Belgisch-Kongo / 10 Millionen

ja, das ist bestätigt.
...hast du die prominente (!) Literaturliste im von dir genannten Wiki Artikel gesehen? Doyle? Twain?
 
Die Zahl 10 Millionen überrascht mich sehr.
Es wäre überhaupt erst mal zu prüfen, ob um 1900 überhaupt 10 Millionen Menschen im Kongo gab.

Im Grunde ist schon aus dem Wikipedia-Artikel ersichtlich, wie man auf solch hohe Zahlen kommen kann.
Der Zeitraum umfasst 20 Jahre. Miteingerechnet sind die Opfer Hunger und Krankheit, die natürlich in Gänze der Kolonialherrschaft anzurechnen sind.
Im Grunde ist das nur eine Zahlenspielerei Twains. Warum nun eine satirische Schrift eines amerikanischen Schriftstellers als glaubhafte Bestätigung gelten kann, verstehe ich nicht.
 
Die Zahlen werden geschätzt sein, wie auch die Bevölkerungszahlen. Wenn die Schätzungen auch nur entfernt akkurat sind, hat der Kongo in 20 Jahren 40 % seiner Bevölkerung verloren. Zusammen mit den nachgewiesenen Gräultaten der Kolonialmacht zeigt das mE ein eindeutiges (und zwar eindeutig verheerendes ) Bild.
 
Soweit ich weiß gab es von der belgischen Seite her Aufzeichnungen darüber wie viele Kugeln benutzt wurden um Menschen im Kongo zu erschießen. Dazu wurden auch manchmal mehrere Menschen mit einer Kugel ermordet in dem man sie hintereinander aufreihte. Genau weiß ich jetzt nicht wie viele Kugeln dafür verwendet wurden aber dadurch konnte man einen Teil der Opfer sicher belegen.
 
Zusammen mit den nachgewiesenen Gräultaten der Kolonialmacht zeigt das mE ein eindeutiges (und zwar eindeutig verheerendes ) Bild.

... von kolonialen Verbrechen zur Auspressung des Landes. Genau.

Fest steht, dass dort ein monströses Verbrechen mit einer riesigen Zahl von Opfern geschehen ist. Über die Opferzahlen gibt es diverse Forschungen, und keine Klarheit.

Außerdem muss man die Nennung der 10 Mio. in Forschung und zeitgenössischen Meinungen (wie Twain) auseinanderhalten, auch wenn hier diese Zahl interessanterweise identisch auftaucht.

Twins 25 und 15 Millionen zur Bevölkerung (vor/nach Verbrechen) und auch damit die "Differenz" als Opferzahl von 10 Millionen sind zeitgenössische Schätzungen, Daten über die Population gab es überhaupt nicht. Für eine Darstellung der Ereignisgeschichte taugt das nicht. Bevölkerungsstatistiken gibt es erst seit 1921/24.

Siehe Vanthemsche, Belgium and the Congo, 1885–1980, publiziert 2012, fasst den Stand der Diskussion zusammen und klärt auch die Herkunft der 10 Millionen als Opferzahl in der Forschung:

"The current impossibility of establishing a precise count of the deaths caused by the Leopoldian work regime (and of isolating the losses due to other causes) does not, in any way, mitigate the incontestable atrocities of ‘red rubber’ which became the subject of an international protest campaign."

"This is a crucial episode in Belgian colonial history, not only because the facts themselves are important, but also because of the impact they would have on the entire course of Belgian colonial history. The Belgian and international public were, quite rightly, vexed by this issue, which aroused heated reactions. Though other scholarly works have dealt with the atrocities of Leopold’s regime, Adam Hochschild’s book, King Leopold’s Ghost: A Story of Greed, Terror and Heroism in Colonial Africa, has re-opened the controversy. Hochschild’s book tells of a ‘holocaust’ perpetrated in the Congo, setting the number of victims at ten million. The term holocaust, associated in the public mind with genocide, seems inappropriate in this case. No one sought to systematically exterminate the native population; who, then, would have provided the labour on which the exploitation was based? Hochschild’s estimate remains conjectural. No one knows the exact igure of the population of central Africa at the end of the nineteenth century. The first, rather unreliable, population statistics only go back to 1924. These put the igure at approximately ten million inhabitants. The igure of ten million victims was suggested by combining this data with an estimate given by Jan Vansina that “between 1880 and 1920 the colony’s population was probably reduced by half” – an estimate Vansina has, himself, recently called into question, as we shall soon see."


