Datierung der Evangelien

Die ist nicht untergegangen.

Wen meinst Du, ich habe auf vieles verwiesen: Baum S. 270?

Es handelt sich nicht nach Papias um die authentischen Worte, sondern nach einer älteren Interpretation der Papias-Worte aus dem 19. Jahrhunderts. Daneben gibt es andere Interpretationen und erhebliche Dispute über die Auslegung von Papias, was in einer Diskussion redlicherweise erwähnt werden sollte.
http://www.armin-baum.de/wp-content/...t-Abstract.pdf

Ich würde jetzt gern die einzelnen Thesen in dem von Dir eingebrachten Paper besprechen, besonders die zitierte. Welches Wort verstehst Du nicht?
 
Nebenbei habe ich Deine Literaturstelle noch einmal durchgearbeitet und wüsste gern Deine Stellungnahme zu Seite 260, 1. Absatz. Hier wird eindrucksvoll meine Ansicht bestätigt.
Wen meinst Du, ich habe auf vieles verwiesen: Baum S. 270?
Ich würde jetzt gern die einzelnen Thesen in dem von Dir eingebrachten Paper besprechen, besonders die zitierte. Welches Wort verstehst Du nicht?

Es ging nicht um ein Wort, sondern um die Seitenzahl und das angesprochene Zitat. Unklar war, welche Literatur hier überhaupt angesprochen wird, und welche Seitenzahl.

Mutmaßlich geht es also um Baum, allerdings S. 270 (260 betrifft einen anderen Aufsatz). Wer das nachlesen möchte, hier:
http://www.armin-baum.de/wp-content...im-kleinasiatischen-Gottesdienst-Abstract.pdf

Zusammenfassung (im von JP angesprochenen "ersten Absatz" wird überhaupt keine Aussage getroffen, die "eindrucksvoll bestätigt" würde - oder jemand mag mir auf die Sprünge helfen, wenn ich Tomaten auf den Augen habe) zur JP-Aussage, ...
Judas Phatre schrieb:
Nach Papias handelt es sich um die authentischen Worte des Jesus von Nazareth auf Hebräisch/Aramäisch
dagegen Baum: ...
"Die schwierige historische Frage nach der Existenz eines aramäischen Urmatthäus [ist] durch die Neuinterpretation der papianischen Matthäusnotiz nicht beseitigt worden ... Ob ... die Mitteilung des Papias ... als glaubwürdig gelten kann ... , ist jedoch nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung."

Es mag jeder werten, ob man daraus (aus Baum!) die "eindrucksvolle Bestätigung" (JP) ziehen kann, Papias "zitiere den authentischen Matthäus".

Nebenbei zur Erläuterung des Hintergrundes, warum Radikalkritiker und Autoren wie JP (biblischer Kanon als Teil der Verschwörungsgeschichte gegen die angeblich rein gnostischen Worte des außerkanonischen Thomas-Evangeliums): diese Frage und der Rückgriff auf Papias wurde als ein Argument benutzt, um die groß angelegte Quellen-Fälschung der frühkirchlichen Geschichte angeblich zu beweisen. Das erklärt, warum sich gerne daran hochgezogen wird.

Nachdem Baum (der beispielhaft genannt wurde, um die Entstehung der Diskussion aufzuzeigen) abgearbeitet ist, allerdings sich zur Frage des historischen Urmatthäus - abgeleitet aus dem Papias-Zitat über einen aramäischen Matthäus - überhaupt nicht äußert, folgt im zweiten Teil der Forschungsstand zur Papias-Frage.

Zumindest am Rande ist diese Frage ja bei der Datierungsdiskussion der Evangelien interessant, weil die Entstehungsgeschichte betreffend (soweit heute im Forschungskonsens nachvollziehbar - theologische (Auslegungs-)Fragen interessieren hier im Geschichtsforum nicht)
 
Zuletzt bearbeitet:
MacDonald hat in seiner Hypothese zum Verständnis der Papias-Quelle die bestehenden Theorien aufgearbeitet (2008).

Völlig unabhängig davon, ob seine hypothetische Lösung zutrifft, arbeitet er komplett die bestehenden Vorschläge und Dispute in der Forschung zu dem Thema auf.

Der Einfachheit halber zum Verständnis, Einstieg und zum groben Überblick:
Q+/Papias Hypothesis - Wikipedia, the free encyclopedia

In der Anlage sind einige Vorschläge zur systematischen Einordnung nach den Textanalysen und dem Forschungskonsens über die Datierungen enthalten.

Bild 1 die Systematisierungsvorschläge nach der Two-Documents-Hypothesis (2DH), der modifizierten Two-Document-Hypothesus (M2DG) und die Farrer Hypothesis (FH).
Bild 2 enthält die Q+/Papias-Hypothese von MacDonald, Bild 3 dazu den Kriterienkatalog.

MacDonalds Schlussfolgerungen zu 2DH und M2DH:

"Advocates of the 2DH and the M2DH reconstruct Q by sifting synopses for evidence of Matthew-Luke parallels and by sorting out potential Markan influence. In cases where Matthew and Luke differ, “the version which appears to be less likely the product of redaction is more likely to be the wording of Q. The results of reconstruction can only be stated as probabilities—more and less likely—never as absolutes, and there are instances where both versions betray the editorial interest of the evangelists and hence, the original wording of Q may be irrecoverable."

