Augustus - Welche Kompetenzen hat er tatsächlich?

Laura123

Mitglied
Hallo Leute!

Augustus wurden ja vom Senat verschiedene Kompetenzen/Befehlsgewalten übertragen.

- konsularische Befehlsgewalt: daher hat er den Oberbefehl über das Heer
- zensorische Befehlsgewalt: daher kann er den Senat kontrollieren
- volkstribunizische Befehlsgewalt: daher kann er die Magistrate kontrollieren

Soweit alles klar. Aber Augustus verfügte doch auch über die Staatskasse. Das war doch in der Republik die Aufgabe der Quästoren. Warum steht denn aber in der Literatur nie, dass Augustus nun auch eine quästoriale Befehlsgewalt hat.


Kann mir wer weiterhelfen?
Vielen Dank im Voraus für eure Antworten!!

Laura
 
Er verfügte nicht über die Staatskasse - die traditionelle Kasse der res publica, das Aerarium Saturni, wurde weiterhin vom Senat (und seinen Quästoren) verwaltet und aus den "senatorischen" Provinzen gespeist. Aber:

1. hatte Augustus zwei eigene Staatskassen: den Fiscus, in den die Steuereinnahmen der "kaiserlichen" Provinzen flossen, und das Aerarium militare. Letzteres wurde zwar eigentlich vom Senat und vom Kaiser gemeinsam verwaltet, aber der Kaiser konnte auch dies mit der Zeit an sich zu reißen.

2. wurde das Aerarium bald zwei Prätoren, später dann zwei Präfekten des Kaisers untergeordnet. Damit geriegt auch das Aerarium unter kaiserliche Kontrolle.

https://de.wikipedia.org/wiki/Aerarium
 
- konsularische Befehlsgewalt: daher hat er den Oberbefehl über das Heer

Nein, damit konnte er auch innerhalb Italiens regieren und ggf. in einer senatorischen Provinz intervenieren, und nicht nur in Rom selbst und seinen Provinzen. Der Oberbefehl über das Heer kommt durch das Imperium Proconsulare und die Tatsache, daß fast alle Armeen in kaiserlichen Provinzen standen.

- zensorische Befehlsgewalt: daher kann er den Senat kontrollieren

Ich meine die Censoria Potestas hatte er nur temporär. Dazu kam aber die Cura Morum mit ähnlichem Fokus. Den Senat kontrollierte er eigentlich mit dem Imperium Consulare und der Tribunicitas Potestas, was ihm erlaubte Gesetzesvorlagen in Senat und Volksversammlung einzubringen und alle Magistrate zu blockieren.

Wichtiger war aber noch das Recht, Kandidaten des Kaisers für die Magistrate zu bestimmen und eine direkte Adlectio in den Senat vorzunehmen. Damit konnte er sich langfristig eine loyale Mehrheit im Senat sichern, und die kaiserliche Familie und seinen Palast zum Dreh- und Angelpunkt jeder höheren Karriere machen.

- volkstribunizische Befehlsgewalt: daher kann er die Magistrate kontrollieren

Das war zwar das wichtigste aller Rechte, aber einen anderen Magistraten, hätte er auch mit dem Imperium Consulare blockieren können. Zeitweise regierte Augustus nur mit der Tribunicitas Potestas und seinem Imperium Proconsulare, daß aber in Rom allenfalls als verdeckte, wenn auch ultimative Drohkulisse taugte. Diese Potestas umfasst weit mehr als nur Magistrate blockeren (siehe oben).
 
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- konsularische Befehlsgewalt: daher hat er den Oberbefehl über das Heer

Nein, damit konnte er auch innerhalb Italiens regieren und ggf. in einer senatorischen Provinz intervenieren, und nicht nur in Rom selbst und seinen Provinzen. Der Oberbefehl über das Heer kommt durch das Imperium Proconsulare und die Tatsache, daß fast alle Armeen in kaiserlichen Provinzen standen.

Das sehe ich etwas anders. Für die Zeit bis 23 v. Chr., als er jährlich das Konsulat bekleidete, stimmt das schon. Aber danach hatte er nur noch das Imperium proconsulare, und das war durchaus keine Möglichkeit, in Italien zu regieren, da Italien bis Diokletian keine Provinz war.

