„Die Lösung der sozialen Frage heißt nicht Gleichheit, wohl aber Brüderlichkeit.“ (Ju

lonelydoctors

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Hallo!

Kann mir vielleicht jemand dieses Zitat von Julius Langbehn im Zusammenhang mit der sozialen Frage während der Industriellen Revolution beantworten?

„Die Lösung der sozialen Frage heißt nicht Gleichheit, wohl aber Brüderlichkeit.“ (Julius Langbehn)

Mfg, lonelydoctors
 
Langbehn wird als Vertreter einer deutschnationalen antisemitischen Ideologie in der Literatur dargestellt (vgl. Evans: The coming of the Third Reich)

Von Payne (Payne: A History of Fascism) wird er zudem, ähnlich wie Lagarde, als Propagandist völkischer Ideen dargestellt (Kap. 2: Radical and Authoritarian Nationalism in Late Nineteenth Century Europ)

Zur Einschätzung der ideologischen deutschnationalen Vorläufer der NS-Ideologie schreibt beispielsweise Evans (Kapitel: Gospels of Hate):

"A key role in this process was played by antisemitic writers like the popular writer J. Langbehn, whose book "Rembrandt als Erzieher" (1890) declared the Dutch artist ...to be a classic north German racial type, and pleaded for German art to return to its racial roots, a racial imperative that would later be taken up with great enthusiasm by the Nazis. These authors developed a new language of vehemence and violence in their diatribes against jews." (Pos. 1011)

Insgesamt vertritt die "Philosophie" von Langbehn - so sah er wohl das was er tat selber - eine antimodernistische Sicht.

Die "Brüderlichkeit" entspringt einem nationalistischen völkischen Verständnis von Staat und Gesellschaft, das sich ähnlich wie eine antimodernistische Sicht in der Ideologie von Strasser verhält und ist eher der "Ständegesellschaft" verhaftet (vgl. dazu beispielsweise R. Bavaj: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus)

Eine Beschäftigung mit Langbehn kann somit unter zwei Aspekten erfolgen. Zum einen um die ideengeschichtlichen Wurzeln der NS-Ideologie besser zu verstehen und kritisch einzuschätzen(vgl. dazu beispielsweise Eley: Rehaping the German Right oder auch Breuer: Die radikale Rechte in Deutschland 1871-1945). Und es waren viele Aspekte, die von der deutschnationalen Ideologie in die NS-Ideologie übernommen werden konnten, aber es gab auch divergierende Bewertungen.

Andererseits ist es wohl kein Zufall, dass die Sichten von "Philosophen" wie Langbehn in bestimmten Kreisen wieder zunehmend Konjunktur haben. Es ist wohl der Versuch, diese Denkweise bekannt bzw. populär zu machen und diese "Ideen" in den politischen Diskurs zu implementieren. Diese deutschnationalen Sichten haben den Vorteil, ein "ideologisches Gerüst" bereitzustellen, dass unabhängig von der nicht mehr konsensfähigen NS-Ideologie in der Neo-Rechten diskutierbar zu sein.

Soviel zum Kontext der "Brüderlichkeit" bei Langbehn, auf die Schnelle.

OT: Unabhängig davon ergeben sich rein logisch keine Widersprüche zwischen "Gleichheit" und "Brüderlichkeit". Vielmehr sind es sich ergänzende Konzepte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit,_Gleichheit,_Br%C3%BCderlichkeit
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer sich ein wenig ausführlicher mit Langbehn beschäftigen möchte, sei auf die Darstellung bei Stern verwiesen.

Würde man sagen, Langbehn war ein schwieriger und exzentrischer Zeitgenösse, wäre es wohl fast eine Untertreibung.

https://books.google.de/books?id=BIi9FQALr_oC&printsec=frontcover&dq=fritz+stern&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=fritz%20stern&f=false

Dennoch ist seine Biographie sicherlich interessant für das Verständnis des geistigen Klimas vor dem WW1 und dem teilweise in der Bourgeoisie vorhandenen Nihilismus, wie auch bei Tuchman im "Stolzen Turm" so zutreffend beschrieben oder auch bei Piper in "Nacht über Europa".
 
