Partisanenkrieg im Ersten Weltkrieg?

Pidibaer

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Ich meine, mich erinnern zu können, daß ich vor langer Zeit einen Bericht gelesen habe, daß es eine Art Prämie innerhalb der Partisanenbewegungen gegeben hatte. Umso mehr Effizienz, umso bessere Waffen als Beispiel. Auch Geldgeber haben Prämien ausgelobt, wenn höhere Militärs des Gegners eliminiert wurden.

Ist ja auch nicht realitätsfremd. Soviel ich mich erinnern kann, handelte der Bericht über den ersten Weltkrieg

Pidibaer
 
Ich meine, mich erinnern zu können, daß ich vor langer Zeit einen Bericht gelesen habe, daß es eine Art Prämie innerhalb der Partisanenbewegungen gegeben hatte. Umso mehr Effizienz, umso bessere Waffen als Beispiel. Auch Geldgeber haben Prämien ausgelobt, wenn höhere Militärs des Gegners eliminiert wurden.

Ist ja auch nicht realitätsfremd. Soviel ich mich erinnern kann, handelte der Bericht über den ersten Weltkrieg

Pidibaer

Partisanenbewegungen im 1. WK?
 
Im 1. Weltkrieg bildeten die Tschetniks Aufklärungs- und Guerillatruppen in den von den Mittelmächten besetzten Serbien.

Gab es.

Wikipedia bezieht sich da auf u.a. auf das Buch von Mitrovic, Serbia's Great War 1914-1918. Die Schätzungen reichen von 5000 bis 15000 Mann, verbunden mit Aufständen 1917.
 
Partisanenbewegungen im 1. WK?

Der erste Weltkrieg ist bei weitem nicht so aufgearbeitet wie der zweite.
"Partisan" oder "Widerstandskämpfer" waren damals keine gebräuchlichen Wörter. Man nannte diese einfach "Spione".
Zudem waren die nicht so organisiert. Mag evtl. daran liegen, daß der erste Weltkrieg bei weitem nicht so gegen die Zivilbevölkerung ausgerichtet war wie der zweite.
Viele titulieren den ersten Weltkrieg ja noch als militärischen Krieg "Mann gegen Mann".
Mein Opa ( der dieses Thema eher vermieden hat und inzwischen verstorben ist ) war in der Untergrundbewegung gegen die Deutschen bei den Holländern. Ich kann mich gut erinnern, wie er mir mal sagte, daß sein Vater bereits im ersten Weltkrieg in Belgien in einer Untergrundbewegung war.
Im netz findet man auch nicht viel. Annährend vielleicht folgenden Bericht:
Der Widerstand bei der ersten deutschen Besatzung: Louise De Bettignies und das Netzwerk ?Alice?, Léon Trulin, das Komitee Jacquet, die Untergrundpresse- Wege der Erinnerung des Ersten Weltkriegs im Nord-Pas de Calais

Auch meine Ur-Oma erzählte mir mal zu Lebzeiten, daß sie sich gut daran erinnern konnte, daß ihr Vater ( 1918 in Frankreich gefallen ) in einem Brief erwähnte, daß sein Regiment enorme Probleme mit nicht militärischen, aber bewaffneten Kämpfern habe.

Der erste Weltkrieg ist bei weitem nicht so gut aufgearbeitet, wie wir ja letztes Jahr bei der 100 Jahr Gedenkfeiern feststellen konnten.

Pidibaer
 
Partisanenbewegungen im 1. WK?

Im besetzten Teil Frankreichs und Belgiens soll es doch Aktivitäten sogenannter Franc-tireurs gegen die Deutschen gegeben haben. Inwiefern dies Einzelaktionen, Teil einer Partisanenbewegung oder aber im Einzelfall deutsche Propaganda war, um Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung zu rechtfertigen, kann ich nicht beurteilen.
 
Der erste Weltkrieg ist bei weitem nicht so aufgearbeitet wie der zweite.
"Partisan" oder "Widerstandskämpfer" waren damals keine gebräuchlichen Wörter. Man nannte diese einfach "Spione".
Zudem waren die nicht so organisiert. Mag evtl. daran liegen, daß der erste Weltkrieg bei weitem nicht so gegen die Zivilbevölkerung ausgerichtet war wie der zweite.