Das Imperium Consulare erhielt er erst im Jahr 19 v. Chr., auf Lebenszeit. Ab da konnte er auch legal, ganz offen in Italien regieren.[/QUOTE]

- zensorische Befehlsgewalt: daher kann er den Senat kontrollieren

Ich meine die Censoria Potestas hatte er nur temporär. Dazu kam aber die Cura Morum mit ähnlichem Fokus. Den Senat kontrollierte er eigentlich mit dem Imperium Consulare und der Tribunicitas Potestas, was ihm erlaubte Gesetzesvorlagen in Senat und Volksversammlung einzubringen und alle Magistrate zu blockieren.

Tatsächlich hatte er die zensorische Gewalt nur zeitweise - was die Cura morum angeht, so schreibt Cassius Dio (LIV, 10), er habe sie zusammen mit der Cura morum et legum erhalten, aber Augustus bestreitet dieses Amt je angenommen zu haben. Möglicherweise irrt sich Cassius hier.
 
Das sehe ich etwas anders. Für die Zeit bis 23 v. Chr., als er jährlich das Konsulat bekleidete, stimmt das schon. Aber danach hatte er nur noch das Imperium proconsulare, und das war durchaus keine Möglichkeit, in Italien zu regieren, da Italien bis Diokletian keine Provinz war.

Das Imperium Consulare erhielt er erst im Jahr 19 v. Chr., auf Lebenszeit. Ab da konnte er auch legal, ganz offen in Italien regieren.

Da widerspreche ich dir nicht. Ich denke, du hast mich da falsch verstanden.

Ich hatte den OP dahingehend berichtigt, daß das imperium consulare eben nicht die Kontrolle über das Heer ermöglichte. Seit Sulla führten die Konsule keine Heere mehr. Dafür war das imperium proconsulare zuständig. Das imperium consulare ermöglichte ihm dann auch außerhalb von Rom in Italien umfassend tätig zu werden.

Ich hatte auch erwähnt, daß Augustus zeitweise nur mit seiner tribunicitas potestas und dem ultimativen imperium proconsulare im Hintergrund regierte. Dazu kamen allerdings noch zwei entscheidende Machtfaktoren, die gerne vernachlässigt werden. Das patrimonium casaris und die familia casaris mit all ihren Klienten.

Das imperium consulare wäre eigentlich das am ehesten verzichtbare imperium gewesen. Obwohl es natürlich die Allmacht des Princeps abrundete.

PS: zur Cura Morum: seine Gesetzgebung zu Ehe und Familie hat schon sehr viel mit Mores zu tun. Natürlich benötigte er dazu nicht zwingend eine Cura morum. Im Zweifelsfall reicht da einfach die allgegenwärtige Auctoritas.
 
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Seit Sulla führten die Konsule keine Heere mehr.
Besser gesagt, es wurde unüblich, kam aber noch vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
72 v. Chr. führten die amtierenden Konsuln Lucius Gellius Publicola und Gnaeus Cornelius Lentulus Clodianus Heere gegen Spartacus und Crixus.
Der Konsul Gaius Antonius Hybrida war noch im Amt, als er Ende 63 v. Chr. das Kommando gegen die Armee des Catilina übernahm. Zur Schlacht kam es dann allerdings erst 62.
60 v. Chr. beschloss der Senat, dass die beiden amtierenden Konsuln das Kommando gegen die Helvetier übernehmen sollten. (Daraus wurde dann allerdings anscheinend nichts.)
43 v. Chr. kämpften die amtierenden Konsuln Gaius Vibius Pansa und Aulus Hirtius gegen Marcus Antonius.
 
Besser gesagt, es wurde unüblich, kam aber noch vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
72 v. Chr. führten die amtierenden Konsuln Lucius Gellius Publicola und Gnaeus Cornelius Lentulus Clodianus Heere gegen Spartacus und Crixus.
Der Konsul Gaius Antonius Hybrida war noch im Amt, als er Ende 63 v. Chr. das Kommando gegen die Armee des Catilina übernahm. Zur Schlacht kam es dann allerdings erst 62.
60 v. Chr. beschloss der Senat, dass die beiden amtierenden Konsuln das Kommando gegen die Helvetier übernehmen sollten. (Daraus wurde dann allerdings anscheinend nichts.)
43 v. Chr. kämpften die amtierenden Konsuln Gaius Vibius Pansa und Aulus Hirtius gegen Marcus Antonius.