Einige Schätzungsansätze aus der Literatur:

Die Bevölkerung vom Kongo 1921/24 wurde mit 8,5 Millionen angegeben (andere: 10), die Bevölkerungsdichten schwankten sehr stark in den afrikanischen Ländern. Das wäre zum gleichen Zeitpunkt 1921 bereits höher als als Ägypten und Sudan zusammen (7,5 Mio., größere Fläche), etwa wie die um die Hälfte kleineren Abbessinien und die Hälfte der Bevölkerung des kleineren Nigeria, oder auf die Fläche umgerechnet etwa gleiche Höhe oder Bevölkerungs-Dichte wie Deutsch-Ostafrika oder Kenia.

Wenn man die afrikanischen "Spannbreiten" der ersten Zählungen und die Bevölkerungsdichten berücksichtigt, außerdem auf die Subsahara reduziert, kann man jede Zahl zwischen Null, 1 Million und 10 Millionen Opfern "rechnen". Das führt also nicht weiter.

Es gibt aber zahlreiche örtliche Berichte, dass Gegenden völlig entvölkert waren, oder 80 oder 50 % der Bevölkerung verloren hätten. Ob das im Einzelfall zu hoch oder zu niedrig ist, extrapolierbar ist, darüber bestehen keine hinreichenden Erkenntnisse. Es gibt auch keinen Ansatz, das eine als akkurat zu bezeichnen, und das andere als fehlerbehaftet.

Fest steht damit mE nur (de Saint-Moulin, “What is Known of the Demographic History of Zaire Since 1885?”, in B. Fetter: Demography From Scanty Evidence (Boulder, 1990), Seiten 299–325), dass es hohe Opferzahlen gegeben haben muss, und unvorstellbare Verbrechen.

Auf die Punktfrage herunter gebrochen: "waren es 10 Millionen?", kann man nur sagen: das ist nicht bekannt und mit den Mitteln der Bevölkerungsstatistik nicht schätz- und klärbar. Auch nicht klärbar anhand belgischer Akten, von denen ein Teil auch wegen der Greuel vernichtet wurden. Sehr wahrscheinlich war es ein großer Teil der Bevölkerung, nach Augenzeugen sicher war es ein solcher großer Teil in Kongo-Regionen?

So der Forschungsstand, abseits von Wikipedia oder Twain.
 
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Die sogen Kongogreuel sind dabei ja nur ein Aspekt der Bevölkerungsverluste:
Geschichte der Demokratischen Republik Kongo ? Wikipedia

Vom Anfang des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden zwischen 13 und 20 Millionen Menschen aus Afrika als Sklaven verschifft, davon ca. fünf Millionen von der Küste des Kongos und Angolas − ein ungeheurer Verlust, der große Teile der Region sozial und wirtschaftlich verwüstete.
Der britische Diplomat Casement verfaßte seinerzeit einen Bericht über die Zustände im Kongo, in dem er zusammenfaßte:
Congo Free State - Wikipedia, the free encyclopedia
According to British diplomat Roger Casement, this depopulation had four main causes: "indiscriminate war", starvation, reduction of births and diseases.[18] Sleeping sickness was also a major cause of fatality at the time. Opponents of Leopold's rule stated, however, that the administration itself was to be considered responsible for the spreading of the epidemic.[19]
Nach den Angaben hier: History of the Democratic Republic of the Congo - Wikipedia, the free encyclopedia geht die Zahl von 10 Millionen Opfern offenbar auch auf den Bericht von Casement zurück.

Die vier Gründe für die Bevölkerungsverluste (wörtlich: Entvölkerung) sah Casement in wahllosem Töten, Verhungern, Rückgang der Geburten sowie Krankheit. Abgesehen davon, daß keine Bevölkerungszahlen vorliegen, ist auch bei den Schätzungen die Frage, welche Todesursachen als durch die Kolonisation verursacht angesehen wurde bzw welche nicht.

