Ist Rom eine typische Römerstadt?

MerryMary

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Hallo liebe Community,

Ich arbeite gerade an meiner Seminararbeit und bin mir noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen soll. Das Oberthema ist "Großstädte im erweiterten römischen Reich" und ich habe mich für die Stadt Rom entschieden.
Als Leitfrage habe ich mir "Ist Rom eine typische Römerstadt?" ausgedacht. Was haltet ihr davon?
Meine Idee war es, Rom mit einer typischen Römerstadt wie beispielsweise Trier zu vergleichen.
Kann man von Rom behaupten, es sei keine typische Römerstadt (im Sinne von quadratischem Aufbau usw.)?

Vielen Dank für eure Hilfe.

Mary
 
Hallo liebe Community,

Ich arbeite gerade an meiner Seminararbeit und bin mir noch nicht sicher, in welche Richtung es gehen soll. Das Oberthema ist "Großstädte im erweiterten römischen Reich" und ich habe mich für die Stadt Rom entschieden.
Als Leitfrage habe ich mir "Ist Rom eine typische Römerstadt?" ausgedacht. Was haltet ihr davon?
Meine Idee war es, Rom mit einer typischen Römerstadt wie beispielsweise Trier zu vergleichen.
Kann man von Rom behaupten, es sei keine typische Römerstadt (im Sinne von quadratischem Aufbau usw.)?

Vielen Dank für eure Hilfe.

Mary

Die Frage wäre zunächst, wie man das "Typische" einer Römerstadt definieren will. Zunächst einmal gibt es romanisierte Städte, die aus vorhergehenden Siedlungen entstanden sind und dann einer römischen Leitkultur unterworfen sind. Ich glaube, der Stadtplan von Pompeii läßt verschiedene städtebauliche Phasen erkennen: eine gewachsene Altstadt und dann neue Stadtviertel im Schachbrettmuster.

Bei Trier weiß ich gar nicht, ob das eine Planstadt war oder ob diese aus einem bestehenden Siedlungskern entstanden ist, der dann römisch umgebaut wurde. Die beiden Magistralen (Cardo und Ordo) liegen vor. CUP ist eine reine Planstadt, bei der einige Gebäude noch aus der Vorgängersiedlung stammten (erkennbar an einer Gebäudeausrichtung, die zum Schachbrettmuster schief stehen).

Ist denn eigentlich der Stadtplan des antiken Roms einigermaßen bekannt? Da gibt es die Forma Urbis, von der nur einige Teile die Zeiten überdauert haben.

Definiert man das Typische über die Institutionen, müßte man sich über die Verwaltung und Kult der Sache nähern. Die Selbstverwaltung der Coloniae hatte doch die Verwaltung Roms zum Vorbild. Eine Art Senat mit zwei Consuln (duumviri).
 
Ich denke auch nicht, daß eine wie auch immer gestaltete Typologie hier weiterhilft, wenn sie nicht einem ganz konkreten Rahmen unterworfen wird. Ein vergleich ist ja ein Hilfsmittek, um eine Sache zu verdeutlichen oder eine Frage besser beantworten zu können.

Rom ist auf der einen Seite die untypischste römische Stadt, weil sie keinem übergeordneteten, "vorher" gedachten Plan folgt. Auch wenn Rom wie ein Schwamm die Kulturen der unterworfenen und benachbarten Völker aufsaugt, setzt es doch städtebaulich immer wieder eigene Akzente. Wenn man also dem oben angesprochenen konkreten Rahmen setzen will, müßte man nach der Verteilung der Tempel in der Stadt, dem Forum oder zum Beispiel der Entwicklung des Amphitheaters als Typus schauen.

Das Problem ist auch, daß wir von Rom immer als kaiserzeitlicher Stadt reden. Schon im ersten Jahrhundert vor Christus - also vor Augustus - sind viele Fragen nach dem Weichbild der Stadt kaum zu beantworten: Wie sah die Bebauung auf dem Areal der späteren Kaiserfora aus, wie die Anschlüsse zum Forum Romanum, wie war die Umlandsbebauung usw. Das macht dann zum Beispiel einen Vergleich mit einer Stadt wie Pompeji - und ich würde auch immer sagen, bevor man Trier oder Xanten heranholt, sollte man erstmal im italischen Rahmen bleiben - ziemlich holprig.

Eine Stadt, egal ob groß wie Rom oder kleiner, ist die Summe der Bedürfnisse ihrer Einwohner. Bei einer Großstadt sollte man den Blick also auch auf andere Großstädte richten, was im römischen Reich vor allem Antiochia oder Alexandria wären - wären diese nicht Planstädte gewesen. Um aber typische Charakteristika herauszuarbeiten, mögen dort auch Einblicke hilfreich sein, schließlich geht es ja auch darum, auf welche Art und Weise Lösungen für Probleme erarbeitet werden.