Die Kernfrage der Kenntnisse in Bezug auf Q:

"On one issue most contemporary Gospel scholars seem to agree: if Luke knew Matthew, one should abort the quest for Q. For this reason, 2DH and M2DH proponents dogmatically defend Luke’s ignorance of Matthew against the arguments of Goulder and others. But a few scholars from an earlier generation argued that Luke probably knew, in addition to Mark, both Q and Matthew. According to R. T. Simpson, “the fact that St Luke may have read Matthew does not exclude the possibility of his having access to other traditions” such as Q. “[T]he study of the major agreements of Matthew and Luke against Mark greatly strengthens the probability that Matthew was one of the sources employed by St Luke in the composition of his Gospel.” Similarly, Wilhelm Wilkens argued that Luke redacted Mark as one of his literary Grundlagen (“foundations”) and “merely supplemented” Mark with material from Matthew. “Luke reproduced Marcan content and at the same time had Matthew’s version [ringing] in his ear.” Although Luke’s use of Matthew thus does not eliminate his reliance on Q, “the Q-problem turns out to be more complicated than is generally recognized.” How might one reconstruct Q if Luke knew Matthew?"

Die Vorgehensweise zur Q+/Papias-Hypothese:

"The following chapter compares Mark and Matthew and scrupulously avoids Luke-Acts to show that both authors knew and redacted the same lost Gospel. In other words, one does not need Luke to establish the existence of Q! Chapter 5 is the heart of the reconstruction insofar as it integrates logia in Luke-Acts and attempts to reconstruct the order and even the wording of the lost Gospel. At the end of chapter 5 one will find a synopsis of the reconstructed Greek text with its parallels in the Gospels of Mark, Matthew, and Luke. In order fully to understand the arguments for the textual reconstruction, one must consult this synopsis. Chapters 6–10 explore related topics, such as the literary characteristics of the reconstruction (ch. 6), Logoi as Papias’s second putative translation of Matthew (ch. 7), the lost Gospel as a source for the Gospel of Mark (ch. 8), the extraordinary importance of this reconstruction for understanding the historical Jesus (ch. 9), and the reasons why Logoi and Papias’s Exposition shipwrecked (ch. 10)."

Insoweit wird zumindest die textliche Analyse verständlich, die hier voluminös erforderlich ist,wobei in dem Kontext der hier aufgeworfenen Fragestellung (Kontext und Verständnis des Matthäus-Hinweises von Papias) die Kapitel 7 und 8 interessant sind (und in dem von Baum angesprochenen Sinn über das Ziel seiner oben verlinkten 3-Seiten-Arbeit hinausgehen).

Ohne diesen Kontext zu kennen, läuft eine Papias-Deutung auf Glaskugel-Unsinn hinaus, hat jedenfalls mit seriöser Quellenforschung und Textanalyse nichts mehr zu tun. Im Übrigen sprengt es den Rahmen eines Forums, diesen Disput in Breite und vollständig darstellen. wer sich dafür interessiert, muss den Disput lesen, somit auch diesen Teil:
MacDonald, Dennis Ronald: Two shipwrecked gospels : the logoi of Jesus and Papias’s exposition of logia about the Lord, 2008.

Das ist insoweit meine Antwort auf die simple Anfrage "nach dem Paper".
 

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Hallo zusammen.

Die Datierung der synoptischen Evangelien auf die Jahrzehnte unmittelbar nach der Eroberung Jerusalems (Mk 70, Mt und Lk 80-90, Joh 100) - ist sie historisch plausibel oder nur ein Effekt der Hörigkeit der meisten Neutestamentler gegenüber der kirchlichen Tradition?

Was spricht dagegen, hypothetisch von einer Entstehung dieser Texte im 2. Jahrhundert auszugehen, und zwar im relativ späten 2. Jahrhundert, also irgendwann zwischen Justin (um 150) und Irenäus (um 180)?


Wenn ich mir die Entwicklung im 3. und 4. Jahrhundert ansehe, dann ist das späte 2. Jahrhundert sicher nicht zu spät. Und wenn ich den Hinweis von Hulda #96 recht bedenke, so muß ich feststellen, daß dieser Jude Jesus aus Galiläa - der sich als Messias ausgab - und der spätere Jesus Christus des Paulus nichts miteinander zu tun haben. Messias und Christus mögen eine Wortentsprechung sein, haben aber jeweils eine vollkommen andere Bedeutung. Diese rein jüdische Geschichte des Jesus, Kämpfer gegen die römische Besatzung und ihre Quislinge im Tempel, selbsternannter Messias aus dem Stamme David wird von den Römern gekreuzigt. Aber nicht einer seiner zwölf Jünger mit denen wir doch schon so vertraut sind tritt seine Nachfolge an, sondern wie es für Juden ganz selbstverständlich ist, ist es einer aus der Familie. Sein Bruder Jakob. Und als der getötet wird ist es folgerichtig ein weiterer Bruder Simeon.

Weitab entwickelt sich, wie auch immer, aus diesem Jesus eine Fiktion und Glaubensfigur mit einer jenseitigen Orientierung. Dem halachischen Jesus sagt sein Gott: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“. Ein Christus wird notwendig zur Erlösung, denn „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten“.

