Erinnerungskultur - Was ist wichtig für die Deutschen?

Viele deutsche Soldaten waren total verblendet, eigentlich genauso Opfer. Ihr Idealismus wurde schamlos ausgenutzt und sie verraten und verkauft. Sie haben, wie in einem bekannten Lied von Reinhard Mey, "ihren wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluss". Die meisten waren wohl Opfer ihrer Zeit, in die sie dummerweise hineingeboren wurden.
Früher hätte ich nicht das geringste Interesse daran gehabt, an einem deutschen Soldatenfriedhof einen Kranz nieder zu legen. Inzwischen sehe ich es anders.

Dem möchte ich ausdrücklich widersprechen. Ich sehe in dem allergrößten Teil der "Deutschen" - also auch der Soldaten, die für Deutschland und Hitler kämpften - keine Opfer, keine Verratenenen und keine Verkauften. Diese Menschen sind/waren Mörder, die durch ihre Handlungen die Politik der Nationalsozialisten unterstützt oder am Laufen gehalten haben. Kein Mensch kann sich entschuldigen, dass er oder sie "dummerweise" in eienr Zeit hineingeboren wurde.

Ich hatte, habe und werde (wahrscheinlich) nie das geringste Interesse daran haben diese Mörder mit einem Kranz zu huldigen, egal wie das andere Nationen handhaben.
 
Dem möchte ich ausdrücklich widersprechen. Ich sehe in dem allergrößten Teil der "Deutschen" - also auch der Soldaten, die für Deutschland und Hitler kämpften - keine Opfer, keine Verratenenen und keine Verkauften. Diese Menschen sind/waren Mörder, die durch ihre Handlungen die Politik der Nationalsozialisten unterstützt oder am Laufen gehalten haben. Kein Mensch kann sich entschuldigen, dass er oder sie "dummerweise" in eienr Zeit hineingeboren wurde.

Das ist absolut richtig. Geschichte kann so perfide sein. Und auch die Veränderungen der Sichtweise darauf, je weiter man sich davon entfernt.

Nur mal ein Beispiel aus damaligen offiziösen Verlautbarungen auf einer kirchlichen Konferenz:

...Noch steht das deutsche Volk in ernstem Ringen mit seinem Feind, der ihm den Platz an der Sonne nicht gönnt. Gott hat die Pläne der Feinde zunichte gemacht und unserem Führer und Heer Sieg um Sieg geschenkt. Mit großer Dankbarkeit schauen wir auf das gewaltige Geschehen und lassen nicht von der Hoffnung, daß ein baldiger Friede den Völkern neue Lebensmöglichkeiten bringen wird.

...Erfüllt mit großen Erwartungen schauen wir in die Zukunft. Wir wünschen, daß Gott unserem tapferen Heer den baldigen Endsieg, den Völkern einen gerechten Frieden, neue wirtschaftliche Möglichkeiten und vor allem ein Verlangen nach dem Heil, das Gott durch Jesus Christus der Welt anbietet, schenken möge.

...Seit nahezu zwei Jahren steht unser deutsches Volk im gewaltigsten Entscheidungskampf seiner Geschichte, noch immer tobt der Krieg, und niemand vermag das Ende abzusehen. Wie wiederholt von höchster Stelle betont wurde, kommt in diesem urgewaltigen Ringen der heimatlichen inneren Front höchste Bedeutung zu.

...Wir stehen alle unter dem gewaltigen Eindruck des siegreichen Vordringens der Deutschen Wehrmacht in jedem Feldzug und danken Gott für alles, was er dem Führer hat gelingen lassen...
 
Dem möchte ich ausdrücklich widersprechen. Ich sehe in dem allergrößten Teil der "Deutschen" - also auch der Soldaten, die für Deutschland und Hitler kämpften - keine Opfer, keine Verratenenen und keine Verkauften. Diese Menschen sind/waren Mörder, die durch ihre Handlungen die Politik der Nationalsozialisten unterstützt oder am Laufen gehalten haben. Kein Mensch kann sich entschuldigen, dass er oder sie "dummerweise" in eienr Zeit hineingeboren wurde.

Das war nicht apologetisch gemeint. Selbstverständlich wurden durch eine Kultur des Gehorsams furchtbare Verbrechen verübt, wofür die Deutschen die Verantwortung bis heute tragen. Das ergibt sich schon aus meinen vorherigen Kommentaren zu diesem Thema.

