Der Müller - Warum ein unehrlicher Beruf?

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Ich poste eine Vermutung (und bitte alle Müller um Entschuldigung).
War es vielleicht so, dass der Müller und seine Gesellen weniger mit dem Kopf, sondern vor allem mit Muskelkraft gearbeitet haben?
Die Arbeit des Müllers war sehr hart. Es wurde ja nicht nur Getreide in einen Trichter geschüttet - Die schweren Mühlsteine mussten häufig gewechselt (und geschliffen) werden (je nach Art des Steines).

In Krabat wird die Mühle mit Hexerei in Verbindung gebracht.
Der Mülller war abhängig von Wind oder Wasser. (Abgesehen die Mühlen, die von Mensch oder Tier in Bewegung gesetzt wurden.)
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Dazu ein paar lose Gedanken.
Der Müllerberuf war sicher körperlich anstrengend. Das gilt aber für alle produktiven Tätigkeiten dieser Zeit.
Ich hab mich gefragt wie hoch wohl die kW-Leistung einer alten Mühle war und nichts dazu gefunden. Es ist aber leicht möglich die theoretisch maximale Leistung eines Wasserstroms abzuschätzen.
Nehmen wir mal einen Wasserkanal von 1 Meter Breite und 1 Meter Höhe und einer Fließgeschwindigkei von 7 Meter pro Sekunde (Mopedgeschwindigkeit) dann beträgt die theoretisch maximale Leistung ca. 180 kW also ca. 200 PS. (Dabei kann ja dem Pferd nicht ständig ein PS abverlangt werden, da es ermüdet, zudem frisst es 10x soviel wie ein Mensch.)
Angenommen es wurden 5% umgesetzt, so hätte unsere Mühle immer noch 10 PS.
(Verdoppelt man die Fließgeschwindigkeit verachtfacht sich die Leistung, und verdoppelt man die Querschnittsfläche, so hat man eine Vervierfachung der Leistung.)

Ich würde vermuten, dass Mühlen insbesondere das waren, was wir heute als Kraftwerke bezeichnen.

(.. falls ich mich verrechnet habe, oder die Proportionalitäten falsch dargestellt, bitte ich um Korrektur)
Vielleicht findet auch ein Forist eine Quelle die Auskunft über die kW-Leistung alter Wassermühlen gibt.
 
Das bezweifle ich wiederum.

"Den Benutzer des Buches wird die außerordentlich große Anzahl der hier verzeichneten Goldschmiede in Köln überraschen, die erhaltenen Zunftlisten beginnen mit dem Jahre 1395. Es läßt sich aber feststellen, daß bei dieser außergewöhnlich privilegierten Zunft (die Meister nannten sich zeitweilig den Lehrjungen gegenüber Lehrprinzen), die Amtsbrüder das Recht hatten, ihre Söhne bald nach der Geburt in die Zunftliste einzutragen."

Wolfgang Scheffler: Goldschmiede Nordrhein-Westfalens

Das ist auch zu bezweifeln. Das Goldschmiedehandwerk hatte ein hohes Prestige. Elisabeth Fugger Gfattermann, die Gattin von Hans Fugger, der aus Graben am Lech nach Augsburg einwanderte, und Wohlstand erwarb, ließ ihre beiden Söhne Andreas und Jakob den Alten das Goldschmiedehandwerk. Die Weberei und den Tuchhandel konnte sie ihnen selbst beibringen.
 
In Berlin war der Mühlendamm nicht weit außerhalb der Stadt, sondern der Hauptverkehrsweg zwischen Berlin und Cölln, auch im interregionalen Rahmen. Bis zu sechs Mühlen soll es dort nebeneinander gegeben haben, die seit dem 15. Jh. im Besitz des Kurfürsten waren.
Dort kann also das Bild des weitab von der Siedlung heimlichtuerischen Müllers nicht sehr wirkmächtig gewesen sein.
 
In den meisten Städten gab es Mühlen. Oft sogar in die Verteidigungsanlagen integriert. Korn lässt sich leichter lagern als Mehl. Und bei einer Belagerung braucht man daher Mühlen. Ein berühmtes Beispiel ist Köln. Die Mühlen in Städten waren manchmal naheliegende Burgmannslehen.

Auch auf dem Land mussten Mühlen gut erreichbar sein.
 
