keltisches Kalendarium am Glauberg

Guten Morgen Sepiola, ich möchte jetzt aber nicht in ein Wortgefecht zwischen uns beiden hineingeraten, in dem wir uns die Bälle hin und her werfen.
Im Beitrag 30 in diesem Thread habe ich den Artikel von Burkhard Steinrücken verlinkt, das ist er auch im wikipedia-Beitrag zum Coligny-Kalender.http://sternwarte-recklinghausen.de/data/uploads/dateien/pdf/a09_lunisolar_coligny.pdf Für alle Mitlesenden, wie sind wir hier gelandet, vom Glauberg als angenommenen Kalenderbauwerk zu einer Debatte über die Bedeutung von Kalenderwerken an sich?
Die Diskussion entspann sich daran, inwiefern Kalender für die Basisökonomie eisenzeitlicher Gesellschaften - die Landwirtschaft - bedeutsam sind. Dafür muss man natürlich verschiedene Fragen beantworten, für die eine Quellenlage in Mitteleuropa dürftig ist - viel mehr als den Kalender von Coligny, schriftliche Erwähnungen besonders bei Plinius haben wir nicht. Cäsar schreibt im Bello Gallico Kap. VI,14 zu den Druiden: auch sprechen sie ausführlich über die Gestirne und ihre Bewegung, über die Größe von Welt und Erde, über die Natur, über Macht und Walten der Götter und überliefern ihre Lehre der Jugend".
Der Fundort des Kalenders von Coligny und ähnlicher Kalenderreste in gallorömischen Heiligtümern legen nahe, dass die Kalender wissenschaftliche Arbeitsmittel von Druiden gewesen sein können. Wie die Zeitmessung dann veröffentlicht wurde, ob die komplizierten Kalenderwerke eine Art zentrale Atomuhr waren, von denen aus Festtage, Jahresbeginn usw. veröffentlicht wurden, kann man nur vermuten.
Im Vergleich mit anderen eisenzeitlichen Gesellschaften, von denen wir schriftliche Quellen haben, und die sich in vielerlei Hinsicht nicht grundsätzlich von mitteleuropäischer Landwirtschaft im Lateneraum unterschieden (Getreideanbau, Viehwirtschaft, neben den mediterranen Wein-und Ölbaumkulturen), gehe ich davon aus, dass es im Lateneraum einen (mündlich überlieferten) landwirtschaftlichen Jahres-Arbeitskalender gegeben hat, der Naturbeobachtungen, Wetter, Bewegungen der Himmelskörper mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten verknüpfte, ordnete und strukturierte (siehe die Zitate aus Hesiod und Vergil weiter oben). Vielleicht auch verbunden mit Festterminen, festgelegten Opferterminen für Gottheiten, die bestimmte Funktionen erfüllten (Hirtengottheit, Landesgottheit, Fruchtbarkeitsgottheit). Wie eine latenzeitliche Bevölkerung alltäglich ihre Zeit gemessen hat, was ihr Jahr gegliedert hat, ist nicht bekannt - anzunehmen ist, dass es außer den Festtagen, die sich auch aus dem landwirtschaftlichen Jahreskalender erschlossen,z.B. die keltische Festzeit Samuin beendete auch das landwirtschaftliche Arbeitsjahr (November), und könnte daher ursprünglich auch ein Schlachtfest gewesen sein -zusätzlich andere Zeitintervalle gegeben hat. Ich nehme an, dass die latenezeitliche Bevölkerung zusätzlich eine alltägliche Zeitstruktur ähnlich der römischen Achttagewoche hatte, die durch den Markttag (8.Tag) gegliedert war -
da im Kalender von Coligny die Woche 5 Tage hat, weiss ich allerdings nicht, wie sich dies eingegliedert hat, eventuell zu den markierten Monatsmitten (15tägige Monatshälften). In einer verstärkt arbeitsteiligen Gesellschaft, mit sich entwickelnden Oppida auch eine beginnende Teilung von Stadt und Land, wird ein Markttag als Zeitpunkt für Geschäfte, Ein-und Verkäufe essentiell. Cato der Ältere gibt in seinem Sachbuch de agri cultura folgende Kaufempfehlungen (144): in Rom kauft man Tuniken, Togen, Überwürfe, Flickenmäntel, Holzschuhe, in Cales und Minturnae Kapuzenmäntel, Eisengerät, Sicheln, Spaten, Hacken, Beile, Geschirre, Stacheltrensen, kleine Ketten, in Venafrum Spaten, in Suessa und im Lukanischen zweirädrige Wagen, in Trebla, Alba und Rom Fässer und Becken,..."
Wie latenezeitlicher Markt funktioniert hat, dafür haben wir keine Schriftquellen, ein archäologisch gut erforschtesBeispiel stelle ich hier ein, ein Exportschlager aus dem treverischen Mayen, die Basaltdrehmühlen. S. Wefers, Schwarzes Gold der Eifel - Distribution von latènezeitlichen Drehmühlen des Steinbruchreviers um Mayen. | Stefanie Wefers - Academia.edu
Weiterhin wäre es möglich, dass zu festgelegten Tagen Gerichtstage und Ratsversammlungen stattfinden, und ähnlich wie für die römischen Kalenden (Monatserster) bestimmte Tage für Rückzahlungen, Schuldendienst und Abgaben feststehen. Bei fortschreitender Arbeitsteilung, "Verstädterung", Marktökonomie und Verwaltung überlagern andere zeitliche Strukturen den landwirtschaftlichen Jahreskalender. Eine rein kultische Bedeutung können die Kalenderwerke immer weniger gehabt haben, eine einigermaßen genaue Zeitmessung müsste eigentlich alltäglicher praktisch notwendig werden (nicht nur viermal im Jahr zu Hochfesten und Stammesversammlungen, sondern wöchentlich/monatlich zu fixen Daten/Rhythmen) - und damit müsste auch die Verbreitung und die Nutzung von Kalendern zunehmen.
Zu deiner letzen Frage, Sepiola, Olmsted geht für den Kalender von Coligny von einem 25-Jahresrhythmus in der Schlußphase aus, ich zitiere einfach mal von Seite 17 des oben eingesetzten Textes von Steinrücken:
"Die im nächsten Abschnitt folgende Diskussion stellt die mathematische Eleganz des
30-jährigen Zyklus dar. Er beruht auf der mehrfachen Verwendung der Zahlen 5 und 6. Nach Olmsteds Analyse basiert der Kalender von Coligny allerdings auf einem 25-jährigen Großzyklus. Olmsted erschließt das aus der Struktur der verschiedenen Zählsysteme für die Sonnendaten, die auf der Bronzetafel zu finden sind. Sie sprechen übereinstimmend für eine Verschiebung der Sonnendaten um jeweils sechs Tage nach Ablauf von fünf Jahren, nicht um nur fünf Tage, wie das bei einem 1831-tägigen Basiszyklus der Fall ist, auf dessen Grundlage man zum 30-jährigen Großzyklus gelangt. Eine Verschiebung von sechs Tagen deutet dagegen auf eine Länge von 1832 Tage in einem Fünfjahreszyklus hin,mit der Folge auch einer Verschiebung der Mondphasen zu den in Mondzeit gerechneten Kalenderdaten. Durch die Wahl der Monatslängen von Equos (28 Tage im Jahr 2 und 29 Tage im Jahr 4) gelangt Olmsted zu einem 1832-Tages-Zyklus als Basis für einen 25-jährigen Großzyklus. Um den Preis der Verschiebung der Mondphasen zu den Kalenderdaten der Mondmonate erhält man
nach fünf 1832-tägigen Zyklen, also 25 Jahren, eine fantastische Genauigkeit sowohl im Sonnen-als auch im Mondsektor mit nur einem Fehler von 1 Tag in rd.500 Jahren."
 
