Mutmaßl. und tatsächl. röm. Streckenverläufe/Fundplätze n.d. 9-/10-Leugen-Hypothese

Die Römische Armee war ja auch bekannt für ihren schwerfälligen Tross. Bekanntlich sind die Helvetier dem Cäsar ja deshalb davongelaufen. ;)

Und die berühmten Bauleistungen der Römischen Voraustrupps! Nur mit ein paar hundert Mann haben sie Lager für mehrere Legionen errichtet! ;)

Und dieser Respekt, den die Barbaren dem Römischen Militär entgegenbrachten! Weder der Voraustrupp noch der langsame Tross wurde angegriffen! Wieder: ;)

('tschuldigung, aber ich konnte nicht widerstehen.)

Soweit mir bekannt ist, können Maultiere durchaus mit der menschlichen Marschleistung mithalten.

Man kann bei Clausewitz, Delbrück und in verschiedenen Handbüchern nachlesen, dass die Marschleistung eines großen Heeres vorwiegend durch seine Größe beschränkt wird.

Eine weitere Beschränkung liegt darin, dass Menschen nicht auf Dauer mehr als so um die 21-28 km marschieren können. Schon dabei müssen Ruhetage eingelegt werden. Und wegen des Lagerbaus liegt die Leistung eher um 21 km als darüber. Also so zwischen 9 und 10 Leugen. Schon deshalb dürften diese Entfernungen, allein aufgrund des Zufalls häufig als Tagesleistung aufgetaucht sein.

Lagerbau: Dass erledigte die ganze Armee. Die Veteranen, oder, wenn Tiberius für die Leugen-Hypothese zu spät ist, ein Teil der Truppen konnte in Feindnähe die Bauarbeiten abschirmen. Wenn die Sicherheitslage es zuließ hatte ein Vermessungstrupp den Lagerplatz schon vermessen, wenn die Marschkolonne eintraf.

Sicherheitslage: Auf die Tagesleistung hatte diese einen großen Einfluss. Das dürfte jedem klar sein: Wenn der Tross nur unter Bewachung marschieren kann, muss ein breiterer Marschweg geschaffen werden. Varus hat unter anderem dies missachtet. In tiefstem Frieden konnte man hingegen z.B. die Reiterei einen Weg abseits der Straße suchen lassen.

Bei der Anlage von Straßen spielt aber eine zufällige historisch-aktuelle Marschleistung keine Rolle. Man plante mit dem Durchschnitt. Da 9 oder 10 Leugen am nächsten an der gewöhnlichen Marschleistung lagen, dürften diese Entfernungen im Flachland häufig festzustellen sein. Man misst eben gerne mit ganzen Zahlen. Auch das ist aber kein 9/10 Leugensystem, sondern wieder Zufall.

(Dabei ist aber natürlich auch die Frage, wie Unebenheiten berücksichtigt wurden, zu stellen.)

Und wenn ich von Durchschnitt rede, müssen wir uns vor Augen führen, dass die Römischen Soldaten bekanntlich auf eine bestimmte Marschleistung, die 20 Meilen des Vegetius eben, trainiert wurden. Für die Grenzsicherung (und die militärische Realität) war es dabei von Vorteil, wenn man es etwas geruhsamer angehen ließ. Schließlich war auf der Strecke mit Zwischenfällen zu rechnen. Rechnet man eine Wegstunde weniger, kommt man auf um die 20 km, und die 9-oder-10-Leugenhypothese zerfällt endgültig. Auch die Römer planten wie alle vor und nach ihnen in Tagesmärschen.
 
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Vegetius rechnet bei normalem Marsch 29,6 km (20 Meilen) am Tag (bzw. in fünf Sommerstunden), im Eilmarsch sogar 35 km (24 Meilen):

Spricht Vegetius über eine Legion mit oder ohne Tross? Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Frauen und Kinder an einem heißen Sommertag 30 oder gar 35 Kilometer marschieren konnten, nicht in Germanien und erst recht nicht in Nordafrika.


Aus unserem Lieblingstext:
"56,20,1-5 Das Gebirge war nämlich reich an Schluchten und uneben, die Bäume standen dicht und überhoch gewachsen, so dass die Römer schon vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, dem Bauen von Wegen und Brücken, wo es sich erforderlich machte, große Mühe hatten. Sie führten auch viele Wagen und Lasttiere mit sich, wie mitten im Frieden. Dazu folgten ihnen nicht wenige Kinder und Frauen sowie der übrige riesige Tross, so dass sie schon deshalb weit auseinander gezogen marschieren mussten."
 
