Minoischer Kalender ???

Allerdings sollte man sich dieses prädynastische Ägypten noch nicht als gefestigten Einheitsstaat vorstellen. Nur einzelne Könige könnten bereits über ganz Ägypten geherrscht haben.

Richtig.

erst ab Skorpion ist eine zumindest eventuelle Einigung möglich. Und erst ab Narmer kann diese Einigung Ägyptens als relativ gesichert gelten, da Narmer mit beiden Kronen Ägyptens abgebildet ist. Gänzlich gesichert ist eine Einheit Ägyptens erst ab Menes, denn er ist der erste der mit der Doppelkrone dargestellt ist und auch in den diversen Herrscherlisten als erster Pharao der ersten Dyn. genannt wird.

Wenn man aber speziell den Palermostein betrachtet fällt auf daß die vormaligen Herrscher (also die vor Menes) mit der roten Krone dargestellt wurden.

Es ist also durchaus ein dynastisches Ägypten möglich, auch wenn es sich hierbei nur um einen Teil Ägyptens handelt.

LG
 
Bzgl. Syncellus hätte ich da mal eine Zwischenfrage. Er schreibt ja daß die Dynastien in allen drei Büchern Manethos 3555 Jahre zählten. Meint er damit alle 30 Dynastien oder hat er auch die Herrscher vor der 1. Dyn. bei den 3555 Jahren mitgezählt?

Dies ist mit den Angaben bei Syncellus, der für den Beginn eines dyn. Ägyptens 3887 v. Chr. (3555 Jahre für die 3 Bücher Manethos + 332 (Eroberung von Ägypten d. A. d. G.)) ansetzt (wenn mit dieser Zahl alle aufgelisteten Dyn., also auch diejenigen vor der 1. Dyn. gemeint sind, deshalb meine Frage danach) einigermasen identisch.

Ich kenn mich damit nicht aus, deshalb zitiere ich wieder Gelzer, Heinrich: Sextus Julius Africanus, Leipzig 1898, S. 210:
Was des Synkellos Liste betrifft, so ist auszugehen von den berühmten 3555 Jahren. Ihren Ursprung hat A. Gutschmid aufgedeckt. Es sind die 1183 Jahre der göttlichen Herrscher vor der Flut, dazu kommen die menschlichen Könige, welche von 2776 der Welt bis 5147 regierten. 1183 + 2372 = 3555

Und was Gelzer: ebd., 208 über die Errechnung der 1183 Jahre der Götterdynastien schreibt, dürfte Dich vllt. noch mehr interessieren:
Synkellos selbst beruft sich auf Panodoros, welcher die 11985 Jahre der sechs Götterdynastien auf 969 Jahre und die 858 Vierteljahre (horai oder tropoi) der zwei Halbgötterdynastien auf 214 1/2 [214,5] Jahre reducirte.
(Hervorhebung von mir; die griechischen Wörter kann ich gerade nicht griechisch schreiben)
 
Und was Gelzer: ebd., 208 über die Errechnung der 1183 Jahre der Götterdynastien schreibt, dürfte Dich vllt. noch mehr interessieren:

Ja, das ist echt interessant. Es würde bedeuten daß in Ägypten die 90tägige Jahreszeit tatsächlich sogar schon weit vor der Entstehung des Artefakts bekannt war. Es könnte also sein daß die Minoer aus diesem Wissen, aus der 10tägigen Woche und aus der Jahreslänge von 365 Tagen einen eigenen Kalender entwickelten.

Auch die Zahl 72 (der äusseren Tagerszählung auf dem Artefakt) hat in Ägypten eine Bedeutung gehabt. Einige Dienstzeiten (anscheinend speziell im Mittleren Reich) der Bevölkerung waren nämlich 72 Tage lang.
DER SPIEGEL*2/1996 - Aufstand gegen den Tod
Vor allem während der Nil-Schwemme, wenn die Feldarbeit ruhte, mußten die Bauern (Dienstverpflichtung im Mittleren Reich: 72 Tage) für den Pharao malochen.

