Mönche im Mittelalter - Bernhard im Vergleich zu Franziskus

S

S. K.

Gast
Wieso hätte Franziskus zur Zeit der Zisterzienser keinen Erfolg gehabt und umgekehrt?

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hatten Norbert, Bernhard und Franziskus?
 
Ich bin mir sicher, dass Norbert von Xanten gemeint ist, aber was die Frage betrifft, wäre es vielleicht zielführender, wenn ihre Ordensgründungen verglichen werden. Mit Blick auf das Wirken dieser Orden und ihre anfänglichen Aufgaben zeigt sich zumindest, dass die drei Herren unterschiedliche Ziele verfolgt haben. Allerdings ist noch zu berücksichtigen, dass die Zisterzienser gar nicht von Bernhard gegründet wurden.

Abgesehen davon, woher wollen wir wissen, dass ein Franziskus zur Zeit eines Bernhards keinen Erfolg gehabt hätte?
 
Vielleicht hätte in der ersten Hälfte des 12. Jh. ein solcher Orden noch als häretisch gegolten? Das ist aber natürlich reine Spekulation. SK, könntest Du die Frage vielleicht etwas präziser stellen? Auf diese sehr "weite" Frage lässt sich nur schwer eine passende Antwort geben. In welcher Hinsicht möchtest Du diese drei Ordensleute vergleichen?
 
Die Zisterzienser sind ja im Prinzip eine Abspaltung der Benediktiner gewesen, die zurück zum verloren gegangenen mönchischen Ideal wollten, sie sind im Kontext mit dem Reformpapsttum zu sehen. Die Zisterzienser suchten gezielt die Wildnis, um ihre Klöster zu bauen.
Die Bettelorden sind eher als Gegenbewegung zur Einrichtung der Kirchenfürsten im Luxus zu verstehen.
 
Norbert von Xanten und Bernhard beide in der Tradition der Benediktsregel, die nach den zeitgenössischen Bedürfnissen modifiziert wurden:
Aus den Umständen des Frühmittels war vor allem Rodung und "Ordnung" des Lands wie z.B. die Errichtung einer engmaschigeren Pfarrorganisation von Filialpfarreien das Anliegen der Benediktiner: sie errichteten ihre Klöster auch an "strategisch" wichtigen Orten, immer auf einem Berg: wichtig war die zentralörtliche Funktion im Blick zunächst nicht einmal auf eine allgemein-zivilisatorische Durchdringung des Umlands, sondern erstmal auf die Erschließung eines Umlands. Wenn man das Ora et labora als Formel zugunsten eines Rationalisierungsprozesses mit langem Atem ansehen will, so fruchtete das ja erfolgreich; der evangelische Rat der Armut, war zur Zeit der ersten Benediktinerkloster noch nicht in der Weise kanonisiert.


Die Zisterzienser siedelten sich im Gegensatz zu den Benediktinern ganz bewusst "unten" - mitten in Tälern an; der herrschaftliche Charakter wurde leicht abgeschwächt und das leben "inmitten der Menschen" gewann an Bedeutung.
Bernhard von Clairvaux war erstaunlich vielseitig, aber zwei Sachen stechen mir immer heraus:
1.
Bekannt und kritisiert wird er in seiner Rolle als Kreuzzugsprediger. Das ich übrigens schon lange einmal differenzierter betrachten oder wissenschaftlich vor Wirtschaftsgeschichtlichem Hintergrund diskutieren: die Kornpreisentwicklung in Phasen, in denen der Mittelmeerhandel warum auch immer blockiert war – nachweisbar etwa für die FNZ (1521, 1529, 1560er usw.) kletterte etwa auf's 20fache und zwar – mehr oder minder gut abgefedert – in ganz Europa… Sofern das für die Zeit Bernhards gilt und er den Zusammenhang als solchen wahrgenommen hat, könne sich Bernhards Kreuzzugsaufrufe auch von einer gewissermaßen pastoral-motivierten Seite als notwendiges Übel interpretieren. Das ist ein allgemein schwieriges Feld abzuwägen, ob Konflikteskalation im Sinn von Wiederherstellung von Gleichgewichten unterm Strich mehr Menschenleben retten, als sie kosten. Die Fährte ist unpopulär und sie aufzugreifen wird verdeckt durch Bernhards Wortwahl, die – wie immer – adressaten- und zweckbezogen verstanden und nicht als Quelle der politischen Absicht gedeutet werden muss. Wenn es Bernhard um einen – schnellen Krieg ging, damit die Hungersnotstände aufhören, lässt sich dieser Aspekt seiner Vita sicherlich rational erklärlicher machen. Dann lässt sich auch die Kreuzzugsrhetorik vor dem Hintergrund eines rationalen Gefühls der Notwendigkeit zu einer Entscheidung maximalen Eskalationsstufe deuten: Immerhin ist es dem Toten egal, ob er an Hunger, durch Seuchen oder durch das Schwert als Klassen-, Rassen- oder Religionsfeind gestorben ist – will sagen: die ideologische Überbauten und Ausdrucks sind kulturbedingt variable Überzeugungsmuster, aber die zu lösenden Probleme bei Hungerkrisen allgemeinmenschlich nachvollziehbar.