Allerdings, ein junger Mensch, der leicht beeinflussbar von Lehrern, Erziehern, Eltern usw. völlig ideologisiert wird, in einen sinnlosen Krieg geschickt wird, dem eingeredet wird es wäre eine Ehre für das Vaterland zu sterben, ein solcher junger Mensch, der z.B. in Stalingrad verblutet, als Verwundeter auf dem Schlachtfeld liegend von einem Flammenwerferfahrzeug verbrannt wird, dessen Leben von Nazi-Verbrechern vereinnahmt wird, der, falls er überlebt hat, ein Leben lang von Schuldgefühlen geplagt wurde, vielleicht sogar daran zerbrochen ist, den sehe ich sehr wohl als Opfer. Nationalität spielt da keine Rolle.

Opfer und Täter zu sein, sind keine Widersprüche (Beispiel Kindersoldaten). Nur weil ich Opfer bin, werde ich nicht dagegen immun, Täter zu sein und umgekehrt.

Ich finde, man sollte die gleichen Maßstäbe, die man in kultivierten Strafprozessen anwendet auch hier anwenden. Ich lehne jegliches ideologisches Denken ab.

Worauf ich hinaus wollte, war aufzuzeigen, dass es um das Handeln von Menschen ethisch zu beurteilen auch immer wichtig ist, in welcher Gesellschaftsordnung die Tat geschah. Wäre ich um ca. 1900 (in Deutschland) geboren, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ich um 1940 Antisemit gewesen wäre, ziemlich hoch. Wäre ich um 1600 geboren, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit an Hexenzauber geglaubt und wäre vielleicht ein Befürworter der Hexenjagd gewesen. Wäre ich um 1200 geboren, wäre ich wahrscheinlich von Kreuzzügen begeistert gewesen.

Selbstverständlich weise ich jeden Gedanken an die Rechtmäßigkeit eines solchen Unsinns zurück. Allerdings kann ich das mit hoher Wahrscheinlichkeit erst aus dem Wissen und der Erziehung heraus tun, die mir glücklicherweise als Kind der 70er und 80er Jahre zuteil wurde.

Ich frage mich manchmal, wie nachfolgende Generationen unsere Kultur beurteilen werden.

Als Fakt sehe ich die Deutschen bis heute in der Verantwortung. Da sehe ich auch die Verantwortung, solche Barbareien auch in Zukunft nach Möglichkeit zu verhindern. Wenn wir aber verstehen wollen, wie es zu solchen Barbareien kommen kann, dann kommen wir - so sehe ich es - um die Tatsache nicht herum, dass die meisten Verbrecher im Alltag "ganz normale Menschen" waren. Und da sind wir wieder bei Goldhagen. Jeder, absolut jeder Mensch kann ein "Ungeheuer" aber auch ein "Engel" sein. Ich finde, diese Erkenntnis ist schrecklich, aber wir sollten uns auf das Positive besinnen.
 
Ich denke, so hat auch niemand deinen Beitrag aufgefasst. Anthropos hat zweifellos recht, dass die Wehrmacht aktiv an der Shoah mitgewirkt hat und an zahlreichen Kriegsverbrechen teilgenommen hat. Das dürfte aber im Forum die Mehrheit kaum bezweifeln. Auch wenn sachlich und faktisch korrekt, erscheint mir Anthropos Urteil zu hart. Viele Soldaten der Wehrmacht, der Kriegsmarine und auch der Waffen SS waren noch sehr jung, und die meisten waren vorher jahrelang indokriniert worden. Das NS Regime verstand es meisterhaft, selbst die, die nicht aktiv mitgemacht hatten, in die Mitverantwortung zu nehmen. An der Ostfront wurden viele Soldaten Zeugen von Kriegsverbrechen und Pogromen. Feldgendamerie und Kriegsgerichte gingen mit zunehmender Kriegsdauer rigoros gegen Abweichler vor.
 
Beziehe mich auf meinem Beitrag #82 und den Beitrag #83 von hjwien

Die Polen haben ja m.E. einiges in der Weltgeschichte bewegt.

Zu den Namen die Freund hjwien nennt, könnte man noch viele weitere hinzufügen.