Interessant ist auch der Verweis darauf, daß die Verwaltung der Kolonie dafür verantwortlich gemacht wurde, für die Verbreitung der Schlafkrankheit verantwortlich zu sein, die epidemisch wurde; zuvor war die Krankheit endemisch vorhanden.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist bei den Vorgängen im Kongo, daß alle europäischen Kolonialmächte ein ähnliches Vorgehen zeigten, indem Kolonien ökonomisch ausgebeutet wurden. Hierzu eigneten sich die „Mutterländer“ in der Regel alle nicht von Einheimischen bewirtschafteten Ländereien an (üblicherweise inklusive der gerade brachliegenden Flächen); dies verkleinerte die für die Ernährung zur Verfügung stehenden Anbauflächen und senkte die Erträge, was dazu führte, daß die einheimische Bevölkerung zur Lohnarbeit in europäischen Betrieben bzw für europäische Händler, Verwaltung, in europäischen Haushalten etc 'motiviert' wurde.

Insgesamt war der Umgang mit der einheimischen Bevölkerung von rassistischen Einstellungen geprägt – nicht nur, daß Afrikaner kindlich/ kindisch und ohne Zwang nicht zur kontinuierlichen Arbeit fähig seien, sondern vor allem wurden drakonische Strafen zb mit dem Argument beschönigt, daß Afrikaner schmerzunempfindlicher seien. Die koloniale Einstellung zur afrikanischen Bevölkerung kommt zb auch dadurch zum Ausdruck, daß für den Kongo vor 1924 keine Bevölkerungszahlen verfügbar sind, so daß die Zahlen der Opfer dieser Ausbeutung nur geschätzt werden können.

In einem also insgesamt nicht gerade humanitär geprägten Umfeld bildete das durch Leopold II etablierte System einen deutlichen Tiefpunkt und zwar offenbar mit einem derartigen Abstand zur gängigen Praxis, daß ein Skandal daraus wurde.
 
Leopolds eigene Schöpfung, das Museum Centralafrikas in Tervuren, dessen Exponate und Erklärungen bis in die jüngste Vergangenheit die Geschichte Belgisch Kongos als humanitären Akt darstellte, schloss 2012 seine Tore, um eine komplette Neukonzeption zu erstellen, da man wie die Museumsleitung mitteilte, sich die Ansicht des Historikers Adam Hochschild im wesentlichen zueigen gemacht habe, der die Zustände im Kongofreistaat als Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnete. Bis in die 80er Jahre und danach wurden Historiker, die sich kritisch mit der Geschichte ´Belgisch Kongos auseinandersetzten, massiv behindert und auch die Verstrickung des belgischen Königshauses und der CIA am Mord Patrice Lumumbas wurde vertuscht und glorifiziert.

Die Verträge, die Agenten Leopolds und "Bula Matari" (der Felsenbrecher) Henry m. Stanleys Häuptlinge unterschreiben ließen, enteigneten de facto die Bevölkerung des Kongos an der Nutzung von Bodenschätzen, Gewässern,Fauna, Land und Nutzpflanzen und verpflichteten sie zur Zwangsarbeit und zum Gummisammeln, die geschätzen 10 Millionen sind nur die Spitze des Eisbergs, die unzähligen abgeschnittenen Hände, die geräuchert den Offizieren der Force Publique vorgezeigt werden mussten, nur ein besonders gruseliges Symbol für die Ausbreitung der Zivilisation, mit der die imperialistischen Mächte Europas Afrika beglückten, ohne dass auch nur ein einziger Afrikaner bei der Berliner Kongokonferenz eingeladen wurde.
Allen Ernstes wurde da über die schrecklichen Folgen des Alkohols debattiert, vor dem man die Afrikaner schützen wollte... allerdings ohne Einigung, denn wer wollte kontrollieren, dass kein Schnaps verkauft wurde.
 
Warum bezeichnest Du Völkermord als ein "nur" Aspekt von Bevölkerungsverlusten?
Gibt es einen Unterschied, zwischen Völkermord und Völkermord zwischen den europäischen Kolonialherren?