Das waren aber außerordentliche Situationen - in zwei Fällen Bürgerkriege, in einem Fall ein Sklavenaufstand. Reguläre Kommandos der Consuln über Legionen kamen nicht mehr vor, auch weil die Legionen meist in den Provinzen stationiert und damit unter dem Imperium der Proconsuln.

Trotzdem richtete Augustus später die Prätorianische Garde ein, die ja streng genommen unter dem Befehl der Consuln gestanden hätten, hätte Augustus nicht das Imperium Consulare besessen um sie führen.

Ich denke aber, dass alle Fragen nach Imperium, Tribunicia Potestas und Cura Morum letztendlich nur Fragen nach dem legalen Überbau des Prinzipats sind - Überbau, der dazu diente, die republikanische Fassade des Konstrukts aufrechtzuerhalten und so den Senatorischen Orden für das Kaiserreich zu gewinnen.

Der Unterbau der Herrschaft des "Privatmannes" Augustus Caesar Imperator war aber das Erbe Cäsars und der Bürgerkriege - also vor allem das Vermögen Cäsars, das Augustus weiter ausbaute, und die Loyalität der Legionäre, die mit dem Sold und der Pension gewonnen wurde. Das heißt zwar nicht, dass der Prinzipat eine Militärdiktatur war, aber der Einsatz von Truppen gegen potentiellen republikanischen Widerstand drohte ständig im Hintergrund jeder Regierungshandlung des Princeps.

Die beste Antwort auf die Lauras Frage muss also sein: Augustus hatte faktisch alle Kompetenzen. Die, die er dem Gesetz nach nicht hatte, konnte ihm dennoch niemand ernsthaft verwehren. Jede Art des Widerstands gegen den Willen des Kaiser konnte durch die Prätorianergarde und in letzter Konsequenz auch durch die Legionen niedergeschlagen werden.

Das zeigte sich während der Reichskrise des 3. Jahrhunderts, als spätestens ab Diokletian die meisten legalistischen und republikanischen Formen aufgegeben und zu einer konsequenten, religiös legitimierten Monarchie übergegangen wurde. In diesem System musste der Kaiser die Natur und das Ausmaß seiner Macht nicht mehr verstecken, was frühere Historiker mit dem Begriff Dominat auf den Punkt brachten.
 
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Trotzdem richtete Augustus später die Prätorianische Garde ein, die ja streng genommen unter dem Befehl der Consuln gestanden hätten, hätte Augustus nicht das Imperium Consulare besessen um sie führen.

Interessante Fragestellung, das müsste man mal näher recherchieren. Offiziell waren die Prätorianer ja nur die übliche Cohors Praetoria eines Prokonsuls. Nur mit dem Unterschied, daß der Prokonsul Augustus sein Imperium nach einem Sondergesetz nicht verlor, wenn er das Pomerium betrat. Und daß er gleich 9 dieser Kohorten hatte. Interessant, daß er aber nur deswegen auch Truppen mit sich führen durfte. Obwohl, seit Caesar den Rubicon überschritt, waren eigentlich ständig irgendwelche Truppen in Italien unterwegs.

Mir fällt noch eine abwegige Folge eines fehlenden Imperium Consulare ein. Ein lebensmüder Consul hätte auf die Idee kommen können, etwa in die Provinz Syria zu reisen. Sobald er syrischen Boden betritt, erlischt das Imperium des dortigen Prokonsuls (Augustus) und das höhere Imperium des Konsuls tritt sofort in Kraft. Womit dieser Konsul den Oberbefehl über den Exercitus Syriae gehabt hätte. Theoretisch .... :scheinheilig:
 
Interessante Fragestellung, das müsste man mal näher recherchieren. Offiziell waren die Prätorianer ja nur die übliche Cohors Praetoria eines Prokonsuls. Nur mit dem Unterschied, daß der Prokonsul Augustus sein Imperium nach einem Sondergesetz nicht verlor, wenn er das Pomerium betrat. Und daß er gleich 9 dieser Kohorten hatte. Interessant, daß er aber nur deswegen auch Truppen mit sich führen durfte.