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Noch ein kleiner Nachtrag zum römischen Kalender:
Vor der Einführung des Julianischen Kalenders durch Cäsar herrschten im römischen Kalenderwesen Unordnung und Willkür. Offiziell war ein Sonnenkalender mit einer an Lunisolarkalender erinnernden Schaltregel in Kraft. Ein Normaljahr hatte eine Länge von 355 Tagen, ein Schaltjahr 377 oder 378 Tage. In Schaltjahren wurde der Februar mit dem 23. Februar (dieser Tag trug die Bezeichnung Terminalia) beendet und dann ein Schaltmonat (Intercalaris) eingefügt, der 27 oder 28 Tage hatte. Normaljahre und Schaltjahre sollten abwechselnd aufeinander folgen, so dass sich für einen Zyklus von vier Jahren insgesamt die Länge von 355 + 378 + 355 + 377 = 1465 Tagen ergab. Dies ist um etwa vier Tage länger als vier tropische Jahre mit 1460,969 Tagen.
Schnell ergab sich ein merklicher Unterschied zwischen dem Kalender und den Jahreszeiten, da das römische Jahr ja um etwa einen Tag zu lang war. Daher wurden häufig willkürliche Einschaltungen vorgenommen, wobei mitunter erst wenige Tage vor den Terminalien des Februar (23. Februar) entschieden wurde, ob geschaltet werden sollte oder nicht. Da die Tage nach den Iden aber rückwärts bis zu den Kalenden des März (in Normaljahren) oder des Schaltmonats (in Schaltjahren) gezählt werden mussten, wurden in solchen Jahren die Tage bis zu den Terminalien des Februar gezählt. Der 20. Februar wurde dann mit ANTE DIEM IIII (quartum) TERMINALIA bezeichnet. Durch das Einschalten von 27 oder 28 Tagen ging auch die Übereinstimmung des Kalenders mit den Mondphasen schnell verloren.
Mehrere Versuche, einen Schaltrhythmus zu finden, der eine Übereinstimmung des Kalenders mit den Jahreszeiten gewährleistet, blieben ohne Erfolg. Schließlich legten die Pontifices die Schaltungen fest, ohne dass eine definierte Schaltregel zugrunde lag. Damit war willkürlichen Schaltungen Tür und Tor geöffnet, und es wurde oft nach politischen Gesichtspunkten geschaltet.
Während des Zweiten Punischen Krieges wurde gar nicht geschaltet - nach Kriegsende war der Kalender dem Lauf der Sonne fast vier Monate voraus. 168 v. u. Z. waren von diesem "Vorsprung" noch immer 72 Tage vorhanden. Im Jahre 46 v. u. Z., unmittelbar vor der Einführung des julianischen Kalenders, war der Kalender den Jahreszeiten um 90 Tage voraus.
Die Wirren im römischen Kalender wurden durch die Einführung des durch den alexandrinischen Astronomen Sosigenes erarbeiteten Julianischen Kalenders beendet. Zur Schaltregel, Jahreszählung und Jahresanfängen siehe Julianischer Kalender. Hier soll noch kurz auf die Anpassung der Tageszählung an den neuen Kalender und die neue Schaltregel eingegangen werden. Das römische System der Tagesbezeichnung wurde prinzipiell beibehalten, jedoch änderte sich in den meisten Monaten die Numerierung der Tage nach den Iden. Im Unterschied zum bisherigen römischen Kalender wurde in Schaltjahren nun nicht mehr ein ganzer Monat eingefügt, sondern lediglich ein einzelner Tag. Diesen schob man nach dem 24. Februar, dem römischen ANTE DIEM VI KALENDAS MARTIAS, als ANTE DIEM BIS VI KALENDAS MARTIAS, also zweiten Tag VI vor den Kalenden des März ein.link auf wikipedia Römischer Kalender
Um die Fehler des alten römischen Kalenders auszugleichen war ein Schaltjahr mit 445 Tagen notwendig, zwei zusätzlichen Schaltmonaten, so dass das Jahr 708 a.u.c. als annus confusionis (46.v.Chr.), das verworrene Jahr, in die Geschichte einging.
 
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Ich bin in die Diskussion eingestiegen, als ich gelesen habe, der Frühlingspunkt habe für die Landwirtschaft "existenzielle Bedeutung" gehabt. Worin diese Bedeutung gelegen haben soll, konnte mir aber niemand verraten.

Der Fundort des Kalenders von Coligny und ähnlicher Kalenderreste in gallorömischen Heiligtümern legen nahe, dass die Kalender wissenschaftliche Arbeitsmittel von Druiden gewesen sein können.
Der Kalender von Coligny wurde von jemand geschrieben, der die lateinische Schrift verwendete und mit lateinischen Zahlen rechnete.
Die Druiden sollen vom Schreiben nicht viel gehalten haben.

Was genau legt einen Bezug zu Druiden nahe?