Die 72 Arbeitstage haben kalendarisch gesehen nur insoweit Bedeutung wenn man nach diesen Tagen einen Zusatztag einfügt um auf die 365 Tage des Jahres zu kommen. Man kann weder mit einer Wochen- oder Monatszählung auf diese 72 Tage kommen.

Damit wären 3 Zyklen (72 Tage Arbeitsdienst, 10tägige Woche und die 90tägige Jahreszeit) die ein Bestandteil des Artefakts sind zumindest in Ägypten nachweisbar.

Ob dies auf einen minoischen Kalender angewendet wurde ist nicht schlüssig beweisbar.

Aber die Möglichkeit besteht meiner Meinung nach.

LG
 
Die 72 Arbeitstage haben kalendarisch gesehen nur insoweit Bedeutung wenn man nach diesen Tagen einen Zusatztag einfügt um auf die 365 Tage des Jahres zu kommen.

Das hieße im Klartext, dass der 3., 5., 8., 10. und 12. Monat 31 Tage haben, alle anderen 30. Wenn das "Spielbrett" mit seinen 72 kleinen "Sonnen" od. Blüten rundherum als Kalender Sinn machen soll, dann müsste tatsächlich immer nach 72 Tagen ein Zusatztag eingeschaltet werden. Den Zusatztag einfach als 31. Tag hinten an die genannten Monate anzuhängen, kommt dann nicht in Frage.

Folglich müsste jeweils ein Zusatztag eingeschaltet werden
- im 3. Monat zwischen dem 12. u. "13." Tag
- im 5. Monat zw. dem 24. u. "25." Tag
- im 8. Monat zw. dem 6. u. "7." Tag
- im 10. Monat zw. dem 18 u. "19." Tag
- im 12. Monat nach dem 30. Tag

Da bräuchte man dann tatsächlich jene ausgegrabene Kalendertafel, um den Überblick zu behalten.=) Erscheint mir zumindest als praxistauglicher Alltags- und Wirtschaftskalender für die Bevölkerung ziemlich kompliziert.
Entweder jedes Gesellschaftsmitglied ritzte sich in ein Tontäfelchen ein Raster mit 72 Feldern (9 waagrechten und 8 senkrechten Striche oder so) und hakte dann jeden Tag ein Feld ab, oder man musste die oben beschriebene Schalt-Ordnung halt auswendig lernen. Da bin ich dem Iulius Caesar ja richtig dankbar. ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Da bräuchte man dann tatsächlich jene ausgegrabene Kalendertafel, um den Überblick zu behalten.=)

Da bin ich vollkommen deiner Meinung.

Erscheint mir zumindest als praxistauglicher Alltags- und Wirtschaftskalender für die Bevölkerung ziemlich kompliziert.

Dieses Artefakt wurde im Palast von Knossos gefunden. Wenn es tatsächlich einen Kalender darstellen sollte ist dieser evtl. nur für elitäre Bevölkerungsschichten gedacht gewesen, die dann z.B. Himmelsfeste wie die Sommersonnenwende vorbereiteten und feierten oder den besten Tag der Aussaat festlegten usw. um beim "normalen" Volk Eindruck zu schinden :rofl:.
Entweder jedes Gesellschaftsmitglied ritzte sich in ein Tontäfelchen ein Raster mit 72 Feldern (9 waagrechten und 8 senkrechten Striche oder so) und hakte dann jeden Tag ein Feld ab, oder man musste die oben beschriebene Schalt-Ordnung halt auswendig lernen. Da bin ich dem Iulius Caesar ja richtig dankbar. ;-)
Wie schon gesagt denke ich nicht daß der Kalender der gesamten Bevölkerung bekannt war.

Wie aber bereits in einem Vorpost geschrieben ist die strukturelle Einteilung der einzelnen Elemente nicht so kompliziert, sondern eher einfach.

Wie könnte man sonst auf nur einem Gegenstand einen 365tägigen Kalender ohne Zahlenangaben mit diversen Zyklusunterteilungen einfacher darstellen?

