Bildstein 10. Jhdt. - Interpretation

So, und jetzt möchte ich bitte rücksichtsvoll (habe außer den Beiträgen hier im Thread nichts Weiterführendes über die Darstellung aufgeklaubt) in der Luft zerissen werden! :D

Nein, keine Angst, hier bei den Pikten wird - zum Glück - niemand in der Luft zerrissen. Aber warum soll man so alte Sachen immer so ernst betrachten. Die Pikten sollen ja keine Schrift gekannt haben. Nur die Druiden hatten evt. ihre Oghams. Also warum sich mit dem - vielleicht sehr trinkfreudigen - Clanchef nicht einen Spaß erlauben. Da wird ein Trinkhorn eben mal übertrieben groß dargestellt. Damit jeder sieht um was es geht. Mit einem lustigen "Pikt-ogramm". Was du nicht schreiben kannst, malst du eben. Oder klopfst es in einen Stein.
 
Da verstehe ich den Zusammenhang nicht ganz. Inwiefern soll das Wissen, dass es sich nicht um den einzigen piktischen Bildstein handelt, vom Bildinhalt überzeugen?

Gar nicht. Es ging um deine Tischplatten- oder Bogenblenden-These.

Denn was ich hier sehe, ist nur ein hornartiger Gegenstand, den sich ein Reiter vor’s Gesicht hält. Es ist nicht eindeutig dargestellt, weder dass der Mann trinkt, noch dass er bläst, oder etwas ruft.
Wenn es eine Flüstertüte oder ein Jagdhorn wäre, müsste er es andersherum halten!!!

während sowohl die dargestellte Situation auf einem schreitenden Pferd, als auch die Position des Horns gegen das Trinken sprechen.
Du gehts immer von High Quality aus... Die Darstellung ist aber absolut naiv und eher Low Quality. Ich mache noch mal darauf aufmerksam, dass man den Arm auch dort sieht, wo er eigentlich vom Schild verdeckt ist.


Würde die Darstellung tatsächlich ein Trinkhorn zeigen, würde dies auch bedeuten, dass der Bildhauer noch nie aus einem Trinkhorn getrunken hatte.(!) Der Dargestellte müsste pudelnass sein, nachdem die Flüssigkeit aus dem nach oben gehaltenen Zipfel des Horns in sein Gesicht geschwappt ist.
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum das Schottische Nationalmuseum das für die Karikatur eines Betrunkenen hält.

2. Wird ein Bild von einem Reiter in einem renommierten Museum schief aufgehängt, werde ich deshalb den Reiter kaum als bergauf reitend interpretieren, auch wenn der Kurator darauf besteht. Die dargestellte Bewegung des Pferdes lässt keine solche Interpretation zu; sie entspricht genau der Grundlinie des Reliefs.

Das sehe ich anders: Das Bild ist nicht rechteckig, es ist wage trapetzförmig:

Reiter.jpg

Ich habe mir erlaubt die Grundlinie mal gestrichelt und dünn weiterzuführen. Edit: Das sieht man aber nur wenn man das Bild öffnet.

Es ist womöglich allein die Interpretation des Horns als Trinkhorn, die den Abgebildeten zum Clanchef macht. Wäre das Ding ein »battle horn«, ›battle whistle‹, oder sonst ein die Stimme verändernder Gegenstand, würde dies den Mann sofort degradieren.
Ich verstehe überhaupt nicht, wie man bei der Darstellung etwas anders behaupten kann, als dass es sich um ein Trinkhorn handelt.

Der vollständige Text auf der nebenliegenden Beschreibung:
"The elderly man, a warrior and aristocrat, seems to be drunk as he rides his worn nag, presumably homewards. The comic tone of this apparently unflattering depiction is exceptionally unusual. This is almost a true caricature."
(Natürlich kann man den Text kritisieren: Woher weiß man, dass es sich um einen Aristokraten handelt?)

Von der Website des Museums:
A Pictish stone from Bullion, Angus, shows a warrior on horseback holding a huge drinking horn with a large bird-headed mount at its tip.
As horn is an organic material and susceptible to decay, metal mounts are nearly all that remain from Early Medieval drinking horns. For example, we have two 9th century drinking horn fittings found in Scotland on display in Creative Spirit; a silver rim mount from Burghead, Moray and a tinned copper-alloy terminal mount from Pierowall, Westray in Orkney. Both of these mounts are the size which would fit locally available cattle breeds. However, metal fittings from exceptionally large horns have been found in high status Anglo-Saxon burials, including those at Sutton Hoo and Taplow in south-east England. 8th century Irish law tracts tell us that such large horns from wild cattle (aurochs) had to be imported into Britain and Ireland. The drinking horn that the Bullion man has clasped in his hands tells us that Pictish people probably had access to one of these imported auroch horns.
 
