihm das verdiente Ordinariat zu sichern. Bis 1944 - am 1. 5. erfolgte die Ernennung zum beamteten außerordentlichen Professor - verblieb es bei der Dauervertretung."

"Während er sich im Kollegenkreis allgemeiner Wertschätzung erfreute, stellte ihm die NSDAP in den Kieler Jahren über den NS-Dozentenbund und die Studentenschaft nach. Hörer denunzierten ihn mit dem Vorwurf, in seinen Vorlesungen aktiv für die Kirche eingetreten zu sein; in die gleiche Richtung zielten Angriffe der Zeitschrift “Durchbruch”, eines Organs der sog. Deutschen Glaubensbewegung, und bewußt ausgestreute Verdächtigungen des NS-Dozentenbundes. Geschickt taktierend, sich gegenüber den Vorwürfen in Mentalreservationen und Doppeldeutigkeiten flüchtend, konnte Wohlhaupter eindeutige Bekenntnisse zum NS-Staat vermeiden. Demütigende Erklärungen wurden ihm zwar abverlangt, seinem Glauben jedoch blieb Wohlhaupter treu. Verbunden mit dem Übermaß an Arbeit für Wissenschaft und Fakultät führten diese Vorgänge aber bei der sensiblen Natur Wohlhaupters im Winter 1944/45 zum völligen gesundheitlichen Zusammenbruch. Am 23. 12. 1946 verstarb Wohlhaupter, nachdem ihn die englische Besatzungsmacht wenige Monate nach Kriegsende noch aus dem Hochschullehreramt entlassen hatte, was der NSDAP trotz eifrigsten Bemühens nie gelungen war; den Widerruf* dieses, ihn zutiefst verletzenden Aktes Ende 1946 erlebte Wohlhaupter nicht mehr."

Rezension in der NJW 1988, S. 2876 (Schroeder)


Die NSDAP verhinderte auch das Nachrücken von Wohlhaupter in die Akademie der Juristischen Fakultät Heidelberg und auf den Lehrstuhl für Rechtsgeschichte (begründet mit seiner Reputation in Spanischer Rechtsgeschichte), wegen "katholischer Haltung", nach dem unerwarteten Tod von v.Künßberg.

*Radbruch hatte sich in einer Erklärung für Wohlhaupter verbürgt und verwendet.
Schroeder: Eine Universität für Juristen und von Juristen: die Heidelberger Juristische Fakultät im 19. und 20. Jahrhundert
 
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