Ich habe lange versucht eine einfachere Form herauszufinden und habe nur eine andere herausgefunden. Diese würde dann jeden 30tägigen Monat darstellen und einige Monate hätten dann 31 Tage, also so wie bei den Kalendern die heute überall zu kaufen sind. In diesem Falle ließe sich auch das 30tägige Monat zusätzlich darstellen. Ein Ablesen des Datums würde bei dem minoischen Artefakt allerdings nicht komplizierter sein, im Gegenteil da weniger Felder vorhanden sind wäre es sogar einfacher.

LG
 
Dieses Artefakt wurde im Palast von Knossos gefunden. Wenn es tatsächlich einen Kalender darstellen sollte ist dieser evtl. nur für elitäre Bevölkerungsschichten gedacht gewesen, die dann z.B. Himmelsfeste wie die Sommersonnenwende vorbereiteten und feierten oder den besten Tag der Aussaat festlegten usw. um beim "normalen" Volk Eindruck zu schinden :rofl:.
In diese Richtung würde das Ganze schon Sinn machen.


Wie aber bereits in einem Vorpost geschrieben ist die strukturelle Einteilung der einzelnen Elemente nicht so kompliziert, sondern eher einfach.

Wie könnte man sonst auf nur einem Gegenstand einen 365tägigen Kalender ohne Zahlenangaben mit diversen Zyklusunterteilungen einfacher darstellen?
Das stimmt schon. Je öfter ich mir Dein "Kalenderbrett" anschaue, desto übersichtlicher erscheint mir die Struktur und selbstverständlicher der Aufbau.
Klar lässt sich im Moment mit Bestimmtheit gar nichts zum einstigen Gebrauch des Artefakts sagen, aber zumindest ich kann mir das Ding mittlerweile gar nicht mehr angucken, ohne einen Kalender zu sehen. Die reinste Gehirnwäsche.:zunge:
Aber mal abgesehen davon, dass ich keine Ahnung von sonstigen antiken Brettspielen habe und deshalb auch nicht einschätzen kann, ob sich das minoische Artefakt mit diesen vielleicht so stark verwandt zeigt, dass sich an eine andere Verwendung kaum ernsthaft denken lässt, habe ich auch noch ein weiteres Problemchen mit dem merkwürdigen Wesen dieses Kalender:

Man könnte bei den Minoern anders als bei den alten Ägyptern eigentlich nicht von einer 10-Tage-Woche sprechen, weil 5 Wochen der insgesamt 36 Wochen im Jahr strenggenommen 11 Tage statt 10 zählen. Das ist ungefähr so, als würden wir auf einmal auf einen Donnerstag erst am übernächsten Tag den Freitag folgen lassen (so dass diese Woche 8 Tage statt 7 hätte). Die Frage ist, ob man angesichts dessen bei den Minoern überhaupt von einem Gebrauch der Woche bzw. einem Wochenzyklus sprechen kann.
Dieses Problem entsteht, wenn man die 10-Tage-Woche an die vom Sonnenstand abhängigen Jahreszeiten koppelt. Deshalb knüpft man sonst für gewöhnlich die Jahreszeiten an eine Monatszählung, bei der sich Anzahl und Länge der Monate nach der Länge des Sonnenjahrs richten.

Und am Rande: Wenn dieser Kalender mit seiner Schaltpraxis nicht der des Otto-Normalverbrauchers gewesen ist, der Otto-Normalverbraucher aber auch 10-tägige Wochen zählte (diesmal tatsächlich zyklische) und auch ein 365-tägiges Jahr hatte, dann wäre – wenn mich nicht alles täuscht – jene „elitäre Woche“ nur alle 73 Jahre wenigstens mal innerhalb der ersten 7 Wochen und 2 Tage des Jahres mit der bürgerlichen Woche deckungsgleich gewesen. Die restlichen 72 Jahre, 29 Wochen und 3 Tage liefen die Wochenzählungen dann ohne miteinander zu korrespondieren nebeneinander her, die Differenz zwischen den Wochentagen der elitären und der bürgerlichen Woche schwankte.
 