Der erste Weltkrieg ist bei weitem nicht so gut aufgearbeitet, wie wir ja letztes Jahr bei der 100 Jahr Gedenkfeiern feststellen konnten.

Pidibaer


Das, finde ich, kann man so nicht sagen. In punkto historische Forschung gehört der 1. Weltkrieg zu den am besten erforschten Perioden, er stößt nur im deutzschsprachigen Sprachraum auf bemerkenswert wenig Interesse, und es sind die meisten Standardwerke dazu in englischer Sprache erschienen. 2014 habe ich den Hype um Christopher Clarks "Schlafwandler" nicht so recht verstanden. Ich lese ihn gerne, und es ist Christopher Clark ein verdienstvoller und zitierfähiger Historiker. Mit den Schlafwandlern ist nicht das Rad neu erfunden worden, aber es wurde Clarks Werk gerne von neokonservativen Kreisen angeführt als Kronzeuge für eine Revision der Kriegsschuldfrage.


Um noch mal auf die Partisanentätigkeit zurückzukommen. In Belgien wurden durch deutsche Truppen und in Serbien und Galizien massive Kriegsverbrechen gegen Zivilisten begangen. es wurden Freischärler und Franctireurs Aktivitäten angeführt, um die massiven Repressalien zu rechtfertigen.

Weniger ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen sind dagegen die Übergriffe von k.k. Truppen in Serbien und Galizien. Fotografien von Soldaten und Offizieren der Donaumonarchie, die lachend neben aufgehängten Zivilisten, darunter auch Frauen, Alte und Kinder posieren, hatte schon Ernst Friedrich in seinem Fotoband "Krieg dem Kriege" veröffentlicht, und Karl Kraus erwähnte Kriegsverbrechen in der "Fackel" und im Drama "Die letzten Tage der Menschheit", doch hat die Erinnerungskultur an den 2. Weltkrieg das Interesse am 1. weltkrieg im deutschsprachigen raum überlagert. In GB, Frankreich und Belgien ist das Interesse der Öffentlichkeit weitaus größer, dennoch sind auch im deutschsprachigen Raum Publikationen erschienen, die sich mit Kriegsverbrechen der Donaumonarchie und Flucht und vertreibung auf dem Balkan beschäftigen.

Dazu Anton Holzer, Das Lächeln der Henker- der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914-18.


Bereits die Balkankriege waren von zahlreichen Kriegsverbrechen und ethnischen Säuberungen
begleitet gewesen, was entscheidend zur Radikalisierung im Weltkrieg beitrug.
 
Im besetzten Teil Frankreichs und Belgiens soll es doch Aktivitäten sogenannter Franc-tireurs gegen die Deutschen gegeben haben. Inwiefern dies Einzelaktionen, Teil einer Partisanenbewegung oder aber im Einzelfall deutsche Propaganda war, um Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung zu rechtfertigen, kann ich nicht beurteilen.

Das Thema ist äußerst kontrovers. Belgien hatte 1914 keine allgemeine Wehrpflicht und eine kleine stehende Armee, die im Notfall durch die Reservistenverbände der Guarde Civique verstärkt werden sollte. In der Guarde Civique gab es aktive, der Armee direkt beigeordnete Reservisten und Inaktive, die auf dem Land sicherungsaufgaben übernehmen sollten. Wie Fotos zeigen, waren gerade die inaktiven Mitglieder der Guarde Civique rein äußerlich nicht ohne weiteres als Kombattanten erkennbar und leuicht von Zivilisten zu unterscheiden. Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 genossen Kombattanten in zivilähnlicher Kleidung nur den Schutz, wenn sie offen Waffen trugen. Während anfangs deutsche Militärs die Belgier als "Pralinesoldaten" abqualifizierten, war der Widerstand der kleinen belgischen Armee weit zäher, als vermutet. Eine Wiederholung des Volkskriegs von 1870 mit schwer zu identifizierenden Kombattanten wollten die Deutschen unbedingt vermeiden. Oft ließ sich nicht feststellen woher geschossen wurde, deutsche Soldaten wurden Opfer von "friendly fire", und der ungewohnt harte Widerstand ließ deutsche Offiziere oft mit großer Härte gegen Zivilisten vorgehen. In ihren Maßnahmen der Prävention fühlten sie sich oft im Recht.
 