Zuletzt bearbeitet:
Die "Brüderlichkeit" entspringt einem nationalistischen völkischen Verständnis von Staat und Gesellschaft, das sich ähnlich wie eine antimodernistische Sicht in der Ideologie von Strasser verhält und ist eher der "Ständegesellschaft" verhaftet (vgl. dazu beispielsweise R. Bavaj: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus)
(...)
OT: Unabhängig davon ergeben sich rein logisch keine Widersprüche zwischen "Gleichheit" und "Brüderlichkeit". Vielmehr sind es sich ergänzende Konzepte.
Denke nicht, dass das OT ist. Als Ergänzung:
Die Gegenüberstellung von Gleichheit und Brüderlichkeit verweist offensichtlich auf die Leitideen der französischen Revolution: "Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit." Langbehn hebt diesen Dreiklang auf und überlässt die "Lösung" der sozialen Frage dem Terminus, der auch auf vorrevolutionäre oder reaktionäre Gesellschaftsvorstellungen anwendbar ist. Und wer von dieser "Brüderlichkeit" profitieren soll wäre auch noch zu überprüfen; wenns nur die eigene "Volks- und Rassengemeinschaft" ist...
 
Die Gegenüberstellung von Gleichheit und Brüderlichkeit verweist offensichtlich auf die Leitideen der französischen Revolution: "Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit." Langbehn hebt diesen Dreiklang auf und überlässt die "Lösung" der sozialen Frage dem Terminus, der auch auf vorrevolutionäre oder reaktionäre Gesellschaftsvorstellungen anwendbar ist. Und wer von dieser "Brüderlichkeit" profitieren soll wäre auch noch zu überprüfen; wenns nur die eigene "Volks- und Rassengemeinschaft" ist...

Da hast Du einen sehr zentralen Punkt angesprochen. In Anlehnung an Jansen und Borggräfe muss die Französiche Revolution und vor allem auch Napoleon bzw. die Befreiungskriege als ein zentraler Bezugspunkt für die deutsche Ideengeschichte angesehen werden.

Sie argumentieren, dass die deutschen Intellektuellen, die am Ende des 18. Jahrhunderts gezielt das deutsche Nationalbewußtsein stärken wollten, auf die gemeinsame Sprache - und die damit vermittelten kuturellen Werte - als die einzige Gemeinsamkeit aufbauen konnten.

Somit stützte sich der frühe deutsche Nationalismus - wie auch von Lepsius gezeigt - auf die sprachlich vermittelte und damit primär ethnisch fundierte Nation.

Dieses wurde verstärkt dadurch, so Jansen und Borggräfe, dass die Idee des deutschen Nationalismus zuerst während der napoleonischen Befreiungskriege auf Resonanz stieß.

Und diese politischen Rahmenbedingungen wirkten sich massiv auf die deutsche Ideengeschichte aus: "Die napoleonische Fremdherrschaft, die sich das universalistische Programm der Französichen Revolution an die Fahnen geheftet hatte, verstärkte antiuniversalistische Tendenzen im deutschen Nationalbewußsein" und Jansen und Borggräfe führen fort: "Die Annahmen eines je eigenen "Nationslcharakters", dem folgend jede Nation ihren spezifischen Weg zu Freiheit und Selbstbestimmung finden müsse und der gegen die Übernahme der politischen Ideen einer fremden Nation - etwa aus Frankreich - sprach, wurde zum Paradigma der deutschen nationalistischen Geschichtsteologie" (ebd. Pos. 451)

Das ist auch der Hintergrund für die Sichtweise bzw. die Ablehnung von Langbehn auf die universalistischen Konzepte der Französischen bzw. auch der Amerikanischen Revolution, deren Wertvorstellungen dann ihren Weg auch in die Formulierung der Menschenrechte gefunden hatte, wie die UN sie heute versteht.

Die Konsequenzen aus der "Erbfeindschaft" zu Frankreich ist sicherlich ein Strang der historischen Entwicklung, der die separate Entwicklung der deutschen Nation nach 1815 bzw. des Deutschen Reichs nach 1871 erklären kann.

https://books.google.de/books?id=RyRxAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=nation+nationalit%C3%A4t+Nationalismus&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=nation%20nationalit%C3%A4t%20Nationalismus&f=false
 
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