Ich finde zu diesem Thema jetzt nicht direkt etwas, wüsste aber auch nicht genau wo die Recherche beginnen sollte. Habe bisher nur bei Suetonius und Cassius Dio nachgeschaut, dort steht zwar was zur Garde aber nicht, mit welchem Recht Augustus diese Garde unterhielt.

Mir fällt noch eine abwegige Folge eines fehlenden Imperium Consulare ein. Ein lebensmüder Consul hätte auf die Idee kommen können, etwa in die Provinz Syria zu reisen. Sobald er syrischen Boden betritt, erlischt das Imperium des dortigen Prokonsuls (Augustus) und das höhere Imperium des Konsuls tritt sofort in Kraft. Womit dieser Konsul den Oberbefehl über den Exercitus Syriae gehabt hätte. Theoretisch .... :scheinheilig:

Inwiefern hatte ein Proconsul ein niedrigeres Imperium als ein Consul? Ein Praetor hatte ein niedrigeres Imperium als ein Consul, ja, aber ein Proconsul zeichnete sich ja gerade dadurch aus, dass er das Imperium eines Consuls anstelle eines regulären Consuls für eine Provincia außerhalb Italiens besitzt.

Das einzige der Imperia, das über den consularischen stand, war das des Augustus, das ihm 23 v. Chr. verliehen worden war, und nicht nur auch innerhalb des Pomoeriums bestehen blieb, sondern auch dem der Provinzgouverneure übergeordnet war.
 
Kleiner Nachtrag: Das juristische Gedankenspiel mit dem übermütigen, aber innerhalb der Grenzen des Rechts handelnden Consuls ist aus dem Grunde illegal, dass es Senatoren verboten war, ohne Genehmigung des Augustus Italien, Sizilien und die Provincia zu verlassen (Cassius Dio, 52,42) - ein Ausflug nach Syrien war also wohl nicht drin.
 
Inwiefern hatte ein Proconsul ein niedrigeres Imperium als ein Consul?

Das ist zumindest mein Kenntnisstand. Das Imperium eines Prokonsuls ruht, wenn ein Konsul die Provinz betritt. Frag mich jetzt aber nicht, wo genau ich das gelesen habe.

Ich meine diese Regel stammt noch aus der früheren Republik, als es noch gar keine Provinzen gab. Dennoch kam es vor, daß ein Konsul im Feld bleiben musste, obwohl seine Amtszeit abgelaufen war. Jetzt führte er die Armee als Prokonsul. Und zwar genau so lange, bis der Konsul eintraf. Juristisch gesehen ist also die einzige Existenzberechtigung eines Prokonsuls die, daß kein Konsul verfügbar ist. Das Gesetz wurde später sinnlos, war aber wohl noch in Kraft.
 
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Agricola schrieb:
Interessante Fragestellung, das müsste man mal näher recherchieren. Offiziell waren die Prätorianer ja nur die übliche Cohors Praetoria eines Prokonsuls. Nur mit dem Unterschied, daß der Prokonsul Augustus sein Imperium nach einem Sondergesetz nicht verlor, wenn er das Pomerium betrat. Und daß er gleich 9 dieser Kohorten hatte. Interessant, daß er aber nur deswegen auch Truppen mit sich führen durfte.

Ich kenne mich nicht so gut aus wie ihr, aber: Wurde sowas rechtlich denn damals überhaupt streng hinterfragt? Die Garde ist nun mal Werkzeug zur Einschüchterung und Machtstabilisation gewesen und hat sich in dieser vorteilhaften - vor allem im weiterem Verlauf des Prinzipats schockierend einflussreichen - Position sicherlich gefallen. Vor dem Volk haben sich die principes ohnehin symbolisch immer wieder (z. B. Tiberius auf der Beerdigung Augustus') als deren unanfechtbare, oberste Führer präsentiert.

wo wir wieder hier wären:
Romanus00I schrieb:
Jede Art des Widerstands gegen den Willen des Kaiser konnte durch die Prätorianergarde und in letzter Konsequenz auch durch die Legionen niedergeschlagen werden.