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Gar nicht. Es ging um deine Tischplatten- oder Bogenblenden-These.
Verstehe. Ich war davon ausgegangen, dass der Stein relativ flach sei. Jetzt hab ich aber nachgeguckt: das Museum gibt die Maße mit »2050 mm H x 160 mm L x 780 mm W« an (normalerweise tut man das in der Reihenfolge Höhe-Breite-Tiefe…), wobei ich die 16 cm als »lowness« interpretiere (height-lowness-width), d.h. als Tiefe. Demnach handelt es sich tatsächlich um eine sehr große Platte (oder Plattenring; für einen Tisch allerdings viel zu groß), die durchaus das erhaltene Segment eines architektonischen Bauteils sein könnte, und kein alleinstehender (Kult-)Stein war.
 
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum das Schottische Nationalmuseum das für die Karikatur eines Betrunkenen hält.
Das bringt mich gleich auf zwei weitere Gegenargumente zur These »Trinkgefäß«:

1. Ist es nicht allzu bequem, etwas in einen abgebildeten Gegenstand hineinzuinterpretieren, und danach zu behaupten, das Objekt sei halt nicht so gut dargestellt? Jenes »almost a caricature« sehe ich als Krücke für eine Wunschvorstellung.

2. Wofür soll ein nach hinten blickender Vogelkopf auf einem Trinkhorn gut sein, wenn man die Spitze eh immer nach unten halten muss? Soll der Vogel dem Trinkenden etwa zwischen die Beine gucken? Fraglich…
 
Etwas, was man weder beweisen noch ausschließen kann, ist in so einem Fall auch die Darstellung eines uns heutigen nicht mehr bekannten Mythos.
 
Etwas, was man weder beweisen noch ausschließen kann, ist in so einem Fall auch die Darstellung eines uns heutigen nicht mehr bekannten Mythos.

Eben. Und es gibt auch Mythen über besoffene Götter und Helden.

Ich halte es auch für ein Trinkhorn. Nicht nur wegen dem Objekt selbst sondern auch auf Grund der geschürzten Lippen.

Bezüglich der Stellung des Reiters: Warum muss dieses Objekt senkrecht gestanden haben? wenn der Stein z.B. als Hälfte eines falschen Bogens gedient hätte, d.H. schräg über einer Öffnung, dann wäre der Reiter in der Waage.
 
Trotz der auffallend geschürzten Lippen des potentiellen Trunkenbolds wie auch meinen nach wie vor vorhandenen Stirnfalten bezüglich meiner Raubvogel-Spekulation, gebe ich das Federvieh noch nicht gänzlich auf. :grübel:

Die Proportionen von Pferd und Reiter sind meines Erachtens bei aller Karikaturhaftigkeit der Darstellung nicht allzu unstimmig. Wenn ich den linken Arm des Mannes (angewinkelt, vom Körper verdeckt) als Unterarm an der Bartspitze enden lasse, evtl. umwickelt oder in einem Lederhandschuh steckend zum Schutz vor scharfen Klauen, dann hätte ein Raubvogel (Adler tauchen auf anderen Symbolsteinen des schottischen Frühmittelalters auf) einen Schenkel gewonnen, mit mutigster Phantasie wären sogar drei Krallen zu erkennen ...
Meine oben geäußerte Beizjagd-These geht interpretatorisch sicherlich sehr weit, wie wäre es mit einem Adler als herrschaftliches Attribut?