Das Thema ist äußerst kontrovers...

Richtig, siehe hier:
John Horne, Alan Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. Hamburg, 2004. - HSK/Infoclio / Rezensionen / Bücher

Es kommt noch etwas hinzu, was die Frage der "Angemessenheit" deutscher Reaktionen betrifft, selbst wenn man den Widerstand belgischer "Nichtkombattanten" im Einzelfall als erwiesen ansehen würde:

Der deutsche Einmarsch war bezogen auf Belgien ein Angriffskrieg auf ein überraschend überfallenes Land. Für diese Situation haben Gerichte in Urteilen zu "Vergeltungsaktionen" im Partisanenkrieg ein "Besonderes Widerstandsrecht" erwogen, sozusagen (naturrechtliche) Notwehrrechte.

Der Aggressor, der in das Land einmarschiert, hat die Folgen dieses Notwehrrechtes hinzunehmen, und sozusagen vermindertes Vergeltungsinteresse.

Das sind mE plausible Überlegungen.
 
@Scorpio & silesia: Danke für Eure Antworten. Der Begriff "Partisanen" für nicht-uniformierte Belgier, die im 1.WK gegen Deutsche kämpften ist also zweifelhaft, bzw. könnte auch nur der Kriegspropaganda entstammen. Gilt gleiches auch für den Begriff "Franctireurs"? Ist das evtl. ein Überbleibsel von 1871?
 
Der Begriff Partisanen war mE für den Zeitraum in der Kaiserlichen Armee nicht gebräuchlich, vielmehr Kombattanten, Nichtkomattanten bzw. Franctireurs, letztere synonym für Partisanen.

Ob die Widerstand leistende Bevölkerung die Waffen "offen führte" und sich an die Regeln der HLKO hielt, ist zu einem gewissen Teil Auslegungssache und von Propaganda überlagert (das Problem wird auch an den deutschen "Meldungen" 1939 im Polenfeldzug klar, wo reichlich Falschmeldungen vorlagen, die aber das Gesamtbild und Verhaltensweisen der Truppe bestimmten, siehe Böhler)
 
Der Begriff Partisanen war mE für den Zeitraum in der Kaiserlichen Armee nicht gebräuchlich, vielmehr Kombattanten, Nichtkomattanten bzw. Franctireurs, letztere synonym für Partisanen.
Mag sein, dass der Begriff Partisan da nicht gebräuchlich war, aber den Begriff selbst gibt es schon lange – wiktionary sagt dazu:

Herkunft:

seit dem 17. Jahrhundert bezeugt; Entlehnung aus dem französischen partisan → frParteigänger“, welches seinerseits dem italienischen partigiano → itder Parteiische; Parteigänger; Verfechter“ entstammt; dieses ist eine Ableitung von italienisch parte → it [FONT=&quot]f[/FONT]Teil; Partei“, das wiederum ein Erbwort aus dem lateinischen pars → la [FONT=&quot]f[/FONT] ist; das Wort bezeichnet dann zunächst einen „Teilnehmer an einer kleinen, selbständig kämpfenden Truppe“ und im 20. Jahrhundert bekommt es die heutige Bedeutung[2][3][4][5]
 
Mag sein, dass der Begriff Partisan da nicht gebräuchlich war, aber den Begriff selbst gibt es schon lange

Ob es den Begriff lange gibt gibt, oder er bei Wikipedia mit Herkunft erklärt wird, spielt wohl keine Rolle dafür, ob er bei der deutschen Armee (darauf bezog sich oben meine Aussage) gebräuchlich war oder nicht.

Vielleicht wird er ja dennoch in deutschen Quellen zu Belgien oder Nordwestfrankreich erwähnt?