Übrigens gibt es ohnehin wenig umfassende, zeitnahe Quellen zur ersten prinzipalen Herrschaft. Und vielleicht sollten die mangelnden Informationen zur Handhabung der Prätorianergarde möglicherweise ein Bestreben des Augustus zeigen, deren Rolle im Staat herunterzuspielen. So konnte die Transformation stillschweigend geschehen.
 
Ich kenne mich nicht so gut aus wie ihr, aber: Wurde sowas rechtlich denn damals überhaupt streng hinterfragt? Die Garde ist nun mal Werkzeug zur Einschüchterung und Machtstabilisation gewesen und hat sich in dieser vorteilhaften - vor allem im weiterem Verlauf des Prinzipats schockierend einflussreichen - Position sicherlich gefallen.

Ich denke die Römer als Begründer des Rechts der westlichen (und heute fast der gesamten Welt) haben fast alles hinterfragt, warum sollten sie es auch nicht tun. Du musst dir nur ansehen, mit welchem Eifer noch während des Prinzipats die spanischen Stadtgesetze formuliert waren, da stimmte jedes Wort, es gab kaum Spielraum für Interpretationen; jedem Römer war klar, dass der Kaiser ein Autokrator war, aber ein Autokrator, der seine Macht mit äußerster Sorgfalt legal absicherte.

wo wir wieder hier wären:

Die, die er dem Gesetz nach nicht hatte, konnte ihm dennoch niemand ernsthaft verwehren. Jede Art des Widerstands gegen den Willen des Kaiser konnte durch die Prätorianergarde und in letzter Konsequenz auch durch die Legionen niedergeschlagen werden.

Vollkommen richtig, aber gerade die Herrscher des Principats taten ja alles, um ihre Herrschaft legal abzusichern. Augustus wird die Prätorianergarde, die Stadtkohorten und die Feuerwehr Roms deshalb sicher nicht unterhalten haben, ohne zumindest den Senat, wahrscheinlich aber sogar das Volk um Erlaubnis zu bitten. Vielleicht hat man ihm mit seinem Imperium die Befugnis übertragen, innerhalb der Stadt bewaffnete Truppen zu führen. Das ist jetzt aber alles Spekulation.

Übrigens gibt es ohnehin wenig umfassende, zeitnahe Quellen zur ersten prinzipalen Herrschaft.

Die ersten römischen Kaiser haben sich auch bemüht, die damalige eher kritische und republikanische Geschichtsschreibung zu unterdrücken. Mit Erfolg: Keines der großen frühen Werke hat bis heute überlebt. Aber auch die Vernichtung der Bücher erfolgte auf Grund eines Senatsbeschlusses.

Und vielleicht sollten die mangelnden Informationen zur Handhabung der Prätorianergarde möglicherweise ein Bestreben des Augustus zeigen, deren Rolle im Staat herunterzuspielen. So konnte die Transformation stillschweigend geschehen.

Ich frage mich sowieso inwiefern z. B. Cassius Dio wirklich den Durchblick über die Ereignisse hatte. Natürlich kannte er die Gesetze und die Verfassungswirklichkeit seiner Zeit, er war immerhin zweimal Consul. Aber selbst in Fachbüchern entdeckt man immer wieder sachliche Fehler, wenn es z. B. um Staatsrecht Napoleons geht. Ob Autoren wirklich den Zustand vor 200 Jahren fehlerfrei beschreiben können ist deshalb fraglich.

Vor dem Volk haben sich die principes ohnehin symbolisch immer wieder (z. B. Tiberius auf der Beerdigung Augustus') als deren unanfechtbare, oberste Führer präsentiert.

Da machst du wiederum ein anderes Fass auf, dass der Ideologie und der Selbstdarstellung der Imperatoren. Interessanterweise haben sich noch die Byzantinischen Kaiser neben ihrer Krönung durch den Patriarchen und der Wahl/Ausrufung durch Senat und Heer vom Volk im Hippodrom akklamieren lassen; es gab zwar keine formelle Verleihung von Amtsbefugnissen an den Kaiser durch eine Lex mehr, aber trotzdem war Kaiser nur, wer vom Volk bestätigt worden war.

Das verrät sehr viel über die Denkmuster der Römer (und Byzantiner): Im Gegensatz zu vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Monarchien Westeuropas, in dem der Herrscher durch seine Geburt ein "Anrecht" auf den Thron erhielt, finden sich in der römischen Kaiserzeit immer wieder klare Bezüge zu einem Konzept der "Volkssouveränität" (der Begriff ist natürlich anachronistisch).