Hier noch ne Darstellung von dem Steinklotz:
http://www.ancient-origins.net/site...large/public/Horn-of-Bran_0.jpg?itok=9ZlCvtIc
 
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Trotz der auffallend geschürzten Lippen des potentiellen Trunkenbolds wie auch meinen nach wie vor vorhandenen Stirnfalten bezüglich meiner Raubvogel-Spekulation, gebe ich das Federvieh noch nicht gänzlich auf. :grübel:
Höchstens ein Falke, in eine Tüte gesteckt. :p Das Pferd ist zu detailliert, um eine derart stilisierte Darstellung eines Vogels anzunehmen. Allerdings sehe ich die Annahme eines Lederhandschuhs für gerechtfertigt…

Meine ganz persönliche Schlussfolgerung:
• Die Darstellung zeigt mit 40% Wahrscheinlichkeit ein Trinkhorn. Es gibt aber zu viele Unstimmigkeiten, um der Annahme mehr Gewicht zu geben. (Die »geschürzten Lippen« würde ich auf die Grobheit des Materials zurückführen). Auch erscheint mir die durch das Museum vertretene Interpretation als viel zu wenig abgestützt. (es verweist lediglich auf ein Buch aus 1982…)
• Und 60% vergebe ich einer Zwischenlösung aus Lilis und meiner These: der Stein zeigt einen Kundschafter mit einer Pfeife, die nach hinten vogelähnliche Signale gibt. Dafür spricht auch der aus dem Rahmen ragende Vogelkopf, was man auch als »hinaus« als »Signal« interpretieren kann. (Solche Bildinhalte müssen nicht einmal bewusst entstanden sein.) Die Fremdartigkeit des Instruments lässt aber sicherlich keine Gewissheit zu.

Kurz noch zurück zu meiner Tisch-These, deren Grund mir bewusst geworden ist: Die Platte ist am runden Rand nach unten abgeschrägt, mit allen Kanten gerundet. Die Möglichkeiten eines riesigen Tisches, der entweder rund, oder ringförmig war, würde ich deshalb nicht ausschließen.
 
Ein Rekonstruktionversuch des Trinkgefäßes auf dem Bullion Stone:

final-whole-horn.jpg

by Jennifer Gray
 
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Diesen Reiter habe ich vorige Tage in der Kathedrale zu Dunkeld fotografiert, er weist Parallelen zum Reiter aus dem Nationalmuseum auf, ist allerdings weniger detailgetreu ausgearbeitet, hat dafür deutlichere Bewaffnung:

Dunkeld Reiter.jpg


Aber auch hier die seltsame Unsicherheit, ob er trinkt oder ins Horn bläst:

DSC06422.JPG
 
Reiter und Trinkhorn gehören seit der Spätantike beim rituellen Empfang des Herrschers zusammen (Adventus) zusammen. In den Abbildungen (u.a. römische Münzen, gotländische Bildsteine) überwiegt jedoch die Szene, in dem dem Reiter das Trinkhorn angeboten wird. Das finale Trinken wird hingegen nur selten abgebildet.
Dem zu Pferd ankommenden Herrscher wird durch die Übergabe des Horns gehuldigt.
 
Das hier sind ja piktische Bildsteine. Bereits nach der Christianisierung, wobei ich nicht den Eindruck habe, dass das hier eine Rolle spielt, will das aber auch nicht ausschließen. Sie zeigen halt beide einen trinkenden Mann auf einem Pferd, wobei mich die Unsicherheit irritiert, ob es sich um eine Trinkhorn handelte oder um ein Signalhorn, in das geblasen wird, dabei ist doch deutlich, wenn schon nicht, dass das schmale Ende geschlossen, so doch, dass das breite Ende zum Mund geführt wird.
 
Ein Reiter mit rechts umgehängtem Rundschild. Kein Horn zum Rufen, denn er trägt es so als ob er in den Schalltrichter ruft. Es kann auch ein Falke oder Adler sein. Der Reiter ist unbewaffnet, kahlköpfig oder mit Lederkappe, hat einen Spitz- oder Knebelbart, und sieht für mich eher aus wie ein Falkner auf der Beizjagd. Für Trinkhorn spräche der gerundete Mund.
 
Mit einem Vogelkopf verzierte Trinkhörner waren im frühmittelalterlichen Britannien keineswegs unbekannt oder unge2wöhnlich.
Im angelsächsischen Königsgrab von Sutton Hoo wurde gleich zwei Exemplare mit entsprechenden Vogelkopf aus Edelmetall gefunden, ein weiteres Exemplare aus Limore Irland.

Eine ähnliche Szene aus auf einem Runenstein in der Kirche von Levide, Gotland abgebildet.
Hier ist es es allerdings kein Reiter, sondern ein Kutscher, der tief ins Horn schaut. Vielleicht ist es auch eine Kutscherin. (Auffällig ist, dass die gotländischen Zecher das Horn anders herum halten.)
Bild bei Wikipedia
 
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