... dann wäre – wenn mich nicht alles täuscht – jene „elitäre Woche“ nur alle 73 Jahre wenigstens mal innerhalb der ersten 7 Wochen und 2 Tage des Jahres mit der bürgerlichen Woche deckungsgleich gewesen.
:autsch: Ist ja Unfug. Das müsste ja jedes zweite Jahr der Fall gewesen sein. Oder?
 
:autsch: Ist ja Unfug. Das müsste ja jedes zweite Jahr der Fall gewesen sein. Oder?

Es ist durchaus vorstellbar daß sich die minoische Bevölkerung auf ihre Eliten verließ und somit bei der Bevölkerung gar kein Kalender existierte.

Je öfter ich mir Dein "Kalenderbrett" anschaue, desto übersichtlicher erscheint mir die Struktur und selbstverständlicher der Aufbau.

Dabei ergeht es dir genau wie mir. Ich bin aber immer noch, genau wie du, skeptisch.

Man könnte bei den Minoern anders als bei den alten Ägyptern eigentlich nicht von einer 10-Tage-Woche sprechen, weil 5 Wochen der insgesamt 36 Wochen im Jahr strenggenommen 11 Tage statt 10 zählen.

Es wären immer 10 Tage die Woche. Nur daß Zusatztage eingeschoben wurden, z.B. also der Tag nach dem 2. Tag der 8. Woche der 1. Jahreszeit wurde zum 1. Zusatztag. Dies wäre ersichtlich weil KEIN Feld der "äusseren Tageszählung" belegt wäre. Der Tag darauf wird dann der 3. Tag der 8. Woche der 1. Jahreszeit genannt.

Folgende Seite gibt einen Überblick wieder wie viele Kalender es in Griechenland gab. Und sie gibt auch wieder daß wir doch über einige dieser Kalender recht wenig wissen.

Antike Griechische Kalender

LG
 
Folgende Seite gibt einen Überblick wieder wie viele Kalender es in Griechenland gab. Und sie gibt auch wieder daß wir doch über einige dieser Kalender recht wenig wissen.

Antike Griechische Kalender
Mir ist klar, dass, falls die minoische Elite in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends so einen Kalender benutzte, wie er hier zur Debatte steht, wir davon kaum bis gar nicht aus Überlieferungen erfahren müssten.
Nur mal als Beispiel: M. W. vermitteln uns die Quellen z. B. noch nicht mal die sichere Kenntnis, welchen Kalender die Syrer nun tatsächlich im hellenistischen Zeitalter vor Einführung des Julianischen Kalenders syromakedonischer Prägung verwendet haben. Da kann man auch nur das babylonische Mondjahr mit der älteren babylonischen Schaltung annehmen. Und dieses Beispiel bezieht sich auf eine Zeit, die rund 1500 Jahre später liegt und aus der es ne Menge schriftlicher Quellen gibt.
Weil mir solche Schwierigkeiten bekannt sind und ich da auch immer gerne rätsel, lasse ich mich ja gerade auf die ganze Sache ein.