Das heißt, dass du zwar einerseits Recht hast - die Kaiser präsentierten sich dem Volk als oberste Führer, und das Volk wird diese Führerschaft auch so empfunden haben. Aber unanfechtbar waren sie sicher nicht - sobald ein "besserer" Kandidat (sprich: meist ein stärkerer) auftrat, hatte der amtierende Kaiser seine Ansprüche auf den Thron verwirkt und musste mehr oder weniger gewaltsam abtreten, bevor Heer, Senat und Volk den neuen Kaiser inthronisierten.
 
Ich frage mich sowieso inwiefern z. B. Cassius Dio wirklich den Durchblick über die Ereignisse hatte. Natürlich kannte er die Gesetze und die Verfassungswirklichkeit seiner Zeit, er war immerhin zweimal Consul. Aber selbst in Fachbüchern entdeckt man immer wieder sachliche Fehler, wenn es z. B. um Staatsrecht Napoleons geht. Ob Autoren wirklich den Zustand vor 200 Jahren fehlerfrei beschreiben können ist deshalb fraglich.

Das bezweifele ich allerdings auch. Zudem kann man von tendenziöser Färbung ausgehen. Cassius Dio war immerhin Senator unter Commodus. Gerade die Senatorenschicht litt unter dem Kaiser in ihrer traditionellen Rolle und wurde sukzessive ihrer Einflussmöglichkeiten beraubt. Als Opfer dieser Repression wird Dio seine Erzählungen entsprechend gestaltet haben, die – wie z.B. jene zu Nero – durchaus Übertreibungen enthalten konnten.

Das heißt, dass du zwar einerseits Recht hast - die Kaiser präsentierten sich dem Volk als oberste Führer, und das Volk wird diese Führerschaft auch so empfunden haben. Aber unanfechtbar waren sie sicher nicht - sobald ein "besserer" Kandidat (sprich: meist ein stärkerer) auftrat, hatte der amtierende Kaiser seine Ansprüche auf den Thron verwirkt und musste mehr oder weniger gewaltsam abtreten, bevor Heer, Senat und Volk den neuen Kaiser inthronisierten.
Und gerade bei der In- und Enthronisierungen von principes waren die Prätorianer diverse Male nicht unwesentlich beteiligt. Man schaue nur mal auf die "Tyrannen" Caligula, Nero und Commodus. Aber das nur am Rande...
 
Die beste Antwort auf die Lauras Frage muss also sein: Augustus hatte faktisch alle Kompetenzen. Die, die er dem Gesetz nach nicht hatte, konnte ihm dennoch niemand ernsthaft verwehren.

Das sehe ich anders und will es mal an ein paar Beispielen darlegen.

Staatskrise 23 v.Chr.:
Der Auslöser war, dass sich enge Vertraute und Freunde des Augustus gegen ihn stellten, eben weil er seine Kompetenzen überschritt. Stichwort: Der Prozess gegen Marcus Primus. Primus wurde angeklagt, als Prokonsul von Macedonia unerlaubt Krieg gegen die Odrysen geführt zu haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er es mit Einverständnis des Augustus getan hatte. Der aber leugnete alles Wissen von dieser Aktion und ließ Primus eiskalt fallen. Und jetzt kommt etwas, was sehr bemerkenswert ist. Primus' Prozessverteidiger war der enge Augustusfreund Varro Murena, der zu jener Zeit auch als Konsul amtierte. Murena war wegen des Primusprozesses nun dermaßen aufgebracht, dass er einen Putsch gegen Augustus vom Zaun brach. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich den schlagartigen Wechsel von Freundschaft zu Todfeindschaft zu erklären: Murena wusste, dass Augustus gelogen hatte. Also koennen wir resümieren, dass es mit der Entscheidungsgewalt des Augustus, in diesem Falle Krieg gegen die Odrysen, nicht hoch gestellt war. Wer hätte beispielsweise den Gefolgsleuten des Trajan den Prozess gemacht, weil sie gegen die Daker 101 ins Feld gezogen waren?