Es leuchtet mir nicht so ganz ein, warum altgermanisches Stammesrecht bei der eher mittelalterlichen "Ehrlosigkeit der Müller" eine Rolle spielt. Ich weiß nicht, inwiefern es vor dem Mittelalter hierzulande nennenswert hauptberufliche Müller gab. Wurde vorher nicht eher "privat" gemahlen?
Gerade mit dem mittelalterlichen Feudalismus tritt doch eine "Professionalisierung" des Kriegswesens ein. Der laienhafte Heerbann tritt in den Hintergrund zugunsten von Berufskriegern/Rittern. Daher kann ich dieses Argument im Weltartikel nicht so ganz nachvollziehen.
Das dachte ich auch, zumal andere unehrliche Berufe durchaus als Waffenträger auftraten, z.B. Büttel.

Mir scheint ein Zusammenhang mit der (genannten) quasiobrigkeitlichen Funktion des Müllers naheliegender. Der betrügerische Müller begegnet uns in einer zunehmend bürgerlich geprägten Gesellschaft, die es als Tugend ansah, für das eigene Recht eigenhändig einzustehen und durch selbständige Arbeit auf gottgefällige Weise zu Wohlstand zu gelangen (vgl. Spr 12,24). Sie blickte herab auf all jene, die sich der Obrigkeit zur Durchsetzung einer Herrschaft andienten, die entgegen diesem Leitbild Zwang ausübte und Abgaben eintrieb.

Das soll nicht heißen, dass die zitierte These falsch ist, ich würde aber eher auf eine diffuse Antipathie abstellen, die durch (wandelbare) Vorurteile bestätigt schien. In diesem Zusammenhang kommt mir eine Studie über die soziale Situation der Traveller in den Sinn, für die die schottische Regierung vor drei, vier Jahren einige Kritik einstecken musste; die Autoren meinten, dass manche der Tierschutzkampagnen gegen Zirkusse antiziganistische Ressentiments bedienen würden. "Gründe" finden sich also leicht.

Es könnte sich lohnen, die Entwicklung der Reputation des Berufs mit dem Auftauchen von Motiven wie dem des betrügerischen Müllers gegenüberzustellen. Wenn Chaucer etwa den schmierigen Müller Robin (man vergleiche das phonetisch ähnliche rob 'em) auftreten lässt, heißt das nicht zwangsläufig, dass er ein sozusagen allgemeingültiges Klischee präsentiert, das jeder Leser teilte. Vielleicht präsentiert er eine Figur, die sich den Lesern erschloss, weil sie eine bereits bestehende schlechte Meinung bestätigte?

Und natürlich kann es sein, dass der wahre Grund niemanden interessierte, in Vergessenheit geraten war. Vorurteile haben (leider) auch eine soziale Funktion. Sie tragen zur Selbstversicherung bei, nehmen den Wettbewerbsdruck, schmeicheln der Eifersucht. Es ist ein Vorteil für mich, wenn das Mädchen, das mich heiraten soll und einen anderen anhimmelt, für ihn nicht infrage kommt, weil er ein Müllersohn ist, oder wenn ich mich über den Wohlstand des Müllers damit hinwegtrösten kann, dass er im hiesigen Dorfkrug nicht mal bedient wird. Insofern bestand schon immer ein Anreiz, Vorurteile zu übernehmen.

Schließlich und zuletzt: Die ständische Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit wurde als gottgegeben betrachtet. Vorurteile, die diese Ordnung verstetigten, waren dadurch sehr langlebig.
 
Müller bekamen einen Teil des Mehls. Das galt vielen als Zins und sündig. So ward uns einst in der Schule erzählt.
 
Ich halte diese Deutung nicht für intuitiv. Ganz abgesehen davon, dass das Verleihen von Geld gegen Zinsen in der Bibel recht unzweideutig definiert und auf ebendieser Grundlage verurteilt wird, stieß die Praxis vor allem deshalb auf Ablehnung, weil in der öffentlichen Wahrnehmung keine Arbeit damit verbunden war, die zur Forderung eines Entgelts berechtigt hätte (nicht umsonst sprechen wir noch heute im Zusammenhang mit Erträgen aus Zinsen davon, das Geld für uns arbeiten zu lassen). Der Müller leistete aber eine Arbeit, sogar eine handwerkliche Tätigkeit, und ich glaube nicht, dass man ihm das prinzipielle Recht auf ein Entgelt absprach. Die Art und Weise, wie dieses Entgelt bemessen wurde, war auch nicht ungewöhnlich.
 
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