Da hat z.B. bei mir Marie Curie - Skłodowska einen guten Platz. Aber auch Fryderyk Chopin und Stanisław Lem.
Und auch der „Bettelstudent“. :D

Chopin Musik höre ich gern und einige Bücher von Lem habe ich vor Jahren mit Begeisterung gelesen.

Was mir aber noch recht gegenwärtig ist – ein Teil meiner Erinnerungskultur -, ist die Solidarność, Karol Józef Wojtyła, sowie Wojciech Jaruzelski.

Wer sich als DDR Bürger dafür interessierte – ich interessierte mich sehr dafür – war ja ganz gut angeschlossen.
Am Tag, während der Arbeitszeit hin und wieder Versammlungen, vor allem dann, wenn’s wieder mal einen Höhepunkt gab.
Abends ab 19.00 Uhr „ZDF Heute“ mit Fortführung 20.00 Uhr „ARD Tagesschau“ sowie mancher Sondersendung des ZDF und der ARD.
Dazwischen lief die "Aktuelle Tagesschau", dh. Zeit fürs Abendbrot ohne Fernsehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß ja nicht ob (die) gruppeauspolen noch mitliest. Bisher aber ist die Frage nach der Erinnerungskultur vorwiegend individuell beantwortet worden, danach, was den einzelnen Mitgliedern wichtig ist. Nun ist der Begriff der Erinnerungskultur aber einer aus der Geschichtsdidaktik, wenn auch einer, der tatsächlich viel Raum für das Individuum bereitstellt. Dennoch sollten wir vielleicht mal auf die "offizielle" Erinnerungskultur eingehen. Es wurde schon gesagt, dass die NS-Zeit vieles vorherige überschattet, auch was das Interesse (Buchverkäufe, Einschaltquoten) angeht: Sex Hitler sells...

Unser Nationalfeiertag war lange der 17. Juni (bezogen auf 1953) und ist heute der 3. Oktober (bezogen auf 1990). Das war heiß umstritten, manche wollten den 9. November, wegen 1989, vergaßen dabei aber 1923 und 1938.
Auch das ist Erinnerungskultur.
Wenn ein Vertreter der Bundesrepublik Israel besucht (oder auch ein deutscher oder ein polnischer Papst) dann ist Yad wa-Shem gewissermaßen Pflichtprogramm und das Bekenntnis, dass Dtld. aus seiner historischen Verantwortung gegenüber Israel steht.

Erinnerungskultur ist aber auch der in Aachen verliehene Karlspreis, auch wenn der KdG - von dem das polnische Wort król stammt! - sicherlich befremdet wäre, dass ein Preis für Verdienste um Europa nach ihm, trotz seines informellen "Titels" Pater Europae, gestiftet wurde. Erinnerungskultur hat also auch etwas mit ausblenden zu tun, nämlich dass KdG nicht der nette Pater Europae war, als der ihn womöglich der Angilbert, der Geliebte einer seiner Töchter bezeichnete, sondern ein Kriegsherr.

Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels wird nicht zufällig in der Paulskirche verliehen. Auch hier knüpft der Buchhandel an die Historie an, nämlich an 1848, wenn auch die Frankfurter Buchmesse ihren Anteil daran hat, dass der Preis in der Paulskirche als Ort eines ersten demokratisch gewählten Gesamtdeutschen Parlaments verliehen wird.
 
Ich weiß ja nicht ob (die) gruppeauspolen noch mitliest. Bisher aber ist die Frage nach der Erinnerungskultur vorwiegend individuell beantwortet worden, danach, was den einzelnen Mitgliedern wichtig ist. Nun ist der Begriff der Erinnerungskultur aber einer aus der Geschichtsdidaktik, wenn auch einer, der tatsächlich viel Raum für das Individuum bereitstellt. Dennoch sollten wir vielleicht mal auf die "offizielle" Erinnerungskultur eingehen. Es wurde schon gesagt, dass die NS-Zeit vieles vorherige überschattet, auch was das Interesse (Buchverkäufe, Einschaltquoten) angeht: Sex Hitler sells...