Ich glaube das hast du missverstanden, die abgehackten Hände und die niedergebrannten Dörfer sind, wie ich schon sagte, nur die Spitze des Eisbergs, denn auch die Kongolesen, die die Verbreitung der Zivilisation überlebten- Stanley lobte in diesem Zusammenhang des Maxim Maschinengewehrs als Instrumentarium- denen keine Hand abgehackt wurde und die "nur" Gummi sammeln mussten, die "nur" mit Zwangsarbeit und der Chicotte traktiert wurden wie es kolonialer Usus auch in Britisch- und Deutsch Ostafrika oder in Deutsch Südwest war und natürlich auch in den französischen und portugisischen Kolonien die "nur" ihr Recht an Grund und Boden verloren und die nicht mehr jagen und fischen durften und nicht länger die Gebräuche ihrer Kultur leben durften, war alles andere als idyllisch, und als 1908 Leopolds Privatkolonie Eigentum des Belgischen Staates wurde, blieb das Zwangsarbeitssystem im Wesentlichen bestehen. Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, weshalb von Herges Kultcomicserie L´aventures de Tintin (Tim und Struppi) der Band Tim im Kongo indiziert ist und nicht weil sich "Gutmenschen" über ein Comic aufgeregt hätten.
 
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Der Kongo ist ein riesiges Gebiet, aber extrem dünn besiedelt. Große Teile des Landes sind buchstäblich Wildnis. Weite Teile des Landes waren unerforscht und weiße Flecken auf der Landkarte.
Diese ganzen Schätzungen sind daher meiner Meinung nicht viel wert.
Selbst für ein realen Bevölkerungsverlust kann es "harmlosere" Erklärungen geben, nämlich die Abwanderung in Gebiete, die de facto nicht unter Kolonialverwaltung stehen.

Die Kongo-Gräuel wurden durch vom belgischen König angeworbenen Söldnertruppe verübt. Ein Teil der Söldner stammte aus dem Kongo, ein anderer Teil aus anderen Teilen Afrikas oder auch Europa. Die Führung hatte anfangs der US-Amerikaner Henry M. Stanley. Die Offiziere waren von Anfang Weiße, erst nach Übernahme des Kongo-Freistaats durch Belgien, wurden die weißen Söldner der Force Publique durch Belgier ersetzt.

Mit der Kolonosierung wurde die Landwirtschaft des Kongos auf den Kopf gestellt. Plötzlich ging es den Export von Kautschuk etc. Die Nahrungsmittelproduktion hatte das Nachsehen.
Für derartige durch politische Misswirtschaft oder vermeintliche "Modernisierung" versuchte Hungersnöte gibt noch weitere Beispiele. Die Hungertoten machen auch das Gros der Opfer von Stalin und Mao aus.
 
Insgesamt war der Umgang mit der einheimischen Bevölkerung von rassistischen Einstellungen geprägt – nicht nur, daß Afrikaner kindlich/ kindisch und ohne Zwang nicht zur kontinuierlichen Arbeit fähig seien, sondern vor allem wurden drakonische Strafen zb mit dem Argument beschönigt, daß Afrikaner schmerzunempfindlicher seien. Die koloniale Einstellung zur afrikanischen Bevölkerung kommt zb auch dadurch zum Ausdruck, daß für den Kongo vor 1924 keine Bevölkerungszahlen verfügbar sind, so daß die Zahlen der Opfer dieser Ausbeutung nur geschätzt werden können.

In einem also insgesamt nicht gerade humanitär geprägten Umfeld bildete das durch Leopold II etablierte System einen deutlichen Tiefpunkt und zwar offenbar mit einem derartigen Abstand zur gängigen Praxis, daß ein Skandal daraus wurde.