Vielleicht wäre ein Blick auf Städte wie Athen oder Babylon (mit Vorsicht) ganz hilfreich. Das alte Karthago wäre auch gut gewesen, aber Moment, da war ja was :still:.

Letztlich mußt Du Dir vor allem im Klaren sein, daß jedes Merkmal, welches Du bei einem Vergleich herausarbeitest, keine universell anwendbare Gesetzmäßigkeit darstellt. Gleiche Probleme bringen nicht immer gleiche Lösungen hervor, und das ist die gefährlichste Stolperstelle bei der Frage nach dem, was typisch ist.
 
Die Frage wäre zunächst, wie man das "Typische" einer Römerstadt definieren will.

Das ist genau die Frage. Wenn man von "typischen" Römerstädten spricht, ist im allgemeinen die geplante römische Stadt gemeint, die im Raum des Imperium Romanum gegründet wurde. Bestand dort eine Vorgängersiedlung der eingeborenen Bevölkerung, wurde diese überbaut und das gemeinsame Muster bzw. Bauschema hernach eingehalten.

Nimmt man diese geplante römische Stadt als Vorbild, ist gerade Rom als gewachsene Stadt kein typisches Beispiel.
 
Unter Stadtplan des antiken Rom ab der Zeit des Kaisers Augustus im Lateinischen Link-Lexikon ist eine Art Stadtplan des antiken Roms zu finden. Diesen oder einen ähnlichen hatte ich auch in meinen alten Lateinlehrbuch gehabt. Allerdings sind nur einige "Hauptstraßen" und die großen Monumente eingezeichnet. Ob diese Hauptstraßen archäologisch belegt sind, oder lediglich der Fantasie des Kartenzeichners entsprungen sind, vermag ich nicht zu beurteilen.

Ich bezweifle, dass die heutige Straßenführung Roms intra muros der antiken entspricht. M. W. ist Rom im FrühMA weitgehend verlassen gewesen und auf dem Stadtgebiet existierten mehrere Siedlungskerne. Der Rest der Stadt dürfte zur Wüstung geworden sein und erst im MA/frühe Neuzeit wieder mit Infrastruktur (Bauten und Straßen) versehen worden sein. Das Forum Romanum war noch lange als Kuhwiese (Forum Bovium) bekannt.:rofl:

Der oben erwähnte Stadtplan aus der Antike (Forma Urbis Romae ? Wikipedia) ist nur in Fragmenten überliefert, die etwa 10 bis 15 % des Originalwerkes darstellen.
 
Also wenn es überhaupt Irgendetwas gibt, was Römer, Römertum, römische Kultur, Gesellschaft, Staat und Stadt definiert, dann ist das Rom selbst!

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Jetzt kannst du natürlich "Römerstadt" definieren wie du willst, aber zu dem Zeitpunkt hast du womöglich alleine durch die Einleitung deinem Prof schon jede Menge Stirnrunzeln beschert. Ich würde das nicht so aufziehen.

Was meint eigentlich "erweitertes" römisches Reich?
 
Eine etwas sonderbare These ist das schon. Rom ist die Römerstadt. Alle anderen römischen Neugründungen hatten meist ihren Ursprung in Heerlagern. Vieles, wie Foren, Thermen ,Theater, Wasserleitungen und Straßen hatten ihr Vorbild in der Mutterstadt .
 
Ich finde den Gedanken dagegen ganz reizvoll und charmant... Letztendlich liegt es an einer gut durchdachten Argumentation, ob man sinnvoll begründen könnte, dass Rom eben alles andere als eine typische Römerstadt sei. Das Risiko liegt m.E. darin, dass man dafür evtl. kein befriedigendes Ergebnis zu bekommen viel Arbeit investieren müsste.

Eine weitere Schwäche wäre bisher, dass die Frage bisher alleine städtebaulich-archäologisch aufgefasst wird. Eine Stadt ist aber keine Stadt, weil Bevölkerungszahl und Grundfläche stimmen (= Besiedlungsdichte). Auch Infrastruktur macht die Stadt noch nicht aus. Es fehlen noch
- Bevölkerungsstruktur
- Gesetzgebung
- Verwaltung und Wahrnehmung der städtischen Einheit: Oppidum? Municipium? Colonia? Civitas?

Die Stadt allein als Ensemble von Bauwerken und nicht als Organismus wahrzunehmen, das ist die Gefahr, die ich in dieser Arbeit momentan sehe.
 