Unser Nationalfeiertag war lange der 17. Juni (bezogen auf 1953) und ist heute der 3. Oktober (bezogen auf 1990). Das war heiß umstritten, manche wollten den 9. November, wegen 1989, vergaßen dabei aber 1923 und 1938.
Auch das ist Erinnerungskultur.
Wenn ein Vertreter der Bundesrepublik Israel besucht (oder auch ein deutscher oder ein polnischer Papst) dann ist Yad wa-Shem gewissermaßen Pflichtprogramm und das Bekenntnis, dass Dtld. aus seiner historischen Verantwortung gegenüber Israel steht.

Erinnerungskultur ist aber auch der in Aachen verliehene Karlspreis, auch wenn der KdG - von dem das polnische Wort król stammt! - sicherlich befremdet wäre, dass ein Preis für Verdienste um Europa nach ihm, trotz seines informellen "Titels" Pater Europae, gestiftet wurde. Erinnerungskultur hat also auch etwas mit ausblenden zu tun, nämlich dass KdG nicht der nette Pater Europae war, als der ihn womöglich der Angilbert, der Geliebte einer seiner Töchter bezeichnete, sondern ein Kriegsherr.

Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels wird nicht zufällig in der Paulskirche verliehen. Auch hier knüpft der Buchhandel an die Historie an, nämlich an 1848, wenn auch die Frankfurter Buchmesse ihren Anteil daran hat, dass der Preis in der Paulskirche als Ort eines ersten demokratisch gewählten Gesamtdeutschen Parlaments verliehen wird.

Dass die Frage nach einer gemeinsamen deutschen Erinnerungskultur so individuell und unterschiedlich ausfällt, hat nicht nur mit Individualität und Regionalität zu tun, sondern auch mit Brüchen in der deutschen Geschichte. "Den" deutschen Nationalfeiertag wie in Frankreich der 14. juli (Bastillesturm 1789) und in den USA der 4. Juli (Independence Day 4. Juli 1776) gibt/gab es in Deutschland in den deutschen Ländern nicht. Ähnlich ist es mit der Nationalhymmne. Da gab es als Variationen "Heil dir im Siegerkranz" nach der Melodie von "God save the King/Queen", die "Wacht am Rhein", dann das Deutschlandlied mit der Melodie der österreichischen Kaiserhymne von Joseph Haydn und dem Text des lange umstrittenen Hoffmann von Fallersleben. In der Nazizeit die Kombination Deutschlandlied/Horst Wessel-Lied als inoffizielle Hymne und schließlich Deutschlandlied_ aber_ nur_ die_dritte_Strophe und in der DDR "Auferstanden aus Ruinen". Im Kaiserreich gab es nach 1871 den Wunsch nach einem Nationalfeiertag. schon damals tat man sich schwer. Es standen zur Disposition der 18. Januar als Tag der Kaiserproklamation (18.01.1871), der aber schon preußischer Gedenktag war, denn am 18. Januar 1701 hatte Friedrich I. sich zum König in Preußen krönen lassen, von dem Ostpreußen außerhalb des Heiligen Römischen Reich lag. König von Preußen nannten sich die Hohenzollern offiziell erst nach der 1. Polnischen Teilung. Im Gespräch war das Datum der Völkerschlacht bei Leipzig, denn man wollte keinen verordneten Gedenktag, einigte sich dann auf Vorschlag für den 2. September (1870), als Napoleon III. bei Sedan geschlagen wurde. Der Sedanstag wurde dann von 1873 an gefeiert, zu einem gesamtdeutschen Feiertag wandelte er sich aber erst unter Wilhelm II. Diese Tradition setzte sich fort, bis zum 1. Weltkrieg.
 
Vielleicht könnte man die Erinnerung an den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Elysee-Vertrag) vom Januar 1963 als offizielle Erinnerungskultur bezeichnen, die wohl bundesweit Bedeutung hat.

Es gibt wohl kaum eine Stadt in Deutschland, die keine französische Partnerstadt hat. Es ist schon zur Gewohnheit geworden, aber eigentlich ist das eine ganz große Sache und nichts Selbstverständliches, wenn man die deutsch-französische Geschichte so betrachtet.
 
Ja stimmt, die 10-€-Münzen sowie die Sonderprägungen der 2-€-Münzen in Dtld. (hist. Bauwerke, Elysse-Vertrag u.a.) sind natürlich auch offizielle Geschichts- und Erinnerungskultur. Auch Briefmarkenserien.
 