aerarium militare:
Die Kasse diente zur Versorgung der ausgeschiedenen Soldaten. Gegründet 6 n.Chr. sollte sie aus zwei neu geschaffenenen Steuern (die 1%-Verkaufs- und die 5%-Erbschaftssteuer) gespeist werden. Augustus stifte lediglich für diese Kasse einmalig 170 Mio. HS. Nun war es so, dass der Princeps VORHER sich um diese Angelegenheit immer mit seinem eigenen Geld gekümmert hatte (Stichwort Landkauf für die Veteranen, was ihn bspw. 7-2 v.Chr. das hübsche Sümmchen von fast einer halben Milliarde (!) Sesterzen kostete.
Da nun das aerarium militare aus Steuern finanziert wurde, kann Augustus unmöglich die alleinige Verfügungsgewalt darüber gehabt haben und hat damit seine eigene machtpolitische Patronatsstellung gegenüber dem Heer geschwächt, weil eben die Veteranen nicht mehr aus Augustus' "eigener Tasche" abgefunden wurden.

Soweit mir bekannt ist, gab es unter Augustus das aerarium (also die Staatskasse, Vefügungsgewalt hatte der Senat) und das patrimonium (Vefügungsgewalt hatte Augustus). Das muss wohl mehr oder minder klar abgetrennt gewesen sein, aber das lässt sich nie mehr eindeutig feststellen. Seit Galba gabs eine "dritte" Kasse: das privatum patrimonium (Privatvermögen des jeweiligen Kaisers), die sich wiederum klar vom patrmonium abgrenzte, weil aus ihr bspw. ausschließlich die privaten Erbschaftsansprüche der kaiserlichen Familienmitglieder entnommen wurden.

Mit fiscus hingegen, so meine ich, sind jene Kassen gemeint, die man wohl als Staatskasse der Provinzen bezeichnen könnte. Aber das kann ich schlecht erklären, denn wie will man die Verfügungsgewalt über diese Gelder klar deffinieren, wenn der vom Kaiser bestallte Statthalter über diese Gelder verfügte und damit der Kaiser selbst?

Ich erinnere mich sogar einmal gelesen zu ahben, dass die Prätorianer aus dem aerarium besoldet wurden!

Also zusammenfassend würde ich meinen wollen:
Augustus hatte viele Kompetenzen, aber bei weitem nicht alle. Selbstverständlich hätte er sich alle nehmen können, aber dann wären seine Tage als Kaiser gezählt gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also zusammenfassend würde ich meinen wollen:
Augustus hatte viele Kompetenzen, aber bei weitem nicht alle. Selbstverständlich hätte er sich alle nehmen können, aber dann wären seine Tage als Kaiser gezählt gewesen.

Das ist eine philosophische Frage - was ist Macht? Wenn du so argumentierst, hatte kein Herrscher der Welt wirkliche Macht. Denn selbst Ludwig XIV. konnte zwar alles, außer die Privilegien des Adels angreifen. Napoleon war teilweise auf die revolutionäre Elite angewiesen, usw. Jede Herrscher muss die Elite, auf die sich seine Herrschaft stützt, respektieren.

Bei der Krise des Jahres 23 v. Chr. ging es unter anderem darum, dass man Augustus vorwarf, den Consulat zu monopolisieren. Augustus war seit 30 v. Chr. achtmal Consul, was nicht nur gegen die Gesetze, sondern vor allem auch gegen die republikanische Tradition verstieß.

Mit der Reform 23 v. Chr. (Übernahme der Tribunizischen Amtsgewalt und des Konsularischen Imperiums, Niederlegung des Consulats) hat Augustus kein Quäntchen Macht verloren, sondern einfach nur der republikanischen Tradition des Iterationsverbotes Rechnung getragen - und damit seiner Achtung vor dem Senatorenstand Ausdruck verliehen.

Aufgrund seiner Legionen war er sowohl vor und nach der Staatskrise uneingeschränkter Herrscher.
 
Da nun das aerarium militare aus Steuern finanziert wurde, kann Augustus unmöglich die alleinige Verfügungsgewalt darüber gehabt haben und hat damit seine eigene machtpolitische Patronatsstellung gegenüber dem Heer geschwächt, weil eben die Veteranen nicht mehr aus Augustus' "eigener Tasche" abgefunden wurden.