Wie die Zeitmessung dann veröffentlicht wurde, ob die komplizierten Kalenderwerke eine Art zentrale Atomuhr waren, von denen aus Festtage, Jahresbeginn usw. veröffentlicht wurden, kann man nur vermuten.
Von Vermutungen über eine "Art zentraler Atomuhr" halte ich wenig.
Wenn man bedenkt, dass die griechischen Poleis sich nicht auf einen gemeinsamen Kalender verständigen konnten und es gerade mal zu einer einheitlichen Zählung der Olympiaden reichte, frage ich, was denn das keltische "Zentrum" oder auch nur das keltische "Olympia" gewesen sein soll.

Wie eine latenzeitliche Bevölkerung alltäglich ihre Zeit gemessen hat, was ihr Jahr gegliedert hat, ist nicht bekannt
Da kann man nun viel herumspekulieren über Fünf-, Sechs-, Sieben-, Achttageswochen, Markt- und Gerichtstage...

Was sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten lässt:
Die grundlegende Zeiteinheit gab der Mond an. Diese Uhr kann jeder Bauer lesen, es sind keine Schrift- oder Zahlenkenntnisse erforderlich.

Olmsted geht für den Kalender von Coligny von einem 25-Jahresrhythmus in der Schlußphase aus
Danke, das beantwortet die Frage natürlich.
Überliefert ist nun mal der 30-Jahresrhythmus.
Möglicherweise ist die Olmsted-Rekonstruktion des Kalenders ja genauer, als es der gallische Kalender jemals war. ;)
 
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Die Wirren im römischen Kalender wurden durch die Einführung des durch den alexandrinischen Astronomen Sosigenes erarbeiteten Julianischen Kalenders beendet.

Nicht ganz.

In der Theorie war der Kalender gut, bei der praktischen Handhabung wurde gepfuscht. (Selbes Problem wie beim altrömischen Kalender)

So dass unter Augustus nochmal eine Korrektur vorgenommen werden musste:

Kalenderreform ? Wikipedia
 
Ich bin in die Diskussion eingestiegen, als ich gelesen habe, der Frühlingspunkt habe für die Landwirtschaft "existenzielle Bedeutung" gehabt. Worin diese Bedeutung gelegen haben soll, konnte mir aber niemand verraten.
Da ich es nicht behauptet habe, kann ich es dir auch nicht verraten ;)
Ich habe bei meinen Beiträgen zur Debatte betont, dass ein Kalender eine Ergänzung und ein Hilfsmittel zur Naturbeobachtung sein kann, um landwirtschaftliche Tätigkeiten und Entscheidungen zu treffen. Vorausgesetzt, siehe meinen Beitrag vom 1.4., sie sind genau genug, oder entsprechende Daten sind einberechnet. In meinem Beitrag vom 31.3. habe ich erwähnt, dass ich in der Georgica von Vergil eine Anmerkung gefunden habe, dass er von einer landwirtschaftlichen Benutzung von Hauskalendern ausgegangen wäre - leider enthielt diese Anmerkung (Reclam, 1994, Anmerkung 257 zum zweiten Hauptteil landwirtschaftlicher Terminkalender), keine Quellen.
Ich verwies dort auf Parapegma, Buchsteckkalender, die Sternbildertafeln, Auf-und Untergänge, Äquinoktien, Sonnenwenden mit Wetterprognosen/Großwetterlagen und Naturerscheinungen verbinden würden (den Wegzug der Schwalben z.B. verbunden mit Morgenaufgang des Arkturus). Im Internet fand ich in Beiträge aus der Thesaurusarbeit eine gute Darstellung dieser Kalender und ihrer Nutzung.
Meine Hypothesen für was sie Hilfsmittel sein können waren:
1. Ersatz bei mangelnden Möglichkeiten der Naturbeobachtung (z.B. bedeckter Himmel, auch in der Nacht) - Beitrag 31.3. von mir
2. bei Unmöglichkeit der Messgenauigkeit mit dem bloßen Auge (Äquinoktien, Sonnenwenden, genau berechenbar nur mit täglicher Messung und Mittelung von einem früheren und einem späteren Messpunkt aus)
3. Bei Ausfall und Verzögerung von Naturbeobachtungen, besonders im Winter (Beitrag vom 2.4.) - 2013 hatten wir einen "langen Winter", Schneefall noch im März, der April war schlagartig zu warm, in diesem Fall blühte alles verspätet und "gleichzeitig" - (ich hoffe hier trügt mich nicht meine Erinnerung, diese trockenen und warmen Aprilmonate gab es in den letzten Jahren öfters), eine Orientierung nach der Blüte sehr schwierig.
Der Vogelzug hat einen Zeitrahmen, hängt aber natürlich ebenso von verschiedenen Bedingungen auf dem Zug (Langstreckenflieger wie Schwalben nutzen die Winde von Tiefdruckgebieten), und den Wetterbedingungen im Brutgebiet ab (Temperatur,Luftdruck).
4. Bei Planung und Rationierung zum Beispiel des Viehfutters zum Überwintern -Messbarkeit der Zeiträume (Beiträge am 3.4.)
Werden Schafe zum Beispiel in Nordhessen durchschnittlich vom 1.12. bis zum 31.3. aufgestallt, benötigen sie Heu und anderes Futter für 121 Tage.
Kann ich dies ausrechnen, hilft es bei Rationierung der Tagesration pro Tier.
5. bei der Arbeitsplanung: wenn ich einen Zeitraum, an dem eine Tätigkeit nach Erfahrung durchschnittlich stattfindet antizipieren kann, dann muss ich nicht auf Indikatoren wie die Blüte einer Pflanze warten.
Unabhängig von dem Eintreten eines Indikators, oder der Sichtbarkeit (der oben genannte Morgenaufgang - Arkturus galt wohl als der Weinlesestern in der Antike, Mitte Septmember). Dies meinte ich mit dem Wortspiel Warten und Erwarten - ich warte dann als Nilanrainer nicht auf die Nilschwemme, bis sie da ist (gegenwärtig ist), sondern erwarte sie nach dem Lauf der Sonne (Sonnenwende zur Zeit Heredots, Aufgang des Sirius 2000 BC) - der altägyptische Verwaltungskalender verschob die Jahreszeit Achet um einen Monat in der 19.Dynastie, weil der Sirius inzwischen durch die Präzession und Eigenbewegung Anfang Juli aufging.
Der Kalender stellt daher auch eine Art Gedächtnis der Zeitmessung dar
(wann ging Sirius vor 10 Jahren auf?).
Gute Quelle zu den Parapegmata: Otta Wenskus, Astronomische Zeitangaben von Homer bis Theophrast, 1990

Da kann man nun viel herumspekulieren über Fünf-, Sechs-, Sieben-, Achttageswochen, Markt- und Gerichtstage...
Ja, wir wissen es nicht, jedoch sind es typische gesellschaftliche Entwicklungen am Übergang von reinen Subsistenz zu arbeitsteiligeren Gesellschaften, Tage mit der Funktionsbeschreibung von Handel, Versorgung, Geschäft, zusätzlich zu arbeitsfreien Vergnügen und religiösen Funktionen (siehe dazu auch Internet Jörg Rüpke, Kalender und Öffentlichkeit, Seite 225 Wann ist Markt?, de Gruyter 1994).
Dass im Latenewirtschaftsraum Marktorte /Marktfunktionen nicht nur spekulativ angenommen werden, sondern sich aus dem derzeitigen Forschungsstand ableiten, siehe zum Beispiel Gabe, Opfer, Zahlungsmittel, Michael Nick, VML-Verlag, 2007.