Ist mir so nicht präsent, aber vielleicht hat jemand einen Hinweis?
 
Ob es den Begriff lange gibt gibt, oder er bei Wikipedia mit Herkunft erklärt wird, spielt wohl keine Rolle dafür, ob er bei der deutschen Armee (darauf bezog sich oben meine Aussage) gebräuchlich war oder nicht.

Vielleicht wird er ja dennoch in deutschen Quellen zu Belgien oder Nordwestfrankreich erwähnt?

Ist mir so nicht präsent, aber vielleicht hat jemand einen Hinweis?

Ich habe in allen deutschsprachigen Quellentexten aus dem ersten Kriegsjahr immer nur die Bezeichnung Franctireur gelesen, der den Militärs und der Öffentlichkeit noch (negativ belastet) aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 bekannt und geläufig war. Dass es zahlenmäßig bedeutenden (heimtückischen) Widerstand der belgischen Zivilbevölkerung gegeben hat, wird von den meisten Historikern in den Bereich der Legende verwiesen. Häufig ließ sich gar nicht feststellen, von wo geschossen wurde, und vielfach wird es sich auch um wie man heute sagen würde um Opfer von friendly fire und "Kollateralschäden" gehandelt haben. Den Franctireurs-Mythos wird man durchaus als Propagandainstrument bezeichnen können, der als Entschuldigung für deutsche Greueltaten herhielt.

Aus der Bekanntmachung eines kommandierenden Generals:

Einwohner
wir führen Krieg gegen die feindliche Armee und nicht gegen die Einwohner. Trotzdem sind die deutschen Truppen häufig durch Personen angegriffen worden, die nicht zur Armee gehören. Es sind die scheußlichsten Grausamkeiten nicht nur an unseren Truppen, sondern auch an unseren Verwundeten und Ärzten verübt, die sich unter dem Schutz des Roten Kreuzes befanden. Um diese Gewalttaten zu verhindern befehle ich Folgendendes:
Alle Waffen, Pistolen, Gewehre, Brownings, Säbel, Dolche usw.sowie Explosivstoffe sind durch die Ortsvorsteher der Kommandatur zu übergeben. Wenn eine einzige Waffe irgendwo gefunden oder irgendeine Feindseligkeit gegen unsere Truppen, Transporte und Eisenbahnlinien begangen oder Franctireurs Obdach gewährt wird, so werden die Schuldigen und die festgenommenen Geiseln ohne Pardon niedergeschossen. Außerdem werden die Einwohner der betreffenden Ortschaften vertrieben, die Ortschaften und Städte selbst werden zerstört und niedergebrannt. Wenn dergleichen auf einer Straße zwischen zwei Ortschaften vorkommt, so wird in derselben Weise gegen die Einwohner der beiden Ortschaften vorgegangen. Ich erwarte, dass die Ortsvorstände wie auch die Bevölkerung durch geeignete Überwachung und besonnene Haltung über die Sicherheit unserer Truppen wie auch ihrer eigenen Sicherheit wacht. Geschieht das nicht, so treten die angekündigten Maßnahmen in Kraft. Der kommandierende General.

Die kleine belgische Armee leistete weitaus zäheren und effektiveren Widerstand, als die deutschen Militärs erwarteten, womit auch das Zeitfenster für den Schlieffenplan durcheinandergeriet. Die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung in Belgien sind auch unter dem Eindruck des Scheiterns des Feldzugsplanes im Westen zu sehen. Viele Militärs fürchteten, die Belgier könnten die Trinkwasservorräte vergiften, dafür wurden zahlreiche Weinkeller erbeutet. All diese Faktoren trugen zu Übergriffen gegen belgische Zivilbevölkerung bei. Spät erst versuchten deutsche Militärs ihren Ruf als Barbaren und Hunnen zu korrigieren-allerdings mit bescheidenem Erfolg.