Auf Frauen und Kinder wurde von Staats wegen keine Rücksicht genommen. Du ziehst hier eine Quellenstelle heran, die sehr kritisch zu bewerten ist: Cassius Dio drückt auf die Tränendrüse, um die besondere Gemeinheit der Germanen hervozuheben. Tatsächlich aber war es römischen Soldaten der Kaiserzeit verboten, Familien zu gründen (was nicht heißt, dass sie keine dauerhaften Beziehungen und Kinder gehabt hätten). Frauen und Kinder, Marketender, Huren und alle weiteren Berufsgruppen, die davon lebten, Kriegsbeute zu kaufen oder den Legionären ihre quadrantes aus der Tasche zu ziehen, liefen zwar mitunter tatsächlich mit bzw. hinterher, gehörten aber nicht zum offiziellen Tross. Ihre Anwesenheit war - aus Feldherrensicht - freiwillig und verzichtbar, militärpolitisch teilweise sogar unerwünscht (wie gesagt, den Legionären war die Eheschließung verboten, idealiter hatten sie keine Familie). Die Marschgeschwindigkeit oder -entfernung wurde nicht anhand dieser mitlaufenden Personengruppen bemessen.

Edit: Als Literatur dazu empfehle ich Egon Flaig, Den Kaiser herausfordern, Frankfurt 1992, drittes Kapitel: Der professionelle militärische Apparat im Imperium Romanum. Der Imperator und sein Heer, S. 132 ff.
 
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Und als Quelle sei Cäsars Gallischer Krieg genannt. Aus 2,17-19 geht recht eindrucksvoll hervor, dass der Tross gewöhnlich zwischen den Legionen marschierte, also so schnell und weit marschieren musste wie diese. Bei Annäherung an den Feind wurde davon abgewichen.
 
Nur dass wir uns nicht missverstehen: Ich unterscheide zwischen dem offiziellen Tross und den Menschen, die sich aus den unterschiedlichen Gründen den Legionen angeschlossen haben. Auf die Geschwindigkeit von letzteren konnte bzw. wollte der Militärapparat keine Rücksicht nehmen. Wobei das natürlich ambivalent ist: Familiäre Verbindungen von Soldaten wurden nicht anerkannt, allerdings dürfte den Feldherren auch klar gewesen sein, dass den Legionären der Schutz ihrer - wenn auch offiziell nicht existenten - Familie am Herzen lag und Motivation für ihr Handeln darstellen konnte.
Allerdings ist auch zwischen den Legionen Caesars und denen nach Einführung des Prinzipats zu unterscheiden. Wir haben es mit einer fortschreitenden Professionalisierung der Legionen zu tun mit 20+5 Jahren Dienstverpflichtung.
 
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Auch später ist von unterschiedlichen Marschordnungen bei unterschiedlicher Gefahrenlage die Rede, wobei die Position des Trosses regelmäßig in der Marschkolonne ist. (Man denke nur an die Beschreibungen bei Josephus, Tacitus und Arrian.)

Und, ja, ich bin auch der Meinung, dass dabei der inoffizielle Tross nicht berücksichtigt wurde. Es ist auch zu fragen, ob der inoffizielle Tross immer gleich aussah. Bei gefährlichen Feldzügen war die Anzahl der Frauen und Kinder sicher geringer. Dafür werden die Händler dann sicher Leibwächter gehabt haben.

Wie wenig Rücksicht die Römische Armee auf den inoffiziellen Tross nahm, zeigen Berichte, dass Händler, die außerhalb der Lager bleiben mussten, niedergemetzelt wurden. (Hier kann ich nur Cäsar angeben: Gallischer Krieg, 6,37. Aber auch Varus hat ja den inoffiziellen Tross, vielleicht sogar als Köder, weggeschickt.)
 
Von Varus wird nur berichtet, dass er einen Teil des überflüssigen Plunders und der Wagen habe vernichten lassen. Nach der Varusschlacht, nach dem Ausbruch aus dem belagerten Aliso werden die Soldaten dadurch verraten, dass die zurückgelassenen Frauen und Kinder nach Ihnen rufen.
 
Da werde ich nochmal nachlesen. Ich meine, es gäbe da eine Stelle, die es erwähnt.

Die Frauen und Kinder bei Aliso wurden allerdings, wenn ich es richtig im Kopf habe, nicht im Lager zurückgelassen, sondern konnten nicht schnell genug marschieren. Und damit hätten wir genau die ursprünglich gesuchte Situation.
 
Herzlichen Glückwunsch zum 1.111. Beitrag.

Man ließ sie wegen der Geschwindigkeit im Lager zurück. Streng genommen ist das allerdings für die Diskussion auch keine hinreichend beweiskräftige Quellenstelle, da es sich hier um eine Ausnahmesituation handelte (wenn die Stelle denn überhaupt historisch ist).
 
