Niedergang Aiginas - auf Münze dargestellt?

El Quijote

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Man stolpert hin und wieder über die Behauptung, dass die ehemalige griechische Seemacht Aigina ihren Niedergang als Seemacht in ihrer Münprägung dadurch zur Schua stellte, dass sie die Meeresschildkröte auf ihren Münzen durch eine Landschildkröte ersetzte.

Ich habe Probleme, diesen Gedankengang nachzuvollziehen, da Aigina zwar de facto an Status verloren hatte, aber selbst doch wohl am wenigsten Interesse, diesen Statusverlust auch noch öffentlich zu dokumentieren.

Was ist davon zu halten bzw. lässt sich mit Zusatzinformationen meine kognitive Dissonanz auflösen?

Bzw. lassen sich auf den Münzen überhaupt zweifelsfrei Land- und Seeschildkröten unterscheiden?
 
Hier sind einige Beispiele. Die Trennung in Land- und Meeresschildkröten ist nachvollziehbar. Rätselhaft ist das Symbol auf dem Revers, das teils als "Union Jack" apostrophiert wird. Was mir noch unklar ist, ist, wie diese Münzen datiert werden. Bei den Bildern die ich gefunden habe, wirken die Landschildkröten fast ausnahmslos weniger abgegriffen oder besser gearbeitet als die Meeresschildkröten.
 

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Hier sind einige Beispiele. Die Trennung in Land- und Meeresschildkröten ist nachvollziehbar. Rätselhaft ist das Symbol auf dem Revers, das teils als "Union Jack" apostrophiert wird. Was mir noch unklar ist, ist, wie diese Münzen datiert werden. Bei den Bildern die ich gefunden habe, wirken die Landschildkröten fast ausnahmslos weniger abgegriffen oder besser gearbeitet als die Meeresschildkröten.

Les monnaies la tortue d'Egine

Aigina war nicht nur ein weites Imperium, sondern nahm auch eine Entwicklung in der Kunst. In der griechischen Kunst bekannt unter dem Namen Aiginäische Schule. Eine besondere Hinwendung zur künstlerischen Gestaltung der Münzen wurde nicht gesehen. Das Geld blieb ein Mittel für den Handel, ein Produkt der vulgären Industrie, wie die Zollplomben, zum Gebrauch der Händler. Es weckte kein Interesse bei den Künstlern und blieb auf einer einfachen Stufe der Darstellung.

Erst im späteren Verlauf der Münzprägung kamen auch Landschildkröten zur Darstellung. Evtl. ein Einfluß Athens, der die Vorherrschaft Aiginas auf dem Meer zurückdrängen sollte. Kann aber auch sein, daß der einfache Münzmeister das darstellte, was er kannte oder vorfand.

Die Rückseite hatte zu Anfang sogar 8 Dreiecke. Da ging wohl zuviel zu Bruch und wurde mehr und mehr vereinfacht. Es könnte die Flügel einer Windmühle darstellen. Siehe auch hier auf Seite 287:

Le monnayage d'argent d'Égine et le trésor de Hollm (Albanie) 1991 - Persée

Die Münzprägung begann wohl um -550. Um -480 änderte sich die Darstellung und es trat auch „Falschgeld“ auf. Spezielle Stanzungen sollten den Wert des Geldes für Kunden garantieren, Siehe unter "Les contremarques sur les monnaies d'Egine":

Les monnaies la tortue d'Egine
 
Aigina war nie ein "Imperium".

Ein Fehler: Es ging um ein weites Emporium, einen Handelsplatz.


Die Windmühle kam vermutlich erst im Mittelalter - von den Arabern her - in Europa auf.

Es war als eine Möglichkeit der Erklärung erwähnt. Die vier oder fünf Vertiefungen sollen als Gegenstempel fungieren und beim Schlagen die Flucht des Metalls nach den Seiten verhindern. Also eine Figuration aus praktischen Erwägungen.
 
Die Schildkröte als Symbol militärische Macht bei den alten Griechen ist schon eine seltsame Theorie. Man könnte genauso über die imperialen oder emporialen Eulen Athens fabulieren.

Sowohl in Aesops Fabeln "Schildkröte und Hase", "Zeus und die Schildkröte", als auch in Zenons Paradoxon "Achilles und die Schildkröte" steht die Schildkröte für die Langsamkeit. In "Zeus und die Schildkröte" bzw. Chelone wird zusätzlich erklärt, dass die Schildkröte ihr Haus auf dem Rücken trage.