Ähnliche, teilweise noch wildere Übergriffe und Exekutionen gegen Zivilisten verübten k.k Truppen in Serbien und im zurückeroberten Galizien. Allein bei der Armee des Erzherzogs Friedrich wurden 11.000 Galgen, nach anderen Quellen 36.000 errichtet. In seinem Bildband Krieg dem Kriege von 1924 veröffentlichte Ernst Friedrich Fotos von Exekutierten, darunter auch Frauen, neben denen österreichisch-ungarische Soldaten lachend posierten. Als "Soldatenscherz" hatte man den Opfern Hüte aufgesetzt oder einem aufgehängten Priester ein Kruzifix in die Hand gedrückt. Auch in Karl Kraus "Die letzten Tage der Menschheit" werden Kriegsverbrechen gegen Zivilisten mehrfach thematisiert.
 
Die kleine belgische Armee leistete weitaus zäheren und effektiveren Widerstand, als die deutschen Militärs erwarteten, womit auch das Zeitfenster für den Schlieffenplan durcheinander geriet. Die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung in Belgien sind auch unter dem Eindruck des Scheiterns des Feldzugsplanes im Westen zu sehen. Viele Militärs fürchteten, die Belgier könnten die Trinkwasservorräte vergiften, dafür wurden zahlreiche Weinkeller erbeutet. All diese Faktoren trugen zu Übergriffen gegen belgische Zivilbevölkerung bei. Spät erst versuchten deutsche Militärs ihren Ruf als Barbaren und Hunnen zu korrigieren-allerdings mit bescheidenem Erfolg.

Die Eskalation ist gut beschrieben und zeigt die Muster, wie Gewalt in Kriegen in einer Spirale aus Gewalt enden können. Ähnliche Formen der eskalierenden Gewalt finden sich im amerikanischen Bürgerkrieg und während des Burenkriegs. Soweit zu den verallgemeinerungsfähigen Gemeinsamkeiten.

Bei Hull findet sich im Gegensatz dazu die Argumentation, dass sich die Gewaltanwendung durch die Armee des DR - auch 1914 - systematisch erklären läßt und von der Kriegsführung der demokratischen Staaten abweicht. Sie nimmt dabei auch Bezug auf die Kriegsführung des DR in SWA.

Die Ursache für die militärimmanente Eskalation der Gewalt im DR sieht sie - verkürzt dargestellt - durch zwei Faktoren erklärt.

1. Die kaiserliche Kommandogewalt und die damit zusammenhängende relativ autonome Handlungsweisen ermöglicht dem Militär unkontrolliert durch zivile Behörden und durch die öffentliche Meinung zu agieren.

2. Eine zentrale Kategorie im militärischen Werte- und Normensystem ist die
"militärische Notwendigkeit". Sie wird, so Hull, im Sinne von: Der Zweck heiligt die Mittel" herangezogen, um die Handlungen des Militärs zu legitimieren. Auch in der Konsequenz, dass damit eine bewußte Verletzung von Rechtnormen des internationalen Rechts in Kauf genommen wird.

Dass die belgische Armee dem deutschen Druck nach einer wohlwollenden Neutralität nicht nachgekommen ist, erzwang förmlich eine harte Form der Durchsetzung der militärischen Ziele gegen die Armee und gegen die Zivilbevölkerung.

Zumal KW II im Vorfeld des WW1 den Monarchen von Belgien und von Dänemark deutlich signalisiert hatte, dass die Länder 24 Stunden Zeit hätten sie für oder gegen das DR zu entscheiden.

Hull, Isabel V. (2005): Absolute destruction. Military culture and the practices of war in imperial Germany. Ithaca, London: Cornell University Press.
Hull, Isabel V. (2014): A scrap of paper. Breaking and making international law during the Great War. Ithaca: Cornell University Press.
Hull, Isabell von (2008): "Military necessity” and the laws of war in Imperial Germany. In: Ian Shapiro, Stathis N. Kalyvas und Tarek E. Masoud (Hg.): Order, conflict, and violence. Cambridge, UK, New York: Cambridge University Press, S. 352–377.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Eskalation ist gut beschrieben und zeigt die Muster, wie Gewalt in Kriegen in einer Spirale aus Gewalt enden können. Ähnliche Formen der eskalierenden Gewalt finden sich im amerikanischen Bürgerkrieg und während des Burenkriegs. Soweit zu den verallgemeinerungsfähigen Gemeinsamkeiten.

