In der Hun-Tian-Lehre werden Himmel und Erde in einer Beziehung von Innen und Außen vorgestellt. Die Erde wird mit einem Eidotter und der Himmel mit dem diesen umgebenden Eiweiß verglichen. Die erste nachweisbare Beschreibung der Hun-Tian-Lehre, die eine solche Idee verdeutlicht, findet sich bei Zhang Heng (78-139), der entsprechend schreibt: "Die Himmel sind wie ein Hühnerei und rund wie die Kugel einer Armbrust; die Erde ist wie der Dotter des Eies und liegt alleine in der Mitte." Die andere wichtige Theorie der Beziehung von Himmel und Erde ist die Gai-Tian-Lehre (Lehre des hemisphärischen Gewölbes), welche den Himmel wie eine Reisschale oder einen Schirm über die darunterliegende Erde gestülpt auffaßt, also eine Beziehung von Oben und Unten annimmt. Der in der Hun-Tian-Lehre benutzte Vergleich des Universums mit einem Ei, der sich nicht nur in China, sondern in den mythologischen Vorstellungen der verschiedensten Völker auf der Welt widerspiegelt, bedeutet nach Ansicht Shimadas aber nicht, daß die Erde als eine Kugel vorgestellt wird. Vielmehr herrsche hier ebenso wie in der Gai-Tian-Lehre die feste Überzeugung vor, daß der Himmel von runder und die Erde von viereckiger Gestalt sei. Nach der Auffassung Needhams wird die Theorie der kugelförmigen Gestalt der Erde aber von den Anhängern der Hun-Tian-Lehre vertreten. Da Needham die Entstehung der Hun-Tian-Lehre schon vor dem v. Jh. v. u. Z. vermutet, wäre die Theorie der Erdkugel damit in China ungefähr zeitgleich mit entsprechenden Theorien im Westen aufgetreten. In den von Needham angeführten Zitaten der Hun-Tian-Lehre finden sich aber keine eindeutigen Hinweise, die als Form der Erde die Kugel annehmen. Tatsächlich schreibt Matteo Ricci noch in einem Brief aus dem Jahre 1595, in dem er die "Absurditäten" der chinesischen Astronomie auflistet: "Die Erde ist flach und rechteckig; ..." Es ist davon auszugehen, daß der Vergleich von Eidotter und Eiweiß in erster Linie der Verdeutlichung der Innen-Außen-Beziehung zwischen Erde und Himmel im Gegensatz zur Oben-Unten-Beziehung in der Gai-Tian-Lehre dient, aber keinesfalls die Idee einer Kugelgestalt der Erde impliziert.
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Es sollte aber erwähnt werden, daß die in China dominierende Vorstellung einer rechteckigen Gestalt der Erde v. a. im Zusammenhang mit der Gai-Tian-Lehre kritisiert worden ist.
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Es ist aber nirgendwo die Rede von der Kugelgestalt der Erde. Tatsächlich dürfte diese Theorie auch erst im 17. Jh. mit den Jesuiten nach China gekommen sein.