Der paulinische Christus kann gut und gern in der Zeit des Markion (85-160) entwickelt worden sein. Für Marcion war das Evangelium etwas vollständig Neues, das in keinerlei Beziehung zur jüdischen Bibel stand. Die Schöpfung war für Marcion allzusehr mit Mängeln behaftet, als dass sie vom liebenden Vater Jesu Christi hätte stammen können. Tertullian (150-220) kann da richtig ironisch werden: "O Christus, allergeduldigster Herr, der Du so viele Jahre lang die Unterschlagung Deines Evangeliums erduldet hast, bis Marcion Dir zu Hilfe kam!“ und weiter: „Unverschämter, Heuchler, Fälscher, Giftspeier, Verrückter, Strauchdieb, Antichrist usw.“ Der Anfang von Tertullians fünfteiliger Streitschrift ist bereits äußerst gehässig, wenn er das barbarische Pontus, aus dem der Ketzer stammt, skizziert. „Nichts ist freilich barbarischer und kläglicher, als dass Marcion hier geboren wurde, abscheulicher ... wankelmütiger ... unmenschlicher, aggressiver als eine Amazone, dunkler als eine Wolke, kälter als der Winter, zerbechlicher als Eis, schroffer als der Kaukasus, lästiger als die barbarischen Tiere, die dort leben, ist Marcion. Gibt es einen Biber so verschnitten wie diesen Mann, der die Ehe abschaffte? Welche pontische Maus ist so gefräßig wie er, der an den Evangelien nagte? Wahrhaftig Pontus Euxinus! Du hast ein Ungeheuer von dir gegeben, das eher von Philosophen als von Christen akzeptiert werden kann.“

Ende des 3. und bis ins 4. Jahrhundert war noch lange nicht geklärt wo die „Reise“ des Christentums hingehen sollte. Ende des 3. Jahrhunderts betrug die „christliche“ Anhängerschaft etwa 3% der Bevölkerung im römischen Imperium. Ob Konstantin ab 312 diese Überzeugungen einer Minorität zur Staatsreligion erhoben hat ist doch mehr als fraglich. Sicher war es noch nicht katholisch. Erst 337 ließ er sich als Arianer auf dem Totenbett taufen nachdem er all die Jahre sein Vertrauen immer auch noch auf Sol invictus setzte. 314 beim Konzil von Arles waren 33 Bischöfe anwesend. 325 in Nicäa waren es 300 obwohl Konstantin 1800 Bischöfe auf eigene Kosten eingeladen haben soll. Kaum zu glauben, daß der „fromme“ Konstantin dort dieses komplizierte Glaubensbekenntnis durchgesetzt haben soll. Bei beiden Konzilien war kein Bischof aus Rom anwesend.

La conversion de Constantin et la christianisation de l'Empire romain

Hier ist die Rede von: Kleinasien = 98-102 Bischöfe, Syrien-Palestina = 75 B., Ägypten = 70-100 B., Nordafrika = 200-250 B., Italien = 25 B., Frankreich 0 30 B., Spanien = 20 B., England = 6 B.
 
Ob Konstantin ab 312 diese Überzeugungen einer Minorität zur Staatsreligion erhoben hat ist doch mehr als fraglich.


Das behauptet ja auch niemand ernsthaft. Konstantin hat übrigens durch das Edikt von Mailand 313 n.Chr. das Christentum nur legalisiert.

Erst Theodosius I. erklärte das nicänische Bekenntnis 380 n. Chr. für verbindlich.
 
Das behauptet ja auch niemand ernsthaft. Konstantin hat übrigens durch das Edikt von Mailand 313 n.Chr. das Christentum nur legalisiert.

Erst Theodosius I. erklärte das nicänische Bekenntnis 380 n. Chr. für verbindlich.

Die machtgesteuerte „Toleranz“ Konstantins führte nur zu noch mehr Zank und Streit um eine komplizierte christliche Religion. Theodosius I., ein spanischer Heerführer, erklärte dann als verbindlich. Allerdings unter Androhung drakonischer Strafen bei Nichtbefolgung. Den Inhalt des Glaubensbekenntnisses das er da vorschrieb, werden die wenigsten seiner Untertanen überhaupt verstanden haben. Er selber wohl auch nicht. Es bedurfte zur Durchsetzung 23 Edikte gegen christlich-häretische Konfessionen, 13 gegen Heiden und 6 gegen die Juden.

Der Streit ging sicher trotzdem weiter, denn erst 150 Jahre später gelang Justitian I. der endgültige Durchbruch zur Staatskirche. "Die Kindstaufe wurde zwangseingeführt, die Nichtbeachtung mit dem Verlust von Eigentum und Bürgerrecht bestraft, das Festhalten am „hellenischen“ Glauben bzw. die Apostasie nach der Taufe mit der Todesstrafe. Dies war ein entscheidender Schritt, da nun praktisch jeder Reichsbewohner bereits als Kind getauft wurde und ein Abfall vom Christentum als grundsätzlich todeswürdiges Verbrechen galt“ (Wiki).
Jetzt war endgültig der Weg frei in ein jahrhundertelanges dumpfes Mittelalter mit aller Zeit der Welt zur „Nachbesserung“ von Paulusbriefen, Evangelien und anderen Schriften.
 