Es wären immer 10 Tage die Woche. Nur daß Zusatztage eingeschoben wurden, z.B. also der Tag nach dem 2. Tag der 8. Woche der 1. Jahreszeit wurde zum 1. Zusatztag. Dies wäre ersichtlich weil KEIN Feld der "äusseren Tageszählung" belegt wäre. Der Tag darauf wird dann der 3. Tag der 8. Woche der 1. Jahreszeit genannt.
Das habe ich soweit verstanden. Aber wenn einzelne Wochen derart unterbrochen werden, dann kann man angesichts der wirklich verflossenen Tage m. E. nicht mehr von einer Wochenzählung reden, die ja eigentlich dazu da ist, um die einzelnen Tage in einer immer wiederkehrenden Zeitspanne durchzählen und in einer wohlbekannten Ordnung benennen zu können. Dann kann ich mich nämlich im Geschäftsalltag mit jemandem bspw. für den 4. Tag der übernächsten Woche für eine Warenlieferung verabreden, ohne befürchten zu müssen, dass er einen Tag später liefert, als ich dachte, weil da wieder mal so ein verflixter Zusatztag eingeschoben worden ist, von dem er Wind bekommen hatte, ich aber nicht.
Deine Erklärung befriedigt mich also vor allem in Kombination mit dem folgenden nicht:
Es ist durchaus vorstellbar daß sich die minoische Bevölkerung auf ihre Eliten verließ und somit bei der Bevölkerung gar kein Kalender existierte.
Wenn dieser Kalender hauptsächlich der Palast-Elite diente, um die Zeiten zu bestimmen, die Bevölkerung diesen Kalender aber in ihrem Alltag nicht selbst im Voraus überblicken konnten, so hätte der Palast, der an einem regen, funktionierenden Geschäftsleben seiner Untertanen interessiert gewesen sein dürfte, vielleicht auch an pünktlichen Abgaben usw., dauernd Boten zu den Menschen ausschicken müssen, die etwa ausriefen: "Leute, in drei Wochen wird zwischen dem 3. und 4. Wochentag ein Zusatztag eingeschaltet. Merkt Euch das schon mal, dass ihr die Woche dann nicht so einfach durchzählen dürft".

Ich will damit sagen: Der Kalender ist aufgrund seiner unorthodoxen Einschaltung, die die Wochenzählung unterbricht, m. E. als bürgerlicher Kalender zu unpraktisch für den Alltag des einfachen Bürgers. Falls man aber einen anderen einfacheren bürgerlichen Kalender parallel verwendete, müsste dieser ziemlich ärmlich gewesen sein, wenn man in ihm nicht die Jahreszeiten verankern konnte. Wie man diese ganz unkompliziert im Sonnenjahr verankert, macht z. B. unser Kalender vor. Den Beginn einer Jahreszeit an immer den gleichen Kalendertag eines Sonnenkalenders zu knüpfen, ist nicht ungenauer, als die Elite-Kalender-Methode.
Einzige Erklärungsmöglichkeit, damit der Elite-Kalender angesichts eines parallelen bürgerlichen Kalenders nicht überflüssig ist, scheint mir ein bürgerlicher Mondkalender zu sein. Dann könnte die Eliten-Rechenmethode helfen, um einerseits die ungefähren Jahrpunkte (u. damit Jahreszeiten) rein rechnerisch zu bestimmen und in der Folge vor allem auch über die Einschaltung oder Nicht-Einschaltung eines Mondmonats zu entscheiden.
 
Wenn dieser Kalender hauptsächlich der Palast-Elite diente, um die Zeiten zu bestimmen, die Bevölkerung diesen Kalender aber in ihrem Alltag nicht selbst im Voraus überblicken konnten,

Es stellt sich dabei natürlich die Frage, ob der einfache minoische Bauer des 2. Jt. v. Chr. überhaupt für sein Leben einen Kalender gebraucht hat? Musste der - modern gesprochen - überhaupt wissen, ob heute der 4. August ist oder der 5. August? Spielte das für den überhaupt eine Rolle?
 
Es stellt sich dabei natürlich die Frage, ob der einfache minoische Bauer des 2. Jt. v. Chr. überhaupt für sein Leben einen Kalender gebraucht hat? Musste der - modern gesprochen - überhaupt wissen, ob heute der 4. August ist oder der 5. August? Spielte das für den überhaupt eine Rolle?