D´accord gehe ich mit dir´bezüglich des Bildes der zentralen Atomuhr, ich gebe dir recht, dass Kalender wahrscheinlich nur regionale Funktionen hatten. Rüpke geht soweit zu behaupten, dass sich der römische Kalender mit seiner Abkoppelung vom Mondkalender zu einem städtischen Kalender entwickelte, der sich vom Land entfernte. Ob der julianische Kalender sich überhaupt im gesamten römischen Reich durchsetzte? Eine interessante Frage...
Für die Keltike nehme ich analog zu den verschiedenen Civitas an, dass Kalender regional wirkten - eine übergreifende Rolle der Druiden wäre eine alternative These, die ich hier nicht vertreten will, das führt zu einem Thread über die Rolle und Bedeutung der Druiden, daher antworte ich nicht auf deine Frage der gallischen Sprache in lateinischer Schrift auf dem Kalender von Coligny. Literatur gibts dazu umfangreich.
 
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Ich bin in die Diskussion eingestiegen, als ich gelesen habe, der Frühlingspunkt habe für die Landwirtschaft "existenzielle Bedeutung" gehabt. Worin diese Bedeutung gelegen haben soll, konnte mir aber niemand verraten.

ich kann Dir es verraten: Es war der Zeitpunkt,ab dem in Mitteleuropa aufgrund der durchschnittlichen Sonnenscheindauer und dem höheren Sonneneistrahlwinkel nicht mehr mit mit dem Auftreten längerer Frostperioden gerechnet werden mußte und somit die Wahrscheinlichkeit stieg eine danach ausgesähte Ernte auch einzubringen
 
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Da ich es nicht behauptet habe, kann ich es dir auch nicht verraten ;)
Schon klar.
Ich hatte nur gehofft, wenigstens zu erfahren, warum ein Bauer, der keine Uhr kennt, so sehnlichst auf den Tag der Tag-und-Nachtgleiche wartet. ;)
(Auf einen Tag, dessen einzige Besonderheit ist, dass Tag und Nacht genau gleich lang sind...)


Werden Schafe zum Beispiel in Nordhessen durchschnittlich vom 1.12. bis zum 31.3. aufgestallt, benötigen sie Heu und anderes Futter für 121 Tage.
Kann ich dies ausrechnen, hilft es bei Rationierung der Tagesration pro Tier.
Es hilft aber nicht viel, wenn die Natur sich nicht an die 121 Tage hält.
Wenn der Winter länger dauert als sonst und das frische Gras erst drei Wochen später zu wachsen beginnt.


Ich habe bei meinen Beiträgen zur Debatte betont, dass ein Kalender eine Ergänzung und ein Hilfsmittel zur Naturbeobachtung sein kann, um landwirtschaftliche Tätigkeiten und Entscheidungen zu treffen.
Ich gehe ja davon aus, dass man sich bei einem "Kalender" in schriftloser Zeit vor allem am Mond orientiert hat. Dass ein Jahr etwa 12 bis 13 Monate hat, wussten die frühen Bauern sicher auch.
Viel genauer musste der Kalender nicht sein, denn die Natur hält sich ja auch nicht an ganz bestimmte Tage.

Auf ganz bestimmte Tage musste man sich einigen, um religiöse Feste abzuhalten. Oder Markttage.
Dafür war die Zeitrechnung nach dem Mond ausreichend präzise ("Sieben Tage nach Neumond").
 
Der Kalender von Coligny wurde von jemand geschrieben, der die lateinische Schrift verwendete und mit lateinischen Zahlen rechnete.
Die Druiden sollen vom Schreiben nicht viel gehalten haben.

sorry noch mal dafür ,daß ich jetzt wieder offtopic gehe...

das mit den nicht schreibenden Druiden ist wohl eher anekdotisch.An druidischen Ursprung lässt mich eher Zweifeln ,daß der Kalender grob 1.-2- Jhd. nach Chr. genau in die Zeit fiel in welcher das Druidentum abgeschafft wurde.

Andererseits ist mit Vaten, Barden evtl etwas ähnlichen wie dem was man in Irland evtl. später filidh nannte oder anderen Kultfunktionären zu rechnen die vom Verbot nicht betroffen waren... (Bernhard Maier vermutet als einzigen Grund für das Verbot den Widerspruch zwischen keltischer und römischer Opferpraxis... ob das Grund genug war oder nicht kann ich nicht entscheiden), jedenfalls werden es religiös gebildete Gallier gewesen sein die ihn verfasst haben, solche konnten damals auch bereits das lateinische Alphabet schreiben.
 
Hast Du den hier schon gelesen?

Hab ich schon,aber Du hast offensichtlich nicht verstanden,was ich erklären wollte.