Wenn man jetzt die Eigenschaft einer Römerstadt zusammentragen will, dann haben wir bis jetzt

  • Planstädte*/gewachsene Städte (wobei die meisten Städte beide Elemente verbinden)
  • Infrastruktur à la romaine, ergo Tempel der Kapitolinischen Trias, Thermen, (Amphi-)Theater etc.
  • Römisches Recht bzw. Kommunalverfassung

*das "typische" Schachbrettmuster römischer Planstädte ist wohl von den Griechen übernommen worden - Hippodamos von Milet
 
Das erinnert mich grade irgendwie an Charlie Chaplin, der bei einem Charlie-Chaplin-Ähnlichkeitswettbewerb auch nur dritter wurde.

Ich denke der zentrale Punkt wird die Definition sein. Sichere dich da bei der Seminararbeit doppelt ab, nimm also die Definition, die von mindestens einem renomierten Autor getragen wird und versuche einen eindeutigen Idealtypus zu bilden.
 
Ich finde den Gedanken dagegen ganz reizvoll und charmant... Letztendlich liegt es an einer gut durchdachten Argumentation, ob man sinnvoll begründen könnte, dass Rom eben alles andere als eine typische Römerstadt sei.

Wobei es da auch reichlich Arbeiten gibt, die den städtischen Charakter in vielen Aspekten recht gut durchleuchtet haben, man müßte also - gerade für eine Seminararbeit - nicht das Rad komplett neu erfinden.


Die Stadt allein als Ensemble von Bauwerken und nicht als Organismus wahrzunehmen, das ist die Gefahr, die ich in dieser Arbeit momentan sehe.

Organismus ist vielleicht ein zu weitreichendes Wort, aber generell sollte man natürlich auf den wichtigsten Wesenszug eines antiken Stadtstaates hinweisen - die Stadt ist die Summe ihrer Bürger. Und im erweiterten Sinne sogar die ihrer Einwohner.
 
Ich glaube, der Stadtplan von Pompeii läßt verschiedene städtebauliche Phasen erkennen: eine gewachsene Altstadt und dann neue Stadtviertel im Schachbrettmuster.
Wobei man natürlich auch die Frage stellen kann, ob Pompeji eine typisch römische Stadt ist. Immerhin sind viele Phasen der städtebaulichen Entwicklung von Pompeji zu einer Zeit geschehen, als Pompeji sicherlich noch nicht römisch war, da dies erst mit dem Bundesgenossenkrieg einsetzt. Richtig ist aber, dass man an Pompeji wirklich sehr schön die Entwicklung der Stadt nachvollziehen kann, auch durch die unterschiedliche Orientierung der Straßen im geplanten Teil der Stadt im Osten.

Zu Rom:
Gibts nicht auch literarische Quellen über Rom als Stadt? Bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass sich Cicero darüber ausgelassen hat. Und bei Dionys von Halikarnass glaube ich mich auch daran zu erinnern. Zum einen zwar auch Kritik daran, dass Rom als gewachsene Stadt nicht "so schön" ist, wie eine geplante Stadt sein kann. Dann aber auch Lob dafür, dass Rom nicht als Hafenstadt gegründet wurde, sondern etwas im Landesinneren und so mögliche negative Auswirkungen von Hafenstädten (was auch immer das genau sein soll) nicht auf Rom zugetroffen haben.
 
Erstmal vielen Dank für eure Mühe! :anbetung:
Ich versuche mal all eure Gedanken zusammenzufassen:

1. Die Definition einer typischen Römerstadt sollte folgende Aspekte aufweisen: Aufbau, Infrastruktur, Bevölkerung, Verwaltung, Wahrnehmung der Stadt (colonia usw.)

2. Als Vergleichsstadt sollte entweder eine Großstadt im römischen Reich wie bspw. Alexandria, Antiochia (mit ähnlicher Größe/Bevölkerungszahl) oder eine kleinere wirklich geplante Stadt wie Trier und noch besser eine in Italien wie Pompeji herangezogen werden.

3. Man wird wohl nicht auf eine eindeutige Antwort kommen (was nicht tragisch wäre). Rom ist einerseits die Römerstadt schlechthin, anderseits entspricht sie aber nicht dem römischen Muster für Städte. Oder was glaubt ihr?
 
Erstmal vielen Dank für eure Mühe! :anbetung:
Ich versuche mal all eure Gedanken zusammenzufassen:


3. Man wird wohl nicht auf eine eindeutige Antwort kommen (was nicht tragisch wäre). Rom ist einerseits die Römerstadt schlechthin, anderseits entspricht sie aber nicht dem römischen Muster für Städte. Oder was glaubt ihr?