Eine Schildkrötenformation "testudo" ist aus römischer Zeit bekannt - zuerst beschrieben durch Cassius Dio für das Heer des Marc Antons im Kampf mit den Parthern. Daraus kann man aber keineswegs ableiten, dass die Schildkröte schon 4 oder 5 Jahrhunderte zuvor auf Aigina als Metapher für eine Heeresformation herhalten musste, zumal bei den alten Griechen ganz andere Schildformen üblich waren und die Schildkrötenformation von Cassius Dio als originelle Taktik Mac Antons beschrieben wird.
 
Ich glaube nicht, dass die Schildkröte von den Aigineten als Symbol militärischer Macht gemeint war (geschweige denn als Symbol für eine Heeresformation), sondern die ursprüngliche Meeresschildkröte wohl nur als Symbol für eine Seefahrernation.

Die testudo wurde übrigens von den Römern schon früher eingesetzt und erwähnt. Sallust erwähnt sie im Iugurthinischen Krieg (Kap. 94). Die testudo Mark Antons hat lange vor Cassius Dio bereits Plutarch (Antonius 45) beschrieben, wenngleich weit weniger ausführlich.
 
Es war als eine Möglichkeit der Erklärung erwähnt. Die vier oder fünf Vertiefungen sollen als Gegenstempel fungieren und beim Schlagen die Flucht des Metalls nach den Seiten verhindern. Also eine Figuration aus praktischen Erwägungen.
Der "Union Jack" auf der Reversseite ist nicht der Gegenstempel. Gegenstempel kann man auf diesem Exemplar auf dem Schildkrötenpanzer sehen:

SNGDel_1563.jpg

Man könnte genauso über die imperialen oder emporialen Eulen Athens fabulieren.
Athene war die Göttin der Weisheit - war die Eule kein Symbol der Weisheit? Oder ist diese Zuordnung jünger?


Ich glaube nicht, dass die Schildkröte von den Aigineten als Symbol militärischer Macht gemeint war (geschweige denn als Symbol für eine Heeresformation), sondern die ursprüngliche Meeresschildkröte wohl nur als Symbol für eine Seefahrernation.

Womit wir zu meiner eigentlichen Frage zurückkehren: Was ist von der These zu halten, dass der Wechsel der Prägung von der Meeres- zur Landschildkröte den Niedergang Aiginas als Seemacht dokumentiere?

Damit das stimmt, müsste das ja bedeuten, dass die Münzproduktion Aiginas nicht mehr von Aigina sondern beispielsweise von Athen kontrolliert wurde. Aigina hatte ja keinerlei Interesse seinen Niedergang einzugestehen und stärker als nötig publik zu machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Les monnaies la tortue d'Egine

Zitat:

Woher kommt diese Meeresschildkröte auf den Münzen Aiginas? Wir haben gedacht, daß die Häufigkeit dieses Tieres an der Küste Aiginas zur Wahl dieses Tieres als Emblem geführt hat. Aber die Mythographen begnügen sich nicht mit einer so einfachen Erklärung. Sie sagen, die Schildkröte repräsentiert die Wölbung des Himmels und ist ein Symbol für Aphrodite Ourania. Pausanias erzählt von einer chryselephantinen Statue in Olympia der Aphrodite Ourania (Pausanias, VI, 25,2), ein Werk des Phidias, eine Göttin darstellend, die ihren Fuß auf eine Schildkröte setzt. Also ein Attribut der Aphrodite Ourania. Ernest Curtius hat vorgeschlagen, diese Göttin mit der phönizischen Astarde gleichzusetzen, Göttin der maritimen Navigation und des Seehandels (Num. Chron., 1870, S. 103). Man sagt, die Phönizier hätten der Astarde einen Tempel erichtet, der den Markt und den Hafen Aiginas dominierte. E. Curtius geht soweit anzunehmen, daß Phidon seine erste Münzwerkstatt in einem Nebengebäude dieses Tempels der Aphrodite/Astarde errichtet hat.