Bei Hull findet sich im Gegensatz dazu die Argumentation, dass sich die Gewaltanwendung durch die Armee des DR - auch 1914 - systematisch erklären läßt und von der Kriegsführung der demokratischen Staaten abweicht. Sie nimmt dabei auch Bezug auf die Kriegsführung des DR in SWA.

Die Ursache für die militärimmanente Eskalation der Gewalt im DR sieht sie - verkürzt dargestellt - durch zwei Faktoren erklärt.

1. Die kaiserliche Kommandogewalt und die damit zusammenhängende relativ autonome Handlungsweisen ermöglicht dem Militär unkontrolliert durch zivile Behörden und durch die öffentliche Meinung zu agieren.

2. Eine zentrale Kategorie im militärischen Werte- und Normensystem ist die
"militärische Notwendigkeit". Sie wird, so Hull, im Sinne von: Der Zweck heiligt die Mittel" herangezogen, um die Handlungen des Militärs zu legitimieren. Auch in der Konsequenz, dass damit eine bewußte Verletzung von Rechtnormen des internationalen Rechts in Kauf genommen wird.

Dass die belgische Armee dem deutschen Druck nach einer wohlwollenden Neutralität nicht nachgekommen ist, erzwang förmlich eine harte Form der Durchsetzung der militärischen Ziele gegen die Armee und gegen die Zivilbevölkerung.

Zumal KW II im Vorfeld des WW1 den Monarchen von Belgien und von Dänemark deutlich signalisiert hatte, dass die Länder 24 Stunden Zeit hätten sie für oder gegen das DR zu entscheiden.

Hull, Isabel V. (2005): Absolute destruction. Military culture and the practices of war in imperial Germany. Ithaca, London: Cornell University Press.
Hull, Isabel V. (2014): A scrap of paper. Breaking and making international law during the Great War. Ithaca: Cornell University Press.
Hull, Isabell von (2008): "Military necessity” and the laws of war in Imperial Germany. In: Ian Shapiro, Stathis N. Kalyvas und Tarek E. Masoud (Hg.): Order, conflict, and violence. Cambridge, UK, New York: Cambridge University Press, S. 352–377.

Üblicherweise herrscht das Primat der Politik, was schon Clausewitz formulierte. Das aber wurde vom Deutschen Reich und seinen Entscheidungsträgern völlig militärisch-strategischen Überlegungen untergeordnet. Die Verletzung der belgischen Neutralität, die Preußen selbst 1830/31 garantiert hatte, musste zwangsläufig den Kriegseintritt GBs bewirken. Hätte Albert I. den deutschen Truppen das Durchmarschrecht erlaubt, hätte diese Entscheidung mit großer Sicherheit zur Auflösung der staatlichen Souveränität Belgiens geführt. Belgien wäre zu einem Satellitenstaat Deutschlands degradiert worden und hätte noch dazu auch noch mit Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der Entente rechnen müssen. Westflandern war vier Jahre lang Kriegsgebiet, und die Umgebung Yperns glich 1917/18 einer Mondkraterlandschaft.

Die Neutralität Belgiens wurde nicht nur nach dem dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel" verletzt, sondern es handelten die deutschen Militärs auch nach dem Grundsatz "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns". Belgien wurde zu 90 % besetzt und Westflandern war vier Jahre lang Kriegsgebiet und glich 1917 einer Mondkraterlandschaft.

Die mit großer Härte vollstreckten Todesurteile gegen angebliche Franctireurs und Freischärler und Vergeltungsmaßnahmen gegen Geiseln, darunter auch Frauen, Jugendliche und Alte waren nur die Spitze des Eisbergs, mochten sie auch am meisten die Weltöffentlichkeit erregen. Für zahlreiche Belgier waren die Kriegshandlungen mit Flucht, Vertreibung und der Vernichtung der Existenzgrundlage verbunden. Während der deutschen Besetzung wurden belgische Zivilisten zwangsweise als Arbeitskräfte für die deutsche Kriegsindustrie verschleppt, was ganz sicher nicht mehr mit der Haager Landkriegsordnung vereinbar war.

