Absurde Wissenschaftsskeptische Positionen?

asd345

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Hallo,

diese suche ich, historisch. In der Art wie der Glaube einiger "Wissenschaftler" im 19. Jahrhundert, dass man in einer Eisenbahn wegen der zu hohen Geschwindigkeit sterben würde. Gerne Zitate, Quellen, allgemeine Hinweise.

Danke!
 
Goethe jedenfalls prägte den Ausdruck veloziferisch, aus Velozität (Geschwindigkeit, Schnelligkeit) und Luzifer + isch.
Noch bis in die Mitte des 20. Jhdt.s war der Langmarckismus verbreitet, der davon ausging, dass eine mechanische Veränderung eines Lebewesens eine Veränderung der Gene zur Folge hätte. Also schnitte man einer Maus den Schwanz ab, so würde das Einfluss auf ihre Nachkommen haben. Ist natürlich Quatsch. Einige Ärzte der SS haben aber genau auf dieser gedanklichen Grundlage ihre Forschungen betrieben. Etwa Johann Paul Kremer.
Schon heavy, Goethe und den Holocaust in einem Beitrag zu nennen, was?
 
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Die m.E. mit Abstand problematischte, aktuelle Leugnung von Wissenschaft - namentlich der Evolutions-Biologie - kommt von fundamentalistischen christlichen "Kreationisten".

https://de.wikipedia.org/wiki/Kreationismus

Und in der Regel gilt, dass diese dubiosen "Glaubenssysteme" so lange wirkungsmächtig sind, so lange entsprechende Institutionen oder Organisationen ein virulentes Interesse an einer derartigen Ideologie haben. Ohne diese Träger werden sie nicht beachtet, zumindest gilt dieser Befund vor allem bis zum Internet-Zeitalter.

Nicht selten dienen - vor allem die wichtigsten - dubiosen Glaubenssysteme der Legitimation von Herrschaft im weitesten Sinne. Dementsprechend stellen die extremen "Minderheiten-Meinungen" diese nicht selten im Gegensatz dazu in Frage.

Nicht zuletzt wird von diesen Mehrheits- oder Minderheitspositionen zusätzlich noch durch die Verweigerung einer "Falsifizierung" das System von Wissenschaft insgesamt in Frage gestellt.

Besonders problematisch sind pseudo-"wissenschaftlichen Positionen", die ein Amalgam mit vor-wissenschaftlichen Wissensbeständen - umgangssprachlich "Stammtischwissen" und/oder allgemeinen gesellschaftlichen Vorurteilen - eingehen, wie beispielsweise in der "NS-Rassenlehre". Sie weisen eine besonders hohe Akzeptanz auf.
 
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Die Pest fand ja viele Erklärungen (Strafe Gottes, der böse Hauch der Katzen, jüdische Brunnenvergifter), allerdings hab ich nichts in Erinnerung, wonach aus heutiger Sicht vernünftige Erklärungen ignoriert wurden zugunsten von Phantastereien.
 
Hallo,

diese suche ich, historisch. In der Art wie der Glaube einiger "Wissenschaftler" im 19. Jahrhundert, dass man in einer Eisenbahn wegen der zu hohen Geschwindigkeit sterben würde. Gerne Zitate, Quellen, allgemeine Hinweise.

Danke!

Schön absurd ist die Hohlwelttheorie (Innenweltkosmos bei Wiki), die aus vor allem religiösen Gründen die Schulbuch-Astronomie zu widerlegen versucht(e)
 
Die Pest fand ja viele Erklärungen (Strafe Gottes, der böse Hauch der Katzen, jüdische Brunnenvergifter), allerdings hab ich nichts in Erinnerung, wonach aus heutiger Sicht vernünftige Erklärungen ignoriert wurden zugunsten von Phantastereien.