Es geht natürlich nicht exakt um den einen Tag-aber Sonnenwenden und Tag-und Nachtgleichen lassen sich nun mal mit relativ einfachen Mitteln relativ leicht bestimmen und dienen daher als Eckpunkte zur Bestimmung weiterer Daten.
Und es geht einfach um die Wahrscheinlichkeit die Saat durchzubringen
Natürlich gab es Jahre in denen die Vegetationsperiode früher einsetzte, aber es gab selten Jahre wo dies später der Fall ist.
Und es gab ,wenn ich mich recht erinnere ,aber auch diverse Jahre mit einer Periode milder Witterung bei der Pflanzen im Januar oder Anfang Februar bereits zu treiben begannen und auf die dann nochmal eine Frostperiode folgte.
Und wer dann bereits gesäht hatte hatte verloren-
Nur-die richtige Einordnung dieser milden Perioden war , bei aller Naturbeobachtung , nur mit Hilfe eines Kalenders möglich. Hinzu kommt die Bestimmung periodisch wiederkehrender Hochwässer etc. die ja ebenfalls Auswirkungen auf die Saat hatten.
Nicht umsonst orientieren sich ja die meisten Bauernregeln am Kalender.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon klar.
Ich hatte nur gehofft, wenigstens zu erfahren, warum ein Bauer, der keine Uhr kennt, so sehnlichst auf den Tag der Tag-und-Nachtgleiche wartet. ;)
(Auf einen Tag, dessen einzige Besonderheit ist, dass Tag und Nacht genau gleich lang sind...)
Ich habe gedacht, den leicht ironischen Stil meines latenezeitlichen Stilllebens wäre erkennbar (leere Amphore, Wein aus Massalia), das ging wohl schief :(..
das achtzigmal Schlafen bis zum Frühlingspunkt sollte die große Sehnsucht auf den Frühling ausdrücken, nicht auf einen bestimmten Tag, so wie sich heute Kinder auf Weihnachten freuen....
Gerade im Winter sehen wir, wenn der Himmel auch noch bedeckt ist, manchmal wochenlang keine Naturerscheinung, richtiger Stillstand der Natur, wenn dann auch noch der regelhafte Lauf der Himmelskörper (Mond z.B. als Zeitzeiger) ausfällt, kann man vage an der Taghelligkeit noch feststellen, dass sich die Tage verkürzen oder verlängern. Ein solches Bild des Stillstandes und Erwartung - Licht am Ende des Tunnels Winter - wollte ich zeichnen - ist mir wohl nicht gelungen.

Zu den neolithischen und bronzezeitlichen Erdkalenderbauwerken:
diese haben sehr wahrscheinlich rein kultische Bedeutung, auch wenn der Zusammenhang von Festdaten mit dem landwirtschaftlichen Jahr bedeutend ist. Ich stelle hier eine Radiosendung vom letzten Jahr zum Thema ein.

http://cdn-storage.br.de/MUJIuUOVBw...lenderbauten---Astronomie-fuer-den-Ackerb.mp3

Ich habe allerdings, da wir ja über Kalender allgemein diskutiert haben, und ich habe da wegen der besseren Schriftquellen auf griechische und römische Schriftquellen zurückgegriffen, auf die Parapegma hingewiesen,
Steckkalender, die neben den Tierkreiszeichen alle möglichen andere Daten enthielten, und die eine landwirtschaftliche Nutzung der Kalender in der Eisenzeit ermöglichen sollten, sozusagen einen landwirtschaftlichen Terminkalender darstellen, in dem wichtige Sternauf - und Untergänge, wichtige Wetterveränderungen (Episemasien) verzeichnet waren. Ob die griechische Astronomie (Meton, Euktemon, Demokrit, Philippos, Eudoxos, Kallipos, Geminos) diese Kalender für ein wissenschaftliches Publikum entwarf, oder ob sie breitere Verwendung fanden, anscheinend ging ihre Verbreitung in Buchform über die Akademien hinaus, ist mir noch unsicher. Zumindestens ist eine breitere Benutzung zum Beispiel für einen gebildeten, wohlhabenden Gutsbesitzer nicht ausgeschlossen, sondern bietet sich an.
Wir befinden uns daher in der späten Eisenzeit in einer sehr anderen Situation, ohne gleich Rückbezüge auf den Latenraum zu vollziehen, als in der Bronzezeit. Der kultische Ursprung und Bezug ist in den Kalendern zurückgetreten, die wissenschaftliche Struktur als mathematisches, astronomisches Messinstrument beginnt zu überwiegen, neue gesellschaftliche Anforderungen werden an den Kalender gestellt, siehe den römischen Kalender mit seiner durchgehenden Wochen/Nundialzyklus.

Kurz zum Lateneraum, zum Kalender von Coligny: von Von Plinius erfährt man zusätzlich, dass erst mit dem sechsten Tag des Mondes der Monat beginnen würde. Geht man von einer ursprünglichen Übereinstimmung von Monat und Mond aus, so hätte der Kalender zu Plinius Zeiten ein Alter von 195 × 5 = 975 Jahren gehabt. Das entspräche einer Entstehungszeit um das Jahr 900 v. Chr. Man kann davon ausgehen, dass es eine autochthone Astronomie in Mitteleuropa gegeben hat, ob es einen Wissentransfer aus dem mediterranen Raum in der Hallstattzeit gegeben hat, was manche Quellen nahelegen, und damit an eine wissenschaftliche Entwicklung vermittelt über Griechenland aus Babylon und Ägypten, ist unsicher. Der Kalender hält, zumindestens für uns lesbar, nur einen einzigen Festtag fest, trinox samonis, was überraschend ist, auch hier scheint die kultische Bedeutung zwar noch vorhanden, doch stark zurückgetreten zu sein. Seine Wochenstruktur ist fünftägig, zusätzlich markiert sind die Monatshälften (15 Tage + 15 oder 14 Tage). Da der Kalender bis auf einige Reste, die im Umkreis von 30 km gefunden wurden, einizgartig ist, und keine weiteren Schriftquellen existieren (Plinius legt nahe, dass der 30jährige Zyklus bei allen Galliern gilt (Naturgeschichte 16, 249-251)), sind Aussagen über die Verbreitung und Gültigkeit des Kalenders sehr schwer zu treffen. Nebenbei sei eine andere Parallele zur Zyklusstruktur des Kalenders erwähnt: Diodor erwähnt, dass Verbrecher fünf Jahre von den Galliern eingesperrt wurden, bis sie hingerichtet wurden (erinnert mich gerade an Vercingetorix, der fünf Jahre in den marmetinischen Kerker gefangen gehalten wurde). Merkwürdigerweise gibt Plinius seine Quelle nicht an, vermutlich Poseidonios, doch wo hat Poseidonios sein Wissen her? Von Druiden? Im Umkreis von Massalia, das Ausgangspunkt seiner Forschungen war?
Das von Cäsar erwähnte jährliche Treffen im Land der Carnuten legt natürlich nahe, dass es eine zumindestens gallienweite kultische Gemeinschaftlichkeit über die jeweiligen Stammeskonkurrenzen gegeben hat. (Jean-Luis Brunaux, Druiden- Die Weisheit der Kelten, 2007)
Kurz zum Schriftgebrauch: Cäsar erwähnt, dass den Druiden die griechische Schrift geläufig ist, und sie für Rechtsprechung, Verwaltung und Vertragswesen genutzt wurde (in allen öffentlichen und privaten Dingen): (De bello Gallico,6,14,1-4). Fast zwangsläufig steuern wir jetzt aber eine Diskussion über die Bedeutung der Druiden an, da gibt sehr viele Interpretationsmöglichkeiten der Quellen (und viele esoterische und nationalistische Phantasien). Cäsar beispielsweise wird zum Teil skeptisch gesehen, weil er Gallien als zivilisierbar/romähnlich darstellen würde, die Druiden teilweise mit den Pontifeces ähnlich beschreiben würde, um die Vorbehalte gegen seine Eroberungspolitik im Senat aufzulösen.
Trotz aller Skepsis ist es naheliegend, die Druiden für die Astronomie und eine Kalenderentwicklung verantwortlich zu machen, inklusive ihrer Vorgänger, die unbekannt sind. Haerangil gebe ich allerdings auch recht, Druiden im gesellschaftlichen Sinn/in Funktion gab es im 2.Jahrhundert AD nicht mehr, sondern höchstens Erben ihres Wissens. Das der Kalender sich auf vorrömische Vorbilder bezieht, ist unstrittig.
 