Wenn diese Aphrodite/Astarte bei der Gestaltung der Münzen mit einer Schildkröte eine Rolle gespielt hat, und wenn die Münzwerkstatt von Aigina sich in ihrem Tempel befand, wie erklärt sich dann, daß niemals in der Folge zu keiner Zeit des Münzwesens Aiginas diese Göttinund ihr Tempel auf den Münzen Erwähnung gefunden hat? Dies ist eine Anomalie und umsomehr als in der Zeit der Römer die Münzen Aiginas auf der reversseite die alten Götter der Insel zeigten. Die Schutzgöttin des geldes und des maritimen Handels konnte nicht vergessen werden.
 
Womit wir zu meiner eigentlichen Frage zurückkehren: Was ist von der These zu halten, dass der Wechsel der Prägung von der Meeres- zur Landschildkröte den Niedergang Aiginas als Seemacht dokumentiere?

Damit das stimmt, müsste das ja bedeuten, dass die Münzproduktion Aiginas nicht mehr von Aigina sondern beispielsweise von Athen kontrolliert wurde. Aigina hatte ja keinerlei Interesse seinen Niedergang einzugestehen und stärker als nötig publik zu machen.

Zitat:
Späte Entwicklung der Schildkrötenmünzen und Bedeutungsverlust Aiginas zugunsten der dominierenden Macht Athens. Nach -480 veränderte sich das Bild der Schildkröte in charakteristischer Weise. Der Panzer des Tieres hörte auf in einer Linie von Punkten gezeichnet zu sein und die Schuppen nahmen eine künstlerische Form an, die der anatomischen Wirklichkeit nahe kam. Das waren die Münzen des Kampfes Aigina gegen Athen. Aigina unterlag und sein Handel, seine Industrie, seine Kunst, sein Geld wurde ruiniert. Zum ersten Mal niedergeschlagen in einer großen Seeschlacht -460, wurden die Aigineten ein zweites mal -456 geschlagen. Aigina mußte sich in das athenische Reich unterordnen und mußte jährlichen Tribut zahlen. Die athenische Flotte übernahm unter Tolmides die Herrschaft über die Küsten des Peleponnes.
 
Die Schildkröte auf ein Attribut der Aphrodite Urania einzuengen, erscheint mir zwar nicht ausgeschlossen, aber doch etwas zu uneindeutig. Die Schildkröte war auch heiliges Tier des Hermes, der aus ihr die erste Lyra anfertigte. Da Hermes auch Gott des Handels war, wäre auch ein Bezug zu ihm nicht abwegig.
Auch sonst spielte die Schildkröte in der Mythologie eine Rolle: Eine Meeresschildkröte fraß die Opfer des (später von Theseus getöteten) Räubers Skiron. Eine Nymphe Chelone wurde von Zeus oder Hermes als Strafe, weil sie nicht zu Zeus' Hochzeit erschien, in eine Schildkröte verwandelt.
Für eine Seemacht erscheint es mir aber ohnehin nicht abwegig, eine Meeresschildkröte als Symbol zu wählen. Dafür muss man gar nicht unbedingt religiöse Bezüge bemühen.

Dass die Athener mit dem Wechsel des Schildkrötensymbols zu tun hatten, halte ich für durchaus möglich, wenngleich wohl unbelegbar. Immerhin war die Niederlage Aiginas gegen Athen ziemlich deutlich: Die Polis musste ihre Schiffe ausliefern, ihre Mauern einreißen, dem Attischen Seebund beitreten und natürlich Tribut zahlen. Da erscheint es mir nicht so abwegig, dass sich Athen auch in die Münzsymbolik einmengte, um den ehemaligen Gegner zu demütigen.
 
Wenn hinter den Schildkröten Aiginas eine ähnliche Tiersymbolik steckt wie hinter der Eule Athenas, so sollte man nach den lokalen Schutzgottheiten Aiginas fragen.
Nahe liegen hier natürlich die namensgebende Nymphe Aigina und die lokale Fruchtbargeitsgöttion Aphaia, die ausgerechnet mit Athena gleichgesetzt wird.
 
Einen direkten religiösen bzw. mythischen Bezug zwischen der Insel Aigina und einer Schildkröte kann ich nicht finden. Die Myrmidonen sollen ursprünglich aus Aigina stammen und aus Ameisen in Menschen verwandelt worden sein. Zeus soll die Nymphe Aigina in Gestalt eines Adlers entführt haben. Die eifersüchtige Hera soll die Insel mit einer Schlange heimgesucht haben.
 
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