Wegen "Nur wenige von ihnen waren Soldaten, viele trugen überhaupt keine Waffen." sowie "..., denn aus Erschöpfung und Angst ..." vermute ich doch eher, dass sie nicht schnell genug waren.

Dass Frauen und Kinder im Angesicht der Gefahr sich selbst überlassen wurden, wird immer eine Ausnahmesituation sein. Aber da sich kein Heer der Welt danach richtet, wenn ein paar Kinder nicht schnell genug sind, war, nehme ich an, auch kein Alltagsmarsch gemeint.

Danke für die Glückwünsche. Jetzt muss ich mir einen Schnaps kaufen, die Flasche ist seit dem 11.11. leer. Bei der Zahl eine ganz besondere Tragik. :D
 
Eure Diskussion über die Etappenlänge römischer Legionen in allen Ehren, aber das haben wir hier vor zwei Jahren alles schon lang und breit erörtert.

Natürlich kann ein Legionär auch 60 km oder mehr am Tag marschieren, aber nicht jeden Tag. Der Ochsenkarren als langsamstes Vehikel im Tross sollte auch nicht übersehen werden. Ochsen machen maximal 4–5 km in der Stunde und müssen zwischendurch immer wieder mit Wasser und Futter versorgt werden, sonst gehen sie keinen Schritt mehr.

In der Fachwelt scheinen ~20 km jedenfalls als realistisch zu gelten, wer den aktuellen Wilkenburg-Thread verfolgt hat, erinnert sich an Henning Haßmann, Landesarchäologe vom NLD:

Nun haben die Wissenschaftler einen sicheren Anhaltspunkt für ein Lager der Römer und können quasi einen Zirkel um den Fundort anlegen: Irgendwo in einem Umkreis von 20 Kilometern muss das nächste Marschlager zu finden sein, wo die Legionäre erneut in der Region Hannover nächtigten. "Es ist auf jeden Fall da", so Haßmann, "nur entdeckt haben wir es noch nicht."

Quelle: NDR

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Leider fehlt mir im Moment die Zeit, auf einige gute Fragen aus vorangegangenen Beiträgen zu antworten, was ich aber nachzuholen gedenke. Seit Tagen macht mir eine Erkältung zu schaffen, so dass ich wohl etwas reizbar war: Sorry, besonders an @El Quijote wegen der Mosella-Sache, die ich zur falschen Zeit in den falschen Hals bekam, hüstel. ;)
 
In der Fachwelt scheinen ~20 km jedenfalls als realistisch zu gelten, wer den aktuellen Wilkenburg-Thread verfolgt hat, erinnert sich an Henning Haßmann, Landesarchäologe vom NLD:

Das ist ja auch unumstritten. Aber ca. 20 km ist eben kein Beleg dafür, dass die Römer ihre Lager, vici, villen und was sonst auch immer punktgenau bei 9 oder spätestens 10 Leugen angelegt haben!

Leider fehlt mir im Moment die Zeit, auf einige gute Fragen aus vorangegangenen Beiträgen zu antworten, was ich aber nachzuholen gedenke. Seit Tagen macht mir eine Erkältung zu schaffen, so dass ich wohl etwas reizbar war: Sorry, besonders an @El Quijote wegen der Mosella-Sache, die ich zur falschen Zeit in den falschen Hals bekam, hüstel. ;)

Gute Besserung.
 
Es macht auch einen großen Unterschied, wo ein Heer marschiert.

Auf einer breiten, gut befestigten via militaris mit Brücken und allem Zubehör ist ein ganz anderes Durchschnittstempo zu schaffen als auf einer gallischen oder germanischen Altstraße.
Ganz abgesehen von Routen, die sich das Militär erst bahnen musste. ("Aus unserem Lieblingstext: ... so dass die Römer schon vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, dem Bauen von Wegen und Brücken, wo es sich erforderlich machte, große Mühe hatten")
 
Meines Wissens waren aber Maultiere die Trag- und Zugtiere der Wahl. Aufgrund von belegten Etappenlängen, wie der häufigen Gewaltmärsche Cäsars, wären Ochsen auch nicht mitgekommen. Viel mehr als 20km am Tag ist für Ochsen nicht drin. Jedenfalls bin ich mal auf diese Zahl gestoßen.

Mit den durch Varus zurückgelassenen Frauen und Kindern habe ich mich tatsächlich vertan. Wahrscheinlich bin diesmal ich auf eine Doku hineingefallen...
 
Die Gruppe um Marcus Junkelmann überquerte 1985 die Alpen (540 km von Verona bis Augsburg) in 23 Tagen.
20 Tage wurde marschiert, drei Tage pausiert.
Also 27 km pro Marschtag im Durchschnitt.