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Hallo zaphodB.
nehme ich die von mir jetzt öfters zitierten landwirtschaftlichen Lehrgedichte als Grundlage (Hesiod, Vergil), so ist der Jahreskalender nicht besonders durch die Äquinoktien markiert, sondern zahlreiche Zeigersterne (Plejaden, Sirius, Arkturos z.B.) werden verwendet. Die Aussat des Sommergetreides erfolgt oft vor der dem Frühlingsäquinoktium im Februar/März - in der eisenzeitlichen Wirtschaft wahrscheinlich Sommergerste -die Jahreszeiten, Frühling, Sommer, Winter, werden nicht an den Tagundnachtgleichen markiert, begonnen. Bei Cato d.Ä. findet sich zum Beispiel (klimatisch Latium betreffend) ein Speise-und Weinopfer für Jupiter Dapalis vor dem Pflügen und der Ausaat für Anfang März während der Birnbaumblüte. Dies benennt er als Beginn des Frühlings (1.März?). Die Frühlingstagundnachtgleiche taucht auch bei ihm durchaus auf, z.B. beim Ölbaumschnitt (Beginn 15 Tage vor dem Frühlingsäqinoktium).
Für latenzeitliche Mitteleuropa sieht es natürlich anders aus: bei uns beginnt phänologisch der Mittfrühling etwa Mitte März bis Mitte April mit dem vollen Beginn der Vegetationsperiode, dem Flug der Honigbiene, und der Blüte vieler Zeigerpflanzen, schossenden Wintergetreide usw. - erst jetzt blüht in Mitteleuropa der Birnbaum.
Ich bin skeptisch, ob die Verwendung von Kalendarien wirklich für die Bestimmung von Aussaatterminen notwendig waren - bei den Lehrgedichten setzen die Autoren ein astronomisches und phänologisches Grundwissen voraus, das anscheinend sehr umfangreich ist, und auf dem akkumulierten Erfahrungsschatz von Generationen beruht.
Eine Abhängigkeit von einer geheimwissenden sakralen Elite oder Priesterschaft besteht offensichtlich nicht. Komplexer ist das (akademische) astronomische, arithmetische Wissen um die Kalenderwerke und ihre Schaltregeln, das wahrscheinlich wirklich nur einer Minderheit zur Verfügung stand. Die alten Kalenderbauten ab dem Neolithikum haben meiner Ansicht nach hauptsächlich kultische Zwecke erfüllt, Bestimmung von Festtagen, die natürlich mit dem (landwirtschaftlichen) Leben der Menschen zu tun hatten.
 
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Wie Du ja selbst hervorragend dargelegt hast beziehen sich Hesiod und Vergil natürlich auf eine andere Klimazone und stammen aus einer Zeit und einem Gesellschaftssystem,das bereits systematisch Astronomie auf wissenschaftlicher Grundlage betrieb . Und in diesem Kulturkreis kommen bezeichnenderweise Kalenderbauten im Gegensatz zu Mitteleuropa so gut wie nicht vor .
Dass Anlagen wie die Kalenderbauten rein kultische Zwecke verfolgen ,daran hab ich allerdings meine Zweifel. In der Regel baut sich ein frühzeitlicher Kult um ein für die jeweilige Gesellschaft existentielles Problem auf- wie z,B. um die Hochwasser der diversen frühen Flusstalkulturen oder die Tierwanderungen bei Wildbeuterkulturen.
 
Nur-die richtige Einordnung dieser milden Perioden war , bei aller Naturbeobachtung , nur mit Hilfe eines Kalenders möglich.

Du meinst also tatsächlich, irgendein Bauer würde in einem milden Januar aussäen, wenn er nicht zufällig einen Kalender zur Hand hätte und dort sehen würde, dass dies deutlich zu früh ist?

Und selbst wenn er einen Kalender brauchen würde, reicht dazu völlig ein grober, von der Natur vorgegebener Kalender, da exakte Daten für die Landwirtschaft überhaupt nicht gebraucht werden. Falls die Sonnenwende irgendeine Bedeutung für die Landwirtschaft hat, so spielt es keine Rolle, ob man diese nun am 20, 21, oder 22. März ansetzt. Und so genau bekomme ich es schon hin, wenn ich nur schaue, ob die Sonne hinter einem bestimmten Berg auf- oder untergeht.
Riesige Bauwerke, deren Erstellung teilweise Jahrzehnte in Anspruch nahm, gewaltige Resourcen verschlang, und oft erst von späteren Generationen überhaupt "genutzt" werden konnte - so es denn einen praktischen Nutzen gab - ergeben landwirtschaftlich keinen Sinn, da der durch sie vermittelte Erkenntnisgewinn gegen Null geht.
 
Es geht natürlich nicht exakt um den einen Tag
Das konnte ich Deinen bisherigen Beiträgen nicht entnehmen. Ich hatte den Eindruck, dass es um möglichst präzise Bestimmung des Zeitpunkts geht.
Aber wenn doch nicht, d'accord.

Nicht umsonst orientieren sich ja die meisten Bauernregeln am Kalender.
Da sprechen wir über einen Sonnenkalender, der in jeder Bauernstube hängt.
Den können wir für die neolithische bis frühkeltische Zeit nicht voraussetzen.