Du hast schon recht, der einzelne Bauer brauchte keinen Kalender, um - wenn die Naturgewalten ihn ließen - seine Familie über die Runden zu bringen. Beobachtung der Vegetation, der Tierwelt, der Sterne, Erfahrung und Verstand ließen ihn die geeigneten Zeiten für Aussaat, Ernte usw. sicherlich finden, ohne dass er einen Kalender vermisste.
Aber für eine fortschrittliche Kultur, wie die minoische es damals war, dürfte die kalendarische Einteilung des Jahres ein konstituierender Faktor gewesen sein. Schon allein die religiösen Feste oder "Staatsfeste", die ein Gemeinwesen ja ein Stück weit mit ausmachten, sind, soweit ich das überblicke, in allen alten Hochkulturen mittels Kalenderrechnung bestimmt worden. Ein gemeinsames Kalenderwesen zeichnet eine Hochkultur in meinen Augen irgendwo aus. Feiern, jahreszeitlich bedingte Opferfeste, Handel, eventuelle Arbeitsdienste oder Abgaben, Großbaustellen und vieles mehr lässt sich alles deutlich besser mittels eines Kalenders organisieren, den die Mitglieder dieser Kultur gemeinsam beherrschen und nutzen. Ein Kalender bietet einem Gemeinwesen Vorteile, und ich sehe keinen Grund, warum die Minoer diesen Vorteil nicht genutzt haben sollten. Das grundlegende, empirisch ermittelte astronomische Know-how (wie ungefähre Länge des Sonnenjahres, ungefähre Lage der Jahrpunkte, ungefähre Länge des Mondmonats usw.) traue ich auch jenen alten Hochkulturen zu, von denen uns in dieser Richtung keine konkreten Überlieferungen vorliegen.
 
Das glaub ich dir gerne. Aber dazu reicht es doch, wenn der Kalender der Elite bekannt ist, oder?
 
Also, ich will nicht behaupten, ich wüsste, dass auch der einfache minoische Bauer kalenderkundig war, aber ich persönlich wüsste nicht, was dagegen spricht. Wollte der Palast zu irgendeinem bestimmten Fest von irgendeinem Dorf mit Opfertieren oder sonst was beliefert werden, war es praktisch, wenn die Bauern wussten, bis wann das Zeug in die Stadt zu bringen war. Wenn die Möglichkeit der allgemeinen terminlichen Verständigung besteht, warum sollte man sie nicht nutzen?
Das ist freilich nur eine These. Ein bürgerlicher, allgemein benutzter Kalender bei den Minoern ist für meine Argumentation auch nicht so sehr von Bedeutung. Ich hatte - falls die 10-Tage-Woche bei den Minoern damals in Mode gewesen sein sollte - vor allem an so etwas wie eine gemeinsame bürgerliche Wochenzählung gedacht und darauf hingewiesen, dass diese ziemlich sicher mit der vermeintlichen Wochenzählung der Elite auf Kriegsfuß gestanden haben wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und auch das Monat ließe sich erkennen (30 bzw. 31tägig incl. Zusatztag).

Hab ich erst heute gesehen.

In der ersten Woche sind in den geraden Linien und dem "U" der Wochenzählung jeweils gleich lange Steine. Bei jedem Wochenende wird einer dieser Steine in das "U" verschoben. In jedem dieser drei Teile befinden sich dann je drei Steine die da jeweilig Monat der Jahreszeit angeben. In der beigefügten Anlage habe ich dies dargestellt.

Ist zwar dann doch etwas komplizierter, das gebe ich dann doch zu.

Aber wenn man weiß wies funktioniert wäre es einfach ... wie das berühmte "Ei des Kolumbus" :)

Ich könnte dieses Artefakt als Kalender verwenden der eine 10tägig Woche, ein 30 bzw. 31tägiges Monat und vier Jahreszeiten anzeigt.

Ob das auch die Minoer so handhabten ist die entscheidende Frage.

LG
 

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Ich hatte - falls die 10-Tage-Woche bei den Minoern damals in Mode gewesen sein sollte - vor allem an so etwas wie eine gemeinsame bürgerliche Wochenzählung gedacht und darauf hingewiesen, dass diese ziemlich sicher mit der vermeintlichen Wochenzählung der Elite auf Kriegsfuß gestanden haben wird.

Dies ist ein berechtigter Einwand wenn die Bevölkerung auch einen Kalender, der NUR auf der 10tägigen Woche beruhte verwendete.

Was aber wenn der Bevölkerung nur Vorgaben gemacht wurden, z.B. "innerhalb der nächsten 10 Tage müsst ihr den Weizen säen, dann ist eine reiche Ernte da" oder "in 4 Tagen müsst ihr 8 Ziegen für das XY-Fest zu Ehren von Gott A in den Tempel bringen" usw.?