Die alliierte Kriegspropaganda und die Greuelmärchen von Kindern, denen deutsche Soldaten die Hände abhackten, oder gekreuzigten Kanadiern mögen in der Distanz von 100 Jahren schon fast absurd/grotesk wirken, im Kern aber basierten sie auf Fakten, und es wurde das Ansehen Deutschlands auch bei den Neutralen nachhaltig geschädigt, was die Beziehungen zu den Nachbarländern für Generationen belastete.
 
@scorpio+thane: Vielen Dank für eure interessanten Beiträge.

Zumal KW II im Vorfeld des WW1 den Monarchen von Belgien und von Dänemark deutlich signalisiert hatte, dass die Länder 24 Stunden Zeit hätten sie für oder gegen das DR zu entscheiden.

Dänemark? Entschuldige, da muss ich nachfragen. Dänemark war doch im 1.WK neutral und spielte vorher auch keine Rolle beim Schlieffenplan. Warum hätte Willizwo Druck auf Dänemark ausüben sollen?
Oder war das ein Verschreiber und Luxemburg war gemeint?
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist zu unterscheiden zwischen einem abstrahierenden Generalstab, der ausschließlich in militärischen Kategorien denkend auf dem Reißbrett einen Feldzugplan, "militärisch pragmatisch" ohne Beachtung von Neutralität und politischer Dimension entwarf (ohne eine politische Führung - wie von Scorpio dargestellt), ...

und Eskalationen aus einer dem Schema von 1871 entspringenden und folgenden Vorstellung von Volkskrieg, gemischt mit Franktireurphobien und für Massenheere typischen, unkontrollierten, spontanen und auf "unterer" Ebene ablaufenden Gewaltspiralen.

Hierzu maßgeblich:

Horne/Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914 - Die umstrittene Wahrheit:

"Das Verhalten der deutschen Soldaten gegenüber der feindlichen Zivilbevölkerung folgte im wesentlichen einem festen Muster. Dieses ergibt sich aus den größeren Zwischenfällen ... 84 von ihnen, das sind 65 Prozent, standen in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen. Ob die Deutschen nun überzeugt waren, daß Zivilisten sich an dem Gefecht beteiligt hatten, oder ob dies nur ein Vorwand war, um andere Motive (Wut über Rückschläge, Rache für hohe Verluste) zu kaschieren, das Schicksal der Zivilisten war mit den Kämpfen eng verknüpft. In 29 Fällen (22 Prozent) wurde der Zwischenfall durch eine »Panik« entweder ausgelöst oder verschärft, das heißt durch eine unkontrollierbare und hysterische Reaktion der deutschen Truppen, die von den Offizieren nur mit Mühe unter Kontrolle gebracht wurde. Panikreaktionen trugen zu einigen der schwersten Zwischenfälle bei (Warsage, Visé, Aarschot, Andenne, Löwen, Lunéville) und hingen in 19 von 29 Fällen nicht mit einem Gefecht zusammen...
Demnach drängt sich der Schluß auf, daß das eigentliche Phänomen in dem deutschen Glauben an einen Volkskrieg bestand, ein außerordentlicher Fall von kollektiver Autosuggestion, wie er in einem modernen Heer seinesgleichen suchen dürfte. Eine Million Männer wurden von einem Wahn erfaßt, der die Vorstellung eines Franktireurkriegs für die Wirklichkeit hielt. Die deutschen Greuel waren das symptomatische Resultat der mobilisierenden Macht dieser Wahnvorstellung..."
 
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Bei Hull findet sich im Gegensatz dazu die Argumentation, dass sich die Gewaltanwendung durch die Armee des DR - auch 1914 - systematisch erklären läßt und von der Kriegsführung der demokratischen Staaten abweicht. Sie nimmt dabei auch Bezug auf die Kriegsführung des DR in SWA.

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Das erklärt bestimmt auch die äusserst humane Vorgehensweise der demokratischen Armee der USA auf den Philippinen wenige Jahre zuvor.
 
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