Im September unterhielt sich der Historiker Jerzy Kochanowski mit einem Jenaer Kollegen in der Warschauer Straßenbahn auf Deutsch. Darauf verlangte ein junger Mann, die beiden hätten gefälligst polnisch zu reden. Kochanowski überging die Aufforderung, und prompt versetzte ihm der Polentümler einen kräftigen Schlag vor den Kopf. Die Platzwunde musste genäht werden. Wenig später wurden Asiatinnen in der Warschauer U-Bahn mit der seit den 1920er-Jahren gängigen, ursprünglich antisemitischen Parole angepöbelt „Polska dla Polaków!“ (Polen den Polen!).
Vergangene Woche traf es Krisztián Ungváry, einen der profiliertesten Historiker Ungarns. Er wurde während des offiziellen Gedenkakts zum 60. Jahrestag des Ungarnaufstands von 1956 niedergeschlagen, weil er sich gegen neonationalistische Geschichtsverdrehungen wendet. Ungváry kritisiert zum Beispiel, dass der Führer des Aufstands, Imre Nagy, aus dem staatlichen Gedenken getilgt wurde. Nagy war Reformkommunist, deshalb passt er nicht in das geistige Schrumpfformat von Ministerpräsident Viktor Orbán. Das reicht heutzutage, um vergessen zu machen, dass Nagy nach dem gescheiterten Aufstand wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ verurteilt und gehenkt wurde.
Weder Ungváry noch Kochanowski stehen politisch links. Beide arbeiten strikt quellenorientiert. Hin und wieder rücken sie vaterländische Legenden zurecht. Beide sind Liberale. Genau deshalb ziehen sie rechten Hass auf sich und auch giftige Angriffe aus der linken Ecke. Ungváry war es nämlich, der 1999 die erste, von Jan Philipp Reemtsma mitverantwortete deutsche Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht kritisierte.
Quelle/Weiterlesen: Götz Aly: Auch im Gedenken zerbricht Europa | Berliner Zeitung
Vergangene Woche traf es Krisztián Ungváry, einen der profiliertesten Historiker Ungarns. Er wurde während des offiziellen Gedenkakts zum 60. Jahrestag des Ungarnaufstands von 1956 niedergeschlagen, weil er sich gegen neonationalistische Geschichtsverdrehungen wendet. Ungváry kritisiert zum Beispiel, dass der Führer des Aufstands, Imre Nagy, aus dem staatlichen Gedenken getilgt wurde. Nagy war Reformkommunist, deshalb passt er nicht in das geistige Schrumpfformat von Ministerpräsident Viktor Orbán. Das reicht heutzutage, um vergessen zu machen, dass Nagy nach dem gescheiterten Aufstand wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ verurteilt und gehenkt wurde.
Weder Ungváry noch Kochanowski stehen politisch links. Beide arbeiten strikt quellenorientiert. Hin und wieder rücken sie vaterländische Legenden zurecht. Beide sind Liberale. Genau deshalb ziehen sie rechten Hass auf sich und auch giftige Angriffe aus der linken Ecke. Ungváry war es nämlich, der 1999 die erste, von Jan Philipp Reemtsma mitverantwortete deutsche Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht kritisierte.
Quelle/Weiterlesen: Götz Aly: Auch im Gedenken zerbricht Europa | Berliner Zeitung