Wenn ich es richtig verstehe, sucht der Threadersteller das Gegenteil, also absurde Theorien, die sich aber als Lehrmeinung durchsetzten.
Hier mal stellvertretend ein diesbezüglich häufig angeführter Wissenschaftler, der in der Sowjetunion dank der Unterstützung durch Stalin seine veraltete Position (die prinzipiell auf dem von El_Quijote erwähnten Lamarckismus beruhte) durchsetzen konnte, nach dessen Tod aber sofort in Ungnade fiel:
Trofim Denissowitsch Lyssenko ? Wikipedia

Ein ähnliches Beispiel aus dieser Zeit, diesmal im Kontext des Dritten Reiches, ist Hörbigers Welteislehre:
Welteislehre ? Wikipedia

Diese "wirkte" allerdings weniger stark, da ihr zwar führende Nationalsozialisten anhingen, sie sich meines Wissens aber nur im "SS-Ahnenerbe"* wirklich durchsetzte und nie in den universitären Bereich vorstieß.

Wie Thanepower richtig anmerkt, entstehen solche Fälle oft dort, wo wissenschaftliche Methodik mit gesellschaftlich vorherrschenden, ideologischen, religiösen oder philosophischen Vorstellungen kollidiert und dann eine pseudowissenschaftliche Theorie sich durchsetzen kann.

Das gibt es auch im kleinen. So pflegen etwa Anthroposophen - heute eher verschämt, wenngleich es nicht ganz aus dem Gedankengut der Waldorfschulen verbannt ist - ein ganz eigenes Geschichtsbild:

https://ratgebernewsblog2.wordpress...en-vorfahren-im-waldorfkindergarten-schwerte/

Aber du sprichst vom umgekehrten Fall, der natürlich auch spannend ist. Einer der tragischsten zu Unrecht nicht anerkannten Wissenschaftler ist für mich der "Hygienevater" Ignaz Semmelweis, der vermutlich aufgrund einer Intrige in der Psychiatrie seinen Lebensabend fristete, und dessen Ideen sich nach seinem frühen Tod durchsetzen:
Ignaz Semmelweis ? Wikipedia


*Versuch der SS, einen Wissenschaftsapparat parallel zu den Universitäten aufzubauen
 
Besonders problematisch sind pseudo-"wissenschaftlichen Positionen", die ein Amalgam mit vor-wissenschaftlichen Wissensbeständen - umgangssprachlich "Stammtischwissen" und/oder allgemeinen gesellschaftlichen Vorurteilen - eingehen, wie beispielsweise in der "NS-Rassenlehre".


Ja, wie konnte man die vergessen? Tragischerweise war die Rassenlehre der Nationalsozialisten eine der folgenreichsten Pseudowissenschaften, die letztendlich in der Ermordung mehrerer Millionen Juden gipfelte. In der ursprünglichen Fassung in "Mein Kampf" war sie wesentlich ein Eigenprodukt von Adolf Hitler und wenigen Vorläufern, die völkische Politiker oder obskure Pseudowissenschaftler (wie List und Lanz von Liebenfels) waren.
 
Jahrhundertelang glaubten Mediziner der Aderlass sei ein Allheilmittel.

In ähnlicher Weise diente die Lehre von den vier Körpersäften im Mittelalter und der Frühneuzeit als wichtigstes Erklärungsmodell für Gesundheitszustand und Krankheiten, bis sie durch die ersten anatomischen und mikroskopischen Erkenntnisse unhaltbar wurde:

Humoralpathologie ? Wikipedia

Das ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wo eine falsche Theorie nicht unbedingt "ideologisch protegiert" wurde, sondern mangels methodischem Handwerkszeug nichts besseres entwickeln konnte.
 
Ein weiteres Beispiel ohne ideologische - aber mit wirtschaftlicher - Protektion ist der Stromkrieg, in dem es Ende des 19.JH darum ging, ob Elektrizität in den USA über Gleich- oder Wechselstromnetze verteilt wird. Thomas A. Edison setzte auf Gleichstrom, sein Konkurrent Westinghouse auf Wechselstrom. Um zu zeigen, wie gefährlich und böse "Westinghousestrom" ist, wurden öffentlich Pferde mit Wechselstrom "gegrillt". Edisons Unternehmen entwarf den ersten elektrischen Stuhl (natürlich auf Wechselstrombasis). Diese angeblich humanere Hinrichtungsmethode als das bis dahin übliche Erhängen, versuchte das Unternehmen als to be westinghoused zu vermarkten. Heutige Stromnetze sind ausnahmslos (ich kenne zumindest keine Ausnahme) Wechselstromnetze.
 