Jetzt war endgültig der Weg frei in ein jahrhundertelanges dumpfes Mittelalter mit aller Zeit der Welt zur „Nachbesserung“ von Paulusbriefen, Evangelien und anderen Schriften.
Zum Einen halte ich es mit buschhons und sehe das Mittelalter ebenfalls mit ausschließlich "dumpf" als einseitig und ungenügend charakterisiert.
Zum Anderen empfinde ich Deine dargelegten Gedanken als Anstoß zur weiteren Diskussion in diesem teilweise etwas unseligen Thread als bereichernd, komme aber mit dem Schluss nicht so ganz zurecht:
Wo finden wir Belege dafür, dass die Etablierung des christlichen Glaubens als Staatskirche zur "Nachbesserung" der Evangelien (im Sinne der Machthaber) geführt und/oder überhaupt etwas mit der Datierung dieser Schriften zu tun habe? Aus theologischen (und machtpolitischen) Disputen/Erwägungen entstandene Glaubensbekenntnisse sollten davon getrennt bleiben. Sie führen uns mE nicht zu den ursprünglichen, zwangsläufig aus dem Judentum erwachsenen Worte Jesu. Deshalb nochmals mein Ansatz: Wir sollten versuchen, der Datierung über die Person Jesu in dem damaligen Kontext auf die Spur zu kommen anhand historisch belegbarer Fakten. Schauen, was kann diesem Kontext entsprungen sein, was ist möglicherweise schon Interpretation im Sinne einer Heilsgeschichte etc. Was davon können wir zur zeitlichen Einordnung sinnvoll nutzen etc. Vielleicht gibt durch Zufall die geschichtsträchtige Erde des nahen Ostens noch ein unentdecktes Dokument frei, das Klarheit in den diffusen Nebel bringt.
Ansonsten bleibt uns nur, die Spekulatiusmenge möglichst gering zu halten.
 
so muß ich feststellen, daß dieser Jude Jesus aus Galiläa - der sich als Messias ausgab - und der spätere Jesus Christus des Paulus nichts miteinander zu tun haben. (...) Diese rein jüdische Geschichte des Jesus, Kämpfer gegen die römische Besatzung und ihre Quislinge im Tempel, selbsternannter Messias aus dem Stamme David wird von den Römern gekreuzigt. Aber nicht einer seiner zwölf Jünger mit denen wir doch schon so vertraut sind tritt seine Nachfolge an, sondern wie es für Juden ganz selbstverständlich ist, ist es einer aus der Familie. Sein Bruder Jakob. Und als der getötet wird ist es folgerichtig ein weiterer Bruder Simeon.

Weitab entwickelt sich, wie auch immer, aus diesem Jesus eine Fiktion und Glaubensfigur mit einer jenseitigen Orientierung.

Der paulinische Christus kann gut und gern in der Zeit des Markion (85-160) entwickelt worden sein.

Ende des 3. und bis ins 4. Jahrhundert war noch lange nicht geklärt wo die „Reise“ des Christentums hingehen sollte.
(dass die Brüder Jakob und Simeon als selbsternannte Messiasse in Jesu´ Fußstapfen getreten seien, ihnen ergo auch die elf Restjünger (Judas konnte mortuis causae nicht mehr mitmachen) folgten, sodass also in Folge drei (selbsternannte) Messiasse (!) heilsbringend unterwegs gewesen seien: das war mir neu)

Aber lassen wir den eingeklammerten Spaß beiseite:
-- eine sozusagen totale Neuerfindung eines nunmehr fiktiven "Messias", angelehnt an einen lokalen (provinziellen) Aufrührer, von dem kaum mehr als Name überliefert ist, und diese Fiktion wird im meinetwegen 2. oder 3. Jh. mit großer Akribie für religiöse Komplexität konstruiert: cui bono? Wer tut das und was hat er für einen Nutzen davon? (das wirkt absurd)
-- redaktionelle Änderungen peu a peu in den "heiligen Schriften": sowas ist doch heute Gang und Gäbe, man nennt es Imagepflege, Modernisierung, Marketing.
 
... so muß ich feststellen, daß dieser Jude Jesus aus Galiläa - der sich als Messias ausgab - und der spätere Jesus Christus des Paulus nichts miteinander zu tun haben. Messias und Christus mögen eine Wortentsprechung sein, haben aber jeweils eine vollkommen andere Bedeutung.
Ob Jehoschua, der Maschiach, und Jesus, der Christus, nichts miteinander zu tun haben, sei dahingestellt.

Der Gesalbte (Messias, Christus) hat allerdings in seinem jeweiligen Sinnzusamenhang eine andere und damit weitreichende Bedeutung. Ist der Messias ausschließlich auf Menschen bezogen, so wird der Begriff über die Dreifaltigkeit auf Gott, den Erlöser, übertragen. Dazu wird Bezug genommen auf alttestamentarische Weissagungen.
Ein jüdischer Messias kommt aber immer ausschließlich in Menschengestalt daher. Für die Erlösung muss der Mensch - etwas salopp gesprochen - schon mit einem gottgefälligen halachischen Leben eigenverantwortlich sorgen. Am Jom Kippur erfährt er Versöhnung für Verfehlungen.
Anders im Christentum: Dort bekommt der Erlöser-Messias durch den Opfertod und die Auferstehung einen anderen Inhalt. Die daraus erwachsende und erwachsene Theologie wird über die Dreieinigkeit kompliziert und lässt vielfältige Deutungsmöglichkeiten und Widersprüche zu. Das ist wohl einer der Gründe für die Entwicklung der zunehmenden Festschreibung von gültigen Glaubensinhalten in Konzilien und einer späteren Dogmenlehre. Eine Staatsreligion kann nur dann staatsfestigend sein, wenn sie sich nicht in Widersprüchen verstrickt. Da bedingt das eine das andere. Und bei dem Ganzen darf nicht vergessen werden: Die erhoffte baldige Wiederkehr des Erlösers lag noch nicht lange zurück. Man war davon ausgegangen, dass ein neues, gutes, heiles und friedliches Weltreich durch die Wiederkehr entstehen werde. Das Christentum als verordnete Staatsreligion hatte auch die Aufgabe an der Heilsgeschichte mitzuwirken. Wir befinden uns weit, weit vor der Aufklärung, das darf nicht aus dem Auge verloren werden. Welche schrecklichen Ereignisse sich daraus im Verlauf der Geschichte entwickelten, soll hier nicht besprochen werden, sie sind ja hinlänglich bekannt.
Das Christentum jedoch als reinen menschlichen Machtfaktor zu sehen, träfe es auch nicht so ganz.
 