Wenn all dies von einer Elite bestimmt wurde und dann wie z.B. in meinem ersten Beispiel tatsächlich eine gute Ernte war würde sich die Bevölkerung doch auf die Anweisungen der Elite verlassen, denn sie würden ja damit "gut fahren".

LG
 
Dies ist ein berechtigter Einwand wenn die Bevölkerung auch einen Kalender, der NUR auf der 10tägigen Woche beruhte verwendete.
Ich finde, dass ist auch ein berechtigter Einwand, wenn die Bevölkerung gar keinen Kalender hatte. Normalerweise beruht ein Kalender ja gar nicht auf der Wochenzählung. Deine sogenannte 10-Tage-Woche ist unregelmäßig und merkwürdig und ihre Herkunft erklärt sich überhaupt nur dann, wenn man annimmt, sie sei entstanden, weil man das 365-tägige Sonnenjahr unbedingt mit der 10-Tage-Woche ausgleichen wollte. Das macht nur Sinn, wenn man vorher bereits eine 10-Tage-Woche allgemein gewohnt war, die man nun unbedingt im Sonnenjahr unterbekommen wollte, ohne am Jahresende einen Wochen-Bruchteil übrig zu haben. Das 36-fache der 10-Tage-Woche passt ganz einfach nicht in 365 Tage. Und deshalb kann jene unregelmäßige 10-Tage-Woche meiner Meinung nach auch schlecht von der Elite für diesen Zweck erstellt worden sein. Sie hätten dann vielmehr eine 5-Tage-Woche erfinden müssen.

Was aber wenn der Bevölkerung nur Vorgaben gemacht wurden, z.B. "innerhalb der nächsten 10 Tage müsst ihr den Weizen säen, dann ist eine reiche Ernte da" oder "in 4 Tagen müsst ihr 8 Ziegen für das XY-Fest zu Ehren von Gott A in den Tempel bringen" usw.?

Wenn all dies von einer Elite bestimmt wurde und dann wie z.B. in meinem ersten Beispiel tatsächlich eine gute Ernte war würde sich die Bevölkerung doch auf die Anweisungen der Elite verlassen, denn sie würden ja damit "gut fahren".

Tela und Du, ihr könnt damit schon recht haben. Aber ich empfinde das eher als das kindliche "noch viermal schlafen, dann ist ...", als dass ich es einer Hochkultur zutraue. Der bäuerliche Brautvater schickt zu seinen Verwandten und lässt ausrichten, noch 43 mal schlafen, dann ist Hochzeit. Ihr seid herzlich eingeladen".:)
 
Tela und Du, ihr könnt damit schon recht haben.

Nun, es gibt aber anscheinend auch im antiken Athen Tage die sich wiederholten, also mehrfach gezählt wurden.

Da der Kalender in den Zuständigkeitsbereich der Archonten fiel, konnten diese recht willkürlich Monate oder Tage einschieben,

Es gibt sogar Zeugnisse dafür, dass ein einzelner Tag mehrmals wiederholt wurde.

Aus: Antike Griechische Kalender

Wie ist die Athener Bevölkerung mit diesen Einschiebungen umgegangen?

Hier hat anscheinend auch eine Elite den Kalender "umgeändert".

LG
 
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Nun, es gibt aber anscheinend auch im antiken Athen Tage die sich wiederholten, also mehrfach gezählt wurden.





Aus: Antike Griechische Kalender

Wie ist die Athener Bevölkerung mit diesen Einschiebungen umgegangen?

Hier hat anscheinend auch eine Elite den Kalender "umgeändert".

LG

Richtig. Eine "willkürliche" Einschaltung von Mondmonaten und von einzelnen Tagen innerhalb dieser Mondmonate gab es nicht nur in Athen, sondern auch bei den Juden vor 70 n. Chr. und sogar bei den Römern in der Spätphase der Republik - übrigens auch in diesen Fällen von der priesterlichen Elite bestimmt. Aber die damalige römische 8-Tage-Woche und die jüdische 7-Tage-Woche nahmen von diesen Einschaltungen unbeeindruckt stets ihren geordneten Lauf. Da brauchte die Bevölkerung keine Angst haben.