2.
Abgesehen von der "europapolitischen" Beurteilung Bernhards, spricht für ihn sein erheblich-nachhallendes Verdienst für die Spiritualitätsgeschichte. Er kann als einer der maßgeblichen Initiatoren einer verinnerlichten Frömmigkeit gelten, der Mystik. Und es ist gerade diese Seite des ja tatsächlich friedliebenden Bernhard, die mich immer wieder zum nachdenken über den ersten Punkt bringt:
Als Gelehrter rezipierte er vor allem (Pseudo-Dionysius Areopagita (ca zw 476 u 510) ( https://de.wikipedia.org/wiki/Pseudo-Dionysius_Areopagita ), die bedeutendste Arbeit im Blick auf die Entwicklung von "Mystik", die als Konzept abseits des Hohens Lieds nicht aus dem AT oder NT hervorgeht, sondern aus der Tradition von praktisch-philosophischen Übungen seit Pythagoras, den großen Griechen, Seneca, Marc Aurel etc. (Lit: Pierre Hadot, Philosophie als Lebensform.) – in christlicher Form v.a. Gregor von Nyssa. Aus der Arbeit von PDA ließ sich – gestützt auf Erfahrungen und Konzeptionen – auch Autorität „der Kirche“ in der Seelenführung argumentativ legitimieren.
Bernhard verband die Methodik zur Unio Mystica mit der Betrachtungen v.a. aus dem NT: vor allem seine Schrift Memorare ( https://de.wikipedia.org/wiki/Memorare ) ist das Ergebnis dieser Synthese und damit ein sehr lange nachwirkender Meilenstein - nicht nur in engeren Spiritualitätsgeschichte: Ein brandneues Buch von Bernd Urban zeigt die Nachwirkung der Schrift über das Mittelalter (etwa Cusanus) hinaus bis ins 20. Jahrhundert (Edith Stein, Rilke; Max Planck).

3.
Franziskus wäre wohl verbrannt worden, wenn die Massenarmut seiner Zeit keinen gewichtigen Anlass gegeben hätte, das Problem kirchlich einzubinden; ferner hatte der junge Orden gewissermaßen das "Glück", dass die Dominikaner als Orden mit ähnlicher Aufstellung mit dem Akzent auf Armut recht früh mit der Inquisition betraut wurden, die schnell einen Großteil ihrer Leute beschäftigte, die für die Armenpastoral fehlten. Diese Lücke wurde für die Franziskaner frei, die den Weg ihrer Integration in die Kirche meisterten - anders als die fromm-bewegten Armenbewegungen, etwa der Beginen, Begarden ( https://de.wikipedia.org/wiki/Beginen_und_Begarden ), Katharer ( https://de.wikipedia.org/wiki/Katharer ) und Alibigenser ( https://de.wikipedia.org/wiki/Albigenserkreuzzug ).