Wo finden wir Belege dafür, dass die Etablierung des christlichen Glaubens als Staatskirche zur "Nachbesserung" der Evangelien (im Sinne der Machthaber) geführt und/oder überhaupt etwas mit der Datierung dieser Schriften zu tun habe?

Die Person des Paulus und sein ihm erschienener Christus führen in ein ganz anderes Glaubensuniversum. Alle Evangelien haben nur das eine Ziel, eine Verbindung dieses Christus zu einem Jesus herzustellen der sich als Messias ausgegeben haben soll. Dazu ist jede Lüge, Verdrehung, groteske Falschdarstellung des Pharisäertums und vor allem Schuldzuweisung an die Juden am Tod dieses Christus recht. Die Evangelien sind keine ursprünglich jüdischen Schriften. Sie stammen aus dem griechisch-römischen Bereich.

Deshalb nochmals mein Ansatz: Wir sollten versuchen, der Datierung über die Person Jesu in dem damaligen Kontext auf die Spur zu kommen anhand historisch belegbarer Fakten.

Historisch ist von Jesus selber so gut wie nichts bekannt. Von seinem Bruder Jakobus weiß man mehr. Robert Eisenman schildert Jakobus, den Leiter der Jerusalemer Gemeinde, als einen Gerechten, einen Zaddik. Von ihm erzählt man, dass er ein großer Beter war, der oft stundenlang auf den Knien lag und für sein Volk betete. Er soll dadurch dicke Schwielen auf den Knien bekommen haben, wie ein Kamel. Im Thomasevangelium wird er von Jesus eingesetzt: „Wohin ihr Euch auch begebt (vermutlich nach Jerusalem), geht zu Jakobus, dem Gerechten, um dessentwillen Himmel und Erde geworden sind“.
Eisenmann hat in seinem Buch „Jakobus der Bruder von Jesus“ eine Unmenge Material zusammen getragen und kommt mit einem letzten Satz zu dem Schluß: „Wer oder was Jakobus auch immer war, der und das war auch Jesus“.[/quote]
 
"Paulus" (wer und wann auch immer) schreibt in 1 Kor 10:

16 Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn ein Brot ist's, so sind wir viele ein Leib, dieweil wir alle eines Brotes teilhaftig sind.


Das ist antiker Mysterienglaube par excellence, nicht anders als die das Eucharistieritual begründende Abendmahlszene, die als Teil eines ursprünglich szenisch aufgeführten Erlöserdramas eines Mysterienkultes interpretiert werden kann, das sich um die Passion eines Erlösergottes dreht.

Dass das Christentum ursprünglich ein Kult um eine typisch antike Erlösergottheit war, ist in der Religionswissenschaft eine vieldiskutierte Theorie, die gute Argumente für sich hat. Die Motive der Eucharistie, der Gottessohnschaft, des Erlösers und der Taufe waren traditionelle Elemente antiker Kulte schon vor dem Christentum. Die Art, wie JC in der Szene seine Jünger in das eucharistische Ritual einweiht, hat Parallelen in traditionellen Mysterienkulten, wo die Explikation des rituellen Aktes durch die jeweilige Gottheit geschieht.

Der Identifizierung des Brotes mit dem "Leib Christi" entsprechen z.B. das Ritual in den Eleusinischen Mysterien, bei dem der Gott Dionysos in Form von Brot (= mit Dionysos identifizierte Frucht seiner Mutter Demeter) und Wein (= aus dem ursprünglichen Dionyoskult) oder ein noch stärkerer Rauschtrank von den Gläubigen verzehrt wird, die dadurch an seiner göttlichen Transformation teilhaben, und das Ritual im Attis-Kult, bei dem der Gott in Form von Brot verzehrt wird, ebenfalls mit dem Zweck der Partizipation am Göttlichen. Ebenso intendiert der Verzehr von Brot und Wein in den Riten des Mithraskultes eine Teilhabe an der göttlichen Kraft des Mithras, genauer: die Erlangung der Weisheit für das irdische Leben und der Unsterblichkeit für das jenseitige Leben. In genau diesem Sinn bezeichnet Ignatius von Antiochien die christliche Eucharistie als pharmakon athanasias, als Medizin für die Unsterblichkeit. (Wobei die Echtheit und frühe Datierung der Ignatiusbriefe keineswegs unumstritten ist).