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Vielen Dank, das sind tolle Beispiele! Aber ich sollte wohl die Fragestellung präzisieren: Interessant sind wissenschaftliche Durchbrüche, die nicht angenommen wurden. Die Hygienik und der Westinghousestrom war ein gutes Beispiel, gibt es davon mehr? Vielen Dank!
 
Kein Wissenschaftler hat über lange Jahre und Jahrzehnte wohl mehr Widerspruch bekommen als Albert Einstein. Er bekam zwar den Nobelpreis, aber nicht für seine Relativitätstheorie, sondern für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts - die Widerstände in der Fachwelt waren zu stark.

Noch 1931, d.h. ein ¼ Jahrhundert nach der Publikation der speziellen Relativitätstheorie, wurde ein Buch mit dem Titel "100 Autoren gegen Einstein" veröffentlicht. :nono:

Einen guten Überblick über die (organisierten!) Widerstände gegen Einstein findet man unter Wer waren Einsteins Gegner?

Es heißt, epochal Neues kann sich erst durchsetzen, wenn die betreffenden Lehrstuhlinhaber, die ihr Leben lang Altes gelehrt haben, gestorben sind. :still:
 
Vielen Dank, das sind tolle Beispiele! Aber ich sollte wohl die Fragestellung präzisieren: Interessant sind wissenschaftliche Durchbrüche, die nicht angenommen wurden. Die Hygienik und der Westinghousestrom war ein gutes Beispiel, gibt es davon mehr? Vielen Dank!
Champollion, der Entzifferer der Hieroglyphen rannte auch gegen eine Mauer der Verbohrtheit, als er seine Ergebnisse den Wissenschaftlern der pariser Akademie der Inschriften vorlegte. Die Herren Professoren waren fest der Lehrmeinung, dass jede Hieroglyphe ein eigenes Wort sei und nicht wie Champollion richtig erkannt hatte, auch nur ein einzelner Laut oder Buchstaben sein konnte. Sicher war auch eine Menge Neid dabei, da es ihnen nicht gelungen war, den richtigen Lösungsweg zum entziffern der Hieroglyphen zu finden.
Letztendlich bekam Champollion doch Recht und wir verdanken es ihm, dass die ägyptiscvhen Inschriften zu uns sprechen.
 
Kein Wissenschaftler hat über lange Jahre und Jahrzehnte wohl mehr Widerspruch bekommen als Albert Einstein.
(...)
Noch 1931, d.h. ein ¼ Jahrhundert nach der Publikation der speziellen Relativitätstheorie, wurde ein Buch mit dem Titel "100 Autoren gegen Einstein" veröffentlicht.

Und Einstein selber wollte dann von den Erkenntnissen der Quantentheorie nichts wissen, soweit ich weiß.... ;)

Wenn man Widerstand aus dem nicht-wissenschaftliche Lager mitzählt, dürfte den Ehrentitel Darwin abstauben; Bücher alla "100 x 100 Autoren (aus allen Bereichen außer der Biologie) gegen die Evolution" seh ich zumindest noch in 400 Jahren auf dem Markt...

EDIT
Zum eigentlichen Thread-Thema kann ich leider nichts sagen. Absurde Theorien (aus heutiger Sicht) fielen mir einige en, aber die waren zur ihrer Zeit mWn nicht besonders "wissenschaftsskeptisch", sondern wollten im Gegenteil 1A-Qualitätswissenschaften sein, scheiterten aber mit dem Anspruch an besseren Theorien. Auf Lamarck wurde schon verwiesen, die Äther-Theorie würde mir noch einfallen, oder die Phrenologie.

Ein paar Jahrhunderte früher befasste sich der große Newton begeistert mit Alchimie und suchte, wie so viele vorher, den Stein der Weisen.
 
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Interessant sind wissenschaftliche Durchbrüche, die nicht angenommen wurden.

Gar nicht oder verspätet?

Wahrscheinlich wurde so ziemlich jeder wissenschaftliche Durchbruch erstmal von der Orthodoxie bekämpft.