Wie schwer aber die Einbindung des neuen Ordens in die Kirche gewesen ist, zeigt seine Entwicklung innerhalb seiner nächsten drei Generationen: Spätestens ab Bonaventura ( https://de.wikipedia.org/wiki/Bonaventura ) - übrigens nun auch an der Tradition der von Bernhard angeschobenen Rezeption des Aeropagiten angeschlossen - mussten sie bemüht sein, die franziskanische Freiheit - die etwa die ersten Franziskus Vita des Thomas von Celano ausmacht und Franziskus für viele intuitiv zu einem der recht sympathischen Heiligen macht, in eine amtskirchentreue Version zu bringen: Soweit sogar, dass Bonaventura sich wohl gezwungen sah, die Franziskus-Viten des Celano in einer europaweiten Instruktion verbrennen zu lassen: Kirchen- wie ordensgeschichtlicher Hintergrund war vor allem gewissermaßen die veränderten "Zeichen der Zeit" - vor allem der Zug zur verstärkten kirchlichen Institutionalisierung und damit Regulierung vormals eher "freiwüchsiger" Kirchlichkeit, v.a. im Blick auf einbezogene institutionelle Chancen und Zwänge im Reichskirchensystem. Anders als bei Franziskus, dessen Sonnengesang ganz und gar ohne den Areopagiten auskommt und der zum Bau einer Kirche nur genug Steine braucht, ging Bonavantura dazu über, auch die von Bernhard vermittelte Linie der Mystik aus der PDA Tradition mit dem Franziskanischen zu integrieren – möglichweise akzentuierter in den Schriften, als im franziskanischen Alltag.
Wohlgemerkt kommt es erst zu dieser Zeit Kanonisierung der 3 evangelischen Räte. Hintergrund der Wende Bonaventuras zu der Räte Trias ist auch der mit der Rezeption des PDA verbundene Zug zur systematisch praktischen "Übung des Christenlebens": deshalb wurden als Übungsgegenstände nicht zufällig gerade von den Franziskanern (Bonaventura) gerade diese 3 Räte herausgehoben, die nach franziskanischem Verständnis der inneren Freiheit des Menschen im Wege stehend galten. Folgt man der areopagitischen Absicht, geht es bei den Tugenden um "Übungsaufgaben", die zur "Unio Mystica" helfen, d.h. etwas mehr als üblich frei zu sein, nach dem Vorbild Jesu zu entscheiden;
Um eine Dämonisierung der Leiblichkeit ging es nicht, auch nicht um eine Dämonisierung ausreichender Finanzmittel, was übrigens die treibende Konfliktlinie bei den zahlreichen Aufspaltungen des Ordens in seine Zweige darstellte (https://de.wikipedia.org/wiki/Franziskanische_Orden#Armutsstreit ); es ging wohl auch nicht um die Legitimation narzistischer Herrschaftsphantasien durch die Heiligung des Gehorsams an sich, die aber zeitlos den Institutionalisierungsprozessen zu Gute kommt, sondern um eine Mittel zu mehr bis ganz entschiedener Freiheit zum "Hören auf Gott". Das war ein „Mittel“ der Unio Mystica aus der Trad. Des PDA, kein Zweck an sich.
Die Wende in der Kirche dieser Zeit bedeutete auch, dass sich die Franziskaner vom Vorbild des heiligen Franziskus lösen mussten: In der ersten Franziskusvita Celanos, der Franz selber erlebte, gab es einige Stellen, die das Verhältnis zu Clara betreffen, welche dieser Linie einer konsequenten Heraushebung der Keuschheit entgegenstanden. Bonaventura musste die Schriften "purgieren" lassen und schrieb zum Beweis kirchlicher Linientreue eine Reihe weitreichender Schriften für die Kirche, nicht nur zum Hierarchieverständnis ("Gehorsam") wie die eigentlich bis heute nachhallende Begründung zum Zölibat ("Keuschheit").

Alles in allem:
Gemeinsam: alle legen ihren Schwerpunkt auf eine Neuakzentuierung der Lebensform, um eine Antwort auf die drängendsten Problemen ihrer Zeit anzubieten: Dabei sind sie nicht weich, sondern auf ihrem Gebiet entschieden: Franziskus als Armer, Bernhard als Mystiker und Kirchenpolitiker in einer Zeit, in der sich die Kirche institutionalisiert und zwar unterlegt mit der Absicht, die Unio Mystica mehr in den Vordergrund zu stellen.

Unterschied ist:
Bernhard ist ein gelehrter Mystiker, weitvernetzt und mit europapolitischem Einfluss und Kenntnis; Franziskus ist dagegen etwas auf der Flucht und vertraut in Armut ganz auf Gott und wird vor allem in seiner späteren Deutung wirkmächtig; laut seiner ersten Vita bekam Franz seine Traurigkeit über sein Schicksal und die früh divergierenden Tendenzen im Franziskanerorden nicht recht in den Griff, zog sich dann zurück und überließ die theologisch und kirchenrechtlich institutionellen Streitfragen Spezialisten vom Schlag Bernhard’s – vor allem Bonaventura. Ein Heer stellte er nicht auf, um den Hungernden zu helfen, aber gilt als einer der glaubwürdigsten Vertreter reformorientierten und einfachen Christentums.

Lg
 
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