Der theologische Ausdruck für diese Dynamik ist - bezogen auf die christliche Idee der Eucharistie - ´Transsubstantation´. Psychologisch gesehen ist das eine Spielart des magischen Denkens: Materielles und Metaphysisches wird miteinander identifiziert oder zumindest stark assoziiert. So galten die altorientalischen Götterbildnisse des Polytheismus den Gläubigen nicht nur als Abbildung der Götter, sondern als deren Realmanifestation, d.h. die Götter waren in ihren Bildnissen unmittelbar anwesend.

Eine Theorie über den Ursprung des Christentums bedarf keineswegs zwingend der Prämisse eines historischen, menschlichen Jesus. Diese Gestalt kann auch sehr gut ursprünglich als Mysteriengott konzipiert worden sein, dem nach und nach menschliche und (pseudo)historische Merkmale zugeordnet wurden bis zu einem Punkt, an dem die Gläubigen nicht mehr zwischen Realität und Mythos zu unterscheiden wussten.

In jener extrem wundergläubigen und abergläubischen Zeit exisierte nicht, wie heute, ein strenges Kriterium der Realität, vielmehr verschmolzen Phantasien und Wirklichkeitsdenken oft zu einer unauflösbaren Einheit. Wenn selbst gestandene römische Feldherren ihre Entscheidungen vom Flug der Vögel abhängig machten und für den hochabergläubischen Kaiser Augustus ein Tag unter schlechten Vorzeichen stand, wenn er am Morgen mit dem rechten Fuß versehentlich in den linken Schuh schlüpfte, dann kann man von einfachen Gläubigen in der Provinz nicht erwarten, dass sie Mythen über einen gekreuzigten Messias und Mysteriengott in Personalunion kritisch hinterfragen, schon gar nicht, wenn diese Mythen geschickt mit historischen Details garniert sind (ähnlich wie im Falle des mythischen Moses, der sogar heute noch vielen Juden als historische Gestalt gilt).

Im Unterschied zum gnostischen Jesus, der ein himmlischer, unfleischlicher ist, wurde der katholische Christus als fleischlicher Christus mit himmlischer Essenz verstanden. Die Logik dabei ist nicht: Jesus ist wirklich, weil er ein Mensch im Fleische war - sondern: Jesus ist wirklich, weil er ein Himmelswesen ist. Seine vermeintlich unbezweifelbare himmlische Qualität war für diese Gläubigen, sobald die irdische Realität erst einmal behauptet war, ein Beweis für diese. Die Logik der Ur-Katholiken (nicht der Ur-Christen, wohlgemerkt, die ich für Mysteriengläubige halte) war daher: Jesus ist Gottes Sohn, also ist alles wahr, was in den Berichten steht.

Ich zitiere als ein anderes Beispiel für solch zirkuläre Logik einen alten jüdischen Witz (sinngemäß):

A: X sagt, dass er mit Jahwe gesprochen hat.

B: Ist dies wahr oder lügt er?

A: Natürlich ist dies wahr. Würde Jahwe denn mit einem Lügner sprechen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Christentum jedoch als reinen menschlichen Machtfaktor zu sehen, träfe es auch nicht so ganz.

Das ist ja das merkwürdige an der menschlichen Fähigkeit glauben zu können. Und das in einer Weise, die den ganzen Menschen verändern kann. Auf historische oder vernünftige Wahrheiten kommt es da nicht mehr an.

Das habe ich bei David Sloan Wilson, Professor für Biologie und Anthropologie der Binghamton University New York gefunden:
“Gott ist eine soziale Erfindung. Ich betrachte Religion als ein Phänomen der menschlichen Natur. Religion ist ein symbolisches System, mit dem eine Gemeinschaft effizient organisiert werden kann. Alles von der Entstehung des Lebens bis zu Insektenstaaten folgt der Theorie der Evolution von kooperativen Einheiten. Die Gehirne aller Tierarten haben sich entwickelt, um Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und als Resultat ein Verhalten zu erzielen. Wenn wir menschliches Denken betrachten, müssen wir nicht fragen, ob es rational ist oder ob es uns ein wahrhaftiges Bild von der Welt gibt. Wir müssen untersuchen, welche Handlungen es auslöst. Religion ist verwirrend für Wissenschaftler. All diese Dinge, an die Menschen glauben, ohne daß es Anzeichen für ihre Existenz gibt. Aber wenn man Glauben danach beurteilt, zu welchen Handlungen sie die Gläubigen veranlassen, dann haben die allermeisten der religiösen Systeme einen Sinn. Die Ergebnisse des Handelns können positiv oder negativ für Außenstehende ausfallen. In Verbindung mit dem Glauben an eine höhere Autorität garantieren sie den Zusammenhalt der Gemeinschaft.”
 
Eine Theorie über den Ursprung des Christentums bedarf keineswegs zwingend der Prämisse eines historischen, menschlichen Jesus. Diese Gestalt kann auch sehr gut ursprünglich als Mysteriengott konzipiert worden sein, dem nach und nach menschliche und (pseudo)historische Merkmale zugeordnet wurden bis zu einem Punkt, an dem die Gläubigen nicht mehr zwischen Realität und Mythos zu unterscheiden wussten.

Das ist wohl typisch für die Entstehung von Glaubenswelten, daß sie in dem jeweiligen Kulturkreis schon in irgendeiner Weise und Form bekannt und vertraut zu sein scheinen. Da es dann auf die verschiedenste Art und Weise begriffen und verinnerlicht wird hat dann natürlich auch Zank und Streit um die "richtige" Auslegung zur Folge.
 