Karen Blixen beschrieb die Kikuyu mit Wärme, aber die Umgangsformen der weißen Gentry und Kaffeeplantagenbesitzer in Kenia war allles andere als "gentlemanlike" Winston Churchill war bei einem Besuch Kenias von den Gepflogenheiten so angewiedert, dass er das Unterhaus darauf aufmerksam machen wollte, nahm dann aber Abstand davon. Dafür beschrieb er Uganda als perle Ostafrikas, die Tse tse Fliege, die Anophelesmücke und die Rhur sorgten dafür, dass Uganda von diesen Snobs und Schmocks verschont blieb, und uganda wurde bis zur Dekolonisation von Nachfahren Mtesa Kabakas regiert, der schon Stanley, Speke und Grant beherbergt hatte.
 
Mit der Kolonosierung wurde die Landwirtschaft des Kongos auf den Kopf gestellt. Plötzlich ging es den Export von Kautschuk etc. Die Nahrungsmittelproduktion hatte das Nachsehen.
Für derartige durch politische Misswirtschaft oder vermeintliche "Modernisierung" versuchte Hungersnöte gibt noch weitere Beispiele.

Genau, darauf wollte ich oben ebenfalls hinweisen. Und Ingeborg hatte das ebenfalls ergänzt.

Neben den "direkten" Opferzahlen durch Gewalttaten werden diese ad-hoc-Umwälzungen (hier am Beispiel Kolonien), Beseitigung versorgungsrelevanter "Infrastruktur" ebenso wie Institutionen als mittelbare Auswirkungen gesehen. So war regional der Kollaps der herkömmlichen Landwirtschaft und damit der Versorgung zu beobachten. Der Bevölkerungsrückgang ist somit multikausal. Natürlich ändert dieses Argument nichts an der Verwerflichkeit.
 
Danke für Eure präzisen Bemerkungen. ganz grundsätzlich gilt natürlich, dass man sich nicht dem Zahlenfetisch hingeben sollte. Auch "nur" 100.000 Opfer wären ja verwerflich. Übrigens war - die damaligen Proteste belegen es - die Verwerflichkeit auch nach damaligen Standards klar erkennbar. Dies zeigt sich auch an Leopolds eigenem Verhalten, der ja, um es mal deutlich zu sagen, bis zum Balkenbiegen gelogen, nämlich sein Projekt als gelebte Philantropie ausgegeben hat.
 
Warum bezeichnest Du Völkermord als ein "nur" Aspekt von Bevölkerungsverlusten?
Gibt es einen Unterschied, zwischen Völkermord und Völkermord zwischen den europäischen Kolonialherren?

Wenn du etwas nicht verstanden hast, ist Nachfragen legitim, aber bitte nicht auf geradezu ehrenrührige Weise. Nach fast neun Jahren der Forenzugehörigkeit sowie Beteiligung an Diskussionen zum Thema Genozid darf ich davon ausgehen, daß ich hinreichend klargestellt habe, daß ich die von dir in den Raum gestellte Differenzierung zwischen „Völkermord und Völkermord“ nicht betreibe.

Aus dem Wikipedia-Artikel zu Congo Free State (wie oben zitiert):
According to British diplomat Roger Casement, this depopulation had four main causes: "indiscriminate war", starvation, reduction of births and diseases.
Übersetzung: Dem britischen Diplomaten Roger Casement zufolge hatte diese Entvölkerung vier hauptsächliche Gründe: wahlloses Töten [wörtlich: „wahlloser Krieg“], Verhungern, Geburtenrückgang und Krankheiten.
 
Die sogen Kongogreuel sind dabei ja nur ein Aspekt der Bevölkerungsverluste:

Ich zitiere gern nochmal. Bedeutet "sogen" sogenannten?
Für mich hat dieser Satz ein Geschmäckle, in Richtung daß die Gräueltaten auf eine gleiche Stufe mit Bevölkerungsverluste gestellt werden, die nicht unmittelbar einem Vorsatz unterliegen.
Ich denke, daß ist eine besondere Stufe, wie Bevölkerungsverluste hervorgerufen werden können und damit wirkt dieser Satz auf die Verschiedenartigkeit oder dem Grad der Art der Bevölkerungsverluste zum Völkermord, als relativierend.
 