Eine relativ komplizierte Einschaltung ist ganz natürlich wenn man bei Zeiten ein Mondjahr mit der Sonne ausgleichen muss, wie bspw. die Athener. Die Mondmonate waren an den Mond gebunden, die Länge des Jahres an die Sonne. Aber Wochen sind für gewöhnlich an gar nichts außer an ihren Rhythmus gebunden und deshalb auch nicht mit der Sonne auszugleichen.

Man müsste Deine 10-bis-11-Tage-Abschnitte als Drittel-Monate auffassen, von denen es 36 gab. Fünf davon mit 11, alle anderen mit 10 Tagen. Das hätte dann aber nichts mehr mit einer aus Ägypten übernommenen 10-Tage-Woche zu tun, sondern würde sich wohl nur aus einer früheren Verwendung eines Mondkalenders erklären. Die ursprünglichen Mondmonate (mal 29, mal 30 Tage lang) wären dann beim Übergang zum Sonnenkalender - wie bei den Ägyptern und Römern - als 12 Monate geblieben (in ihrer Länge verändert), und von den Minoern - anders als bei den Ägyptern und Römern - zusätzlich nochmal in kleinere 10er und 11er Einheiten unterteilt worden. Aber warum das Letzte?
 
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anders als bei den Ägyptern und Römern - zusätzlich nochmal in kleinere 10er und 11er Einheiten unterteilt worden. Aber warum das Letzte?

Zumindest eine 10tägige Woche war bei den Ägyptern bekannt.

Warum aber dann 5 mal ein eintägiger Einschub?

Hab ich schon einmal bemerkt. Der minoische Kalender, wenn das Artefakt denn einer war, ist auf astronomischer Basis gegliedert. Dabei hilft im Gegensatz zum ägyptischen Kalender, der ja auf die Nilschwemme beruhte, nur die Einschiebung von einem Tag in bestimmten Zyklen (72 Tage) um ein astronomisches Ereignis wie z.B. die Tag-Nacht-Gleiche einigermasen genau zu bestimmen. Für meine Theorie wäre +/- 1 Tag gegeben, während für den ägyptischen Kalender bis zu 5 Tage Unterschied wären.

Es wäre astronomisch ganz einfach genauer.

LG
 
Zumindest eine 10tägige Woche war bei den Ägyptern bekannt.

Warum aber dann 5 mal ein eintägiger Einschub?

Hab ich schon einmal bemerkt. Der minoische Kalender, wenn das Artefakt denn einer war, ist auf astronomischer Basis gegliedert. Dabei hilft im Gegensatz zum ägyptischen Kalender, der ja auf die Nilschwemme beruhte, nur die Einschiebung von einem Tag in bestimmten Zyklen (72 Tage) um ein astronomisches Ereignis wie z.B. die Tag-Nacht-Gleiche einigermasen genau zu bestimmen. Für meine Theorie wäre +/- 1 Tag gegeben, während für den ägyptischen Kalender bis zu 5 Tage Unterschied wären.

Es wäre astronomisch ganz einfach genauer.

LG
Ich verstehe schon, dass man die zusätzlichen 5 Tagen einschaltete, um das Kalenderjahr auf die ungefähre Länge des Sonnenjahres von 365 Tagen zu bringen. Und ich verstehe auch, warum immer der 73. Tag ein Zusatztag gewesen sein soll. Aber ich verstehe nicht, warum man dazu die Wochenzählung vergewaltigen musste, dafür gibt es einfach keine Parallele in der Kalendergeschichte. Die Wochenzählung lief bei allen Völkern bis heute unabhängig vom Sonnenjahr. Wo sie das bei einem 365-tägigen Jahr nicht mehr tut, hat man die zyklische Woche längst aufgegeben und sie zu einem Monat oder Monatsbruchteil gemacht - per definitionem.
 
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