Das ist antiker Mysterienglaube par excellence, nicht anders als die das Eucharistieritual begründende Abendmahlszene, die als Teil eines ursprünglich szenisch aufgeführten Erlöserdramas eines Mysterienkultes interpretiert werden kann, das sich um die Passion eines Erlösergottes dreht.
Hast Du schon einmal an einem Seder-Abend teilgenommen? Das letzte Abendmahl weist durchaus Parallelen dazu auf. Es handelt sich dabei wohl kaum um eine Fortführung/Vollendung eines "ursprünglich szenisch aufgeführten Dramas eines Mysterienkultes". Der Becher Wein für Elija hat etwas mit dem Erlösungsgedanken zu tun, der im Christentum seine Fortsetzung erfährt. Es ist hochinteressant, hier und heute zu erfahren, dass das gemeinsame Sedermahl in einen solchen Zusammenhang gestellt wird.
Warum bedient sich die Kirche in der Osternacht des Auszugs aus Ägypten? Das wäre doch kompletter Schwachsinn, wenn es nur um ein vom Judentum losgelöstes Drama eines Erlösergottes ginge. :nono:
 
Das habe ich bei David Sloan Wilson, Professor für Biologie und Anthropologie der Binghamton University New York gefunden:
“Gott ist eine soziale Erfindung. Ich betrachte Religion als ein Phänomen der menschlichen Natur. Religion ist ein symbolisches System, mit dem eine Gemeinschaft effizient organisiert werden kann. Alles von der Entstehung des Lebens bis zu Insektenstaaten folgt der Theorie der Evolution von kooperativen Einheiten.(...) In Verbindung mit dem Glauben an eine höhere Autorität garantieren sie den Zusammenhalt der Gemeinschaft.”

Hier wird Religion für meinen Geschmack viel zu sehr auf einen evolutionären Funktionalismus reduziert. Man gewinnt den Eindruck, als habe die Entwicklung gar nicht anders verlaufen können, als sei sie unabhängig von individuellen Entscheidungen historischer Subjekte in kontingenten Situationen verlaufen. Dagegen habe ich schon kürzlich in einem anderen Thread (im Griechenland-Forum) anargumentiert.

Wilsons Argumentation, soweit von dir zitiert, berücksichtigt überhaupt nicht den Machtaspekt religiöser Systeme und den Nutzen, den Machteliten aus ihnen ziehen können. Genau diesen Nutzen versteckt er hinter der verschwommenen Formel der "effizienten Organisation" (von mir fettmarkiert). Fragwürdig ist auch Wilsons kategorische Behauptung, dass der "Glaube an eine höhere Autorität (...) den Zusammenhalt der Gemeinschaft" mit-garantiert.

Zum einen ist hier "Autorität" zunächst einmal zu definieren und dann zu untersuchen, in welcher Form sie in den traditionellen theistischen Systemen auftritt und in welchem Maße die jeweiligen Formen das Spiegelbild irdisch-autoritärer Politstrukturen sind, die auf dem Prinzip der Unterwerfung der Majorität unter den Willen einer Minorität basieren und vermittels theologischer Konstrukte dieser Minderheit das Phantasma einer "gottgewollten Herrschaft" in die Köpfe pflanzen.

All das wird von Wilson, soweit zitiert, unter den Teppich gekehrt.
 
Das habe ich bei David Sloan Wilson, Professor für Biologie und Anthropologie der Binghamton University New York gefunden:
“Religion ist verwirrend für Wissenschaftler. All diese Dinge, an die Menschen glauben, ohne daß es Anzeichen für ihre Existenz gibt.”
Man schaue sich beispielweise einmal die Vorstellungen diesbezüglich von Spinoza an. Ein rational denkender, nicht völlig verblödeter Mensch ;)
Spinoza hing zwar keinem der "etablierten" Glaubenssysteme an, war nach meinem Empfinden dennoch ein tief gläubiger Mensch.
Es soll ja auch Wissenschaftler geben, die vor lauter Staunen über die Ergebnisse ihrer Wissenschaft religiös sind.

Ich will damit zum Ausdruck bringen, das Glauben und Religion zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sein können, aber nicht müssen.
 
Man schaue sich beispielweise einmal die Vorstellungen diesbezüglich von Spinoza an. Ein rational denkender, nicht völlig verblödeter Mensch ;)
Spinoza hing zwar keinem der "etablierten" Glaubenssysteme an, war nach meinem Empfinden dennoch ein tief gläubiger Mensch.

Hulda verzeihe mir den Witz der mir dazu einfällt: Ein Mann hat um seines Glaubens willen seine Wohnung verloren. Er glaubte keine Miete zahlen zu müssen.

Spinoza ließ sich in Amsterdam - volljährig nach jüdischem Recht - nach niederländischem Recht als minderjährige Waise erklären um sein Erbe zu schonen und den Gläubigern in der Gemeinde zu entgehen.
Damit verstieß er gegen die jüdischen Gemeinderegeln und dies zog herem die Verbannung aus der Gemeinde nach sich.
Hinzu kam vielleicht, daß er für sich keinen Hinweis für die Unsterblichkeit der Seele finden konnte.
Welches Ziel hatte dann wohl seine tiefe Gläubigkeit?
 