Köbis, worauf willst du jetzt eigentlich hinaus?
Du hast jetzt hier selbst das Wort Völkermord in die Debatte eingebracht und unterstellst deinen Vorrednern eine Art Relativierung.;)

Völkermord ist ein seit 1948 klar definierter Begriff des Völkerrechts. (Ob dieser Begriff richtigerweise auf die Kongogräuel anzuwenden ist, wäre erst noch zu prüfen.)
Was Kongogräuel jetzt genau sind oder sind sollen ist jedoch unklar. Unter den Gräueltaten würde ich in erster Linie die physische Gewalt verstehen.
Gerade im zitierten Wikipedia-Artikel werden die physischen Gewalttaten mit den sonstigen Todesursachen wie Hunger und Krankheit vermengt, aber das taten schon die Zeitgenossen Doyle und Casement.

Nicht alle Mißhandlungen sind tödlich. Nicht alle von der Kolonialverwaltung verursachten Toten sind Gewalttote.
Gerade bezüglich der Kongogräuel erscheinen mir gerade die (üblicherweise?) nicht tödlich verlaufenden Gräueltaten wie die Verstümmelungen (Hände abhacken bei lebenden Menschen) am grauenvollsten.
Die Besonderheit der Kongogräuel liegen meines Erachtens auch gar nicht unbedingt in der Zahl der Opfer, sondern in der beispiellosen Qualität der Gewalttaten.
 
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Die Bedeutung der Kongogräuel besteht für die Geschichte va darin, das sie beispielhaft für die völlige Zerrüttung der durch den Kolonialismus betroffenden Gesellschaften stehen. Es ist ein Zusammenspiel von beispielloser Grausamkeit, ob mit oder ohne tödliche Folgen, die totale Umstellung der Wirtschaft auf die Exportproduktion ohne Gegenwert für die Menschen im Kongo zu schaffen, die Verwüstung und teilweise Entvölkerung von Gebiete wegen Widerstands, Unproduktivität etc, und das alles in relativ kurzer Zeit, da dbesonders das Innere des Kongogebiets zu den am spätestens erschlossenen Regionen Afrikas zählt; das kann nur zu einer völligen Zerrüttung der gesellschaft führen, zur Auflösung der sozialen Bindungen und Institutionen bzw deren Ersatz auf gewaltsam aufrecht erhaltene Unterdrückung. Das einzige, was mir aus der europäischen Geschichte einfallen will, was damit auch nur annähernd vergleichbar sind, sind der 30jährige krieg und die Große Pest (in manchen Gegenden); der große Unterschied: Da gab es keine direkt benennbare Gruppe von Verantwortlichen...
 
Köbis, worauf willst du jetzt eigentlich hinaus?
Du hast jetzt hier selbst das Wort Völkermord in die Debatte eingebracht und unterstellst deinen Vorrednern eine Art Relativierung.

Na gut,mit der Begrifflichkeit bin ich wohl etwas übers Ziel geschossen.
Das muß dann wohl zurücknehmen.

Aber dennoch bleibe ich dabei, daß die Art und Weise der Gräueltaten, mit Hungersnot z.B. als Bevölkerungsverlust nicht gleich zusetzen sind. Wer das alles in einen Topf wirft, relativiert, in meinen Augen.
 
Aber dennoch bleibe ich dabei, daß die Art und Weise der Gräueltaten, mit Hungersnot z.B. als Bevölkerungsverlust nicht gleich zusetzen sind. Wer das alles in einen Topf wirft, relativiert, in meinen Augen.


Ich kann dir hier überhaupt nicht folgen.
Eine bewusst herbeigeführte oder in Kauf genommene Hungersnot soll aus deiner Sicht jetzt etwas "besseres" sein als direkte Gewalt, weshalb du jedem, der das nicht explizit erwähnt, Relativierung unterstellst?
Tust du das nicht gerade selber damit?
Überhaupt frage ich mich, was diese ganze ewige PC-Diskussion soll, muss an jeden Beitrag jetzt ein dreiseitiger Disclaimer angehängt werden, in dem man beteuern muss, was man sonst noch alles gemeint haben könnte aber gerade nicht geschrieben hat?
Gerade Ingeborg gegenüber, deren Beiträge wir kennen, finde ich deine Unterstellungen völlig absurd.
 
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