Wobei das keine speziell trainierte Truppe war. Einige Teilnehmer hatten trainiert, andere nicht. Junkelmann selber war nach eigener Aussage "in den Monaten vor dem Marsch so gut wie gar nicht zu körperlicher Betätigung gekommen".
 
Die Varus-Schlacht ist m. E. keine Beispiel für einen üblichen Marsch von Legionen. Stand der Wissenschaft ist, dass Varus seine drei Legionen von einem oder mehreren Sommerlager/n im Osten in die Winterlager im Westen verlegen wollte. Da war es natürlich klar, dass man den zivilen Anhang von Marketender/innen mitnahm. Was hätten auch die Wirte und Kellnerinnen das Winterhalbjahr im Sommerlager machen sollen, wenn deren Einnahmequelle fortzog? Die Soldaten ernährten die Zivilisten im Umland. Keine Soldaten - keine Einnahmen. Das ist aber sicher nicht das normale Soldatenleben. Wenn ein neues Gebiet erobert wurde, dann nahm man keine Zivilisten mit - würde mich zumindest wundern. Und wenn eine Legion ausrückte um irgendwo ein Übungslager zu bauen, dann blieben die Zivilisten wohl auch zu Hause. Denn nach ein paar wenigen Tagen im Biwak kamen die Soldaten zurück und werden ausgehungert nach den Vergnügungen des Lagervicus gewesen sein. Und auch As und Denar kann man nur einmal ausgeben.

Ich glaube nicht, dass die Römerlegionen mit den Landsknechttruppen der frühen Neuzeit vergleichbar sind.
 
... Wenn ein neues Gebiet erobert wurde, dann nahm man keine Zivilisten mit - würde mich zumindest wundern. ...

Moin

Da wäre ich mir nicht so sicher! Derart große Truppenteile kommen doch ohne das Marketenderwesen kaum aus. Zivile Händler werden doch solchen Heerhaufen immer gefolgt sein (ob man sie dazu eingeladen hat oder nicht).

Bei Napoleons Russlandfeldzug z.B. stützte sich die Versorgung der Truppe ganz wesentlich auf die Marketender, die parallel zur Streitmacht marschierten (also nicht direkt mit dem Heer).
 
Salve,
meines Wissens hatte sich die Versorgungsstruktur der römischen Legionen nach Einführung der Heeresreform des Marius stark verändert.Der Versorgungstross wurde stark verschlakt und jeder Legionär musste seine gesammte Ausrüstung sebst tragen.
Bei Feldzügen blieb der Marketendertross normalerweise im Legionshauptlager zurück.
Der Legonär hatte nach der zu erbringenden Tagesmarschleistung und der Nachbereitung (Zeltaufbau,Ausrüstungspflege,Wachdienst,Essenszubereitung u.ä.) normalerweise keine grössere Zeit/Kraft mehr für Trossannehmlichkeiten übrig, wenn man bedenkt, was ein Legionär ja da mit sich rumschleppen musste.(Segmenta Lorca,Pillums,Wasserschlauch,Essigflasche,Teile der Zeltgemeinschaftsausrüstung und einiges mehr...).
Anmerkung: Mir ist durchaus bekannt, das die Heeresreform warscheinlich nicht von Marius allein kam, da er aber der Beginn darstellt, nenne ich sie immer so.
 
Salve,
meines Wissens hatte sich die Versorgungsstruktur der römischen Legionen nach Einführung der Heeresreform des Marius stark verändert. Der Versorgungstross wurde stark verschlankt und jeder Legionär musste seine gesammte Ausrüstung sebst tragen. ...

Moin
Was einzelne Tagesmärsche angeht, so hast du sicher Recht, doch wie schaut es bei längeren Feldzügen aus?
Zudem kann man einer Heeresreform nicht entnehmen, wie es in der Realität mit dem Marketenderwesen ausschaute. Manch ein Marketender hatte sicher zeizvollere Produkte anzubieten, als die Legionäre zugeteilt bekamen. Daher wird man wohl sehr dankbar über eine zusätzliche Versorgung gewesen sein. Das ist aber nur meine Vorstellung der Dinge, vielleicht hat ja jemand fundiertere Kenntnisse zum Marketenderwesen in der Römerzeit!?

Eigentlich hat das Marketenderwesen ja nicht unmittelbar mit dem Beitragsthema zu tun, aber wenn die römischen Heerhaufen die Marketender bei ihren Märschen mit einkalkuliert haben so hat es mittelbar doch mit der Marschleistung und Versogungslage zu tun!?
 
Ja, der Legionär hatte so um die 40 kg Marschgepäck. Allerdings gehörte zu einer Zeltgemeinschaft auch ein Maultier nebst Treiber.
 
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