Wenn Du mit Muster die städtebauliche Insula-Gliederung meinst, haben wir zumindest im Zentrum von Rom wohl nicht dieses Muster. Ob in den einzelnen Regiones von Rom die Stadtviertel im Rahmen von Stadterweiterungen geplant angelegt worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Einen antiken Stadtplan von Rom, der die Straßen darlegt, haben wir leider nicht (zumindest nur ein paar Puzzle der Forma Urbis). Hier ist übrigens ein Link zur Stanford University, die die einzelnen Fragmente des Plans online gestellt haben.

Stanford Digital Forma Urbis Romae Project Home
 
Du meinst also, dass die "neueren" Viertel Roms dann schon nach dem "typischen" Muster angelegt worden sind?


Ich habe mir jetzt folgendes Schema zur Beantwortung meiner Frage ausgedacht:

1. Typologie einer Stadt
2. Merkmale einer typischen Römerstadt am Bsp. von xy
2.1. "Aufbau" --> Orthogonal, usw.
2.2. "Infrastruktur"
2.3. ...
2.4. ...
3. Analyse der Stadt Rom (nach den oben gefundenen Merkmalen)
3.1.
3.2.
3.3.
4. Ergebnis
 
3. Man wird wohl nicht auf eine eindeutige Antwort kommen (was nicht tragisch wäre). Rom ist einerseits die Römerstadt schlechthin, anderseits entspricht sie aber nicht dem römischen Muster für Städte. Oder was glaubt ihr?

Wenn es um eine "typische" Römerstadt gehen soll, dann ist eben NICHT Rom damit gemeint. Nirgendwo im Imperium Romanum entstanden Städte nach dem Muster der Hauptstadt, denn die war ja eine gewachsene Stadt mit verwinkelten Gassen, sieht man einmal von den kaiserlichen Prachtbauten und -straßen ab.

"Typisch" waren die Neugründungen im Imperium und die römisch überbauten Siedlungen der autochthonen Einwohner. Und die entstanden nahezu alle nach einem einheitlichem Muster, das demzufolge "typisches" Kennzeichen der Römerstädte wurde. Insofern ist der entsprechende Wiki-Eintrag ganz korrekt:

"Als römische Stadt oder Römerstadt werden solche Städte bezeichnet, die in der Zeit und im Gebiet des Imperium Romanum gegründet oder in besonderem Maße ausgebaut wurden. Kennzeichnend für viele dieser Städte ist ein Stadtgrundriss vom Quadratrastertyp mit den beiden Stadtachsen Decumanus und Cardo."
 
Zuletzt bearbeitet:
Gibts nicht auch literarische Quellen über Rom als Stadt? Bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass sich Cicero darüber ausgelassen hat. Und bei Dionys von Halikarnass glaube ich mich auch daran zu erinnern. Zum einen zwar auch Kritik daran, dass Rom als gewachsene Stadt nicht "so schön" ist, wie eine geplante Stadt sein kann. Dann aber auch Lob dafür, dass Rom nicht als Hafenstadt gegründet wurde, sondern etwas im Landesinneren und so mögliche negative Auswirkungen von Hafenstädten (was auch immer das genau sein soll) nicht auf Rom zugetroffen haben.
Soweit ich mich erinnere, geht es darum, dass Rom nicht der Gefahr von Seeangriffen ausgesetzt war.
 
"Als römische Stadt oder Römerstadt werden solche Städte bezeichnet, die in der Zeit und im Gebiet des Imperium Romanum gegründet oder in besonderem Maße ausgebaut wurden. Kennzeichnend für viele dieser Städte ist ein Stadtgrundriss vom Quadratrastertyp mit den beiden Stadtachsen Decumanus und Cardo."

Selbst diese Definition ist aber problematisch. Um das an einem konkreten Beispiel darzulegen: Sparta erfuhr in der Kaiserzeit, v.a. wohl unter Augustus, einen bemerkenswerten Urbanisierungsprozess, der u.a. zur Anlage eines großangelegten, rechtwinkligen Straßenrasters im Süden der Akropolis führte. Trotz der um die Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. errichteten Stadtmauer scheint die städtebauliche Situation Spartas in späthellenistischer Zeit noch immer von einem Konglomerat einzelner Siedlungszentren bestimmt gewesen zu sein (siehe Thukydides). Ist Sparta deshalb eine 'Römerstadt'? Das erscheint mir doch etwas zu vereinfachend.
 
Vielleicht sollte man ergänzen, dass eine "Römerstadt" - sofern sie auf einer bereits bestehenden Stadt basierte - diese (zumindest fast) völlig ersetzte, also praktisch nichts von der Vorgängerstadt übrigblieb, sondern deren Bauten verschwanden und zumindest zum Teil auch Kultur und Identität der Einwohner verdrängt bzw. romanisiert wurden.
 
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