Voraussetzen können wir, dass den Bauern die Mondphasen bekannt waren, und dass sie bis zwölf zählen konnten.
Ebenfalls voraussetzen können wir, dass die Bauern nicht nur auf das Wetter verließen, sondern vielfältige Naturbeobachtungen einordnen konnten und daraus ihre Schlüsse zogen:
Jeder Zugvogel ist da aussagekräftiger als ein Pfostenkalender.
 
das achtzigmal Schlafen bis zum Frühlingspunkt sollte die große Sehnsucht auf den Frühling ausdrücken
"Maienzeit ohne Neid Freuden geit wider Streit..." - schon klar. Nur das mit dem Frühlingspunkt habe ich halt nicht verstanden.

Gerade im Winter sehen wir, wenn der Himmel auch noch bedeckt ist, manchmal wochenlang keine Naturerscheinung, richtiger Stillstand der Natur, wenn dann auch noch der regelhafte Lauf der Himmelskörper (Mond z.B. als Zeitzeiger) ausfällt

Es kann schon sein, dass es wochenlang so trüb ist, dass man im Morgendunst nicht sehen kann, an welcher Stelle die Sonne aufgeht.

Aber dass der Mond so lange überhaupt nicht zu sehen ist, dass sich niemand mehr erinnern kann, wann der Mond zuletzt gesehen wurde und wie er da aussah?

Ich kann mich erinnern, dass ich den Mond vor ungefähr fünf Tagen gesehen habe. Da war er noch fast voll. Neumond müsste Ende Nächster Woche sein. (Behaupte ich jetzt mal, ohne nachgesehen zu haben.)

Vor wievielen Tagen ich den letzten Sonnenaufgang oder -untergang gesehen habe und wo genau - keine Ahnung.
Von Arktur oder Plejaden ganz zu schweigen.

Geht man von einer ursprünglichen Übereinstimmung von Monat und Mond aus, so hätte der Kalender zu Plinius Zeiten ein Alter von 195 × 5 = 975 Jahren gehabt. Das entspräche einer Entstehungszeit um das Jahr 900 v. Chr.
Bei solchen Hochrechnungen erlaube ich mir, skeptisch zu bleiben.

Einerseits versucht man Plinius' Angabe eines 30-Jahre-Zyklus zu eliminieren, indem man eine Umstellung auf einen 25-Jahre-Zyklus "in der Schlussphase" mutmaßt.
Andererseits sollen aber die Kelten 900 Jahre lang einmütig und eisern an ihrer Tageszählung festgehalten haben, ohne jemals einen so offenkundigen Fehler nachgebessert zu haben.
 
Wie Du ja selbst hervorragend dargelegt hast beziehen sich Hesiod und Vergil natürlich auf eine andere Klimazone und stammen aus einer Zeit und einem Gesellschaftssystem,das bereits systematisch Astronomie auf wissenschaftlicher Grundlage betrieb . Und in diesem Kulturkreis kommen bezeichnenderweise Kalenderbauten im Gegensatz zu Mitteleuropa so gut wie nicht vor .
Hallo zaphodB,
zum eisenzeitlichen Griechenland gibt es zwei Stränge: ein Strang sind die Lehrgedichte, die einen landwirtschaftlichen Jahreskalender erzählen, wahrscheinlich für den mündlichen Vortrag gedacht: in ihnen stellt sich auch astronomisches Grundwissen dar, dass für die wirtschaftliche Tätigkeit (Landwirtschaft, Seefahrt), religiöse Praxen und die kultische Gemeinschaft (Mythen,Sagen) breiten Gesellschaftsschichten bekannt und vertraut war. Wenn Homer in der Ilias im 18.Gesang Achills Schild beschreibt, dann setzt er ein Wissen um den Kosmos voraus:
"Ganz ihn verzierend, und legte darum einen schimmernden Reifen,Dreifach und blank, verbunden mit silbernem Tragegehänge.Schichten zählte man fünf an dem Schild, und oben auf diesem Formte er zierliche Bilder viel mit erfindsamem Geiste; Bildete oben darauf die Erde, das Meer und den Himmel, ferner den vollen Mond und die unermüdliche Sonne, Dann auch alle Sterne dazu, die den Himmel umkränzen,Oben, das Siebengestirn, die Hyaden, die Kraft des Orion, Und den Bären, den auch mit Namen denWagen sie nennen, Der auf der Stelle sich dreht und stets den Orion belauert,doch als einziger teil nicht hat an Okeanos ́ Bade.“
Dafür ist keine umfangreiche astronomische Forschung notwendig, wie sie für Griechenland ab Thales von Milet bekannt ist. Das ist der zweite Strang, der sich in Griechenland besonders erfolgreich entwicklet hat.
Ich denke, dass wir für den Lateneraum ein ähnlich profundes, eventuell andere Zeigergestirne nutzendes Grundwissen in der Bevölkerung voraussetzen können, welchen Stand die wissenschaftliche Astronomie hatte, ist allerdings unsicher. Die Archäologie hat in den letzten Jahrzehnten unsere Vorstellung von Mitteleuropa in der vorgeschichtlichen Zeit gründlich verändert. Zum Beispiel zeigen die griechischen und etruskischen Importfunde in hallstattzeitlichen "Fürsten"-Gräbern kulturelle Verbindungen an, die auch den Wissenstransfer nach Mitteleuropa und umgekehrt ermöglichen konnten.



 
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Bei solchen Hochrechnungen erlaube ich mir, skeptisch zu bleiben.
Einerseits versucht man Plinius' Angabe eines 30-Jahre-Zyklus zu eliminieren, indem man eine Umstellung auf einen 25-Jahre-Zyklus "in der Schlussphase" mutmaßt.
Andererseits sollen aber die Kelten 900 Jahre lang einmütig und eisern an ihrer Tageszählung festgehalten haben, ohne jemals einen so offenkundigen Fehler nachgebessert zu haben.