Von offizieller Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis sind wir überall umgeben. Von Münzen, Briefmarken über Straßennamen, Gedenkstätten, Denkmäler, Stolpersteine, Infotafeln an Gebäuden, Kirchen und Plätzen. Denkmalschutz für einzelne Gebäude, ganze Ensembles und nicht zuletzt die vielen Museen, die die unterschiedlichsten Fachrichtungen der menschlichen Kulturgeschichte ausstellen und erklären. Gerade Museen und Archive haben die Funktion der Dokumentation der Vergangenheit.

Inwieweit wir dieses kollektive Archiv individuell nutzen, hängt wahrscheinlich von den persönlichen Interessen ab.
Wichtig wäre mir bei der offiziellen Erinnerungskultur eine möglichst große Bandbreite. Eine didaktische Vorauswahl kann in eher autoritären Systemen zumindest problematisch sein.
 
Wobei ich bei den Stolpersteinen echt zwiegespalten bin... Ich schaue sie mir immer, wenn ich sie irgendwo sehe interessiert an, aber ich sehe das ein wenig wie Muhammed Ali mit seinem Stern auf den Hollywood Boulevard: Das ist der einzige Stern, der nicht im Bordstein sondern in eine Wand eingelassen ist, weil Muhammed Ali nicht wollte, dass man auf seinem Namen herumtrampele. Und genau das macht man ja bei den Stolpersteinen.
Nun ist natürlich die Idee der Stolpersteine nicht die, dass man auf den Namen der Opfer herumtrampelt, sondern sie sind erfunden worden, damit man nicht mehr achtlos an den an den ehemaligen Wohnhäusern von Opfern angebrachten Schildern vorbeigeht sondern - durch die plötzliche Veränderung des Untegrundes unterm Fuß aufmerksam wird und liest. Insofern sind die Stolpersteine echt eine interessante Idee. Aber es gibt sie ja mittlerweile seit etlichen Jahren (erstmals aufmerksam wurde ich auf sie 2004, ich weiß nicht, wie lange sie schon vorher existierten) und sie sind in Dtld. weit verbreitet. Irgendwo dürften sie sich mittelerweile auch ähnlich abgenutzt haben, wie die Schilder an Hauswänden, an denen man vor den Stolpersteinen so achtlos vorbeiging.
 
Zitat von Scorpio (#90):
"Dass die Frage nach einer gemeinsamen deutschen Erinnerungskultur so individuell und unterschiedlich ausfällt, hat nicht nur mit Individualität und Regionalität zu tun, sondern auch mit Brüchen in der deutschen Geschichte.“
Für mich treffend und gut formuliert!

Bin aber etwas vorsichtig mit Beispielen.
Ich merkte, Solidarność, Karol Józef Wojtyła, sowie Wojciech Jaruzelski sieht man hier wahrscheinlich nicht in dem Lichte wie es nicht nur ich, sondern viele meiner Bekannten schon damals gesehen haben. Für uns ein ganz wichtiger Meilenstein zum Untergang des real existierenden Sozialismus und insofern Erinnerungskultur im Sinne wie sich Scorpio ausdrückt.

Was rena8 (#93) da schreibt kann ich um „DenkNadel“ ergänzen.

Diese Denknadeln erinnern vor den jeweiligen Wohnhäusern an Erfurterinnen und Erfurter, die von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Bei einigen war ich bei der Einweihung mit dabei.
 
Bin aber etwas vorsichtig mit Beispielen.
Ich merkte, Solidarność, Karol Józef Wojtyła, sowie Wojciech Jaruzelski sieht man hier wahrscheinlich nicht in dem Lichte wie es nicht nur ich, sondern viele meiner Bekannten schon damals gesehen haben. Für uns ein ganz wichtiger Meilenstein zum Untergang des real existierenden Sozialismus und insofern Erinnerungskultur im Sinne wie sich Scorpio ausdrückt.

Nach meiner Erinnerung hatte Solidarnosc im Westen zumeist eine gute Presse, Wojtyla hingegen zumindest ab Mitte der 80er Jahre eine ziemlich schlechte. Man nahm ihm seinen gesellschaftlichen Konservativismus übel. Dass er die Entstehung von Solidarnosc begünstigte, ja vielleicht sogar erst möglich machte, sah man eher nicht und ich habe den Eindruck, der Großteil der Bevölkerung sieht das bis heute nicht. In den 90er Jahren hatte Wojtyla einen so schlechten Ruf, dass man nach meiner Erinnerung anlässlich seines Deutschlandbesuches sogar Claqueure aus dem Ausland holen musste.