Schöne Beispiele findest du in der Militärtechnik. Generäle lehnen Neuerungen immer prinzipiell ab, weil Soldaten zu Munitionsverschwendung neigen. Bis sie dann die nächste Schlacht verlieren.

Vielleicht solltest du andersrum vorgehen, und von bekannten Durchbrüchen rückwärts auf die Hindernisse hinarbeiten?

Ansonsten fällt mir das Rad in Südamerika ein: wurde dort nur als Spielzeug benutzt.
 
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Macht nur im Sinne von verspätet Sinn. Die Zahl der Erfindungen, die sich nicht durchgesetzt haben, ist Legion, und welches davon echte Durchbrüche hätten werden können, wir werdens erst wissen, wenns doch noch so weit ist. Aber noch ein paar Ideen:

Luftschiffe wurden ein Zeit lang gebaut und eingesetzt, dass Experiment dann aber mehr oder minder vollständig beendet, warum auch immer. Grundsätzlich hat die Idee wohl Potential, aber umgesetzt wird sie nicht mehr. Aber immerhin hat die versiebte Revitalisierung der Idee der Mark Brandenburg eine Tropeninsel beschert, diesmal ohne koloniale Abenteuer...

Die Ideen und Forschungsergebnisse Gregor Mendels wurden von der Fachwelt erst Jahre nach seinem Tod wirklich rezipiert (zusammen mit anderen, die in ähnliche Richtung forschten) und mit Darwins Theorie kombiniert.

Die Theorie der Plattentektonik brauchte auch eine Weile, bis sie nicht mehr als absurd galt, hat Wegener selbst auch nicht mehr miterlebt.

Anders herum: Ich weiß nicht mehr, wer das erste Gerät zur Aufzeichnung von Tönen erfand, aber ich glaub mich dunkel zu erinnern, dass der Erfinder da eher eine Art Diktiergerät im Kopf hatte, bspw für Testamente uä Dokumente. Musik? Viel zu albern für so ein hehres Projekt... Kann aber auch eine Lesebuchgeschichte sein...
 
Friedrich Sertürner, den Entdecker des Morphins, verbitterte, dass seine Entdeckung in Deutschland erst gewürdigt wurde, nachdem Übersetzungen französischer Journale übersetzt wurden. Einige französische Kollegen reklamierten die Entdeckung für sich selbst. Sertürners leistungen wurden schließlich anerkannt, aber den großen Morphinboom als Analgetikum der Wahl hat er nicht mehr erlebt. Erst durch die Erfindung der Injektionsspritze konnte Morphin effektiver verabreicht werden, und im Amerikanischen Bürgerkrieg gingen die Abgänge in den Lazaretten sehr stark zurück.

Während Sertürner zumindest einige Anerkennung fand, wurde Ignaz Semmelweis bis zu seinem Lebensende von Kollegen angefeindet, obwohl Semmelweis seine Entdeckungen durch empirische Versuche gewann. Er erkannte als Erster den Zusammenhang zwischen Kindbettfieber und mangelnden Hygienevorschriften. Damit wiedersprach er etablierten Lehrmeinungen zur Ursache von Erkrankunge. Wären Semmelweis Beobachtungen und Methoden umgesetzt worden, wären vermutlich weit mehr Menschen zu retten gewesen.

Unfall- und Kriegschirurgie um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde immer noch daran gemessen, wie schnell Chirurgen in der Lage waren, Gliedmaßen zu amputieren. Handwerkszeug Nr. 1 war die Knochensäge, und manche Chirurgen trugen ihre blutverschmierten Schürzen mit Stolz, als wären es Orden auf der Heldenbrust, und nicht selten wurden Amputationen nur mit Chloroform und Whiskey als Schmerzmittel durchgeführt. In den späteren Kriegsjahren wurde in den südlichen konföderierten Staaten Schlafmohn angebaut, um daraus Morphin herzustellen.

Das Gleiche tat auch Österreich-Ungarn im 1. Weltkrieg, und ein ungarischer Arzt entwickelte ein Verfahren, aus Mohnstroh das Morphin herauszulösen, womit die äußerst arbeitsintensive Methode entfiel, die Mohnkapseln zu ritzen, aus dem Milchsaft Opium und aus Opium Morphin/Heroin zu raffinieren.
 
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