Bei meiner Quellenkritik von Plinius ging es mir darum zu zeigen (er gibt Poseidnios nicht an, da Plinius aber griechische Begrifflichkeiten benutzt, wird er als Quelle vermutet), dass wir vorsichtig sein müssen mit allgemeingültigen Aussagen - mir ging es um deine vorher zurecht kritisierte Darstellung des Bildes einer zentral gesteuerten Zeitmessung für ganz Gallien (Coligny als Atomuhr) - Plinius Zitat spricht für eine allgemeine Zeitrechnung, 30 Jahreszyklus für Gallien (zur Quellenkritik ganz gut Bernhard Maier -Die Druiden, Beck-Wissen, ausnahmsweise mal ein kostengünstiges Büchlein). Gerade wenn Olmsted eine Umstellung des Kalenders vom 30jährigen Zyklus auf einen 25jährigen Zyklus behauptet,
aufgrund der Zählstruktur von Trigrammen, die er auf dem Kalender vorfand, dann könnte dies doch eine Reaktion der keltischen Astronomie auf die Fehlerhaftigkeit des 30-Jahreszyklus mit seinem zusätzlichen Schaltmonat sein. Das Kalenderfehler erst einmal auflaufen, bevor an einer Lösung gearbeitet wird, ist nicht untypisch, sieh Julianischer Kalender oder auch die gregorianische Kalenderreform.
 
Sicher orientierten sich neolithischen Bauern hierzulande zuerst am Mond. Aber genauso sicher haben sie gesehen, dass das einfache Zählen der Monde nicht ausreichte, den richtigen Zeitraum für die Aussaat zu finden. Sie wussten wahrscheinlich ziemlich bald, dass die Sonne die Jahreszeiten bestimmte, und nicht der Mond.

Es lag also nahe, die Sonne genauer zu beobachten. Dazu reichte anfangs sicher die Beobachtung, dass wenn die Sonne z.B. genau zwischen 2 Bergen abends unterging, man ziemlich gefahrlos mit der Aussaat beginnen konnte. Das galt jedoch für genau einen Standpunkt, schon das nächste Dorf konnte mit dieser Angabe in der Regel nichts anfangen. Gut, die anderen Dörfer haben wahrscheinlich andere Bezugspunkte gewählt, die genauso gut oder schlecht waren wie der mit den 2 Bergen.

Aber bei solchen Bestimmungen kommt man in Schwierigkeiten, wenn dieses Wissen im Dorf falsch weitergegeben oder gar verloren geht. Zu allen Zeiten galt und gilt: Wissen ist Macht. Jemand, der in der Lage ist, mehrmals hintereinander den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat zu vorauszusagen, den verehrt und belohnt man, hat automatisch hohes Ansehen. Das teilt man ungern mit anderen.

Wo es nur wenige Wissensträger gibt, steigt das Risiko für das Wissen selbst. Dem kann abhelfen: Eine Art Aufzeichnung der Sonnenbewegung mit wenigen Fixpunkten – vielleicht 4 in die Erde gerammten Pfähle -, dazu ein wenig Naturbeobachtung (z.B. Zustand des Pflanzenwachstums, Züge der verschiedenen Vögel) und fertig war ein ziemlich zuverlässiger Kalender, der Voraussagen lieferte, die einem Unwissenden wie ein Wunder vorkommen mussten.

Mit ein wenig Hokuspokus drum herum konnte man diesen Eindruck, übersinnliche Kräfte zu besitzen, noch verstärken, und fertig war der Wahrsager. Oder der Geisterbeschwörer, später der Druide oder der Diener der Götter (des Wachstums, des Todes, des …).

Jedenfalls: Wer einen solchen Sonnenkalender besaß, war ganz bestimmt im Vorteil gegenüber denjenigen, die sich nur auf Naturbeobachtungen stützten, denn auch die freie Natur kann sich irren und z.B. zu früh die zarten Triebe austreiben (lassen).

Womit nicht gesagt werden soll, dass sich die Sonnenkalenderbesitzer nicht mal irren konnten, schließlich gibt es bis weit in die Neuzeit hinein Berichte über schlechte Ernten - aufgrund der unvorhersehbaren schlechten Witterung in den für die Pflanzen wichtigen Wachstumsphasen - und die daraus resultierenden Hungersnöten.
 
Du meinst also tatsächlich, irgendein Bauer würde in einem milden Januar aussäen, wenn er nicht zufällig einen Kalender zur Hand hätte und dort sehen würde, dass dies deutlich zu früh ist?
Nun,wenn er mangels Kalender nicht weiß.dass Januar ist,dann schon ;) Dass z.B. Pflanz- und Aussaattermine in vielen archaischen Gesellschaften keine individuelle Angelegenheit waren sondern nach festen Kalenderdaten für die gesamte Gesellschaft festgelegt wurden wissen wir von den Ägyptern,den mesopotamischen Bauernkulturen,der Induskultur und den präkolumbischen Kulturen Amerikas-Meist wurde der Beginn durch Feste markiert.- Bei uns ist das übrigens z.B. beim Spargel oder beim Wein heute noch so. Das Ende der Spargelzeit ist definitiv die Sommersonnenwende am 21.Juni.Danach wird im Freiland keiner mehr gestochen.
eder Zugvogel ist da aussagekräftiger als ein Pfostenkalender.
Deshalb erfrieren auch alle paar Jahre mal wieder Zugvögel oder kommen nicht über die Alpen, weil sie bei langen spätherbstlichen Wärmeperioden und anschließendem plötzlichem Wintereinbruch in den Alpen den Absprung verpassen. Hatten wir zuletzt glaub ich vor vier Jahren.
Spiola,der Mondkalender ist sicherlich für kurze Zählungen tauglich,aber für das Messen eines Jahres braucht es den Sonnenkalender, der dazu noch zumindest grob die 4 Jahreszeiten und die zugehörigen optimalen Vegetationperioden abbildet.Im zweifel wird man also beide Kalender nenbeneinander verwendet haben, ähnlich wie dies im präkolumbischen Amerika ja noch in späterer Zeit erfolgte.


Biturigos, die beiden von Dir beschriebenen Stränge der Astronomie und Kalendarik werden sich im antiken Griechenland nicht autark sondern parallel und miteinander verbunden entwickelt haben,wobei es sicherlich auch Verbindungen zu Ägypten und Mesopotamien gegeben hat. Nur-dieses Wissen und die dabei gefundenen Berechnungsmethoden und Erkenntnisse setzen schriftliche Aufzeichnungen und eine gewisse mathematisch-astronomische Tradition voraus- und die gab es in Griechenland,aber nicht nördlich der Alpen
dort bedurfte es daher einerseits einfacher und andererseits dauerhafter Systeme um das vorhandene astronomische Wissen zu konservieren und anschaulich zu machen- und das waren m.E. die Kalenderbauten.
damit hatte man in einer schriftlosen Gesellschaft die Möglichkeit das Wissen über einen relativ langen Zeitraum zu erhalten, weiterzugeben und auch dem Volk anschaulich zu vermitteln.
PS: Dion hat das gerade hervorragend erklärt,was ich meine.
 
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