Auch auf die Idee, dass Solidarnosc wesentlich zum Untergang des Sozialismus in Ost- und Mitteleuropa beigetragen haben könnte, kam man im Westen Deutschlands nach meinem persönlichen Eindruck damals kaum. Da war eher Gorbatschow der Held, den man "Gorbi" nannte.
 
"Was ist wichtig für die Deutschen?"

...Da war eher Gorbatschow der Held, den man "Gorbi" nannte.

Ein gemeinsamer "Held" immerhin.
Es ist nicht leicht einen solchen für beide Deutschlands finden.
Der letzte vorher war in gewisser Weise der gemeinsame böse Großvater Hitler.

"Die Deutschen" sind nicht einfach zu finden und es wächst nicht einfach das zusammen was nach Willy Brandt "zusammengehört".
Und das ist vielleicht auch gut so.
 
Nach meiner Erinnerung hatte Solidarnosc im Westen zumeist eine gute Presse, Wojtyla hingegen zumindest ab Mitte der 80er Jahre eine ziemlich schlechte. Man nahm ihm seinen gesellschaftlichen Konservativismus übel. Dass er die Entstehung von Solidarnosc begünstigte, ja vielleicht sogar erst möglich machte, sah man eher nicht und ich habe den Eindruck, der Großteil der Bevölkerung sieht das bis heute nicht. In den 90er Jahren hatte Wojtyla einen so schlechten Ruf, dass man nach meiner Erinnerung anlässlich seines Deutschlandbesuches sogar Claqueure aus dem Ausland holen musste.
Das gilt für Dtld. Als ich das erste Mal in Polen war, da konnte ich mich vor Karol Wojtyła kaum retten. Von jedem zweiten Kirchturm grüßte er hinab und auf der Telefonkarte war er auch abgebildet. In Dtld. war er unbeliebt, was aber auch an seiner konservativen Haltung lag.
 
Auch auf die Idee, dass Solidarnosc wesentlich zum Untergang des Sozialismus in Ost- und Mitteleuropa beigetragen haben könnte, kam man im Westen Deutschlands nach meinem persönlichen Eindruck damals kaum. Da war eher Gorbatschow der Held, den man "Gorbi" nannte.

Das hätte ich auch für den Osten Deutschlands behauptet, aber offenbar gibt es da unterschiedliche Erfahrungen und Erinnerungen. Ich war damals auch noch ziemlich jung. Glasnost und Sputnik-Verbot waren ein Thema in meiner Schule, Solidarność als Begriff nicht, höchstens von irgendwelchen Problemen in Polen war die Rede. Ich kann mich noch erinnern, dass wir in der "Grundschule" deswegen Pakete für polnische Kinder packten. Was auch immer das war. In der (Nach-) Wendezeit hatte ich einen Gorbi-Anstecker, einen vom Papst oder von Wałęsa hatte ich nicht.
 
Ein interessanter Beitrag über eine Tagung zum Thema "Schattenorte"

Tagung zu Schattenorten - Wie historisch belastete Städte ihr Image konstruieren

Zitat:
"Weil Geschichtswissenschaft die längste Zeit, bis Mitte des 20. Jahrhunderts definitiv, eine sehr affirmative Geschichtswissenschaft gewesen ist. Eine Geschichtswissenschaft, die vor allen Dingen dazu diente, den Nationalstaat zu legitimieren. Erst in den 70er-, 80er-Jahren, wo eine kritische Geschichtswissenschaft sich Bahn brach, gab es auch eine Aufmerksamkeit für Orte, die nicht zur Legitimation des Nationalstaates dienen, und das ironische an dieser Entwicklung ist, dass wir unsere Identität heute vor allen Dingen aus diesen gebrochenen Orten beziehen. Früher haben diese gebrochenen Orte die Identität eher gestört und heute haben wir eher eine kritische Identität, die genau diese bösen Orte, diese Schattenorte braucht und daraus ihr Selbstverständnis bezieht."
 
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