Soweit mir bekannt ist, gab es unter Augustus das aerarium (also die Staatskasse, Vefügungsgewalt hatte der Senat) und das patrimonium (Vefügungsgewalt hatte Augustus). Das muss wohl mehr oder minder klar abgetrennt gewesen sein, aber das lässt sich nie mehr eindeutig feststellen. Seit Galba gabs eine "dritte" Kasse: das privatum patrimonium (Privatvermögen des jeweiligen Kaisers), die sich wiederum klar vom patrmonium abgrenzte, weil aus ihr bspw. ausschließlich die privaten Erbschaftsansprüche der kaiserlichen Familienmitglieder entnommen wurden.

Mit fiscus hingegen, so meine ich, sind jene Kassen gemeint, die man wohl als Staatskasse der Provinzen bezeichnen könnte. Aber das kann ich schlecht erklären, denn wie will man die Verfügungsgewalt über diese Gelder klar deffinieren, wenn der vom Kaiser bestallte Statthalter über diese Gelder verfügte und damit der Kaiser selbst?

Ich erinnere mich sogar einmal gelesen zu ahben, dass die Prätorianer aus dem aerarium besoldet wurden!

Allgemein zu finanziellen Fragen: Natürlich war das Aerarium saturni unter Kontrolle des Senats, der Fiscus unter dem des Kaisers, das Aerarium militare untergemeinsamer Verwaltung. Das stand im Gesetz, und legale Fragen sind, ich gebe es zu, sehr interessant.

Augustus hatte nach dem Gesetz natürlich nicht alle Kompetenzen, auch nicht sämtliche finanzielle Befugnisse.

Aber mir geht es, über die legale Ebene hinaus, um die Beschreibung des faktischen Zustands. Und da die Senatoren von Augustus bei den verschiedenen lectiones von Augustus ernannt und entlassen wurden, kontrollierte Augustus der Senat. Und da Augustus den Senat kontrollierte, kontrollierte er auch die Gesamtheit der Staatskasse.

Vielleicht weißt du auch, dass Augustus 23 v. Chr. ein rationarium imperii verfassen ließ. Diese Übersicht, sicher eine Art Staatshaushalt, umfasste höchstwahrscheinlich nicht nur eine der verschiedenen Kassen, sondern Einkommen und Ausgaben sowohl der senatorischen und der kaiserlichen Staatsschätze.
 
Mit der Reform 23 v. Chr. (Übernahme der Tribunizischen Amtsgewalt und des Konsularischen Imperiums, Niederlegung des Consulats) hat Augustus kein Quäntchen Macht verloren, sondern einfach nur der republikanischen Tradition des Iterationsverbotes Rechnung getragen - und damit seiner Achtung vor dem Senatorenstand Ausdruck verliehen.

O doch, Augustus verlor Macht mit der Niederlegung des Konsulats. So konnte er bspw. nicht mehr den Stadtpräfekten von Rom ernennen oder die Wahl der Magistrate, also der höheren Beamtenschaft, leiten. Andere verlorengegangene Machtbefugnisse als Konsul, wurden indessen durch neue Zugeständnisse des Senats an ihn wieder wettgemacht.

Es ist schwer, die damaligen Verhältnisse mit unserem heutigen Bewusstsein zu fassen. Deshalb finde ich es immer unangebracht, Vergleiche zu späteren Epochen zu ziehen.

Das Frühe Principat muss anders ausgesehen haben wie das Kaisertum etwa der Antoninen. Das vieles mehr Schein als Sein war, um der Senatsaristokratie nicht allzusehr vor den Kopf zu stossen da gebe ich dir natürlich recht.
 
Vielleicht weißt du auch, dass Augustus 23 v. Chr. ein rationarium imperii verfassen ließ. Diese Übersicht, sicher eine Art Staatshaushalt, umfasste höchstwahrscheinlich nicht nur eine der verschiedenen Kassen, sondern Einkommen und Ausgaben sowohl der senatorischen und der kaiserlichen Staatsschätze.
Und deshalb war es auch logisch, dass derjenige, der diese Übersicht vom todkranken Augustus bekam, von ihm als sein Nachfolger auserkoren war, und nicht der Besitzer seines Siegelrings.
 
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