Hulda verzeihe mir den Witz der mir dazu einfällt: Ein Mann hat um seines Glaubens willen seine Wohnung verloren. Er glaubte keine Miete zahlen zu müssen.
Ich empfehle Spinoza zu lesen und nicht nur kurz etwas über ihn. Nur dann erschließt sich einem sein tiefer Glaube, der - Cherem hin oder her - allerdings nicht in das jüdisch-christliche Konzept passt.
Und...einem der größten Denker der Menschheitsgeschichte (aus meiner bescheidenen Sicht) wird der Witz - bei aller Freude am Humor - nicht so ganz gerecht.

Und nun zurück zu den Evangelien;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Und nun zurück zu den Evangelien;)

Und da vor allem zu dem ersten Evangelium des Markus. Die drei anderen bauen darauf und bauen weiter an einer märchenhaften „historischen Realität“.

Am Anfang und im Mittelpunkt steht ein gewisser Jesus. Robert Eisenman nähert sich ihm über seinen Bruder Jakobus und kommt am Ende zu dem ernüchternden Satz: „Wer oder was Jakobus auch immer war, der und das war auch Jesus“.
Was immer die Zielsetzungen der „Jerusalemer Gemeinde“ unter der Leitung des Jakobus waren, sie sind nicht bekannt und gingen mit der Gemeinde in den Wirren um die Zerstörung Jerusalems um 70 n. Chr. für immer unter.

Übrig geblieben ist die Vision eines Christus Jesus, die nur und exklusiv einem gewissen Paulus zuteil wurde. Er sah sich von dieser himmlischen Autorität beauftragt dessen Erlösungswerk aller Welt mitzuteilen und zu erklären. Eine Apostelgeschichte und vier Evangelien hatten die Aufgabe die historischen Grundlagen und Verbindungen zur jüdischen Gedankenwelt zu schaffen. Das ging nicht ohne Lügen, Verdrehungen und falsche Darstellungen jüdischen Religionsverständnisses ab.

Das Urevangelium ist von Markus und soll von Petrus in Rom beauftragt worden sein. Dieser - einfacher Fischer aus Galiläa und sicher nur der aramäischen Sprache mächtig - soll in Rom die Zuhörer mit seinen Reden so beeindruckt haben, daß sie nach einer schriftlichen Wiedergabe verlangten. Das Evangelium des Markus enthält die meisten Latinismen.

Interessant ist auch, daß Markus gemeinsam mit einem geflügelten Löwen, dem Markuslöwen dargestellt wird und in Alexandria lebte und starb.

Am 31. Januar 828 ereignete sich die außerordentlich folgenreiche Ankunft der Gebeine des heiligen Markus in Venedig. Nach der Überlieferung hatten zwei venezianische Kaufleute oder Tribune, Buono di Malamocco und Rustico di Torcello, möglicherweise auf Initiative des Dogen, die Gebeine im ägyptischen Alexandria entwendet, unter gepökeltem Schweinefleisch versteckt und mit dem Schiff nach Venedig entführt. Zur Rechtfertigung diente eine Legende, wonach Markus auf seinen Missionsfahrten die (noch unbewohnte) Lagune von Venedig durchquert habe und dort von einem Engel die Weissagung erhalten habe, hier würden einst seine Gebeine ruhen. Der Gruß des Engels „PAX TIBI MARCE EVANGELISTA MEUS“ (deutsch: „Friede dir, Markus, mein Evangelist“) ist den meisten venezianischen Darstellungen des Markuslöwen beigegeben.

Eusebius, Hieronymus und Epiphanius berichten, dass Markus der Gründer der Gemeinde in Alexandria war – die Zeit seiner Ankunft wird als die Vierziger oder Fünfzigerjahre angegeben. Die koptische Kirche sieht ihn als ihren ersten Papst. Quellen aus dem vierten Jahrhundert (Hieronymus, Eusebius von Caesarea, Markusakten) berichten vom Märtyrertod des Markus in Alexandria am 25. April des Jahres 68.


Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Marcus Antonius auch in Alexandria verstarb und auch als besonderes Zeichen einen Löwen besitzt. Auf der Rückseite eines Aureus ist eine für die Münzprägung dieser Zeit einzigartige Darstellung zu sehen: ein nach links stehender Löwe, der in der erhobenen rechten Vorderpranke ein aufwärts gerichtetes Schwert/Messer hält und über dessen Rücken ein großer achtstrahliger Stern steht. Die Legende lautet: III. VIR. R.P.C. COS. DESIG. ITER. ET. TERT. Das Besondere daran ist, dass es in den Darstellungen der römischen Republik keine vergleichbaren Abbildungen eines Löwen mit Stern und Schwert zu geben scheint.

Sein Tod auch Anlaß für eine dramatische Schilderung:
Bei der Rückkehr nach Alexandria erhielt er die falsche Nachricht von Kleopatras Selbstmord und stürzte sich in sein Schwert. Tödlich verletzt erfuhr er, dass Kleopatra noch lebe. Röchelnd ließ er sich zum Mausoleum bringen, wo sich die ägyptische Königin verschanzt hatte, wurde mit Seilen durch ein Fenster in ihre Kammer hinaufgezogen und verschied in den Armen seiner Geliebten. So lautet jedenfalls die insbesondere von Plutarch sentimental-melodramatisch ausgemalte Version der antiken Quellen von Antonius’ Tod.

Was hat sich wohl alles beim Kopieren, Umschreiben und Ergänzen der Quellen ereignet? Ob man es je erfahren wird?
 
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